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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 1023 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2024
Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte
Moers, Walter

Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte


sehr gut

»Eines Tages gelangten ein Biber und ein Kristallskorpion gleichzeitig an das Ufer eines tiefen und reißenden Flusses. Beide arbeiteten für konkurrierende Lieferdienste, und jeder von ihnen hatte ein wichtiges Eilpaket auszuliefern.«

Er hat es wieder getan. Walter Moers übersetzte ein neues Werk des zamonischen Großschriftstellers Hildegunst von Mythenmetz. Diesmal hat die begnadete Echse Flabeln aus Zamonien zusammengetragen und wer sich jetzt fragt, ob es nicht korrekt Fabel heißen müsste, der war noch nicht oft in Zamonien.

Ohnehin würde ich dieses für Fans sehr unterhaltsame Werk nicht für Zamonien-Neulinge empfehlen. Wer noch nicht weiß, was es mit dem Orm auf sich hat, wer weder Schrecksen kennt noch Buchlinge liebt, sollte besser mit z.B. den „13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ starten.

Die zamonische Flabel unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der in der übrigen Welt bekannten Fabel, sie ist nämlich komplett moralfrei. Das Gute siegt? Wichtige Werte werden vermittelt? Nicht hier. Diese zwanzig Geschichten sind sämtlich schwarz, böse und durch und durch unkorrekt. Ich gestehe, dass ich mir an der ein oder anderen Stelle eine nettere Wendung gewünscht hätte, aber das ist eben Zamonien. Und in jedem Fall wurde ich durch die mal wieder großartigen Mythenmetzschen Abschweifungen und die genialen Illustrationen des Übersetzers versöhnt. Auch die diversen Bezüge zu anderen zamonischen Werken machten mir großen Spaß.

Fazit: Schwarz und böse. Man sollte sich in Zamonien schon auskennen, um diese unterhaltsamen und großartig illustrierten Flabeln richtig genießen zu können.

Bewertung vom 17.11.2024
Der dunkle Wächter
Ruiz Zafón, Carlos

Der dunkle Wächter


weniger gut

»Dem Bericht zufolge war die offizielle Todesursache ein Herzstillstand. In seiner abschließenden Analyse erklärt Doktor Giraud, dass Hannah seiner persönlichen Meinung nach im Wald etwas gesehen hat, das sie in Panik versetzte.«

1937, ein kleiner Küstenort in der Normandie. Irene und ihre Familie hoffen nach einer persönlichen Tragödie auf einen Neuanfang. Irenes Mutter hat eine Anstellung bei einem wohlhabenden Spielzeugfabrikanten bekommen, der auf einem geheimnisvollen Anwesen lebt, umgeben von Hunderten mechanischer Figuren. Macht das Haus dadurch schon einen unheimlichen Eindruck auf die fast Fünfzehnjährige und ihren kleinen Bruder, so tut der umgebende Wald noch ein Übriges. In eben diesem Wald wird eines Tages dann auch ein weiteres junges Mädchen tot aufgefunden und unsere kleine Familie muss bald um ihr Leben kämpfen.

Ich bin enttäuscht. Als großer Fan von Zafóns Barcelona-Reihe war ich mit nicht geringen Erwartungen an dieses Buch gegangen. Dass es als Schauergeschichte und Mystery Thriller bezeichnet wurde, machte mich nur noch neugieriger, denn für eine ordentliche Gruselstory bin ich immer zu haben.

Der Start ins Buch war auch noch ganz ok. Mir war allerdings sofort klar, dass der Spielzeugfabrikant etwas verschweigt und nach wenigen Kapiteln war für mich die Frage nach den geheimnisvollen Schatten und der Erklärung für die dunkle Bedrohung keine solche mehr. Und in der Folge wurde es leider nur noch langweilig. Zwischendurch gab es ein paar gute Momente, bei denen die eigentliche fabelhafte Schreibe des Autors aufblitzte, die Handlung konnte das jedoch nicht retten.

