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Benutzername: 
Zabou1964
Wohnort: 
Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 188 Bewertungen
Bewertung vom 29.03.2023
Besser allein als in schlechter Gesellschaft
Altaras, Adriana

Besser allein als in schlechter Gesellschaft


ausgezeichnet

Ich mag Adriana Altaras sowohl als Schauspielerin als auch als Schriftstellerin sehr gerne. In diesem Buch erzählt sie über ihre Tante Jele, bei der sie einen Teil ihrer Kindheit verbrachte, auf eine sehr erfrischende und bewegende Art und Weise. Das Buch ist eine Liebeserklärung an diese stolze und intelligente Frau.

„Meine Tante sitzt fest.“ Das ist der erste Satz dieses Buches. Die Tante der Autorin ist 99 Jahre alt und lebt, seit einem Oberschenkelhalsbruch nach einem Sturz, unfreiwillig in einem Pflegeheim in Mantua, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens wohnte. Jeles hundertster Geburtstag steht kurz bevor. Doch sie darf keinen Besuch empfangen. Wegen der Coronapandemie ist sie streng abgeschottet von der Außenwelt. Adriana darf nicht nach Italien reisen. Aber die beiden Frauen, die so eng miteinander verbunden sind, telefonieren täglich.

Das bewegte Leben der betagten Dame wird abwechselnd aus Adrianas und Jeles Perspektive erzählt. Tante Jele war als junge Frau in einem kroatischen Konzentrationslager, aus dem ihr späterer Ehemann sie befreite. Den hat sie nie geliebt und nur aus Dankbarkeit geheiratet. Mit ihm hat sie in Mantua gelebt, unter einem Dach mit seiner Mutter und seiner Tante, die sie beide bis zu deren Tod gepflegt hat. Als Adriana vier Jahre alt war, mussten ihre Eltern aus Jugoslawien fliehen. Adriana kam zu ihrer Tante Jele. Die Zeit mit dieser außergewöhnlichen Frau hat sie sehr geprägt.

Dieses Buch hat mich tief bewegt, zum Lachen und zum Weinen gebracht. Es ist eine Liebeserklärung an eine außergewöhnliche Frau. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen.

Fazit:
Ein bewegtes Leben!

Bewertung vom 02.03.2023
Roxy
Bülow, Johann von

Roxy


ausgezeichnet

Als ich den Debütroman des Schauspielers Johann von Bülow entdeckte, war meine Neugier sofort geweckt. Das farbenfrohe Cover, das ganz in Orange-, Rot- und Pinktönen gehalten ist, hat meinen Blick magisch angezogen. Der erste Satz „Freundschaft ist etwas Seltsames.“ hat mich sofort schmunzeln und innehalten lassen. Ich wollte wissen, was es mit der Freundschaft der beiden Jungen Marc und Roy auf sich hatte.

Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein: Marc, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, stammt aus einem soliden Elternhaus in einer Reihenhaussiedlung in München. Roy wächst in einer Villa auf. Seine Eltern sind reich, es fehlt ihm an nichts. Die beiden lernen sich als Kinder kennen und bleiben ein Leben lang, mal mehr, mal weniger, befreundet. Der Roman beginnt damit, dass Marc von Berlin nach München zur Beerdigung seines Freundes fährt, der im Alter von 47 Jahren verstorben ist. Auf der langen Fahrt lässt er die gemeinsame Zeit Revue passieren und denkt über Freundschaft nach.

Roy war mir eigentlich an keiner Stelle der Geschichte sympathisch. Er ist verwöhnt, überheblich und arrogant. Er ist der deutlich dominantere in der Freundschaft mit Marc. Der war mir sofort sympathisch. So richtig konnte ich nicht nachvollziehen, weshalb Marc mit Roy befreundet ist. Aber so ist es wohl manchmal im Leben. Die beiden wachsen zusammen auf. Der Leser erfährt viel über die Zeit in den 70er, 80er und 90er Jahren. Einige Begebenheiten kamen mir durchaus bekannt vor: die ersten Schwärmereien für Mädchen, Diskothekenbesuche (Roxy ist der Name einer Münchner Diskothek), erste Erfahrungen mit Alkohol und Drogen, die erste Liebe.

