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Zabou1964
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 193 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2023
Provenzalische Täuschung / Pierre Durand Bd.9
Bonnet, Sophie

Provenzalische Täuschung / Pierre Durand Bd.9


ausgezeichnet

Ich habe mich sehr gefreut, dass diese Reihe um den sympathischen Dorfpolizisten Pierre Durand weiterging. Ich verfolge sie vom ersten Teil an. Die Beschreibungen der provenzalischen Landschaft und ihrer Bewohner bezaubern mich immer sehr. Zudem hat die Autorin ein Faible für die französische Küche und teilt das ein oder andere Rezept mit ihren Lesern. Spannend sind ihre Krimis zudem jedes Mal. Das ist für mich der ideale Mix.

Im nunmehr neunten Fall wird Pierre sogar selbst verdächtigt, einen Kontrahenten aus dem Weg geräumt zu haben. Gilbert Langlois wird tot in einem Bach entdeckt. Er wollte Pierre seinen Posten streitig machen. Bei Nachforschungen wird festgestellt, dass Langlois einige Dorfbewohner beobachtet und erpresst hat. Von Pierre existieren auch Fotos, was ihn hochgradig verdächtig macht. Er wird sofort von den Ermittlungen ausgeschlossen. Aber Pierre kann es natürlich nicht lassen und ermittelt auf eigene Faust weiter. Dabei stößt er auf einige Ungereimtheiten in der Vergangenheit des Bürgermeisters Marechal und des Opfers. Was verbindet die beiden Männer? Und wer ist der wahre Mörder?

Sophie Bonnet schildert in ihrem Roman nicht nur den Kriminalfall. Sie recherchiert immer sehr gut und flechtet viel Hintergrundwissen in ihre Geschichten ein. In „Provenzalische Täuschung“ erfährt man viel über Trüffel und den Algerienkrieg. Insbesondere das Thema Algerien interessiert mich sehr und ich habe mich nach der Lektüre weiter damit beschäftigt.

Auch Pierres Privatleben – seine Hochzeit mit Charlotte rückt immer näher – wird wieder sehr authentisch geschildert. Ich mag ihn und seine Braut sehr gerne. Was die Feierlichkeiten angeht, befindet sich Pierre in einem Dilemma: Charlotte möchte fein in einem teuren Hotel heiraten, Pierre hätte es lieber bescheiden in ihrem eigenen Haus. Das wirft Konflikte auf, die zusätzlich zum Kriminalfall gelöst werden wollen.

Auch der neunte Fall dieser Reihe hat mich wieder sehr gut unterhalten und mir viel Hintergrundwissen vermittelt. Der Kriminalfall ist spannend erzählt und wird am Ende schlüssig aufgeklärt. Nun bin ich bereits sehr gespannt auf den zehnten Fall und kann es kaum erwarten, wieder auf die guten alten Freunde, zu denen die Protagonisten im Laufe der Jahre wurden, zu treffen.

Bewertung vom 16.05.2023
Mörderisches aus Westfalen
Kruse, Margit

Mörderisches aus Westfalen


ausgezeichnet

In ihrem neuen Band mit Krimi-Kurzgeschichten entführt uns Margit Kruse ins „mörderische Westfalen“. Kreuz und quer durch die malerische Region in der Mitte Deutschlands lässt sie ihre Figuren zum Teil skurrile Morde begehen. Die Geschichten haben mich oft zum Schmunzeln gebracht. Das ist auch der besonderen Gabe der Autorin geschuldet, den Menschen aufs Maul zu schauen und deren dialektische Eigenheiten gekonnt und witzig aufs Papier zu bringen. Zudem baut sie auf sehr unterhaltsame Art und Weise die ein oder andere Anekdote aus der jeweiligen Region in ihre Geschichten ein.

Neben zwölf spannenden Krimis bietet dieses Buch viele wertvolle Tipps für Ausflüge in Westfalen. Von der Sparrenburg in Bielefeld über das Kloster Dalheim, das malerische Bad Sassendorf bis hin zu einer Schnapsbrennerei im Münsterland führt Margit Kruse ihre Leser durch die schöne Region.

