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Moni
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Frankfurt

Bewertungen

Insgesamt 33 Bewertungen
Bewertung vom 30.11.2023
Dieses schöne Leben
Brammer, Mikki

Dieses schöne Leben


ausgezeichnet

Ein Roman über den Tod, das Leben und die Einsamkeit

Die 36-jährige Sterbebegleiterin Clover führt ein einsames, zurückgezogenes Leben. Ihre einzigen Freunde sind ein alter Nachbar und ihre Haustiere. Wenn sie grade nicht bei ihren Klienten ist, dann schaut sie zu Hause romantische Komödien oder würdigt ihre verstorbenen Klienten, indem sie Dinge tut, die diese bedauern, nicht im Leben getan zu haben. Durch Schicksalsschläge und Zurückweisungen in ihrer Vergangenheit lässt sie niemanden an sich heran. Ihr festgefahrenes Leben gerät durcheinander, nachdem sie eine neue Klientin bekommt, die sie fordert, und eine neue Nachbarin in ihr Haus zieht, die ihr ihre Freundschaft zunächst regelrecht aufzwingt.

Ich war zunächst überaus vorsichtig, dem Buch eine Chance zu geben, ist der Tod doch für viele ein Tabuthema. Ich bin davon ausgegangen, dass es für mich zu schwere Kost sein wird. Aber die Erzählung nimmt einen wunderbar an die Hand und führt sehr behutsam an die Thematik heran. Der Tod gehört nun mal zum Leben und ist etwas, mit dem sich jeder Mensch früher oder später beschäftigen muss. Der Roman hinterfragt zudem, wie die westliche Gesellschaft Trauer als etwas Vorrübergehendes betrachtet, das es mit allen Mitteln zu bewältigen geht, und wie sie Menschen das Recht auf Trauer nach einer gewissen Zeit abspricht, dass es etwas wie eine angemessene Trauerzeit gibt, als sei das nicht ein höchst individuelle Prozess. Das waren für mich neue und interessante Denkanstöße.

Im Verlauf des Buches geht es aber um so viel mehr als den Tod und die Trauer. Es geht um den Mut sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben und "besonnen waghalsig" zu sein, mit sich selbst Frieden zu finden. Die Erzählung verurteilt Clover nicht für die Art, wie sie lebt, und doch wird sie im Laufe der Handlung immer wieder ermutigt, mehr zu wagen.

Mikki Brammer beweist wahnsinniges Fingerspitzengefühl und Talent die Handlung so aufzuziehen, ohne Dogmen oder Schwarz-Weiß-Denken. Ihr Schreibstil ist sehr fein, bindet einem die Nachricht des Romans nicht auf die Nase und doch ist ihm und der Handlung sehr einfach zu folgen. Es ist ihr Debütroman, das Autorinnenprofil verrät aber, dass sie auch anderes schreibt, und der Roman ist eindeutig aus erfahrener Feder geschrieben.

Für mich war der Roman ein ganz klares Highlight, das mich auch persönlich berührt hat und mit dem ich so nicht gerechnet hatte. Ich glaube, es wird noch lange Nachhallen. Das Buchcover verspricht, es sein ein Buch wie eine Umarmung, und ausnahmsweise stimme ich einem Marketingspruch mal zu. Es hat mich zum Schmunzeln und Weinen gebracht und dann direkt wieder getröstet.

Bewertung vom 24.11.2023
Stolen Kisses
Suchanek, Andreas

Stolen Kisses


sehr gut

Schöne queere Romcom

Stolen Kisses ist eine queere Romcom, die in Berlin spielt. Wir lernen Jannis und Kai kennen, die sich eigentlich für einen One-Night-Stand treffen, sich dann aber doch verlieben. Kai hat es als ungeouteter Mann mit konservativem Elternhaus schwer, sich offen auszuleben und zusätzlich geraten die beiden bzw. ihre Familien in einen professionellen Wettstreit.

Eine Stärke des Romans sind auf jeden Fall die Figuren und die Dialoge. Die Figuren sind recht schnell schön ausgearbeitet und haben alle kleine Eigenheiten und wachsen mir als Leserin schnell ans Herz. In ihren Dialogen begegnen sie sich mit viel Witz und Charme. Besonders Jannis' Freundeskreis ist vielschichtig und stark aufgebaut. Schön fand ich auch, dass hier ein nicht toxischer männlicher Freundeskreis abgebildet wird, der sich gerne in den Arm nimmt und über Gefühle spricht.

