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Benutzername: 
Joko
Wohnort: 
Belm

Bewertungen

Insgesamt 48 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2024
Annas Lied
Koppel, Benjamin

Annas Lied


sehr gut

ein sehr berührendes Buch
„Anna‘sLied ist ein sehr emotionaler Debütroman des Jazz-Saxophonisten und Komponisten Benjamin Koppel, der mir bis dato unbekannt war. Seine Großtante ist die Protagonistin dieses Romans, der ihr Leben erzählt, das Ende der 20 er Jahre des letzten Jahrhunderts in Kopenhagen spielt.Sie wuchs dort als einziges Mädchen unter 4 Jungen auf und war sehr musikalisch, was wohl in derFamilie liegt.
Die jüdische Familie war aus Polen geflohen und in Kopenhagen gestrandet, weil das Geld für Amerika nicht mehr reichte.
Musik spielte, wie schon erwähnt, eine große Rolle in der Familie, besonders für Hannah, für die schon früh feststeht, dass sie später Pianistin werden will.Doch ihre Mutter hat andere Pläne, die sie mir Druck und psychischer Gewalt durchsetzt.
Hannah erfährt früh was es heißt eine Frau zu sein.Ihr Leben ist nicht einfach, wie sie in der Zukunft erfahren muss und nur durch die Musik, die ihre große Liebe ist, lässt es sich für sie ertragen.

Benjamin Koppel hat mit „Anna‘s Lied ein sehr eindringliches Bild seiner Großtante vor den Augen der Leser entstehen lassen.mit sehr lebendigen und facettenreichen Charakteren macht es diese Geschichte zu einem Roman, die ich nicht so schnell vergessen werde.Die Geschichte berührt und steht sicherlich für viele Frauen, die zu dieser Zeit gelebt haben und sich den Konventionen unterwerfen mussten.

Bewertung vom 09.05.2024
Notizen zu einer Hinrichtung
Kukafka, Danya

Notizen zu einer Hinrichtung


sehr gut

ein polarisierendes Thema
„Notizen zu einer Hinrichtung“ ist ein Buch das bei mir ein Gedankenkarusell in Gang gesetzt hat und viele Fragen aufgeworfen hat.

Ansel Packer sitzt in der Todeszelle und soll wegen Mord hingerichtet werden.Der Leser verfolgt nun in seinen letzten Stunden seine Gedankengänge. Seine Hoffnung seinen Tod doch noch abwenden zu können, hat mich sehr berührt und mich sehr über das Thema „Todesstrafe“nachdenken lassen.

Im Rückblick erfahren wir, wie Ansel Packerzu dem Mensch geworden ist, der er heute ist Undine er diese Taten vollbringen konnte.Aber nicht er wird in den Mittelpunkt des Buches gerückt lt., sondern die Frauen, die seine Taten massgeblich mitbestimmt haben.
Da ist seine Mutter, die ihn früh verließ, sich aus ihrer gewalttätige Ehe floh und ihn der Obhut der Behörden überließ , was für ihn die Odyssee durch Pflegefamilien bedeutete und Sally,die früh ahnte, was für ein Mensch Ansel war, aber nicht tätig wurde und zuletzt Hazel, die miterlebt, wie Anseln‘s Manipulationsversuche das Leben ihrer Schwester zerstört.


Als Leser wechselt man ständig zwischen Abscheu und Verständnis ob dieser Schilderungen und trotzdem kam bei mir immer wieder die Frage auf, rechtfertigt dies eine Todesstrafe?

Wie in vielen Romanen, die im Moment den Buchmarkt überschwemmen, wird eines immer wieder deutlich, die Sozialisation eines Menschen ist entscheidend für sein Leben, seine Persönlichkeitsentwicklung und die Entscheidungen, die er trifft. Entscheidungen, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können und den individuellen Lebensweg maßgeblich mitentscheiden.

Der Schreibstil des Buches hat mir das Lesen des Buches leicht gemacht, die Figuren wurden gut beschrieben und das Thema wird mich noch lange beschäftigen.