Sprachlich ist der Roman ein Genuss. Man merkt, dass der Autor Schauspieler ist. Seine Sprache ist so bildhaft, dass die Geschichte wie ein Film vor meinem inneren Auge ablief. Heitere und ernste Passagen wechseln sich ab. Die Geschichte hat mich auch zum Nachdenken angeregt.

Ich hoffe sehr, dass Herr von Bülow neben seiner Tätigkeit als Schauspieler noch einmal Zeit findet, einen Roman zu schreiben. Ich werde ihn auf jeden Fall lesen.

Fazit:
Unterhaltsamer Coming-of-Age-Roman, der mich sehr gut unterhalten hat.

Bewertung vom 07.12.2022
Margarete Steiff / Ikonen ihrer Zeit Bd.8
Lüding, Kristina

Margarete Steiff / Ikonen ihrer Zeit Bd.8


gut

Als ich dieses Buch entdeckte, wollte ich es sofort lesen. Wer kennt nicht die wunderschönen Plüschtiere aus dem Hause Steiff? Die Geschichte der Firmengründerin ist bereits mehrfach erzählt worden, unter anderem in einem berührenden Film mit Heike Makatsch als Margarete. Ich war neugierig, wie Kristina Lüding das Leben der Frau Steiff erzählt.
Margarete muss bereits als Kind im Rollstuhl sitzen, nachdem sie an Kinderlähmung erkrankte. Sie wächst mit zwei Schwestern und einem Bruder in einem strengen Elternhaus auf. Ihr Bruder ist ihr Verbündeter, die beiden erleben als Kinder viele Abenteuer. Im Alter von 27 Jahren gründet sie mit ihren Schwestern eine kleine Näherei und bessert die Kleidung aus der Nachbarschaft aus. Als ihre Schwestern heiraten, schafft sie es, entgegen allen Unkenrufen, allein weiterzumachen. Sie ist die erste im Dorf, die eine Nähmaschine besitzt. Schon bald stellt sie Personal ein. Als sie ein Nadelkissen in Form eines kleinen Elefanten anbietet, das von den Kindern zum Spielen genutzt wird, beginnt der Siegeszug der Firma Steiff.
Der Roman hat nur 288 Seiten, was mich schon etwas stutzig machte. Hat die Gründerin des Unternehmens so wenig erlebt? Gibt es über sie so wenig zu erzählen? Was mich dann aber vollends erstaunt hat, war eine eingebaute Liebesgeschichte, die meines Wissens nicht belegt ist. Margarete Steiff war Zeit ihres Lebens unverheiratet und kinderlos. Ob sie jemals verliebt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich fand diesen Teil des Romans jedenfalls überflüssig.
Die Sprache ist sehr einfach gehalten, wodurch sich der Roman leicht lesen lässt. Margarete erlebt Höhen und Tiefen. Dass sie „nur so vor Lebensfreude sprüht“, wie es der Klappentext beschreibt, kann ich nicht behaupten. Sie stößt immer wieder an ihre körperlichen Grenzen, wird durch diverse Schicksalsschläge erschüttert, verliert dabei aber nie ihren Lebensmut. Genau das macht das Buch authentisch, was mir gut gefallen hat.
Trotzdem hätte ich gerne mehr erfahren, z. B. über ihr soziales Engagement gegenüber ihren Angestellten, was im Roman nur in einem Nebensatz erwähnt wurde. Margarete Steiff konnte eine strenge Chefin sein, war andererseits aber immer gerecht und für ihre Mitarbeiter da.

Fazit:
Für ein oberflächliches Kennenlernen Margarete Steiffs ist dieser Roman gut geeignet. Ich hatte mir allerdings mehr Tiefe erhofft.