Fazit: Ich liebe die Barcelona-Reihe, aber dieses Buch hier hat mich einfach nur gelangweilt und enttäuscht.

Bewertung vom 27.10.2024
Riptide
Preston, Douglas; Child, Lincoln

Riptide


sehr gut

»Auf einmal tauchte am östlichen Horizont vor ihm ein niedriger dunkler Schatten auf. Hatch drosselte den Motor und spürte, wie seine alte Angst zurückkam. Der Nebel um die Insel war an diesem Tag dünner als sonst, aber trotzdem wirkten ihre Umrisse noch immer unscharf und gespenstisch, und die Wracks der alten Kräne und Winschen ragten wie die Minarette einer zerstörten Stadt in den Himmel.«

Nie mehr wollte Malin Hatch nach Ragged Island zurückkehren. Dort, auf dieser geheimnisvollen Insel vor der Küste Maines, verlor sein Bruder bei einer heimlichen Schatzsuche der Geschwister auf grausame Art sein Leben, dort lag auch die Ursache für den Tod seines Vaters und den Ruin seines Großvaters. Schon in den zweihundert Jahren davor wurden zahlreiche Existenzen vernichtet bei dem Versuch, einen sagenumwobenen Piratenschatz, der auf Ragged Island versteckt sein soll, zu finden. Und nun macht sich erneut eine Expedition auf, ausgerüstet mit den modernsten technischen Möglichkeiten und neuen Hintergrundinformation.
Hatch schließt sich zunächst nur höchst widerstrebend an, lässt sich jedoch bald von der Euphorie anstecken. Es lockt nicht nur viel Geld, sondern auch die Überwindung eines Traumas, das sein Leben beschattet. Doch vor Ort wird aus dem erfolgversprechenden Unternehmen ein lebensgefährlicher Alptraum…

Als großer Fan der Reihe um Special Agent Pendergast lese ich mich so nach und nach durch die anderen Bücher der Autoren. Auch dieses hier konnte mich gleich packen! Der Stil ist so, wie ich es mag, die Handlung des Thrillers untermauert mit zahlreichen wissenschaftlichen und technischen Ausführungen. Mit Malin Hatch konnte ich gleich mitfiebern und auch bei den anderen Teilnehmern der Expedition gab es mehrere interessante Charaktere. Die Spannung baut sich langsam auf, man ahnt aber beim Lesen früh, dass alles auf eine Katastrophe hinauslaufen wird und im letzten Drittel mochte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Kleine Warnung für empfindliche Leser: an einzelnen Stellen wird es fies und eklig.

Fazit: Ein gelungener und spannender Abenteuerroman, der mich gut unterhalten hat.

Bewertung vom 27.10.2024
Die dunkle Stunde der Serenissima / Commissario Brunetti Bd.11
Leon, Donna

Die dunkle Stunde der Serenissima / Commissario Brunetti Bd.11


gut

»Sind es die Fragen, die Ihr Leben gefährden, Signora, oder die Antworten?«

Wieder einmal hat Commissario Brunetti das Problem, dass niemand mit ihm reden will. Dabei versucht er anfangs nur zu helfen… Konkret hatte sich eine Studentin seiner Frau an ihn gewandt, sie versucht die Ehre ihres vor vielen Jahren verstorbenen Großvaters wiederherzustellen und erhofft sich von Brunetti Beratung und Unterstützung. Doch der Commissario hat gerade erst mit seinen privaten Nachforschungen begonnen, als die junge Frau ermordet aufgefunden wird. Nun hat er also einen aktuellen Fall, doch auch bei dem, das wird ihm schnell klar, liegt die Lösung in der Vergangenheit…

Ich mag die Reihe und ich mag Fälle, die einen Bezug zur Vergangenheit haben. Diesmal jedoch konnte mich die Geschichte nicht wirklich packen. Dabei hätte mich der historische Hintergrund durchaus gereizt, er liegt schließlich in der Zeit Mussolinis und des Faschismus und beschäftigt sich mit Menschen, die sich an der Notlage anderer bereichert haben. Ein eigentlich packendes und leider auch immer wieder aktuelles Thema, dessen Potential aber für mein Empfinden hier nicht so genutzt wurde, wie es möglich gewesen wäre. Ich hoffe darauf, dass mich der nächste Band wieder mehr begeistern kann.