Bewertung vom 06.05.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

die Geschichte einer toxischen Beziehung
Faina kommt als Grundschulkind aus der Ukraine nach Deutschland. Sie kennt weder die Sprache,noch die Gebräuche in diesem ihr fremden Land. Doch da ist Philipp, eher ein Außenseiter in der Klasse, Sohn einer alkoholabhängigen Mutter, die sich später das Leben nehmen wird. Struktur und Kontinuität ist er nicht gewohnt, Unterstützung zur Ausbildung seiner Persönlichkeit noch weniger. Viel Kritik, je nach jeweiligem Zustand der Mutter, während einer Abwesenheit der Mutter, verbringt er eine Zeit bei der Schwester seiner Mutter in „geordneten Verhältnissen“, fühlt sich dort aber auch nicht wohl.
Als Faina in die Klasse kommt, in der Philipp ist, nimmt er sich ihrer an, vermittelt ihr die Sprache und vieles andere mehr und macht sie zu „seiner Freundin“. Er stellt von Anfang an einen Besitzanspruch an sie und das wird sich über die Zeit nicht ändern, eher im Gegenteil.
Als sie älter werden , trennen sich ihre Wege für eine gewisse Zeit. Eine sexuelle Beziehung können sie nicht führen, da Philipp sich vor Körperlichkeiten ekelt.Faina hat eher das umgekehrte Problem, sie lebt bisexuell und verdient zusätzliches Geld mit Sexdiensten.Als sie schwanger wird, von wem weiss sie nicht, flüchte sie zu Philipp, dem einzigen der ihr hilft, denn Faina’s Elternhaus ist auch mehr als problematisch.Philipp zieht mit ihr nach Berlin, wird immer kontrollsüchtiger , bis es zum großen Knall kommt.

Dieses Buch hat es in sich. Beide Protagonisten haben eine problematische Kindheit,Faina entwickelt eine bipolare Störung, wechselt zwischen Hochs und Tiefs, was durch das Kind noch erschwert wird.
Man ahnt von Anfang an, dass das nicht gut gehen kann, spürt bei Philipp eine ständige latente Wut, die er zu Anfang noch unter Kontrolle hat.Narzistische Züge sind bei ihm auch zu erkennen, es geht immer nur um sein Wohlbefinden, er tut nichts ohne Gegenleistung, auch wenn es anfangs anders wirkt, schafft Abhängigkeiten für die er belohnt werden will.
Ich fand diese toxische Beziehung gut beschrieben, wie sie sich mit der Zeit entwickelt, sich hochschaukelt und jeder Einzelne agiert.

Leider hört man immer wieder von diesen Fällen, die mir immer wieder zeigen, wie wichtig eine gute Kindheit ist, wie wichtig es ist, Kindern zu zeigen, dass man sie liebt und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt.Fehler machen wir Eltern alle, wir sind Menschen und fehlbar, aber ein liebevolles und stabiles Elternhaus ist auch die Grundlage für die Persönlichkeitentwicklung eines Menschen und für sein Handeln im späteren Leben.

Bewertung vom 06.05.2024
Das Fenster zur Welt
Winman, Sarah

Das Fenster zur Welt


sehr gut

ein gutes Buch mit einigen Längen
Auf das Buch " Das Fenster zur Welt" wurde ich durch die vielen guten englischen Rezensionen aufmerksam. Auch das wunderschöne Cover sprach mich an und so war ich sehr dankbar, dass ich es lesen durfte.

Das Buch erzählt von Freundschaft, Familie, Liebe in all seinen Facetten, von Toleranz und immer wieder von der Kunst. Die Geschichte konnte mich zum Teil gefangen nehmen, hat mich aber auch manchmal mit seiner Langatmigkeit in den Dialogen auf eine Geduldsprobe gestellt.