Bewertung vom 27.11.2022
Karpfen, Kerzen, Kohleofen
Kruse, Margit

Karpfen, Kerzen, Kohleofen


ausgezeichnet

Margit Kruse, die Erschafferin der „Miss Marple aus dem Ruhrgebiet“, Margareta Sommerfeld, versüßt uns in diesem Jahr die Vorweihnachtszeit mit einer Sammlung von genau 24 Kurzkrimis. Ihre Protagonisten sind vom Schicksal eher benachteiligte Figuren, die sie mit spitzer Feder so trefflich beschreibt, dass ich oftmals laut auflachen musste. Die Handlungsorte ziehen sich durch das gesamte Ruhrgebiet und darüber hinaus, zum Beispiel nach Bad Sassendorf. Hierbei werden immer wieder besondere Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel die Halde Rheinpreußen in Moers oder Schloss Berge in Gelsenkirchen beschrieben. Ich werde sicherlich den ein oder anderen Tipp für einen Ausflug nutzen.

Die Geschichten sind recht kurz, sodass man jeden Abend gemütlich auf dem Sofa einen Kurzkrimi genießen und sich die Zeit bis zum Heiligen Abend unterhaltsam verkürzen kann. Natürlich eignet sich das Buch auch gut als Weihnachtsgeschenk für liebe Menschen, die das Ruhrgebiet bereits kennen oder aber noch kennenlernen möchten. Man merkt der Autorin an, dass sie ein echtes Kind aus dem Kohlenpott mit einer großen Liebe zu ihrer Heimat und den Menschen dort ist.
Wie vom Gmeiner Verlag gewohnt, ist das Buch wieder sehr hübsch gestaltet. Das Cover ist schwarz gehalten, der Titel ist in Rot und eine Christbaumkugel in Grün und Rot darauf gedruckt. Die Titel der einzelnen Geschichten sind Weihnachtsliedern entnommen, darunter steht der Name des Handlungsortes.

Die von mir so geliebte Margareta Sommerfeld kommt auch in einigen Geschichten vor. Ihre übliche schnoddrige Art und ihr selbstbewusstes Auftreten haben mich wieder sehr amüsiert. Ich fiebere schon sehr einem neuen Fall von ihr entgegeben.

Fazit:
Margit Kruse kann es einfach: unterhaltsame, kurzweilige Geschichten aus ihrer Heimat erzählen.

Bewertung vom 02.11.2022
Das Verschwinden der Sterne
Harmel, Kristin

Das Verschwinden der Sterne


ausgezeichnet

Da mir bereits „Das Buch der verschollenen Namen“ sehr gut gefallen hatte, habe ich mich sehr gefreut, das neuste Werk der Autorin lesen zu dürfen. Auch diese Geschichte spielt im Zweiten Weltkrieg, diesmal allerdings in Osteuropa. Auch dieser Roman beruht zum Teil auf Tatsachen. Kristin Harmel hat um die wahre Geschichte der im Wald überlebenden Juden eine spannende und berührende Story gewebt, die mich fesseln konnte.

Als Jona zwei Jahre alt ist, wird sie von einer alten Frau aus ihrem Elternhaus gestohlen. Sie zieht das Kind groß und bringt ihm alles bei, was man zum Überleben im Wald braucht. Die beiden leben im Naliboki-Wald im damaligen Polen (heute Belarus). Als die alte Frau stirbt, ist Jona eine junge Frau und ganz auf sich allein gestellt. Das funktioniert so weit gut, bis sie auf eine Gruppe Juden trifft, die sich vor den Nazis im Wald versteckt halten. Sie schließt sich der Gruppe an und bringt ihnen bei, wie man im Wald überleben kann. Eines Tages muss sie jedoch die Gruppe verlassen und in eine nahe polnische Stadt gehen. Dort wird sie auf tragische Weise mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.

Kristin Harmel hat für diesen Roman wieder sehr gut recherchiert. So hat sie beispielsweise mit Aron Bielski sprechen können. Er hat sich im Zweiten Weltkrieg mit seinen Brüdern und über 1000 Juden tatsächlich im Wald versteckt. Mir war bis zur Lektüre dieses Buches nicht bekannt, dass sehr viele Juden sich in diesem oder anderen Wäldern verstecken konnten. Angeregt von Kristin Harmels Roman habe ich mich mittlerweile mit dem Thema näher beschäftigt.