Ganz besonders hat mich gefreut, dass meine liebste Protagonistin Margarete Sommerfeld auch in zwei Geschichten vorkam. Dieser Figur hat Margit Kruse eine ganze Reihe gewidmet, die ich mit größtem Vergnügen gelesen habe.
Eine kleine Übersichtskarte mit den Handlungsorten der Geschichten hätte ich noch hilfreich gefunden. Aber in Zeiten des stets zur Verfügung stehenden Internets ist diese verzichtbar.


Fazit:
Zwölf spannende Kurzkrimis für alle, die Westfalen bereits kennen oder aber noch kennenlernen möchten.

Bewertung vom 26.04.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Als erstes hat mich das Cover angesprochen. Es zeigt eine Frau im roten Badeanzug, die ins Wasser taucht. Dabei wirkt das Bild wie gemalt. Dann hat mich der Titel neugierig gemacht. Denn, als ich noch regelmäßig schwimmen ging, bin ich auch immer exakt 22 Bahnen geschwommen. Die Inhaltsangabe hat mich dann vollends überzeugt, diesen Debütroman von Caroline Wahl lesen zu wollen. Und, um das mal vorwegzunehmen, ich wurde nicht enttäuscht.

Hauptfigur ist die junge Tilda, Mathematikstudentin, Kassiererin in einem Supermarkt, Schwester einer 10-jährigen und Tochter einer Alkoholikerin. Sie lebt mit Mutter und Schwester in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland und versucht, ihr Leben zu managen. Als Flucht aus diesem Kreislauf geht sie ins Freibad und schwimmt jeden Tag exakt 22 Bahnen. Eines Tages sieht sie dort den jungen Russen Viktor, mit dessen Bruder sie einst befreundet war. Aber damals ist etwas Schlimmes passiert. Deshalb versucht Tilda, Viktor aus dem Weg zu gehen, obwohl er ihr ausnehmend gut gefällt. Gleichzeitig versucht sie, ihre kleine Schwester Ida stärker und selbstbewusster zu machen, damit diese den Angriffen der alkoholisierten Mutter besser begegnen kann.

Der Schreibstil dieses Romans ist sehr außergewöhnlich. Die Geschichte wird im Präsens in der Ich-Form erzählt, die wörtliche Rede wie in einem Drehbuch dargestellt. Aber ich habe mich relativ schnell eingelesen. Auf nur 208 Seiten habe ich die Protagonistin Tilda gut kennengelernt, konnte ihr Handeln meistens gut verstehen. Sie muss, obwohl sie selbst noch jung ist, eine enorme Verantwortung übernehmen. Trotzdem resigniert sie nicht. Das hat mir sehr gut gefallen. Ihre kleine Schwester Ida ist voller Selbstzweifel. Beide sind von unterschiedlichen Vätern, beide Väter sind von der alkoholkranken Mutter fortgegangen. Diese ist völlig überfordert und neigt zu Wutausbrüchen.

Obwohl die Situation eher trostlos ist, habe ich diesen Roman sehr positiv empfunden. Das liegt sicher vor allem an der sympathischen Hauptfigur, die Caroline Wahl erschaffen hat. Aber auch die Sprache ist positiv und zeitgemäß.

Ich bin sehr gespannt auf weitere Werke der Autorin, die ich mit Sicherheit auch lesen werde.

Fazit:
Ein vielversprechendes Debut.

Bewertung vom 19.04.2023
Der Ahorn und die neue Welt
Baites, Mina

Der Ahorn und die neue Welt


ausgezeichnet

Der letzte Band der bewegenden Breitenbach-Saga spielt Anfang der 20er-Jahre in Berlin und Colorado. Der größte Teil der Familie Breitenbach ist in die USA ausgewandert. Nur Isa, die seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt, und ihre Eltern sind in Berlin geblieben. Isa hat als Schuhdesignerin einen eigenen Betrieb gegründet, der sehr erfolgreich ist. Ihr Freund Mikail, ein jüdischer Orthopäde, bekommt den zunehmenden Hass auf Juden langsam zu spüren. Aber auch im fernen Amerika gibt es Rassismus. Hier treibt der Ku-Kux-Klan sein Unwesen. Auf dem Firmengelände der Breitenbachs geschieht ein Mord. Opfer ist ein Schwarzer. Obwohl die Familie Breitenbach alles andere als rassistisch ist, begegnet man ihnen mit großer Skepsis. Die Geschäfte laufen äußerst schleppend an. Aber die Familie hält nach wie vor zusammen.