Trotz der leichten Erzählweise, behandelt der Roman auch schwierige Themen wie Zwangsoutings und mentale Gesundheit. Obwohl die Handlung in einem aufgeklärten Land im Jahr 2023 spielt, ist es nicht für alle Menschen selbstverständlich, ein selbstbestimmtes und freies Leben zu führen. Der Roman führt vor Augen, dass eine sichere Umgebung dafür essenziell ist.

Die erste Begegnung zwischen den Hauptfiguren wird immer mal wieder, passend zur Handlung, in Rückblenden erzählt. Diese zählen für mich ganz klar zu einer weiteren Stärke. Sie sind mit einer schönen Leichtigkeit geschrieben und helfen uns Leser*innen die Chemie zwischen den beiden besser nachvollziehen zu können.

Zwischen den Dialogen wirkt die Handlung leider machmal sehr gehetzt, als wollte der Autor schnell wieder zu den stärkeren Unterhaltungen oder dramatischen Momenten zurückkehren. Gerade in der zweiten Romanhälfte war das oft der Fall, damit wirkte das Ende dann auch etwas überstürzt. Der Roman hat auch einen starken Fokus auf Safe Spaces und mentaler Gesundheit, in der Auflösung fehlte mir auch hier der Tiefgang, so hat eine der Figuren Panikattacken, die einfach von selbst aufhören. Eine solche Darstellung finde ich etwas fahrlässig, schöner fände ich es, wenn das zumindest noch mal mit einem Paragraph aufgearbeitet würde.

Stellenweise hatte ich das Gefühl, der Autor sei von einem bekannten Hersteller von Nuss-Nougat-Creme gesponsort, so oft fiel der Markenname. Das bringt mich eher zum Schmunzeln und ich finde es nicht weiter schlimm.

Da der Fokus des Buches aber auf der Liebesbeziehung von Jannis und Kai beruht, empfehle Stolen Kisses trotz einer leichten Oberflächlichkeit allen, die zwischendurch eine lockere Romcom lesen wollen. Wer Trigger hat, sollte die abgedruckten Warnungen auf jeden Fall vorher checken.

Bewertung vom 22.11.2023
GUY'S GIRL (MP3-Download)
Noyes, Emma V. R.

GUY'S GIRL (MP3-Download)


sehr gut

Keine leichte Kost

Emma Noyes hat ein Debüt gezaubert, dass uns tief in den Kopf einer essgestörten und unglücklichen Person blicken lässt. Das Cover und der Klappentext legen zwar auch Betonung auf die Liebesgeschichte, aber in erster Linie ist "Guy's Girl" ist ein Roman über Essstörungen, und da sollte man die Triggerwarnung, die zu Beginn des Romans ausgesprochen wird, auch ernst nehmen.

Zunächst lernen wir Ginny kennen, die schon immer besser mit Jungs konnte, daher auch der Titel des Romans. Aufgewachsen unter Brüdern, mit denen sie sich immer besser verstand als mit ihrer Schwester, zieht sich dieses Muster auch in ihr Leben als Erwachsene, wo sie nun in einer Männer-WG lebt. Sie bedient damit ein bestimmtes Stereotyp, "not like other girls", das sowohl in Literatur und Film vorkommt als auch manchmal von Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft genutzt wird, um sich von anderen Frauen abzugrenzen. Es handelt sich um ein Narrativ der verinnerlichten Frauenfeindlicheit, bei dem vermeintlich weibliche Eigenschaften als Schwäche dargestellt werden und ist eines, mit dem Frauen einander schaden. Ich hatte von den ersten Seiten an schon gehofft, dass in der Figur Ginny dieses Stereotyp für die Leser*innen auf- und überarbeitet wird, sie zum Beispiel eine weibliche Bezugsperson oder Freundin findet oder die Beziehung zu ihrer Schwester kittet. Ein Stückweit passiert das auch. Jedoch kann der Diskurs nicht in vollem Umfang stattfinden, da der Hauptfokus des Romans auf der Essstörung der Hauptfigur und ihrer romantischen Beziehung liegt.