Jonas Geschichte ist allerdings Fiktion, was sie nicht weniger spannend macht. Die junge Frau hilft den Juden selbstlos, den Aufenthalt im Wald zu überleben. Sie entwickelt Gefühle zu den anderen, die zum Teil erwidert, zum Teil enttäuscht werden. Besonders bewegend fand ich die Beschreibung eines langen Marsches durch ein Sumpfgebiet, in dem eine junge Frau ein Kind zur Welt brachte. Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, unter welchen Umständen die Menschen um ihr Überleben kämpfen mussten.

Fazit:
Kristin Harmel konnte mich erneut mit ihrer spannenden und berührenden Geschichte um Juden im Zweiten Weltkrieg fesseln.

Bewertung vom 02.11.2022
Tote morden nicht
Michéle, Rebecca

Tote morden nicht


ausgezeichnet

Im sechsten Fall für Sandra Flemming zieht eine Gruppe Geisterjäger ins Higher Barton Romantic Hotel. Sie wollen das alte Gemäuer nach Seelen von Verstorbenen absuchen. Obwohl Sandra dem Ganzen eher kritisch gegenübersteht, vermietet sie der Gruppe sehr gerne das komplette Hotel. Außerdem ist sie interessiert an der Vorgehensweise der Teilnehmer. Aber schon bald gehen seltsame Dinge im Hotel vor: Zuerst taucht ein älteres Paar auf, dem Sandra nicht traut, dann unternimmt einer der Gäste einen gefährlichen Ausflug aufs Dach des Hotels und schließlich liegt ein Toter in einem unbewohnten Zimmer. Sandras Spürgeist ist wieder mal gefragt …

Das Thema „Geisterjäger“ ist eher ungewöhnlich und deshalb habe ich mich gefreut, dass Rebecca Michéle darüber geschrieben hat. So habe ich erfahren, dass es durchaus eine wissenschaftliche Art der Suche nach Seelen von Verstorbenen gibt. Mit großem Interesse habe ich verfolgt, welche Gerätschaften die Gruppe zum Einsatz brachte.

Auch das Privatleben von Sandra und den anderen Figuren kam nicht zu kurz. Am Ende hält die Autorin noch die ein oder andere Überraschung für ihre Leser bereit. Bei der Suche nach dem Mörder erhält Sandra von unerwarteter Seite Hilfe. Die Auflösung des Falls war außergewöhnlich.
Obwohl dies bereits der sechste Teil der Reihe ist, kann man den Roman auch ohne Vorkenntnisse lesen. Da die Geschichten der Figuren in der Reihe allerdings eine Entwicklung gemacht haben, empfehle ich, die Romane in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Lohnend und spannend ist das allemal.

Fazit:
Ein spannender Krimi mit einem außergewöhnlichen Thema.

Bewertung vom 22.08.2022
Die Erbin von Clashmore House
Michéle, Rebecca

Die Erbin von Clashmore House


ausgezeichnet

Rebecca Michéle ist ein großer Fan Schottlands und das merkt man auch ihrem neusten Werk wieder an. Sie verfügt über ein großes Wissen der englischen und schottischen Geschichte, das sie ihren Lesern auf sehr unterhaltsame Weise vermittelt.

„Die Erbin von Clashmore House“ spielt auf zwei Zeitebenen: 1997 reist die junge Amerikanerin Pamela im Auftrag ihrer Großmutter ins schottische Clashmore, um in deren Auftrag ein Haus zu verkaufen. Vorher soll sie aber unbedingt eine Holzschatulle und deren Inhalt vernichten. Schon bald stellt sich heraus, dass es sich bei dem Haus eher um ein Schloss handelt, das von einer seltsamen Sekte besetzt wird. Im Ort Clashmore stößt Pamela nur auf Ablehnung. Bis sie den Arzt Gerald kennenlernt, der erst vor Kurzem eine Praxis im Ort eröffnet hat.