Ich habe diese Familiensaga vom ersten Band an verfolgt. Mit Wehmut nahm ich den fünften und letzten Band zur Hand. Die Geschichte nahm mich sofort wieder gefangen. Es war, als träfe man alte Freunde wieder. Die Autorin hat mit viel Einfühlungsvermögen die Ereignisse in Deutschland und in den USA geschildert. An mancher Stelle standen mir Tränen in den Augen. Isa und Sam waren in diesem Band meine Lieblingsfiguren. Die behinderte Isa ist eine Kämpferin und auch Sam, der ein Halbblut ist, ist ein starker junger Mann, der seinen Weg geht.

Am Ende habe ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge das Buch zugeklappt. Es ist traurig, von der Familie Abschied zu nehmen. Aber die Autorin hat schon ein neues Werk in Arbeit, das ich mit absoluter Sicherheit auch wieder lesen werde.

Fazit:
Ein würdiger Abschluss einer bewegenden Familiengeschichte.

Bewertung vom 06.04.2023
Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller
Ludwig, Stephan

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller


ausgezeichnet

Stephan Ludwig ist mir als Autor gut bekannt. Ich mag die Zorn-Reihe sehr und auch „Unter der Erde“, sein erster eigenständiger Roman außerhalb der Zorn-Reihe, hat mir sehr gut gefallen. „Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller“ ist ebenfalls ein Kriminalroman, jedoch ganz anders als die anderen des Autors. Wie der Titel und das Cover bereits vermuten lassen, ist dieses Buch satirisch angehaucht. Die Figuren sind teilweise überzogen dargestellt und die Handlung wird im Laufe der Geschichte immer skurriler. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen.

Herr Heinlein ist Ende fünfzig und führt bereits in dritter Generation „Heinlein’s Delikatessen- und Spirituosengeschäft“. Er ist ein Kavalier alter Schule und pflegt beste Umgangsformen. Den Prinzipien seiner Vorfahren, immer auf allerbeste Qualität zu achten, bleibt er stets treu. Seine Tage haben einen festen Ablauf. Er steht früh auf, bereitet seine berühmten Pasteten zu, eröffnet pünktlich um 10 Uhr seinen Laden und bedient seine Kunden mit ausgesuchter Höflichkeit und Fachwissen. Ihm zur Seite steht sein Gehilfe Marvin, ein autistischer junger Mann, dem er eine Chance in seinem Laden gegeben hat. Außerdem gibt es noch Norbert Heinleins Vater, der an Demenz leidet und von ihm und Marvin liebevoll gepflegt wird. Also eher alles spießig und mehr oder minder langweilig, bis eines Tages ein neuer Kunde, Adam Morlock, seinen Laden betritt. Dieser mischt sich mehr und mehr in Heinleins Belange ein, bis er eines Tages durch einen dummen Zufall ums Leben kommt, mitten in Heinleins Küche. Dieser weiß sich nicht anders zu helfen, als den Toten ins Kühlhaus zu schaffen. Aber bei einer Leiche im Keller soll es nicht bleiben …

Norbert Heinlein ist mir mit seiner etwas unbeholfenen Art sofort ans Herz gewachsen. Obwohl er ein Mann von Welt sein will, macht er auf mich einen etwas naiven und tollpatschigen Eindruck. Marvin mochte ich ebenfalls sehr. Er ist ein treuer Geselle, der seinem Chef stets zur Seite steht. Der Tod Morloks wirft die beiden aus ihrer gewohnten Routine. Heinlein verstrickt sich immer mehr in Lügen, sein Handeln wird immer skurriler. Ich habe mehr als einmal laut lachen müssen während des Lesens.
Zudem ist das Buch auch spannend. Ich habe gehofft, dass niemand Herrn Heinlein auf die Schliche kommt. Denn alle Opfer sind mehr oder weniger durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gestorben. Mein Highlight war das Auftauchen der Figuren Zorn und Schröder. Gerade Schröder mag ich außerordentlich gerne.

Der Schreibstil ist so bildhaft, dass die Geschichte wie ein Film vor meinem inneren Auge abgelaufen ist. Sollte der Roman tatsächlich verfilmt werden, so wünsche ich mir in der Rolle des Norbert Heinlein Jan Josef Liefers. Seinen Vater könnte Dieter Hallervorden hervorragend darstellen. Aber egal, welche Schauspieler gewählt würden, ich würde mir den Film liebend gerne anschauen. Ebenso werde ich auch weiterhin jedes Buch des Autors Stephan Ludwig lesen.