Der Roman lässt blicken, dass die die Autorin aus eigener Erfahrung über Anorexie und Bulimie schreibt. Ginny ist damit eine Projektionsfigur für sie und die Teile des Romans, die diesen Aspekt behandeln, sind beim weitem die stärksten. Sie waren gleichzeitig herzzerreißend und bildhaft geschrieben. Als Nichtbetroffene habe ich durchaus gelernt, was im Kopf einer essgestörten Person passieren kann, wie sie auf äußere Einflüsse reagiert und sie verarbeitet. Die Passagen rund um Magersucht und Bulimie sowie Ginnys innerer Kampf haben mich sehr berührt.

Wir lernen Ginny auch aus einer zweiten Perspektive kennen, nämlich der von Adrian. Er ist als Kind aus Ungarn in die USA gekommen und verarbeitet den Verlust seiner Heimat und des Vaters, der vor seiner Geburt verstorben ist. Adrian dient als Figur nicht nur als Leinwand, um Ginny besser zu beleuchten, sondern hat auch alleine Bestand. Er lernt Ginny kennen, als er Teil der WG ist, in die sie zieht, und die beiden beginnen ein romantisches Hin und Her, irgendetwas zwischen fester Beziehung und Affäre. Die Beziehung der beiden wird von ihrer psychischen Erkrankung und seinen Verlustängsten überschattet. Trotzdem habe ich die Chemie zwischen den beiden nicht ganz nachvollziehen können und finde der Hauptfokus der Geschichte liegt eindeutig auf Ginnys Reise zu mehr mentaler Gesundheit und Akzeptanz.

Das von Fanny Bechert gesprochene Hörbuch ist sehr schön interpretiert. Besonders hat mir gefallen, wie sie in emotionalen Momenten diese Emotionen in ihre Stimme übertragen konnte. Das hat die Lese- bzw. Hörerfahrung ungemein bereichert.

Auch wenn der Roman keine leichte Kost ist empfehle ich ihn für alle, die gerne charakterbasierte Erzählungen mögen.

Bewertung vom 21.11.2023
April & May. Der Skandal / Secrets of the Campbell Sisters Bd.1
Payne, Lyla

April & May. Der Skandal / Secrets of the Campbell Sisters Bd.1


gut

Im ersten der insgesamt zwei Bände rund um die Campbell Schwestern verfolgen wir zunächst die beiden älteren Schwestern April und May während der Londoner Ballsaison, auf der sie sich auf die Suche nach geeigneten Partnern begeben um die Bedingungen zu erfüllen, die ihr Onkel für ihre Mitgift aufgestellt hat. April hat diese bereits im Jahr zuvor mitgemacht und ist nach einem Skandal fluchtartig nach Hause zurückgekehrt. Nach und nach erfahren wir dafür die Gründe und verfolgen eine mögliche Wiederannäherung zwischen ihr und ihrer ersten Liebe.

Insgesamt verfolgen wir die Handlung aus insgesamt vier Perspektiven, denen der beiden Schwestern und denen ihrer potenziellen zukünftigen Ehemänner. Den häufigen Perspektivenwechsel empfand ich als angenehm zu lesen, man lernt so die Figuren aus ihren eigenen und auch fremden Augen kennen. Die Charakterisierung jeder Figuren fand ich in der ersten Buchhälfte noch vielversprechend, die zweite Hälfte hat in der Hinsicht etwas nachgelassen, und es gab kaum Entwicklung. Obwohl historisch nur wenig akkurat, war die Handlung eine schöne typische Regencygeschichte, die wohl am ehesten für Fans von Bridgerton interessant sein könnte, wo auch die historische Korrektheit allerhöchstens Beifahrer ist und es der Handlung nun auch keinen Abbruch tut.

Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen. Die Erzählweise hat mir persönlich allerdings weniger gut gefallen. Oft bewegen sich die Figuren gedanklich im Kreis und es gibt sehr viele Wiederholungen. Vielversprechende Elemente und Konflikte werden, mit wenigen Ausnahmen, im Gegenzug nur abseits der Handlung abgehandelt und den Figuren wird lediglich davon erzählt. Anstatt dass wir Leser*innen im Geschehen dabei sind und uns ein eigenes Bild machen können, verfolgen wir nur die Reaktionen der jeweiligen Figuren, nachdem sie davon erfahren. Das entfernt uns von der Handlung und macht sie oberflächlich und weniger spannend als sie sein könnte. Das Potenzial war auf jeden Fall da, es wurde leider nicht vollends ausgeschöpft.

