Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lu
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 124 Bewertungen
Bewertung vom 12.06.2024
Die Postkarte
Berest, Anne

Die Postkarte


sehr gut

„Die Postkarte" von Anne Berest, im Hörbuch gelesen von Simone Kabst, ist ein tief bewegendes und literarisch anspruchsvolles Hörbuch, das sich durch seine narrative Vielschichtigkeit und emotionale Tiefe auszeichnet.

Die Geschichte beginnt mit einer mysteriösen Postkarte, die im Jahr 2003 in den Briefkasten von Anne Berests Mutter landet. Auf der Postkarte sind vier Namen vermerkt. Diese Namen gehören zu Verwandten von Anne Berest, die während des Zweiten Weltkriegs im Holocaust umgekommen sind. Getrieben von Neugier und dem Wunsch, ihre Familiengeschichte zu verstehen, begibt sich Anne auf eine Reise in die Vergangenheit. Dabei rekonstruiert sie das Leben ihrer Vorfahren, deckt Familiengeheimnisse auf und setzt sich mit der jüdischen Identität und Geschichte auseinander.

Anne Berests Schreibstil ist gleichzeitig poetisch und präzise. Die detaillierten Beschreibungen und lebhaften Charakterzeichnungen lassen die Vergangenheit lebendig werden und machen die Schicksale der Familienmitglieder greifbar. Die Sprecherin des Hörbuchs Simone Kabst liest warm und klar vor, sodass man eigentlich gut folgen können müsste. Allerdings haben mich die komplexen Wege der Familie und verschiedenen Charaktere irgendwann beim Hören verwirrt und überfordert. Ich würde daher eher die Lektüre des Romans empfehlen als das knapp 15 Stunden lange Hörbuch.

Bewertung vom 09.06.2024
Möge der Tigris um dich weinen
Malfatto, Emilienne

Möge der Tigris um dich weinen


ausgezeichnet

Emilienne Malfattos Roman „Möge der Tigris um dich weinen“ handelt von den tief verwurzelten patriarchalischen Strukturen des ländlichen Iraks. Auf wenigen Seiten werden sehr eindringlich und intensiv nicht nur die Tragik einer jungen Frau erzählt, sondern auch die stumme Resignation und das unbarmherzige Schicksal, dem sich alle Figuren in dieser abgeschlossenen, vom Krieg gezeichneten Gesellschaft beugen müssen.

Ein junges Mädchen wird schwanger von einem Freund ihres älteren Bruders, obwohl sie nicht verheiratet sind. Was in liberalen Gesellschaften kein Problem wäre, bedeutet für sie im Irak den sicheren Tod. In der Zeit, in der sie auf die Ankunft ihres älteren Bruders, ihres Mörders, wartet, kommt nicht nur sie selbst zu Wort, sondern auch alle Familienmitglieder denken über ihre Rolle in diesem grausamen System nach. Daneben berichtet auch der Tigris vom Glanz vergangener Zeiten und vom Leid, das der Fluss nun mitansehen muss.

Malfattos Schreibstil ist lyrisch und kraftvoll. Die Autorin und auch die deutsche Übersetzerin schaffen es schonungslos und doch voller Poesie hinter die Fassade der Familie zu schauen. Besonders beeindruckend fand ich dabei die Art und Weise, wie Malfatto es schafft, die stumme Resignation der Figuren und die unerbittliche Mechanik der Konventionen darzustellen. Damit ist der kurze Roman sicherlich keine leichte Lektüre, sondern emotional mitnehmend, aufgrund von Inhalt und Sprache aber eine absolute Empfehlung.

Bewertung vom 07.06.2024
Liebe kann doch jedem mal passieren / Chestnut Road Bd.1
Sanders, Anne

Liebe kann doch jedem mal passieren / Chestnut Road Bd.1


ausgezeichnet

Der Roman „Liebe kann doch jedem mal passieren“ ist eine absolut gelungene RomCom. Mir hat die Geschichte wirklich gut gefallen, weil sie einfach nett ist - unterhaltsam, lustig, ans Herz gehend. Zahnärztin Julie zieht für eine dringend benötigte Auszeit in Brighton in ein Zimmer ein, nur um festzustellen, dass ihr gemietetes Zimmer doppelt vergeben wurde – an den angehenden Anwalt Alex. Von Anfang an entsteht eine charmante Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Und ja, das ist vorhersehbar, aber durch die sympathischen Charaktere sehr unterhaltsam zu lesen. Die ungewöhnliche Wohnsituation und zahlreiche exzentrische Nachbarn im Wohnhaus sorgen von Anfang an für viele humorvolle und herzerwärmende Momente, die mich sofort gefesselt haben und mich richtig in die Nachbarschaft in Brighton haben eintauchen lassen.