Bewertung vom 29.03.2023
Besser allein als in schlechter Gesellschaft
Altaras, Adriana

Besser allein als in schlechter Gesellschaft


ausgezeichnet

Ich mag Adriana Altaras sowohl als Schauspielerin als auch als Schriftstellerin sehr gerne. In diesem Buch erzählt sie über ihre Tante Jele, bei der sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachte, auf eine sehr erfrischende und bewegende Art und Weise. Das Buch ist eine Liebeserklärung an diese stolze und intelligente Frau.

„Meine Tante sitzt fest.“ Das ist der erste Satz dieses Buches. Die Tante der Autorin ist 99 Jahre alt und lebt, seit einem Oberschenkelhalsbruch nach einem Sturz, unfreiwillig in einem Pflegeheim in Mantua, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens wohnte. Jeles hundertster Geburtstag steht kurz bevor. Doch sie darf keinen Besuch empfangen. Wegen der Coronapandemie ist sie streng abgeschottet von der Außenwelt. Adriana darf nicht nach Italien reisen. Aber die beiden Frauen, die so eng miteinander verbunden sind, telefonieren täglich.

Das bewegte Leben der betagten Dame wird abwechselnd aus Adrianas und Jeles Perspektive erzählt. Tante Jele war als junge Frau in einem kroatischen Konzentrationslager, aus dem ihr späterer Ehemann sie befreite. Den hat sie nie geliebt und nur aus Dankbarkeit geheiratet. Mit ihm hat sie in Mantua gelebt, unter einem Dach mit seiner Mutter und seiner Tante, die sie beide bis zu deren Tod gepflegt hat. Als Adriana vier Jahre alt war, mussten ihre Eltern aus Jugoslawien fliehen. Adriana kam zu ihrer Tante Jele. Die Zeit mit dieser außergewöhnlichen Frau hat sie sehr geprägt.

Dieses Buch hat mich tief bewegt, zum Lachen und zum Weinen gebracht. Es ist eine Liebeserklärung an eine außergewöhnliche Frau. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen.

Fazit:
Ein bewegtes Leben!

Bewertung vom 02.03.2023
Roxy
Bülow, Johann von

Roxy


ausgezeichnet

Als ich den Debütroman des Schauspielers Johann von Bülow entdeckte, war meine Neugier sofort geweckt. Das farbenfrohe Cover, das ganz in Orange-, Rot- und Pinktönen gehalten ist, hat meinen Blick magisch angezogen. Der erste Satz „Freundschaft ist etwas Seltsames.“ hat mich sofort schmunzeln und innehalten lassen. Ich wollte wissen, was es mit der Freundschaft der beiden Jungen Marc und Roy auf sich hatte.

Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein: Marc, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, stammt aus einem soliden Elternhaus in einer Reihenhaussiedlung in München. Roy wächst in einer Villa auf. Seine Eltern sind reich, es fehlt ihm an nichts. Die beiden lernen sich als Kinder kennen und bleiben ein Leben lang, mal mehr, mal weniger, befreundet. Der Roman beginnt damit, dass Marc von Berlin nach München zur Beerdigung seines Freundes fährt, der im Alter von 47 Jahren verstorben ist. Auf der langen Fahrt lässt er die gemeinsame Zeit Revue passieren und denkt über Freundschaft nach.

Roy war mir eigentlich an keiner Stelle der Geschichte sympathisch. Er ist verwöhnt, überheblich und arrogant. Er ist der deutlich dominantere in der Freundschaft mit Marc. Der war mir sofort sympathisch. So richtig konnte ich nicht nachvollziehen, weshalb Marc mit Roy befreundet ist. Aber so ist es wohl manchmal im Leben. Die beiden wachsen zusammen auf. Der Leser erfährt viel über die Zeit in den 70er, 80er und 90er Jahren. Einige Begebenheiten kamen mir durchaus bekannt vor: die ersten Schwärmereien für Mädchen, Diskothekenbesuche (Roxy ist der Name einer Münchner Diskothek), erste Erfahrungen mit Alkohol und Drogen, die erste Liebe.

