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Bücherfreundin

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Insgesamt 289 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2024
Das verflixt verfluchte Geisterhaus / Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer Bd.7
Stronk, Cally

Das verflixt verfluchte Geisterhaus / Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer Bd.7


ausgezeichnet

Liebevoll gestaltete und spannende Kinderbuchreihe
Mein Enkel liebt die Geschichten um den magischen Detektivkoffer und lässt sie sich immer wieder gern vorlesen. Ich habe mich daher sehr darüber gefreut, dass der Ravensburger Verlag nun "Das verflixt verfluchte Geisterhaus" veröffentlicht hat, den 7. Band aus der Reihe "Die Jagd nach dem magischen Detektivkoffer".

Im Mittelpunkt des fesselnden Abenteuers stehen wieder die Zwillinge Marie und Lukas, die zu ihrem siebten Geburtstag von ihrer Tante Gundula einen Detektivkoffer bekommen haben, mit dessen Hilfe sie Kriminalfälle lösen können. Die Gegenstände, die sich im Koffer befinden, haben verschiedene magische Fähigkeiten. Zwei Ganoven, Theodor Topf und Doris Deckel, tun alles, um in den Besitz des Koffers zu gelangen, und mit einem Trick erreichen sie sogar ihr Ziel. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass Marie und Lukas bald herausfinden, dass sie im gruseligen Geisterhaus suchen müssen ... 

Auch diese Geschichte, die sich an Kinder ab etwa 7 Jahren richtet, ist nicht nur superspannend, sondern auch sehr schön und altersgerecht von Cally Stronk erzählt. Jüngere Kinder freuen sich, wenn sie ihnen vorgelesen wird, Ältere werden zum Selbstlesen animiert, da die Schrift schön groß ist. Die Texte werden durch die wunderschönen bunten Illustrationen von Patrick Fix ergänzt. Das Buch enthält auch Rätsel, die nicht nur von Marie und Lukas, sondern auch vom kleinen Leser zu lösen sind - eine tolle Idee. Allerdings kann es sein, dass bei jüngeren Kindern ein Erwachsener etwas Hilfestellung geben muss.

Der neue Band hat mich mit seinen schönen Texten und Illustrationen wieder begeistert. Besonders gut gefällt mir, wie liebevoll die Personen - und natürlich auch der Hund Sokrates, die Katze Pfötchen und der Wellensittich Brötchen - dargestellt sind. Die Ganoven sind erfreulicherweise so gezeichnet, dass sie die kleinen Leser nicht verängstigen. Das farbenfrohe Cover passt hervorragend zum Titel. 

Absolute Lese- und Vorleseempfehlung für dieses äußerst liebevoll gestaltete Kinderbuch!

Bewertung vom 02.09.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Großartiges Debüt
In dem Roman "Mein Mann" von Maud Ventura, der in Frankreich 2021 zum meistverkauften Debüt wurde, steht eine namenlose Ich-Erzählerin im Mittelpunkt. Sie ist 40 Jahre alt, groß, blond und eine Schönheit, und sie liebt ihren Ehemann, mit dem sie seit 15 Jahren zusammen und seit 13 Jahren verheiratet ist, wie am ersten Tag. Die beiden haben zwei Kinder, einen 9-jährigen Sohn und eine 7-jährige Tochter. Während die Ich-Erzählerin neben ihrer Tätigkeit als Englischlehrerin im Nebenberuf als Übersetzerin für einen Verlag arbeitet, ist ihr Mann im Finanzwesen tätig. Sie bewohnen das schönste Haus ihres Viertels, in dem die Protagonistin ihren Mann jeden Abend mit großer Vorfreude erwartet. 

Die größte Angst der Ich-Erzählerin ist, von ihrem Mann verlassen zu werden. Als Beweis, dass er sie nicht mehr liebt, notiert sie jedes Fehlverhalten ihres Mannes. Warum hält er nicht mehr ihre Hand, wenn sie neben ihm auf dem Sofa sitzt? Wie kann er mit ihr über so unwichtige Dinge wie das Wetter sprechen? Warum erinnert sie ihn an eine Clementine, während eine gemeinsame Freundin ihn an eine exotische Frucht erinnert? Dieser Vorfall kränkt sie sehr, beschäftigt sie ständig und muss bestraft werden wie all seine Vergehen zuvor, über die sie akribisch Buch führt. Doch irgendwann geht sie zu weit ...