Im Jahr 1944 treffen zwei Menschen in der Toscana aufeinander. Der junge britische Soldat Ulysses und die sechzigjährige Kunsthistorikerin Evelyn . Sie werden zu lebenslangen Freunden und ihre Freundschaft prägt beide gerade durch ihre unterschiedlichen Sichtweisen nachhaltig.
Wir begleiten die Leben der beiden Protagonisten und ihre Freunde, was mich teilweise sehr begeistert hat. Die flüssige, teilweise sehr humorvolle Schreibweise fand ich mehr als gelungen, vor allem die Schilderungen rund um den Papagei Claude haben mich häufig lachen lassen.
Auf der anderen Seite waren mir manche Passagen des Buches zu langatmig, mache Dialoge zu ausschweifend. Anderseits fehlte mir etwas. Die Geschichte von Evelyn war mir zu kurz, denn hier hätte ich gern mehr erfahren von dieser interessanten und charismatischen Frau.
Sowieso ist der Autorin die Ausgestaltung ihrer Charaktere wirklich gut gelungen. Auch das Thema Kunst, was natürlich in Italien und speziell in Florenz nicht zu kurz kommen darf, fand ich gelungen umgesetzt.

Bis auf die ab und zu auftretenden Längen, die meinen Lesefluß manchmal gestört haben, fand ich das Buch aber sehr gelungen und wer sich an manchmal ausschweifenden Dialogen nicht stört, wird sicherlich viel Freude mit diesem Buch haben.

Bewertung vom 06.05.2024
Die Zeit der Kinder
Riess, Lena

Die Zeit der Kinder


sehr gut

Pädagogik im Wandel der Zeit
„Die Zeit der Kinder“ist ein sehr flüssig und interessant geschriebenes Buch über den Pädagogen Friedrich Fröbel und seine spätere Ehefrau Luise.

Das Buch spielt im 19. Jahrhundert, einer Zeit, in der preußische Tugenden, wie Gehorsam , Pünktlichkeit und Anpassung noch hervorstechende Tugenden waren. Von Kindern erwartete man sie , genauso wie von Erwachsenen. Kind sein, so wir es heute kennen, war nicht gefragt. Es wurde geprügelt und bestraft, bis der kindliche Wille gebrochen war und ein angepasstes , widerspruchsloses Menschenkind das Ergebnis war. Wen wundert‘s , dass danach die Dinge geschahen, die geschehen sind.

Friedrich Fröbel war einer der Pädagogen , neben Johann Pestalozzi , der sich für eine andere Art der Pädagogik einsetzte, die natürlich auf großen Widerstand traf.
Auf spielerische Art und Weise ließ er die Kinder die Welt erkunden und begreifen und hatte großen Erfolg damit. Seine spätere Frau Luise unterstützte ihn dabei, wo sie nur konnte.

Auf sehr spannende und interessante Art und Weise wird über diesen großen Pädagogen und seine Frau bericht. Die flüssigeSchreibweise und die vielen interessanten Aspekte dieser Geschichte haben das Lesen für mich zu einem schönen Erlebnis werden lassen.

Bewertung vom 29.04.2024
Sturmmädchen (eBook, ePUB)
Bernstein, Lilly

Sturmmädchen (eBook, ePUB)


sehr gut

Freundschaft im Dritten Reich
Die Bücher von Lilly Bernstein konnten mich immer begeistern und so war es für mich selbstverständlich auch oihr neusten Buch zu lesen. " Sturmmädchen" ist ein Buch über eine Freundschaft im Dritten Reich.

Elli, Margot und Käthe kennen sich seit langem und ihre Freundschaft scheint unzerbrechlich. Unterschiedlich wie sie sind, halten sie zusammen und schwören sich ewige Freundschaft. Elli und Käthe kennen sich seit ihrer Kindheit im kleinen Eifeldorf, in dem sie aufgewachsen sind. Käthe, ein jüdisches Mädchen, ist später zum Kleeblatt dazugekommen , als ihre Eltern ein Ferienhaus in dem kleinen Eifelstädtchen kauften.