Empfehlen würde ich den Roman für jüngere Leser*innen, die noch neu sind im Genre Regency Romance.

Bewertung vom 19.11.2023
Kaltblütige Lügen / Die San-Diego-Reihe Bd.1
Rose, Karen

Kaltblütige Lügen / Die San-Diego-Reihe Bd.1


sehr gut

Ein toller Thriller

"Kaltblütige Lügen" ist mein erster Roman von Karen Rose, die ja schon ein alter Hut auf dem Thrillermarkt ist. Im neuen Roman, dem Auftakt der San-Diego-Reihe, geht es um die Polizistin der Mordkommission, Kit McKittrick, die wohl auch schon in anderen Romanen der Autorin vorkam, und den Psychologen Sam Reeves, der mehr oder weniger unfreiwillig in die Ermittlungen hineingerät. Sie sind einem Serienmörder auf der Spur, der schon seit über einem Jahrzehnt sein Unwesen treibt.
Rose beginnt den Roman mit einem Prolog, der mich sofort fesselte und es ermöglichte auf nur wenigen Seiten eine Bindung zu Kit aufzubauen und ihre sehr persönliche Motivation für den Polizeiberuf beleuchtet.
Schnell wird klar, dass die Autorin sehr erfahren ist und genau weiß, wie man einen Thriller aufbaut. Man kann dem Geschehen wunderbar folgen, wiederkehrende Nebenfiguren sind sehr schnell identifizierbar und bekommen eine eigene Persönlichkeit, ohne dass sie zu sehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Kit, obgleich sie eine toughe und professionelle Polizistin mit schwieriger Kindheit ist, ist zu keinem Punkt der Stereotyp der in diversen Thrillern in Film und Literatur gezeigten gefühlskalten Ermittlerin, sondern ist auch mitfühlend und fürsorglich. Obwohl das Thrillergenre generell mit sehr bekannten Mustern arbeitet, die auch hier vorkommen, fühlt es sich nicht ausgeleiert an, Handlung und Charakterisierung der Figuren haben Herz. Kit und Sam, aus derer beiden Perspektiven wir das Geschehen verfolgen, sind auf Anhieb Sympathieträger, denen man auch die ein oder andere Dummheit, durch die sie sich in Gefahr begeben (looking at you, Sam) verzeiht, wo es mir sonst höchstens ein Augenrollen entlockt. Ich glaube, die Sympathie zu den beiden wird nur noch gesteigert, da beide einen Hund haben.
Ich habe gehört, dass Karen Rose ihre Thriller gerne mit einer Portion Romantik würzt, hier gab es davon auch erste Züge, aber auch nicht mehr. Ich kann mir aber vorstellen, dass dieser Aspekt in folgenden Teilen der Reihe weiter ausgebaut wird, zumindest wurden die Weichen dafür hier gelegt.
Wendungen in der Handlung wirken zu keinem Zeitpunkt fabriziert oder überdramatisch dargestellt. Falsche Fährten werden nicht bis zum Schluss ausgeschlachtet, sondern nach und nach aufgeklärt, sodass wir Leser*innen den neuen Erkenntnissen folgen können und es sich anfühlt, als sei man dabei gewesen. Dadurch gibt es nicht den schockierendsten Plottwist, den ich je gelesen habe, dem Mitfiebern hat das allerdings keinen Abbruch getan, da ich bereits sehr an die Figuren gebunden war.
Die Sprecherin des Hörbuchs, Charlotte Puder, hat die Interpretation gut gemeistert. Die beiden Erzählperspektiven haben eine eigene Stimme, ohne zu "gespielt" zu sein und sie gibt auch Nebenfiguren durch gekonnte Betonung Wiedererkennungswert.
Als jemand der Thriller schon sehr gerne liest, aber eigentlich den Serienmördern und Polizisten schon abgeschworen hatte, hat dieser Roman sehr gut gefallen und ich kann mir vorstellen, dass sowohl eingefleischte Thrillerfans als auch Leser*innen, die sich erst noch an das Genre heranwagen, hier ihre Freude finden werden.