Wir begleiten das Ehepaar über den Zeitraum von einer Woche und erleben dabei seinen Alltag und die Erinnerungen der Protagonistin an Begebenheiten mit ihrem Ehemann, bei denen er sie verärgert oder enttäuscht hat. Dass er es wagte, während ihrer Flitterwochen krank zu werden, macht sie heute noch zornig.

Die Geschichte liest sich sehr flüssig, ist stellenweise sogar recht humorvoll. Die schöne Sprache hat mir sehr gut gefallen, auch die großartige Zeichnung der Charaktere. Ich konnte mir das Ehepaar sehr gut vorstellen und habe dabei tief in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin blicken können. Ihre Gedanken kreisen fast ständig um ihren Mann, sie beobachtet ihn und seine Reaktionen ganz genau, achtet auf alles, was er sagt. Sie hat kein Bedürfnis, Zeit mit Freunden oder den Eltern zu verbringen. Selbst ihre Kinder empfindet sie als Störfaktor, denn sie möchte nur mit ihrem Mann zusammen sein. 

Mir hat dieses Ehedrama über obsessive und leidenschaftliche Liebe, Eifersucht, Sehnsucht und Ängste sehr gut gefallen. Ich fand es genial geschrieben, es hat mich gefesselt und nachdenklich gemacht. Das überraschende Ende ist brillant. Ich kann mir sehr gut eine filmische Umsetzung des außergewöhnlichen Buches vorstellen. 

Absolute Leseempfehlung für dieses großartige und kurzweilige Debüt!

Bewertung vom 28.08.2024
Das Schweigen meiner Freundin
Baldelli, Giulia

Das Schweigen meiner Freundin


ausgezeichnet

Großartige Lebens- und Liebesgeschichte
In ihrem Debütroman "Das Schweigen meiner Freundin" erzählt die italienische Autorin Giulia Baldelli die Geschichte der Freundinnen Giulia und Cristi.

Zu Beginn des Romans lernen wir die Ich-Erzählerin Giulia kennen. Die 60-jährige Anwältin wartet im dunklen Wald auf ihre Freundin Cristi, obwohl sie weiß, dass diese nicht kommen wird. Giulia ist sehr krank, sie wird nur noch drei Monate leben. Ihr Mann und ihre Tochter wissen nicht, wo sie ist, sie hat ihnen gesagt, dass sie einen dienstlichen Termin hat. Heimlich ist sie in ihren Heimatort gereist, um Cristi endlich die Wahrheit zu sagen, die sie ihr seit 50 Jahren verschweigt.

Wir begegnen Giulia und Cristi im Jahr 1991. Giulia ist 10 Jahre alt, als sie die drei Jahre Jüngere in der Küche der Großmutter Ida zum ersten Mal sieht. Da Ida vormittags ihrer Arbeit als Köchin nachgeht, wird Giulia die Aufgabe übertragen, während der Sommermonate auf die Kleine aufzupassen. Anfangs ist ihr Cristi, die kaum spricht, lästig, doch schon bald freut sie sich auf die Unternehmungen mit ihr. Im zweiten Sommer gesellt sich Mattia zu ihnen, er ist 11 Jahre alt und ein guter Schüler, der sich manchmal prügelt. Von nun an unternehmen sie viel zu dritt. Mattia und Cristi fühlen sich zueinander hingezogen, und Giulia, die sich in Cristi verliebt hat, reagiert mit Eifersucht.

Das Buch ist in hinreißend schöner Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Wir begleiten die Freundinnen und Mattia durch die Jahre, während der Fokus auf der Ich-Erzählerin Guilia liegt. Diese weiß schon früh, dass sie Jura studieren und Anwältin werden möchte. Ehrgeizig und zielstrebig geht sie ihren Weg, während Cristis Weg ein anderer ist. Außerhalb der Sommerferien lebt sie mit ihrer Mutter in sehr bescheidenen Verhältnissen in Bologna, bis diese einen wohlhabenden Finanzmanager heiratet.