Fazit: Ein dunkles Kapitel der italienischen Geschichte liefert hier den Hintergrund, leider nicht so umgesetzt, dass es mich wirklich gepackt hätte.

Bewertung vom 14.10.2024
Erebus
Palin, Michael

Erebus


ausgezeichnet

»Seit Offiziere und Mannschaft der HMS Erebus London verlassen hatten, waren fast vierzehn Monate vergangen. Und obwohl die Reise ereignisreich und mitunter auch gefahrvoll verlaufen war, hatte sie durch gut kartierte Gewässer geführt, in denen, gleich wie abgelegen sie auch sein mochten, vor ihnen schon andere gewesen waren. Doch schon bald würden sie die Grenzen des Bekannten überschreiten und einen Teil der Welt erreichen, für den es keine Karten gab.«

Michael Palin kannte ich bislang nur als Teil von Monty Python. Dass er ein großer Weltreisender ist, entsprechende Berichte geschrieben und Reisedokumentationen gedreht hat, war mir neu. Aber nach der Lektüre dieses Buchs kann ich nur sagen: Fesselnd schreiben, das kann er!

Die HMS Erebus war eines der wichtigsten Forschungsschiffe ihrer Zeit. Gebaut als Kriegsschiff, bekam sie nach Ende der Napoleonischen Kriege eine neue Aufgabe und füllte diese bravourös aus. Ihre wichtigsten Fahrten gingen in die Antarktis und auf der Suche nach der Nordwestpassage ins arktische Eis. Dort wird sie im Juli 1845 letztmals gesehen. Viele Jahre lang suchten zahlreiche Rettungsteams und Expeditionen nach der Besatzung, dem Schiff, den Leichen – vergebens. Erst 2014 wird das Wrack vor der Nordküste Kanadas gefunden.

Michael Palin reist auf Spurensuche an zahlreiche Orte, die Etappen auf der Reise der Erebus darstellten. Ungeheuer lebendig sind seine Schilderungen, gleichzeitig fundiert, penibel recherchiert und durch anschauliche Karten und Illustrationen ergänzt.

Zwei große Reisen stehen im Mittelpunkt des Buchs, die Fahrt in die Antarktis und die fatale, letzte Fahrt. Viel Raum wird auch den Expeditionen gewidmet, die nach der verschollenen Erebus suchten. Ich hätte nicht gedacht, dass mich diese Schilderungen so dermaßen faszinieren könnten, doch das taten sie. Die ungeheuren Herausforderungen, denen sich Mannschaft und Offiziere stellten, lassen sich kaum ermessen, mehr als einmal habe ich mich gefragt, wie man so etwas überhaupt wagen und, zumindest bezogen auf die Reise in die Antarktis, auch überleben konnte! Roald Amundsen wird zitiert, er sprach voller Bewunderung von den Heldentaten der Crew und der Schiffe, die er nach seinen Maßstäben mit Badewannen verglich.

Fazit: Eine große, reale Abenteuergeschichte, penibel recherchiert und packend geschildert.

Bewertung vom 14.10.2024
Der Marsianer
Weir, Andy

Der Marsianer


ausgezeichnet

»So sieht die Situation also aus. Ich bin auf dem Mars gestrandet und kann weder mit der Hermes noch mit der Erde Verbindung aufnehmen. Alle halten mich für tot. Ich sitze in einer Wohnkuppel, die einunddreißig Tage stabil bleiben soll. Wenn der Oxygenator versagt, ersticke ich. Wenn der Wasseraufbereiter versagt, verdurste ich. Wenn die Wohnkuppel nicht hält, explodiere ich einfach. Wenn das alles nicht passiert, geht mir irgendwann der Proviant aus, und ich verhungere.«