Bewertung vom 15.11.2023
Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Henry, Emily

Book Lovers - Die Liebe steckt zwischen den Zeilen


ausgezeichnet

Book Lovers ist ein Roman von Emily Henry, der in den sozialen Medien schon seit seiner Veröffentlichung im englischsprachigen Raum im letzten Jahr große Wellen schlägt.

Nora, Anfang 30, ist Literaturagentin in New York und liebt ihre Schwester, ihren Beruf und die Stadt (in dieser Reihenfolge), beantwortet auch nach Feierabend und im Urlaub Emails und ist stolz drauf, sich ihrer Karriere hinzugeben, weil sie gut ist, in dem was sie tut. Im Urlaub in einer Kleinstadt mit ihrer Schwester Libby trifft sie ihren Rivalen Charlie wieder, der das Lektorat des Buches einer ihrer Klientinnen abgelehnt hat. Schnell ergibt es sich, dass sie an einem gemeinsamen Projekt arbeiten.

Nora bedient, und das wird schon im Prolog klar, einen RomCom-Stereotypen der vermeintlich gefühlskalten, naturfremden, luxusverwöhnten, kinderlosen Karrierefrau, die genau so handelt wie man es sonst nur von Männern kennt und dafür verurteilt wird. Jedoch dreht Emily Henry den Spieß um und Nora ist hier keine Antagonistin und wird anders als diese nicht bestraft oder einer Charakterveränderung unterzogen um ihr Glück zu finden. Sie darf so sein, wie sie ist und muss keine Kompromisse eingehen.

Die Chemie und das Geplänkel zwischen den Nora und Charlie, für mich das wichtigste an einem Liebesroman, sind unglaublich gut dargestellt. Viele der Unterhaltungen sind so witzig, dass ich manchmal beim Lesen herzlich lachen musste. Ebenso viel Raum wie die neue romantische Beziehung nimmt aber auch Noras Beziehung zu ihrer Schwester ein, für die sie nach dem Tod der Mutter der beiden die Verantwortung übernommen hat und für deren Wohlergehen sie sich jetzt im Erwachsenenalter in jeder Hinsicht weiterhin verantwortlich fühlt.

Erfrischenderweise ist der für das Genre typische Konflikt am Ende der Handlung mal nicht auf eine Fehlkommunikation oder ein Missverständnis oder eine andere an den Haaren herbeigezogene Streitigkeit zurückzuführen sondern sehr realitätsnah und ebenso realitätsnah wieder gelöst.

Das Hörbuch, von Christiane Marx eingesprochen, ist schön interpretiert. Die Sprecherin gibt jeder Figur eine eigene Stimme, ohne zu übertreiben oder gespielt zu klingen. Sowohl junge als auch alte Figuren sind realistisch und lebendig ohne zur Karikatur zu werden. Es war ein Genuss ihr zuzuhören.

Ich empfehle das Buch und Hörbuch allen, die auf der Suche nach einem guten Unterhaltungsroman sind. Ich kann es mir für alle Altersgruppen gut vorstellen. Obwohl die Handlung im Sommer spielt, passt es wunderbar jetzt auch Winterzeit, da das kleinstädtische Setting sehr gemütlich und heimelig ist.

Bewertung vom 15.11.2023
Threads of Power
Schwab, V. E.

Threads of Power


ausgezeichnet

Eine Rückkehr in die Welt der vier Londons

Einige Jahre nachdem sie die Weltenwander Trilogie beendet hat, meldet sich V.E. Schwab mit "Threads of Power" mit einer neuen Reihe in der Welt der vier parallel existierenden Londons zurück. Der neue Roman setzt sieben Jahre nach den Geschehnissen von "Die Beschwörung des Lichts" ein.

Wir lernen zunächst neue Charaktere kennen, allen voran Tes im Roten London, die magische Gegenstände reparieren kann und die Magie ihrer Welt physisch sehen kann, und Kosika, die im Weißen London nach einem politischen Umbruch ihren Platz sucht. Danach wendet sich die Erzählung altbekannten Gesichtern zu, wie den Antari Lila und Kell, die auf See sind, wo Kell unter dem Verlust seiner Magie leidet. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit dem König Rhy und seinem Partner Alucard im Palast im Roten London, wo eine Revoltenbewegung nach seinem Leben trachtet.