Die Autorin beschreibt ganz wunderbar und mit viel Empathie die tiefe und komplizierte Liebe, die die Personen miteinander verbindet. Die Figurenzeichnung hat mir sehr gut gefallen, ich mochte die zielstrebige Giulia und die schweigsame Cristi, die von der Mutter arg vernachlässigt wird. Wir sehen ihre Stärken und Schwächen, erleben ihre Höhen und Tiefen. Auch die Nebencharaktere sind sehr schön beschrieben, ganz besonders Giulias Eltern, die unverschuldet in Not geraten, Cristis Großmutter Ida und Giulias Mitbewohnerin Pia.

Vom Erzählstil her hat mich das Buch an die Neapolitanische Saga von Elena Ferrante erinnert. Es ist ein Buch über Liebe und Freundschaft, Eifersucht und Sehnsucht, Verrat, Lügen und Depressionen. Ich habe es bis zum für mich stimmigen Ende mit sehr viel Freude gelesen, es ist spannend, mitreißend und hat mich sehr berührt.

Absolute Leseempfehlung für dieses großartige Debüt, das eine große Leserschaft verdient!

Bewertung vom 22.08.2024
Unsere Jahre auf Fellowship Point
Dark, Alice Elliott

Unsere Jahre auf Fellowship Point


gut

Wunderbare Sprache - ärgerliche und unglaubwürdige Wendung
An ihrem neu erschienenen Roman "Unsere Jahre auf Fellowship Point" hat die amerikanische Autorin Alice Elliott Dark 17 Jahre geschrieben. Das schöne Cover mit den beiden jungen Frauen sprach mich sofort an, ebenso der Klappentext, und ich freute mich sehr auf die Lektüre - doch glücklich bin ich mit dem Buch leider nicht geworden.
 
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die beiden Freundinnen Agnes Lee und Polly Wister, die sich seit fast 80 Jahren kennen. Sie sind in Quäkerfamilien in Philadelphia aufgewachsen und haben jeden Sommer in den Sommerhäusern ihrer Familien auf Fellowship Point an der Küste Maines zusammen verbracht. Obwohl sie sehr verschieden sind, ergänzen und respektieren sie sich. Inzwischen sind sie alte Damen, und ihre Freundschaft hat die Jahrzehnte überdauert. Agnes, die eine Krebsoperation vor sich hat, ist seit über 60 Jahren eine erfolgreiche Schriftstellerin und hat bereits einige Romane und eine erfolgreiche Kinderbuchreihe geschrieben. Sie hat nie geheiratet, hat sich schon früh gegen die Ehe ausgesprochen, weil sie sie für antiquiert hält. Ihre Freundin Polly hat einen anderen Lebensweg gewählt, sie ist mit dem Philosophieprofessor Dick verheiratet, die beiden haben drei Söhne. Polly ist gutmütig und immer bemüht, ihrem Mann, der bald in Pension geht, ein angenehmes Leben zu bereiten. Agnes und Polly treffen sich regelmäßig und sind beunruhigt, als sie in einem Zeitungsartikel lesen, dass in der Nähe ihrer Sommerhäuser ein neuer Luxusapartment- und Yachtclubkomplex errichtet werden soll. 
 
In einem zweiten Erzählstrang begegnen wir der 26-jährigen Lektorin Maud, die gemeinsam mit ihrer psychisch kranken Mutter Heidi und ihrer 3-jährigen Tochter Clemmie in einem großen Haus in Manhattan lebt. Sie hat die Idee, Agnes zu überreden, ihre Memoiren zu schreiben. Doch diese zögert ....

Das 733 Seiten umfassende Buch ist in wunderschöner und anspruchsvoller Sprache geschrieben. Der Leser begleitet die Freundinnen während der relativ kurzen Zeitspanne von drei Jahren, die Briefe, die Agnes an ihre Schwester Elspeth schreibt und die einen dritten Erzählstrang bilden, stammen aus den Jahren 1960 bis 1963. Wir blicken außerdem zurück auf die 1870er Jahre, als Agnes' Urgroßvater, William Lee aus Philadelphia und Mitglied einer reichen Händlerfamilie, die gesamte Landzunge auf Fellowship Point kaufte. Er errichtete Häuser für seine Familie und seine Freunde sowie die Angestellten.