Mit Aufkommen des Nationalsozialismus zeigen sich erste Risse in der Freundschaft. Käthe ist eine glühende Verehrerin der neuen Ideologie, Elli steht dem ganzen skeptisch gegenüber und Margot als Jüdin und zusammen mit hrer Familie immer mehr unter Repressalien zu leiden.

Als die Nazis an die Macht kommen, spitzt sich die Lage zu und Margot und ihre Familie müssen um ihr Leben fürchten. Elli, die durch ein Gehbehinderung körperlich eingeschränkt ist, hilft wo sie kann, doch auch ihr Möglichkleiten sind begrenzt.

Dieses Buch zu lesen,macht wieder deutlich, wie wichtig es ist, die Geschehnisse der damaligen Zeit in Erinnerung zu behalten, damit so etwas nicht wieder geschieht. Das Buch berührt und es läuft einem mehr als einmal eiskalt über den Rücken mitzuerleben, wie Juden damals leben mussten.
Die Autrorin schreibt ihre Geschichte sehr berührend, die Charaktere sind sehr gut und liebevoll ausgestaltet und man folgt der Geschichte teilweise atemlos.

Trotzdem konnte mich dieses Buch nicht so begeistern, wie die Vorgängerbände.Voran das genau lag, kann ich gar nicht mal sagen, aber irgendwas fehlte mir in dieser Geschichte.Ich habe auch gar nicht verstanden, warum die Behinderung von Elli so eine große Rolle einnahm, weil sie eigentlich für den Verlauf der Geschichte keine allzu große Rolle spielte.

Alles in allem habe ich das Buch aber sehr gerne gelesen und kann es weiterempfehlen.

Bewertung vom 29.04.2024
Für immer, dein August / Mühlbach-Saga Bd.2 (eBook, ePUB)
Leciejewski, Barbara

Für immer, dein August / Mühlbach-Saga Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

die Geschichte geht weiter
„ Für immer, dein August“ ist der Fortsetzungsband der Mühlbach Sage und hat mir genauso gut gefallen wie „In Liebe, deine Lina“.

Der 1. Weltkrieg ist vorbei und August ist nach seiner Kriegsgefangenschaft nach Mühlbach zurückgekehrt, woher nicht unbedingt freundlich aufgenommen wird. Lotte, die in Bremen wohnt, hat August über die schwere Zeit hinweggeholfen und die Gefühle sind längst in Liebe übergegangen.
Doch schon ziehen neue dunkle Wolken am Horizont auf.

In diesem Buch wird die Geschichte der Großeltern der Autorin erzählt. Sehr interessant , aber auch sehr einfühlsam beschreibt die Autorin die damaligen Zeit im kleinen Dorf Mühlbach.Die Bevölkerung , gefangen in ihrer Arbeit , wollen sich nicht mit der neuen Gefahr, die droht beschäftigen. Längst sind die alten Wunden noch nicht verheilt und die Arbeit muss getan werden. August hadert mit seinem Schicksal und versucht das Beste draus zu machen.

Der Autorin gelingt es ausgezeichnet dieses ausschlaggebende Moment der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts einzufangen, die Gedanken und Gefühle der Menschen zu beschreiben. Man kann den Zeitgeist spüren und möchte die Menschen am liebsten wachrütteln und sagen „Passt auf, wehrt euch, sonst passiert Schlimmes.“
In einer sehr flüssigen und emphatischen Schreibweise erzählt die Autorin die Geschichte ihre Großeltern, die einen mehr als gefangen nimmt.

eingrossartiges Buch.

Bewertung vom 26.04.2024
Weiße Wolken
Seck, Yandé

Weiße Wolken


sehr gut

überzeugendes Debüt
" Weiße Wolken " ist ein Debütroman, der mich zu Anfang etwas warten ließ, mich dann aber überzeugte.