Wie man an der Aufstellung der Figuren bemerkt, kann es durchaus von Vorteil sein, die erste Trilogie in der Welt gelesen zu haben. Auch wenn ich große Teile der Handlung bereits vergessen hatte (der neue Roman half mir dabei gut auf die Sprünge, ohne dass ich mich selbst um eine Auffrischung bemühen musste), kannte ich die Figuren bereits und sie bedeuteten mir bereits etwas zu Beginn der Handlung. Es fühlte sich wie ein Wiedersehen mit alten Freunden an. Ich kann mir vorstellen, dass mich die Welt und Anzahl der verschiedenen, ständig wechselnden Perspektiven sonst etwas überfordert hätten. Trotzdem ist es eine neue Geschichte, die hier beginnt, und kann sicher auch ohne "Vorkenntnisse" gelesen werden. 

Schwab ruht sich nicht auf der Charakterisierung aus, die sie in der der Weltenwanderer Trilogie geleistet hat, sondern gibt ihren Figuren neue Rollen und Lebensinhalte. So muss Kell nach dem Verlust seiner Kräfte, die so eng mit seiner Identität und Rolle in seiner Welt verknüpft waren, neu lernen sich in der Welt zu behaupten beweisen und auch zu schützen, da er als Mitglied der Königsfamilie immer auch ein Ziel von Angriffen sein wird. Rhy und Alucard leben im Palast ihre Beziehung öffentlich, obwohl Rhy als König dringend einen Erben, und damit eine Königin, braucht. So lernen wir beide auch als Väter kennen. Einzig mit Lila haderte ich zuerst ein wenig, sie schien mir über weite Teile des Buches hinweg sehr einseitig, fast eine Karikatur einer starken Frau, die immer alles am liebsten im Alleingang macht, in "tough love"-Manier ihre liebsten verletzt unter dem Vorwand ihnen helfen zu wollen. Gegen Ende gibt es auch bei ihr eine Entwicklung, und ich hoffe sehr, dass sie im nächsten Roman der Reihe bestehen bleibt und dass es nicht wieder einen Rückschritt gibt.

Der Schreibstil passt fabelhaft zur magischen Welt. Schwab ist eine unglaublich talentierte und erfahrene Autorin. Sie baut die Welt immer weiter, lässt uns im Dunkeln bis wir Informationen brauchen und schafft es, dass die Magie sich wirklich lebendig anfühlt. Was sie beschreibt, wird vor meinen Augen sichtbar. Die Erwählweise ist reich an Details und ausführlichen Beschreibungen, eher arm an Dialogen (was es zu einer eher langsamen Lektüre macht). Selbst Kampfszenen, die ich persönlich normalerweise nicht so gerne lese, sind anschaulich, nicht zu lang und man kann ihnen gut folgen.

Von mir gibt es 4,5 Sterne, eine absolute Empfehlung für alle Fantasy-Liebhaber und die, die es noch werden wollen!

Bewertung vom 29.10.2023
Nichts in den Pflanzen
Haddada, Nora

Nichts in den Pflanzen


sehr gut

Weiblicher Zorn

Was für ein Debüt! Nichts in den Pflanzen folgt der jungen Drehbuchautorin Leila, die auch die Erzählerin des Romans ist und von einer monatelangen Schreibblockade heimgesucht wird. Um wieder schreiben zu können greift sie zu allerlei Mitteln: Rauschmitteln, Affären, vermeintlichen Musen. Das einzige, was zumindest temporär Abhilfe zu verschaffen scheint, ist es ihrem Freund Leon Leid zuzufügen. Leila ist dabei kompromisslos, unsympathisch, nutzt Menschen aus, geht buchstäblich über Leichen. Nora Haddada hat eine Figur erschaffen, die sicherlich auf viele Leser*innen ebenso faszinierend wie abschreckend wirken wird.
Die Erwartung, dass weibliche Figuren in Unterhaltungsmedien immer sympathisch sein sollten wird auch in der Arbeit Leilas im Roman aufgegriffen ohne dem/der Leser*in die Botschaft auf die Nase zu binden.
Haddada greift in ihrem Roman auf diverse spannende erzählerische Mittel zurück. Die zwei Timelines, in denen die Handlung erzählt wird, verbinden das Ende geschickt mit dem Anfang der Handlung. Mit einem sehr jungen, modernem Schreibstil voller Symbolik reiht sich Nora Haddada mit Nichts in den Pflanzen in eine sehr aktuelle literarische Strömung ein, die weiblichen Zorn betrachtet und wird für alle interessant sein, die mehr davon wollen.