Die Autorin beschreibt die Freundschaft der beiden Frauen ganz wundervoll und skizziert nicht nur die Hauptcharaktere sehr liebevoll und intensiv, sondern auch die Nebenfiguren, wie Maud, Robert, Dick und Pollys Söhne, Virgil und Nan. Sehr gut gefallen haben mir der Rückblick in die 1870er Jahre und Agnes' Briefe an ihre Schwester. Weniger gefallen haben mir die teilweise sehr ausführlichen und oft auch unwichtigen Schilderungen von Nebensächlichkeiten, die mich schnell langweilten. Der Kampf um das Vorgehen bezüglich des Vogelschutzgebiets nimmt in meinen Augen zu viel Raum ein. Etwas unterhaltsamer wurde es mit Mauds Einbinden in die Handlung, und erst die Briefe, die Agnes an ihre Schwester schrieb und in denen Geheimnisse und Tragödien offenbart werden, konnten mich fesseln. 

Ich finde es so schade und ärgerlich, dass das mit so wunderbaren Worten geschriebene Buch, in dem es um Liebe und Freundschaft, das Altern und Krankheit, Trauer und Verlust geht, gegen Ende eine völlig unrealistische und auch kitschige Wendung hatte. Außerdem habe ich es sehr bedauert, dass das Leben der Freundinnen, das sie zwischen 1963 und 2000 führten, so wenig Erwähnung fand. Hier hätte ich gern mehr gelesen.

Das Buch konnte leider meine Erwartungen nicht erfüllen - wegen der wunderbaren Sprache gebe ich trotzdem 3 Sterne!

Bewertung vom 21.08.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

Berührende Geschichte über Trauer und die Rückkehr ins Leben
Im neuen Roman "Mein drittes Leben" von Daniela Krien steht die Ich-Erzählerin Linda im Mittelpunkt. Sie ist glücklich mit Richard verheiratet, die beiden haben eine Tochter, Sonja. Als das Mädchen 17 Jahre alt ist, geschieht ein schreckliches Unglück. Ein LKW-Fahrer übersieht Sonja, die mit ihrem Fahrrad unterwegs ist, beim Abbiegen. Sonja überlebt den Unfall nicht. 
Zwei Jahre später hat Linda sich von Richard getrennt und ihre Tätigkeit als Kuratorin im Kunstbereich aufgegeben. Sie ist an Krebs erkrankt und leidet unter den Folgen der Behandlung. In einem kleinen Dorf mietet sie einen Hof und führt ein zurückgezogenes Leben. Sie kümmert sich um ihren Hund Kaja und die Hühner, und sie lenkt sich mit der schweren Hofarbeit ab. Soziale Kontakte pflegt sie kaum. Richard kümmert sich um sie, er besucht sie regelmäßig und hofft, dass sie wieder zueinanderfinden. 
 
Das Buch, das sich dem Thema Trauerbewältigung widmet, ist in sehr schöner und klarer Sprache geschrieben. Mit großer Einfühlsamkeit beschreibt die Autorin Lindas tiefe Trauer über den Tod ihres Kindes und die Unmöglichkeit, ein normales Leben zu führen. Der Verlust ihrer Tochter nimmt ihr den Lebensmut, jegliche Freude und Perspektive. Anfangs noch gefangen in ihrer Trauer und ihrem Schmerz, braucht es viel Zeit, bis es Linda gelingt, sich wieder anderen Menschen zu öffnen und ihnen mit Empathie zu begegnen. Sie erkennt, dass auch ihr nahestehende Menschen schweren Lebenskrisen ausgesetzt sind und versucht ihnen zu helfen.

Wir begleiten Linda nicht nur durch die verschiedenen Phasen der Trauer, sondern erleben auch ihren harten Alltag auf dem Hof. Die körperlich schwere und für sie ungewohnte Arbeit hilft ihr dabei, den Tag zu überstehen, starke Medikamente helfen ihr durch die Nacht. In Rückblicken erfahren wir viel über Sonja und die Mutter-Tochter-Beziehung sowie das vergangene Familienleben, und wir lernen Natascha kennen, deren Tochter durch schweren Autismus behindert ist und in der Linda eine liebe Freundin findet.