Mark Watney hat wirklich mehr als Pech. Als ein enormer Sandsturm ihn und seine Crew zwingt, den Mars nur wenige Tage nach der Ankunft zu verlassen, gelingt allen anderen die Flucht, er allerdings wird von einem Trümmerteil getroffen, für tot gehalten und zurückgelassen. Als er verletzt aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht, ist er allein auf dem Mars, ohne Möglichkeit, mit der Crew oder der Erde Kontakt aufzunehmen und im Grunde ohne Hoffnung. Doch Mark Watney ist keiner, der schnell aufgibt…

Dieses Buch lag ziemlich lang in meinem Regal, SciFi ist normalerweise nicht mein Genre. Doch nachdem ich wenige Seiten gelesen hatte, mochte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Mark nimmt mit großem Mut den Kampf um sein Überleben auf, er weiß, dass in vier Jahren die nächste Marsmission landen soll und analysiert und plant nun, was er anstellen muss, um so lang durchzuhalten. Absolut bewundernswert, was er sich alles einfallen lässt und was er nach zahlreichen Rückschlägen immer wieder umplant und neu angeht! Als er irgendwann Kontakt zur NASA herstellen kann, starten auch auf der Erde enorme Rettungsversuche, in ihrem Einfallsreichtum nicht weniger fesselnd.

Fazit: Extrem spannend, obwohl SciFi eigentlich nicht mein Genre ist, mochte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Bewertung vom 29.09.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

»Die Verkettung unglücklicher Umstände hatte selbst dem vernünftigsten Beamten den Verstand vernebelt, so dass sie in mir eine Art abartiges Ungeheuer sahen … Schließlich hatte ich einen so schrecklichen Vater. Sein gewalttätiges Blut musste auch durch meine Adern fließen, aber es unterschied sich auch von seinem. Statt feurig rot war es blass und zurückhaltend und machte mich zu einem kaltblütigen, hinterhältigen Giftmörder.«

Japan, 1946. Ein kleines, abgelegenes Dorf in den Bergen ist der Schauplatz dieses Krimis. Ein junger Mann namens Tatsuya glaubt zunächst, dass er das große Los gezogen hat. Seine Mutter starb früh, über seinen leiblichen Vater hat sie stets geschwiegen. Nun aber nimmt ein Anwalt im Auftrag einer wohlhabenden Familie Kontakt zu ihm auf, ein großes Vermögen winkt. Allerdings hat die Sache auch einen mächtigen Haken, denn der bislang unbekannte Vater entpuppt sich als grausamer Massenmörder, weshalb Tatsuya in dem Dorf eine Welle von Hass entgegenschwappt. Als sein Großvater gleich beim ersten Treffen tot zusammenbricht, wird das nicht besser – in Tatsuyas Adern fließt schließlich das Blut eines Mörders, nichts anderes konnte man von ihm erwarten. Leider folgen diesem ersten Todesfall in Kürze weitere und auch für den ermittelnden Kommissar rückt der junge Erbe immer mehr ins Zentrum der Verdächtigen. Gut, dass es außerdem noch den Privatermittler Kosuke Kindaichi gibt…

Ich war sehr gespannt auf diesen Klassiker der japanischen Krimiliteratur und wurde nicht enttäuscht. Auf den Leser wartet ein gelungener klassischer Detektivroman mit einem schrägen und unkonventionellen Ermittler, eingebettet in eine dichte Atmosphäre, geprägt von japanischer Kultur und Mythen. Der ausgeprägte Aberglauben der Dorfgemeinschaft bezieht auch einen alten Fluch aus dem 16. Jahrhundert mit ein, ich war froh über das Glossar am Ende.

Erzählt wird aus der Perspektive von Tatsuya, der folglich nie mehr weiß, als Kosuke Kindaichi ihm mitteilt. Er selbst versucht sich auch an eigenen Ermittlungen, was ihn mehr als einmal in große Gefahr bringt. Nach und nach konnte ich gemeinsam mit den Detektiven beim Lesen die Puzzleteile zusammensetzen, das machte viel Spaß. Der Autor ließ Kosuke Kindaichi in allein 77 Büchern ermitteln, bislang sind davon drei ins Deutsche übersetzt. Ich setze gleich mal den nächsten auf meine Liste.