Dieo und Zazie sind Geschwister und People of Colour. Mutter weiß und Vater schwarz und beide sind sehr unterschiedlich.
Dieo ist die Ältere, verheiratet und Mutter dreier Söhne. Ihr Mutter arebtiet viel und so hat sie sich mit ihrer Rolle als Mutter und Managerin der Familie arrangiert.
Zasie hat studiert, promoviert und arbeitet sich an den Ungerechtigkeiten der Welt ab. Sie käpft gegen Rassismus die alltägliche Altersdiskriminerung, Vorurteile und setzt sich stak für Feminismus ein. Beide reflektieren ihr Leben und haben sich in ihren Rollen eingelebt. Bis etwas geschieht, das vieles anders sehen lässt.

Ich habe etwas gebraaucht , um in dieses Buch hineinzufinden , habe es dann aber nicht mehr weglegen können. Mit viel Witz, aber auch mit der richtigen Sicht auf die wichtigen Themen unterhält die Autorin den Leser auf sehr vielfältige Weise , was die Themen angeht. Tolle Charfaktere und eine flüssige Schreibweise haben mich gut unterhalten. Ich bin gespannt auf weitere Bücher dieser Autorin.

Bewertung vom 26.04.2024
Windstärke 17 (eBook, ePUB)
Wahl, Caroline

Windstärke 17 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

wieder ein Volltreffer
Caroline Wahl , deren erstes Buch „22 Bahnen“ mich berührt und mehr als überzeugt hat, schreibt nicht nur ihre Geschichte um Ida und Tilda weiter, sondern überzeugt auch mit diesem Buch und zeigt, dass sie es versteht, sich in die menschliche Psyche hineinversetzen zu können.

Steht im ersten Buch der Autorin Tilda als große Schwester im Vordergrund, so ist es in „Windstärke 17“ Ida, die ihre Geschichte erzählt und Einblick gibt in ihre Gedankenwelt gewährt.
Tilda ist mittlerweile Professorin in Hamburg, verheiratet und hat zwei Kinder. Ida ist bei ihrer alkoholkranken Mutter geblieben, hat nach dem Abitur versucht in Leipzig einen Studienplatz in Literaturwissenschaften zu bekommen und wurde abgelehnt.Ein Tiefschlag für sie, der sie ein wenig aus der Bahn wirft. Als sie dann eines Tages ihre Mutter tot in der Wohnung auffindet, die sich mit Tabletten das Leben genommen hat, zieht es ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie kündigt die Wohnung und flüchtet, vor sich selbst, der Situation und ihren Schuldgefühlen. Sie strandet auf Rügen, findet bei Knut und Marianne eine Bleibe und versucht mit ihrem Leben klar zu kommen.

Schön das erste Buch der Autorin hat mich tief beeindruckt, dieses Buch hat mich umgehauen.Die Autorin versteht es ,die Gefühlswelt eines tief verletzten und verunsicherten Menschen zu beschreiben, als hätte sie dies selbst erlebt, was vielleicht ja auch der Fall ist. Zu erleben, wie Kinder einer alkoholkranken Mutter leiden müssen, ist mir sehr ans Herz gegangen. Ida fühlt sich, genauso wie ihre Schwester Tilda verantwortlich, die Sachen zu übernehmen, die eigentlich die Mutter hätte übernehmen müssen.Eine Bürde, die kein Kind tragen darf. Bei Tilda waren es neben den alltäglichen Dingen, die mit der Versorgung des Haushalts zusammen hängen, die Sorge um die Schwester.Ida sorgt sich um die Mutter und macht sich nach ihrem Tod Vorwürfe, dass ,wenn sie etwas anderes oder mehr getan hätte, es nicht dazu gekommen wäre, was Unsinn ist, denn einem alkoholkranken Menschen kann man nur professionelle Hilfe anbieten, letztendlich schafft er es selbst, oder aber nicht.
Hier wird aber sehr gut gezeigt, welch zwiespältigen Gefühle Angehörige und in diesem Fall das Kind, ausgesetzt sind. Ich stelle mir diese Gefühle als sehr belastend vor und sie können einen Menschen zerstören. Was bedeutet eine solche Kindheit für das spätere Leben, das eigene Selbstverständnis und für spätere Beziehungen ? Ich mag es mir nicht vorstellen.
Auch von ihrer Schwester, die sie immer wieder versucht zu kontaktieren, nimmt Ida keine Hilfe an, selbst zur Beerdigung ihrer Mutter erscheint sie nicht, weil die Schuldgefühle zu groß sind.
Erst auf Rügen bei Marianne und Knut findet sie nach und nach wieder zu sich selbst, doch der Gesundungsprozess ist schwer und langwierig, zumal sie mit weiterem Schmerz konfrontiert wird.