Die Autorin beschreibt ihre Haupt- und Nebenfiguren sehr authentisch und lässt uns tief in Lindas Gefühls- und Gedankenwelt blicken. Ich mochte Linda, die ihr Leben neu ordnet und ihrer Trauer Raum gibt, und ich mochte Richard, der sie auf ihrem neuen Weg unterstützt und immer für sie da ist. Mir hat das Buch, in dem es neben Verlust und Trauer auch um Liebe und Freundschaft geht, sehr gut gefallen. Es ist tiefgründig und eindringlich, ohne rührselig zu sein, und es hat mich von Beginn an bis zum hoffnungsvollen Ende gefesselt und zutiefst berührt.

Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Geistreiche Unterhaltung mit viel Witz und Tiefgang
In "Pi mal Daumen", dem neuen Roman von Alina Bronsky, geht es um die beiden Mathematik-Studenten Oscar und Moni, die sich zum ersten Mal in einem Hörsaal begegnen. Oscar ist 16 Jahre alt, ein etwas weltfremder Überflieger mit autistischen Zügen und Adelstitel. Moni dagegen ist schon 53 und hat neben ihrer Tochter Püppi drei Enkel, um die sie sich regelmäßig kümmern muss. Sie hat drei Jobs, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, während sich Oscar dank des Reichtums seiner Eltern nicht ums Geldverdienen kümmern muss. Trotz aller Unterschiedlichkeit und der Herablassung und Ablehnung, mit der Oscar Moni anfangs begegnet, werden die beiden zu Freunden.

Die Geschichte ist, wie ich es von der Autorin bereits kenne, in schöner Sprache mit viel Wärme und noch mehr Humor erzählt, sie liest sich sehr flüssig. Wir lernen zwei Menschen kennen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der Ich-Erzähler Oscar tritt sein Studium mit sehr viel Selbstvertrauen an und ist wenig erfreut, als sich die etwas schrill gekleidete Moni im Hörsaal neben ihn setzt. Sie verwickelt ihn in ein Gespräch, und er erkennt sehr schnell, dass ihr die wichtigen Grundlagen der Mathematik fehlen. Moni indes entwickelt mütterliche Gefühle für den jungen Mann, der sich nicht nur schlecht ernährt, sondern soziale Defizite und sehr spezielle Verhaltensweisen aufweist. Regelmäßig versorgt sie ihn mit Nahrung, während Oscar ihr bei der Lösung komplizierter Aufgabenstellungen hilft.

Ich fand es sehr spannend, Oscar und Moni nicht nur durch die Semester mit all ihren Herausforderungen zu begleiten, sondern auch Einblick in ihr privates Umfeld zu erhalten. Wir lernen Oscars Familie kennen, die mit seinen Eigenarten lebt, auf ihn eingeht und ihn unterstützt, während Monis Familie, die nichts von ihrem Studium weiß, ihre Hilfsbereitschaft und Warmherzigkeit über die Maßen ausnutzt.
Meine Lieblingsfigur war Moni, die eine außergewöhnliche Frau mit mathematischer Begabung ist, leidenschaftliche Mutter und Großmutter mit einem großen Herzen für ihre Mitmenschen. Ich mochte auch Oscar, der sich dank der Freundschaft mit Moni in seinem Sozialverhalten erfreulich weiterentwickelt hat. 

In "Pi mal Daumen" geht es nicht nur um zwei liebenswerte Außenseiter und die Freundschaft, die sie verbindet, sondern auch um Liebe, Selbstvertrauen, die Erfüllung eines Traums - und natürlich um Mathematik. Ich habe das kurzweilige Buch, eine Komödie mit Tiefgang, sehr gern gelesen und mich bestens unterhalten gefühlt.

Leseempfehlung! 