Bewertung vom 29.10.2023
Heartbreak
Bagci, Tarkan

Heartbreak


sehr gut

Unter der Sonne der Toskana oder so

In Heartbreak treffen Marie und Tom durch eine Reihe Zufälle aufeinander. Zunächst lernen wir beide getrennt voneinander kennen und ich muss zugeben, Toms Kapitel haben mich erst mal gar nicht interessiert. Die Situation, in die er "unverschuldet" gebracht wird, ist arg an den Haaren herbeigezogen und ich hatte wenig Mitleid mit ihm und seinem Promistatus. Marie hingegen hatte von Beginn an meine Sympathie. Vom Partner geghostet, von einer vermutlich narzisstischen Mutter mit Schuldgefühlen überhäuft und im mittelmäßigen Job nicht wertgeschätzt hat sie in ihrer Therapie an einigem zu arbeiten.

Als die beiden dann in der Toskana aufeinander treffen und ihre Schicksale sich miteinander verstricken, machen beide eine schöne Entwicklung durch. Ich finde es schön, dass sie sich nicht direkt in eine romantische Beziehung stürzen, sondern beide ihre eigenen Ziele weiterverfolgen, während sie sich vorsichtig anfreunden.

Der Schreib- und Erzählstil Bagcis war durchgehen sehr einfach, keine Experimente, keine Auschweifungen: zunächst kpitelweise wechselnde Perspektiven, später nach dem Zusammentreffen dann abschnittsweise, weniger voneinander getrennt. Das gesamte Buch war von einem ironisch-satirischem Humor durchzogen, der für mich persönlich genau richtig war. Dazwischen konnte sich der Autor nicht den ein oder anderen bissigen Gesellschaftskommentar verkneifen, was ebenso meinen Geschmack getroffen hat.

Alles in allem ein sehr kurzweiliger Roman, der sicherlich viele abholen wird, bewegt nicht die Welt, aber hat viel Spaß gemacht.

Bewertung vom 29.10.2023
sie lieben
Grassmann, Alexa

sie lieben


sehr gut

Tiefe Einblicke

Alexa Grassmann folge ich bereits seit einiger Zeit in den sozialen Medien und war immer beeindruckt von ihrer Ästhetik und aufklärerischen Arbeit über das Lesbisch- und Queersein und mental Gesundheit. Beides kann man auch in ihrem ersten Buch erwarten. Es ist ein Hybrid aus persönlichen, sehr schön geschriebenen Anekdoten und lehrreichem Content.

Das Buch ist recht kurz, es hätte für meinen persönlichen Geschmack gerne von beidem mehr geben können. Persönlich habe ich durch die Lektüre des Buches nicht wirklich etwas Neues gelernt, kann mir aber vorstellen, dass es für jüngere Leser*innen, die versuchen ihre Identität zu definieren, unglaublich wertvoll sein kann, die richtigen Worte zu finden.

In ihren Anekdoten zeigt die Autorin sich verletzlich und bisweilen poetisch. Ich finde es schön, dass sie hier nicht ganz chronologisch vorgeht und nicht jede Erfahrung und jedes Gefühl zu Tode beschreibt, sondern Raum zum Mitdenken lässt.

Eine Sache, die mir persönlich etwas gestört hat, war das Layout des Buches. Die Kapitel werden manchmal durch fast leere Seiten unterbrochen, auf denen mittig ein Zitat platziert ist, das in unmittelbarer Nähe auch im Text zu finden ist. Einerseits wird dadurch der Lesefluss gestört, andererseits entsteht eine Doppellung, die mich dann langweilt. Es stimmt, dass für diese Seiten besonders prägnante und gute Textstellen ausgewählt wurden, allerdings muss man der mündigen Leser*innenschaft zutrauen, sie selbst zu finden und sich bei Bedarf zu markieren.

Das Coverdesign mit der rosa Schrift auf der Fotografie der Autorin finde ich sehr ansprechend und passend für das sehr persönliche Buch.