Sprachlich ist der Roman ein Genuss. Man merkt, dass der Autor Schauspieler ist. Seine Sprache ist so bildhaft, dass die Geschichte wie ein Film vor meinem inneren Auge ablief. Heitere und ernste Passagen wechseln sich ab. Die Geschichte hat mich auch zum Nachdenken angeregt.

Ich hoffe sehr, dass Herr von Bülow neben seiner Tätigkeit als Schauspieler noch einmal Zeit findet, einen Roman zu schreiben. Ich werde ihn auf jeden Fall lesen.

Fazit:
Unterhaltsamer Coming-of-Age-Roman, der mich sehr gut unterhalten hat.

Bewertung vom 07.12.2022
Margarete Steiff / Ikonen ihrer Zeit Bd.8
Lüding, Kristina

Margarete Steiff / Ikonen ihrer Zeit Bd.8


gut

Als ich dieses Buch entdeckte, wollte ich es sofort lesen. Wer kennt nicht die wunderschönen Plüschtiere aus dem Hause Steiff? Die Geschichte der Firmengründerin ist bereits mehrfach erzählt worden, unter anderem in einem berührenden Film mit Heike Makatsch als Margarete. Ich war neugierig, wie Kristina Lüding das Leben der Frau Steiff erzählt.
Margarete muss bereits als Kind im Rollstuhl sitzen, nachdem sie an Kinderlähmung erkrankte. Sie wächst mit zwei Schwestern und einem Bruder in einem strengen Elternhaus auf. Ihr Bruder ist ihr Verbündeter, die beiden erleben als Kinder viele Abenteuer. Im Alter von 27 Jahren gründet sie mit ihren Schwestern eine kleine Näherei und bessert die Kleidung aus der Nachbarschaft aus. Als ihre Schwestern heiraten, schafft sie es, entgegen allen Unkenrufen, allein weiterzumachen. Sie ist die erste im Dorf, die eine Nähmaschine besitzt. Schon bald stellt sie Personal ein. Als sie ein Nadelkissen in Form eines kleinen Elefanten anbietet, das von den Kindern zum Spielen genutzt wird, beginnt der Siegeszug der Firma Steiff.
Der Roman hat nur 288 Seiten, was mich schon etwas stutzig machte. Hat die Gründerin des Unternehmens so wenig erlebt? Gibt es über sie so wenig zu erzählen? Was mich dann aber vollends erstaunt hat, war eine eingebaute Liebesgeschichte, die meines Wissens nicht belegt ist. Margarete Steiff war Zeit ihres Lebens unverheiratet und kinderlos. Ob sie jemals verliebt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich fand diesen Teil des Romans jedenfalls überflüssig.
Die Sprache ist sehr einfach gehalten, wodurch sich der Roman leicht lesen lässt. Margarete erlebt Höhen und Tiefen. Dass sie „nur so vor Lebensfreude sprüht“, wie es der Klappentext beschreibt, kann ich nicht behaupten. Sie stößt immer wieder an ihre körperlichen Grenzen, wird durch diverse Schicksalsschläge erschüttert, verliert dabei aber nie ihren Lebensmut. Genau das macht das Buch authentisch, was mir gut gefallen hat.
Trotzdem hätte ich gerne mehr erfahren, z. B. über ihr soziales Engagement gegenüber ihren Angestellten, was im Roman nur in einem Nebensatz erwähnt wurde. Margarete Steiff konnte eine strenge Chefin sein, war andererseits aber immer gerecht und für ihre Mitarbeiter da.

Fazit:
Für ein oberflächliches Kennenlernen Margarete Steiffs ist dieser Roman gut geeignet. Ich hatte mir allerdings mehr Tiefe erhofft.

Bewertung vom 27.11.2022
Karpfen, Kerzen, Kohleofen
Kruse, Margit

Karpfen, Kerzen, Kohleofen


ausgezeichnet

Margit Kruse, die Erschafferin der „Miss Marple aus dem Ruhrgebiet“, Margareta Sommerfeld, versüßt uns in diesem Jahr die Vorweihnachtszeit mit einer Sammlung von genau 24 Kurzkrimis. Ihre Protagonisten sind vom Schicksal eher benachteiligte Figuren, die sie mit spitzer Feder so trefflich beschreibt, dass ich oftmals laut auflachen musste. Die Handlungsorte ziehen sich durch das gesamte Ruhrgebiet und darüber hinaus, zum Beispiel nach Bad Sassendorf. Hierbei werden immer wieder besondere Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel die Halde Rheinpreußen in Moers oder Schloss Berge in Gelsenkirchen beschrieben. Ich werde sicherlich den ein oder anderen Tipp für einen Ausflug nutzen.