Bewertung vom 13.08.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

Großartiger Roman über eine besondere Freundschaft
In ihrem aktuellen Buch "Ich komme nicht zurück" erzählt die Autorin Rasha Khayat die Geschichte einer Freundschaft. Hanna, Zeyna und Cem kommen aus unterschiedlichen Kulturen und sind seit den späten Achtzigern unzertrennlich. Ihr Zuhause ist eine Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet. Hanna lebt seit dem Tod ihrer Mutter bei ihren Großeltern Felizia und Theo, Zeynas Mutter ist im Krieg durch eine Bombe getötet worden, ihre Tochter wächst bei ihrem Vater Nabil auf. Cem lebt bei seinen Eltern, die einen Lebensmittelladen betreiben. Die enge Freundschaft der drei bekommt durch die Terroranschläge des 11. September 2001 erste Risse. Zeyna und Cem leiden unter den Anfeindungen, denen sie nun ausgesetzt sind, und rücken näher zusammen, während Hanna sich ausgegrenzt fühlt. Zeyna verändert sich, sie wird ruhelos und beschließt, Fotografin zu werden, um die Welt zu bereisen. Schließlich kommt es zu einem Ereignis, das zum Bruch der Freundschaft zwischen Zeyna und Hanna führt.
 
Die Geschichte wird aus Hannas Sicht in der Ich-Form erzählt. Wir begleiten sie im Hier und Jetzt nach ihrer Rückkehr in die Wohnung der Großeltern, nachdem Felizia gestorben ist. Vor dem Hintergrund der Pandemie und den Kontaktverboten vereinsamt sie zunehmend. Sie setzt sich mit Cem in Verbindung, und sie sucht verzweifelt nach Zeyna, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Doch eine Kontaktaufnahme scheint unmöglich ...
 
Auf einer weiteren Erzählebene lernen wir Hanna, Zeyna und Cem als 9-jährige Kinder kennen und sehen sie aufwachsen, erleben sie als Jugendliche und junge Erwachsene. Hannas Großeltern bringen Zeyna große Zuneigung entgegen, Nabil und Theo verbindet eine herzliche Freundschaft.

Das Buch ist in sehr schöner Sprache geschrieben, kraftvoll und gleichzeitig poetisch, es liest sich sehr flüssig. Die Autorin beschreibt die Charaktere ganz wunderbar: die ruhige und eifersüchtige Hanna, die kämpferische und selbstbewusste Zeyna und der ausgleichende Cem, der immer für beide da ist. Ich mochte die drei Freunde, aber meine Lieblingsfigur war die sensible Hanna, die gefangen ist in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit. 
.
Ich habe das Buch, in dem es neben Freundschaft auch um Sehnsucht und Verrat, Einsamkeit, Trauer und Ausgrenzung geht, und das auch den Zeitgeist der achtziger und neunziger Jahre sehr treffend beschreibt, sehr gern gelesen. Es hat mich bis zum hoffnungsvollen und stimmigen Ende gefesselt, berührt und nachdenklich gemacht. 
 
Absolute Leseempfehlung für diesen großartigen Roman!

Bewertung vom 11.08.2024
Und dahinter das Meer
Spence-Ash, Laura

Und dahinter das Meer


ausgezeichnet

Wunderbares Debüt
In ihrem Debütroman "Und dahinter das Meer" erzählt die amerikanische Autorin Laura Spence-Ash die Geschichte der jungen Beatrix, die in London bei ihren Eltern Millie und Reginald Thompson aufwächst. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs beschließen ihre Eltern schweren Herzens, ihre 11-jährige Tochter vor den Bombenangriffen in Sicherheit zu bringen und nach Amerika zu Gasteltern zu schicken. Nach langer Überfahrt mit dem Schiff wird Beatrix von ihrer Gastfamilie, die aus den Eltern Nancy und Ethan Gregory sowie deren Söhnen William und Gerald besteht, herzlich aufgenommen. William ist 13, Gerald 9 Jahre alt. Bea lebt sich in Boston schnell ein und fühlt sich bald als Mitglied der Familie. Die Sommermonate auf der kleinen Privatinsel in Maine, auf der die Gregorys ein Haus besitzen, bilden den jährlichen Höhepunkt im Leben der Familie, und auch Bea liebt die unbeschwerten Ferien am Meer. Als sie 16 Jahre alt ist, endet der Krieg, und es ist für sie an der Zeit, nach London zurückzukehren. 
 
Der mitreißende Roman ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil erleben wir Beas Jahre bei den Gregorys, die zwei weiteren Teile beinhalten die Jahrzehnte danach. Die einzelnen Kapitel sind teilweise kurz und schildern abwechselnd die Ereignisse aus Sicht der einzelnen Familienmitglieder. 