Fazit: Ein klassischer Whodunit, tolle Atmosphäre, japanische Mythen und ein schräger Ermittler. Dieses Buch machte einfach Spaß!

Bewertung vom 24.09.2024
Eis
Lundberg, Ulla-Lena

Eis


gut

»Man muss gucken, wie man zurechtkommt, wenn man auf einer Insel lebt.«

Die Örar-Inseln, einsam gelegen zwischen Finnland und Schweden, Mitte der 1940er Jahre. Pastor Petter Kummel, seine Frau Mona und die kleine Tochter Sanna wollen hier ein neues Leben beginnen. Der Krieg ist vorbei, das ist das eine. Noch gravierender ist aber, dass sowohl Petter als auch Mona aus Familien kommen, in denen die jungen Leute sich eingezwängt und von elterlichen Forderungen bedrängt fühlten. Hier nun, am gefühlten Ende der Welt, können sie selbständig schalten und walten – beide können es kaum erwarten.

Auch die Gemeinde auf Örar freut sich auf die junge Familie. Die Lebensumstände sind hart, weshalb es kein Vorgänger lang bei ihnen aushielt. Die Kummels aber sind von ihrem neuen Heim begeistert, sie lieben die Natur mit all ihren Herausforderungen und den rauen Charme der Bewohner. Auch die mögen sich eine Zukunft ohne den charismatischen Geistlichen und seine zupackende Frau nicht mehr vorstellen, niemals zuvor passten Neuhinzugezogene so perfekt in die Gemeinschaft.

Das Buch schildert die nächsten Jahre, in denen die Kummels Eis und Sturm trotzen, Nordlichter bestaunen, ein weiteres Kind bekommen und in der Gemeinde zu wichtigen und guten Entwicklungen beitragen. Natürlich geht das nicht ohne Reibereien ab, in der Ehe herrscht nicht immer eitel Sonnenschein und der junge Geistliche zweifelt mehr als einmal an sich.

Obwohl es ein ruhiges Buch ist, packte mich der Stil und ich genoss die großartigen Beschreibungen der Natur und der Lebensumstände. Ich fühlte mich richtig in die Handlung hereingezogen, ärgerte mich manches Mal über die ihren Kindern gegenüber oft ungeduldige Mona und liebte den grundguten, manchmal etwas naiven jungen Pastor.

Vermutlich war es diese Nähe zur Handlung, die dann auch dafür sorgte, dass mich ein schlimmes Unglück nicht nur erschütterte, sondern mir die Freude am Weiterlesen nahm. Von diesem Moment an war alles nur noch schrecklich, dazu noch intensiv geschildert, geradezu unerbittlich. Ich habe mich wirklich gefragt, warum das sein musste, warum die Autorin dem Buch kein gutes oder zumindest versöhnliches Ende gönnen konnte. Was soll man da für eine Lehre entnehmen? Egal, wie sehr man sich bemüht, egal, was man in Kauf nimmt, am Ende verliert man? Und alle anderen mit? Es gibt am Ende des Buchs nur Verlierer und leider zähle auch ich mich dazu.

Fazit: Über weite Teile ein wirklich schöner Roman, intensiv, berührend, voller großartiger Beschreibungen. Aber dann raubte mir eine fiese, und wie ich finde unnötige, Wendung alle Freude am Buch.

Bewertung vom 21.09.2024
Endstation für neun
Sjöwall, Maj;Wahlöö, Per

Endstation für neun


ausgezeichnet

»Da … da drinnen liegen jede Menge Leichen.«

Der 13. November 1967 hatte der Polizei in Stockholm mit gewalttätigen Auseinandersetzungen vor der amerikanischen Botschaft schon tagsüber reichlich Arbeit und nicht immer positive Schlagzeilen beschert, der Abend toppt allerdings alles bisher Dagewesene. Um kurz nach elf Uhr, an einem völlig verregneten Abend, entdeckt eine Streife in einem verunfallten Linienbus ein wahres Massaker, neun Menschen, darunter ein Polizist, niedergestreckt durch Maschinengewehrsalven. Ein Schock, auch für die erfahrenen Ermittler aus dem Team rund um Kommissar Martin Beck.