Die zweite Zeitebene erzählt die Geschichte der jungen Ayleen. Sie lebt in den 30er-Jahren in Inverness und wird von ihrem Vater mit einem älteren Mann verheiratet. Als er sie mitnimmt in sein Haus in Clashmore, lernt sie seine Schwester kennen, die sie ablehnt. Auch sonst verläuft ihre Ehe anders, als von Ayleen erhofft.
Sehr spannend erzählt die Autorin parallel Pamelas Erlebnisse und Bemühungen, an die Schatulle zu kommen, sowie Ayleens Erlebnissen ca. 60 Jahre zuvor. Auch der tragische Unfalltod Prinzessin Dianas wird thematisiert. Die Autorin hat wieder sehr gut recherchiert und das Wissen unterhaltsam zu Papier gebracht. Ich freue mich schon auf weitere Werke aus ihrer Feder.

Fazit:
Spannend verpackte Geschichte Schottlands

Bewertung vom 03.08.2022
Morgen werden wir glücklich sein (eBook, ePUB)
Korte, Lea

Morgen werden wir glücklich sein (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die drei Freundinnen Amiel, eine jüdische Ärztin, Marie, eine Lehrerin, und Geneviève, die Pianistin ist, leben 1940 in einer Wohngemeinschaft in Paris. Sie sind Freundinnen seit ihrer Kindheit und nennen sich selbst „Die Unbesiegbaren“. Doch schon bald wird Paris von den Nationalsozialisten besetzt und alles soll sich für die drei Frauen ändern. Marie, die durch die Nazis ihren Bruder verloren hat, geht in den Widerstand, Amiel unterstützt sie, obwohl das für sie als Jüdin extrem gefährlich ist. Die leichtlebige Geneviève hat kein Verständnis für ihre Freundinnen, will stattdessen um jeden Preis weiter ihrer Berufung, der Musik, nachgehen. Dafür muss sie einige Opfer bringen.

Dieser Roman hat mich zutiefst bewegt. Das Schicksal der drei so unterschiedlichen Freundinnen hat mich sehr gefesselt. Jede hat auf ihre Weise ihr Päckchen zu tragen. Es gibt noch einen zweiten Handlungsstrang, der in der Gegenwart spielt. Hier treffen die Enkelinnen von Marie und Geneviève aufeinander. So erfährt der Leser im Rückblick, was sich im Zweiten Weltkrieg zwischen den Freundinnen zugetragen hat.

Ich konnte den E-Book-Reader kaum aus der Hand legen, so sehr war ich gefesselt. So manches Mal hätte ich die Frauen am liebsten geschüttelt und ihnen zugerufen, dass sie endlich miteinander reden sollen. Lea Korte erzählt schonungslos, welche Gräueltaten sich damals zugetragen haben. Mir standen oft die Tränen in den Augen.

Auch über die politischen Verhältnisse und die Arbeit der Résistance habe ich sehr viel erfahren. Es ist faszinierend, welches Risiko die Widerständler damals eingegangen sind und welchen Gefahren sie sich und ihre Familien ausgesetzt haben, um anderen, zum Teil unschuldigen Kindern, zu helfen. Meine Hochachtung gilt allen, die sich damals wie heute im Widerstand engagieren.

Lea Korte hat in ihrem Roman ein wichtiges Thema so unterhaltsam und spannend verpackt, dass ich die Lektüre kaum unterbrechen konnte.

Bewertung vom 06.07.2022
Die Buchhandlung in der Amalienstraße
Rehn, Heidi

Die Buchhandlung in der Amalienstraße


ausgezeichnet

Heidi Rehn gehört zu den Autorinnen, von denen ich jeden Roman lesen muss. Bisher bin ich noch nie enttäuscht worden. So konnte mich auch ihr neustes Werk „Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ wieder voll überzeugen. Die Geschichte spielt in München, beginnend im Jahr 1913, und verfolgt das Leben zweier Freundinnen bis zum Juni 1919. Deren Schicksal wird sehr gefühlvoll und mit viel Lokalkolorit und politischem Hintergrundwissen spannend geschildert.