Die Autorin erzählt Beas Geschichte, die einen Zeitraum von fast 40 Jahren umfasst, in ganz wunderbarer und bildhafter Sprache. Mit viel Feingefühl und Wärme beschreibt sie die liebenswerten Charaktere. Neben der anfangs sehr schüchternen Bea lernen wir die herzliche Nancy kennen, die sich immer nach einer Tochter gesehnt hat, und den ruhigen Ethan, der als Mathematiklehrer an einer Privatschule tätig ist. Während Bea ein aufregendes Leben in Boston lebt, vermissen ihre in London zurückgebliebenen Eltern sie schmerzlich und sehnen den Tag herbei, an dem sie ihr Kind wieder in die Arme schließen können. 

Wir begleiten Bea während der spannenden Jahre in Boston und erleben ihre Rückkehr nach London. Dort fällt es ihr schwer, sich wieder einzugewöhnen, sie sehnt sich nach ihrer Gastfamilie. Ich konnte sehr gut nachvollziehen, dass sie sich hin- und hergerissen fühlt zwischen zwei Welten. Im London der Nachkriegsjahre muss sie ihren Weg finden, das Verhältnis zur Mutter gestaltet sich wegen deren Eifersucht auf die Gregorys schwierig. Die Jahre vergehen, und wir folgen Bea und den Mitgliedern beider Familien durch die Zeit, erleben dabei ihre Schicksalsschläge, Höhen und Tiefen. 

Die wunderbare Geschichte, in der es neben Liebe, Familie und Freundschaft auch um Verlust und Trauer geht, hat mir sehr gut gefallen, sie hat mich gefesselt und zutiefst berührt.

Absolute Leseempfehlung! 

Bewertung vom 07.08.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


ausgezeichnet

Faszinierend und fesselnd
In ihrem zweiten Roman "Cascadia" führt uns die amerikanische Autorin Julia Phillips auf die malerische Insel San Juan im Nordwesten der USA. Dort bewohnen die Schwestern Sam und Elena gemeinsam mit ihrer Mutter ein inzwischen vom Verfall bedrohtes Haus, das die Großmutter nach dem Tod ihres Mannes gekauft hatte. Sam ist 28 Jahre alt und arbeitet nach durch die Pandemie verursachter zweijähriger Arbeitslosigkeit wieder im Bistro auf einer Fähre. Die fast 30-jährige Elena hat die kleine Familie mit ihren Einkünften im örtlichen Golfclub über Wasser gehalten, doch nach wie vor ist das Geld knapp, die unbezahlten Rechnungen stapeln sich. Es ist Sams Traum, mit Elena die Insel zu verlassen, um sich gemeinsam mit ihr ein neues, ein besseres Leben aufzubauen. Doch die Erfüllung ihres Traums liegt noch in weiter Ferne, da ihre Mutter betreut und gepflegt werden muss. Sie ist schwer lungenkrank und hat Sarkoidose, die Lösungsmittel im Nagelstudio, in dem sie arbeitete, haben sie krank gemacht. Eines Tages steht ein wilder Bär vor ihrem Haus, der das Leben der Schwestern und auch ihre Beziehung zueinander verändern wird .....
 
Wir erleben zwei Schwestern, die in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Beide arbeiten hart, doch die geringen Einkünfte reichen nicht aus, um ihnen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Ihre Schulden wachsen durch die Behandlungskosten der Mutter stetig. Während Elena eher praktisch veranlagt ist und sich in hohem Maße um die Mutter kümmert, träumt Sam von einer sorglosen, finanziell gesicherten Zukunft. Mit dem Auftauchen des Bären geht eine Veränderung mit Elena vor. Während Sam sich vor dem Tier fürchtet, sucht ihre Schwester Kontakt zu ihm, sie füttert es und spricht mit ihm.

Die Geschichte ist in schöner Sprache ruhig erzählt und liest sich sehr flüssig. Die Autorin hat nicht nur die Hauptcharaktere, sondern auch die Nebenfiguren ganz wunderbar gezeichnet. Die psychische Verfassung von Sam ist hervorragend dargestellt, ebenso Elenas spirituelle Bindung zu dem Bären. 