Wow, war das spannend! Schon in den früheren Bänden gefiel mir die realistische Schilderung der Polizeiarbeit und die intensive Atmosphäre, das war hier nicht anders. Der Beginn der Ermittlungen ähnelt einem Chaos, im Polizeipräsidium geht alles drunter und drüber, so geschockt sind Beck und seine Kollegen. Das war so menschlich, das wirkte so echt!

Genau wie die dann folgende kleinteilige Polizeiarbeit. Da werden Berge alter Akten gewälzt, zahlreiche Zeugen vernommen, manche von ihnen mehrfach. Da wird beobachtet, gesucht, immer neuen Gedankengängen nachgegangen, alles äußerst mühsam. Dabei aber so intensiv geschildert, dass ich mich stets mitten in der Handlung fühlte. Deutlich wird zudem, wie sehr ein Ermittlungserfolg vom gesamten Team abhängt, mehrere Kollegen von Beck haben einen genau so hohen Anteil daran wie er selbst.

Fazit: Erneut ein toller Polizeiroman, realistisch, spannend und intensiv. Ich mochte das Buch nicht aus der Hand legen und freue mich auf den nächsten Band.

Bewertung vom 21.09.2024
Salute - Der letzte Espresso
Kalpenstein, Friedrich

Salute - Der letzte Espresso


sehr gut

»Wunderbar, wenn einen die Polizei daran hindert, Polizeiarbeit zu machen.«

Paul Zeitler, im früheren Leben Kriminalhauptkommissar aus München, hat nach einer Suspendierung plus Scheidung alle Brücken hinter sich abgerissen und führt nun am Gardasee ein kleines Café. Die neue Tätigkeit macht ihn sehr glücklich und angesichts zahlreicher netter Nachbarn trauert er seinem alten Leben nicht hinterher.

Als er jedoch im Waschraum seines Cafés einen Toten vorfindet, wendet sich das Blatt. Sein Gast wurde offensichtlich ermordet und der ermittelnde Commissario Lanza sieht in dem deutschen Auswanderer, der nicht einmal italienisch spricht, einen möglichen Täter. Als auch noch in der örtlichen Presse reißerisch über den Mord an einem Cafébesucher berichtet wird, muss Zeitler selbst aktiv werden, um sich zu entlasten und schnell weiteren Schaden von seinem Café abzuwenden.

Leicht wird ihm die Ermittlung allerdings nicht gemacht, vom Sprachproblem mal ganz abgesehen. Irgendetwas geht in Zeitlers Umfeld vor, über das niemand sprechen will…

Als großer Fan der Kommissar-Tischler-Reihe war ich auf den ersten Fall für Zeitler & Lanza gespannt. Den Stil empfand ich auch hier als locker, angenehm und flott zu lesen, die Atmosphäre macht Lust auf einen Urlaub am Gardasee und der Fall entwickelt sich interessant und spannend. Der Ex-Ermittler und der Commissario arbeiten anfangs eher gegeneinander, beide sind eigenwillige Charaktere mit viel Erfahrung, das sollte für Konfliktpotential sorgen.

Was mir ein wenig fehlte, und womit ich eigentlich gerechnet hatte, war der Unterhaltungswert. Natürlich habe ich nicht erneut mit einer liebenswerten Dackeldame gerechnet, aber ein paar witzige Dialoge und Situationen hätte ich schon gut gefunden. So bleibt unterm Strich für mich ein ordentlicher Krimi, den ich zwar gern gelesen habe, bei dem ich die Reihe aber nicht zwingend weiterverfolgen muss.

Fazit: Ordentlicher Krimi, aber mir fehlte das besondere Flair der Kommissar-Tischler-Reihe.