Henni und Elly sind zwei unzertrennliche Freundinnen, obwohl ihre soziale Herkunft sehr unterschiedlich ist. Henni stammt aus einfachen Verhältnissen, während Ellys Mutter, die Witwe eines Offiziers, eher wohlhabend ist. Ihr gemeinsamer Traum ist, als Frau auf eigenen Füßen zu stehen und in einer Buchhandlung zu arbeiten. Beide finden eine Anstellung in der Buchhandlung der Cousinen Lämmle in der Amalienstraße. Da diese Buchhandlung von zwei jüdischen Frauen geführt wird, ist sie so manchem ein Dorn im Auge. Viele bekannte Autoren gehen dort ein und aus, es werden Lesungen und Diskussionsabende veranstaltet, bis der Erste Weltkrieg dem ein jähes Ende setzt. Auch Ellys und Hennis Freunde Leo und Zacherl melden sich freiwillig an die Front. Die beiden Frauen müssen, wie andere Frauen auch, in der Heimat um ihr Überleben kämpfen.

Heidi Rehn lebt selbst in München und recherchiert immer sehr genau für ihre Romane. Die Liebe zu ihrer Heimatstadt merkt man ihren Büchern an. Zu gerne würde ich einmal an einem ihrer Romanspaziergänge teilnehmen. In ihrem neusten Roman erfährt der Leser sehr viel über die Literaturszene und deren politische Aktivitäten vor, während und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg. Das war sehr spannend zu lesen. Auch die Schicksale der beiden Freundinnen sowie der Buchhändlerinnen haben mich stark bewegt.

Die Gestaltung des Hardcovers ist sehr aufwändig und ansprechend. Auf dem Cover sieht man zwei junge Frauen, die in Büchern blättern, vor der Kulisse Münchens. Auf dem Vorsatzpapier ist ein Stadtplan Münchens abgebildet. Am Ende des Buches findet sich eine Liste der Autoren und ihrer Werke, die im Roman erwähnt werden.

Bewertung vom 20.05.2022
Das Herz des weißen Ahorns
Baites, Mina

Das Herz des weißen Ahorns


ausgezeichnet

Mina Baites alias Iris Klockmann zählt auf jeden Fall zu meinen Lieblingsautoren. Sobald ein Werk von ihr erscheint, lese ich es. Mit großer Spannung hatte ich bereits den vierten Teil der Breitenbach-Saga erwartet. Ich liebe solche Familiengeschichten, die in der Vergangenheit spielen und das Schicksal einer Familie über mehrere Generationen hinweg erzählen. Wenn es dann noch so packend und authentisch beschrieben wird wie in Mina Baites‘ Büchern, bin ich doppelt begeistert.

Wir schreiben das Jahr 1917, der Erste Weltkrieg tobt. Auch die Familie Breitenbach, die eine Schuhmanufaktur in Berlin betreibt, bleibt von den Kriegswirren nicht verschont. Felix Breitenbach muss an der französischen Front kämpfen. Er lässt seine schwangere Frau und seinen kleinen Sohn zuhause zurück. Seine Schwestern übernehmen während seiner Abwesenheit, unterstützt von Vater und Onkel, die Geschäftsführung. Auch der Zweig der Familie, der vor Jahren in die USA ausgewandert ist, leidet unter den Auswirkungen des Krieges im fernen Europa. Julia und Chesmu sorgen sich um ihre Familie in Berlin. Ihre Kinder Sam und Gracie wachsen zwischen zwei Kulturen auf.

Die Familie Breitenbach ist mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen. Mit großer Spannung habe ich wieder deren Geschicke verfolgt. Besonders gut gefällt mir der starke Zusammenhalt in dieser Familie. Der Krieg stellt eine besondere Herausforderung für die Breitenbachs dar. Mit aller Kraft versuchen sie, die Not ihrer Angestellten zu lindern und zu helfen, wo sie können. Dafür schrecken sie sogar vor illegalen Geschäften nicht zurück.

Erschreckend waren die Parallelen zur Gegenwart: Der Erste Weltkrieg erinnerte mich stark an die schreckliche Situation in der Ukraine, die Spanische Grippe hatte ähnliche Auswirkungen wie Corona. Obwohl mehr als 100 Jahre vergangen sind, konnte ich deshalb alles sehr gut nachvollziehen.

Dies ist bereits der vierte Band dieser Reihe. Selbstverständlich kann man ihn separat lesen, aber ich empfehle trotzdem, diese spannende Saga vom ersten Band an zu genießen.