Die Geschichten sind recht kurz, sodass man jeden Abend gemütlich auf dem Sofa einen Kurzkrimi genießen und sich die Zeit bis zum Heiligen Abend unterhaltsam verkürzen kann. Natürlich eignet sich das Buch auch gut als Weihnachtsgeschenk für liebe Menschen, die das Ruhrgebiet bereits kennen oder aber noch kennenlernen möchten. Man merkt der Autorin an, dass sie ein echtes Kind aus dem Kohlenpott mit einer großen Liebe zu ihrer Heimat und den Menschen dort ist.
Wie vom Gmeiner Verlag gewohnt, ist das Buch wieder sehr hübsch gestaltet. Das Cover ist schwarz gehalten, der Titel ist in Rot und eine Christbaumkugel in Grün und Rot darauf gedruckt. Die Titel der einzelnen Geschichten sind Weihnachtsliedern entnommen, darunter steht der Name des Handlungsortes.

Die von mir so geliebte Margareta Sommerfeld kommt auch in einigen Geschichten vor. Ihre übliche schnoddrige Art und ihr selbstbewusstes Auftreten haben mich wieder sehr amüsiert. Ich fiebere schon sehr einem neuen Fall von ihr entgegeben.

Fazit:
Margit Kruse kann es einfach: unterhaltsame, kurzweilige Geschichten aus ihrer Heimat erzählen.

Bewertung vom 02.11.2022
Das Verschwinden der Sterne
Harmel, Kristin

Das Verschwinden der Sterne


ausgezeichnet

Da mir bereits „Das Buch der verschollenen Namen“ sehr gut gefallen hatte, habe ich mich sehr gefreut, das neuste Werk der Autorin lesen zu dürfen. Auch diese Geschichte spielt im Zweiten Weltkrieg, diesmal allerdings in Osteuropa. Auch dieser Roman beruht zum Teil auf Tatsachen. Kristin Harmel hat um die wahre Geschichte der im Wald überlebenden Juden eine spannende und berührende Story gewebt, die mich fesseln konnte.

Als Jona zwei Jahre alt ist, wird sie von einer alten Frau aus ihrem Elternhaus gestohlen. Sie zieht das Kind groß und bringt ihm alles bei, was man zum Überleben im Wald braucht. Die beiden leben im Naliboki-Wald im damaligen Polen (heute Belarus). Als die alte Frau stirbt, ist Jona eine junge Frau und ganz auf sich allein gestellt. Das funktioniert so weit gut, bis sie auf eine Gruppe Juden trifft, die sich vor den Nazis im Wald versteckt halten. Sie schließt sich der Gruppe an und bringt ihnen bei, wie man im Wald überleben kann. Eines Tages muss sie jedoch die Gruppe verlassen und in eine nahe polnische Stadt gehen. Dort wird sie auf tragische Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.

Kristin Harmel hat für diesen Roman wieder sehr gut recherchiert. So hat sie beispielsweise mit Aron Bielski sprechen können. Er hat sich im Zweiten Weltkrieg mit seinen Brüdern und über 1000 Juden tatsächlich im Wald versteckt. Mir war bis zur Lektüre dieses Buches nicht bekannt, dass sehr viele Juden sich in diesem oder anderen Wäldern verstecken konnten. Angeregt von Kristin Harmels Roman habe ich mich mittlerweile mit dem Thema näher beschäftigt.

Jonas Geschichte ist allerdings Fiktion, was sie nicht weniger spannend macht. Die junge Frau hilft den Juden selbstlos, den Aufenthalt im Wald zu überleben. Sie entwickelt Gefühle zu den anderen, die zum Teil erwidert, zum Teil enttäuscht werden. Besonders bewegend fand ich die Beschreibung eines langen Marsches durch ein Sumpfgebiet, in dem eine junge Frau ein Kind zur Welt brachte. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, unter welchen Umständen die Menschen um ihr Überleben kämpfen mussten.

Fazit:
Kristin Harmel konnte mich erneut mit ihrer spannenden und berührenden Geschichte um Juden im Zweiten Weltkrieg fesseln.