Das fesselnde Buch, in dem es neben Familie und Geschwisterbeziehung auch um Armut, Krankheit und Träume geht, hat mir sehr gut gefallen, es hat mich fasziniert und erschüttert. Ich mochte die verbitterte und träumerische Sam trotz ihrer etwas schroffen Art, und ich mochte die besonnene und sanfte Elena, die den wilden Bären als Bereicherung empfindet und sich auf die Begegnungen mit ihm freut. Die Geschichte endet überraschend, heftig und schockierend. Ich habe mich natürlich gefragt, ob ich eine reale Geschichte gelesen habe oder ein Märchen. Das Buch ermöglicht jedem, seinen Gedanken viel Raum zu geben und seine ganz persönliche Antwort zu finden.

Absolute Leseempfehlung für dieses außergewöhnliche und spannende Buch!
Faszinierend und fesselnd

Bewertung vom 04.08.2024
Wenn die Welt nach Sommer riecht
Dutzler, Herbert

Wenn die Welt nach Sommer riecht


ausgezeichnet

Fesselnde und unterhaltsame Reise ins Österreich der siebziger Jahre
Der neue Roman "Wenn die Welt nach Sommer riecht" von Herbert Dutzler spielt auf zwei Zeitebenen. Im Hier und Jetzt betrachtet Siegfried Niedermayr ein Fotoalbum, das er nach dem Tod der Mutter aus ihrem Haus mit nach Hause genommen hat. Es ist sein allererstes Fotoalbum, und die Fotos, anfangs noch schwarz-weiß, erinnern ihn an ein bewegtes und aufregendes Jahr, als er 13 Jahre alt war.

Auf der Vergangenheitsebene entführt uns der Autor ins Österreich der siebziger Jahre. Wir begleiten den 13-jährigen Ich-Erzähler Siegfried, kurz Sigi genannt, für die Dauer eines Jahres. Sigi lebt mit seinen Eltern Edeltraud und Adolf sowie seiner jüngeren Schwester Uschi und der Großmutter in einem alten Bauernhaus auf dem Land. Er ist ein wissbegieriger Schüler, der nach den Ferien in die vierte Klasse des Gymnasiums kommt. Er liest mit großer Leidenschaft die Bücher von Karl May, interessiert sich für Raumfahrt und kocht gern, was der Vater nicht gern sieht, da Kochen für ihn Frauensache ist.

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, sie ist in schöner Sprache und mit viel Herz und Humor erzählt. Die Charaktere sind liebevoll und vollkommen authentisch beschrieben. Ich mochte Sigi, der kein Kind mehr ist, der dafür kämpft, seine Haare etwas länger tragen zu dürfen und der erste romantische Gefühle für ein Mädchen aus der Parallelklasse entwickelt. Das Buch beinhaltet neben Sigis Alltag innerhalb der Familie und der Schule auch Themen wie erste Erfahrungen mit Zigaretten und Alkohol sowie die Probleme, die durch die Herausgabe einer Schülerzeitung entstehen.

Mein Lieblingskapitel ist der Besuch bei Tante Irmgard in Wien, als Sigi zum ersten Mal auf einer Rolltreppe fährt, seinen ersten Toaster sieht und sich für den Farbfernseher der Tante begeistert, damals noch keine Selbstverständlichkeit in den Haushalten. Die Unternehmungen dieses Wochenendes begeistern ihn und werden ihm immer in Erinnerung bleiben.

Das Jahr mit Sigi als 13-Jährigem ist wie im Flug vergangen. Es hat mir sehr viel Lesefreude bereitet, in die mir vertraute Welt der siebziger Jahre einzutauchen, als der Haushalt in vielen Familien noch Frauensache und die Erziehung sowohl zuhause als auch in der Schule autoritär war. Ich habe Sigi gern begleitet, oft geschmunzelt und ihn manchmal bedauert. Es würde mich sehr freuen, bald wieder über ihn und seine Familie lesen zu dürfen.

"Wenn die Welt nach Sommer riecht" ist nach "Die Welt war eine Murmel" und "Die Welt war voller Fragen" bereits der dritte Band um Sigi Niedermayr. Die Bände können unabhängig voneinander gelesen werden, da in jedem Buch die familiären Strukturen gut beschrieben werden.

Absolute Leseempfehlung von mir für diese wunderbare, mit viel Herz und Humor geschriebene Geschichte!