Ich fand es bei dem schweren Thema schön zu erleben, wie sie doch Stück für Stück wieder zu sich selbst findet, nachdem sie zu Anfang so zerstörerisch gegen sich selbst war.
Auch die Beschreibung ihres Selbstwertgefühls ist der Autorin gut gelungen. Ida hat nicht das Gefühl es wert zu sein Zuneigung von Menschen zu bekommen, kann sich auch nicht vorstellen, dass Menschen Interesse an ihr haben, wie z. B. Leif, weil sie selbst diese Zuneigung selten oder nie bekommen hat, da die Sucht die Mutter immer im Griff hatte .
Es hat mir das Herz aufgehen lassen, wie liebevoll und beständig Knut und Marianne ihr dies vermittelt haben und sie nach und nach Vertrauen zu den beiden und zu sich selbst fasst.

Dieses Buch hat mein Herz berührt und wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Bewertung vom 26.04.2024
Geteilte Träume / Kinderklinik Weißensee Bd. 4
Blum, Antonia

Geteilte Träume / Kinderklinik Weißensee Bd. 4


sehr gut

der Abschluss der Reihe
Mit dem vierten Band „ Geteilte Träume“, findet die Reihe „Kinderklinik Weißensee „ihren Abschluss.
Das Buch startet im Jahr 1948 im Nachkriegsdeutschland.Die Klinik liegt im russischen Sektor und hat mit Versorgungsproblemen zu kämpfen, sowohl bei lebenswichtigen Medikamenten, als auch bei Baumaterialien für die Klinik, die in einem maroden Zustand ist.
Lissy, Emma‘s Tochter,beginnt als Assistenzärztin in der Klinik und hat es gleich mit einer Polioepidemie zu tun, die sie besonders bewegt,hat sie diese Erkrankung ja selbst durchgemacht.Emma, ihre Mutter, hat die Pflegedienstleitung in der Klinik übernommen und arbeitet bis zur Erschöpfung. Sie hat sich vorerst mit dem Regime arrangiert, was zum Bruch mit ihrer Schwester Marlene führt, die, nachdem sie und ihr Mann Maximilian enteignet wurden, in den Westen geflohen sind. Maximilian stirbt an einem Herzinfarkt, was sie der russischen Regierung anlastet.Marlene verfällt nach dem Tod ihres Ehemannes in eine tiefe Depression und bekommt nicht mit, wie ihre Tochter Katharina ihr entgleitet.

Katharina Blum erzählt ihren Abschlussband gewohnt flüssig und unterhaltsam. Die Polioepidemie erinnerte mich ein wenig an die Verhältnisse während der Corona-Pandemie, in der auch Schulen und andere Einrichtungen geschlossen waren und die Krankenhäuser überlastet waren.Es werden sowieso viele medizinische Themen angesprochen, wofür natürlich Interesse da sein sollte. Aber auch die Liebe spielt in diesem Band wieder eine Rolle, diesmal bei Lissy. Aber auch politische Themen, die Unterschiede zwischen Ost und West und Reglementierung durch das russische Regime werden oberflächlich thematisiert.

Alles in allem war dieser 4. Band ein unterhaltsamer Abschluss dieser Reihe, die hiermit ihr Ende gefunden hat.