Ein Pluspunkt des Romans war für mich, dass die Beziehung zwischen Julie und Alex ohne unnötige Missverständnisse und übertriebene Dramen aufgebaut wird, bei denen die Protagonisten aneinander vorbeireden, um den Roman in die Länge zu ziehen. Insgesamt bietet „Liebe kann doch jedem mal passieren“ eine gelungene Mischung aus Witz, Romantik und liebevoll gezeichneten Charakteren, die den Roman zu einer perfekten Lektüre für alle macht, die nach einer herzerwärmenden Geschichte ohne kitschige Klischees suchen.

Bewertung vom 05.06.2024
Was das Meer verspricht
Blöchl, Alexandra

Was das Meer verspricht


sehr gut

Ein bisschen hat mich der Roman an die Atmosphäre im Roman „In blaukalter Tiefe“ erinnert - auch wenn „Was das Meer verspricht“ hauptsächlich auf einer kleinen, norddeutschen Insel spielt und weniger auf dem Meer. Vom Meer geht aber auch in diesem Roman nicht nur Urlaubsstimmung aus, denn es geht um enttäuschte Erwartungen, Selbstfindung und das Verdrängen und Ausleben von Gefühlen.

Vida, die Protagonistin, hat ihr gesamtes Leben auf der abgelegenen, rauen Insel verbracht. Sie erfüllt ihre Pflicht, ohne den vorgezeichneten Weg zu hinterfragen: das Geschäft der Eltern übernehmen und ihren Kindheitsfreund heiraten. Als eine junge Frau, Marie, auf die Insel kommt, fängt Vida an, an ihrem Weg zu zweifeln. Als schließlich ihr großer Bruder zurückkehrt, geraten Vidas neue Lebensvorstellungen allerdings wieder in Gefahr.

Die Sprache ist lyrisch und bildreich, kurze Kapitel treiben die Handlung voran, wobei dies meinen Lesefluss teilweise auch gestört hat. Ich habe an mir selbst beobachtet, dass ich mich beim Lesen öfter habe ablenken und unterbrechen lassen. Die melancholische Atmosphäre des Romans, gepaart mit seinen dramatischen Wendungen und poetischen Beschreibungen, macht „Was das Meer verspricht“ aber dennoch zu einer lesenswerten Lektüre.

Bewertung vom 01.06.2024
Die Spaghetti-vongole-Tagebücher
Maiwald, Stefan

Die Spaghetti-vongole-Tagebücher


sehr gut

„Die Spaghetti-vongole-Tagebücher“ sind ein charmantes Sachbuch, das den Leser auf eine kulinarische Reise durch die oberitalienische Adriaküste mitnimmt. Das außen und innen hübsch gestaltete, kleine Büchlein ist ein Genuss für alle, die eine Leidenschaft für Italien und seine Küche haben.

Die erzählten Anekdoten schildern lebendig und authentisch italienische Lebensfreude. So trifft der Erzähler viele verschiedene Persönlichkeiten und stellt so ihre jeweilige kulinarische Spezialität vor, wobei er eigene Geschichten und kulinarischen Weisheiten einbringt, was das Buch zu einem Fundus an Geschichten und kleinen, einfachen Rezepten macht. Man spürt förmlich die Atmosphäre der kleinen Trattorien und Bars, die Herzlichkeit der Menschen und den Geschmack der Gerichte.

Eine kleine Schwäche des Buches ist das abrupte Ende. Ich hätte mir gewünscht, mehr weitere lustige Anekdoten, die beim gemeinsamen Essen entstanden sind, zu erfahren. Dennoch bleibt „Die Spaghetti-vongole-Tagebücher“ ein durchweg unterhaltsames und kurzweiliges Buch. Es bietet eine perfekte Mischung aus Reisebericht, Kochbuch und persönlicher Erzählung, die Lust auf Italien und seine wunderbare Küche macht. Wer sich nach einer Auszeit an der Adria sehnt oder einfach nur sein Repertoire an italienischen Rezepten oder Anekdoten erweitern möchte, wird dieses Sachbuch mögen.

Bewertung vom 01.06.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


sehr gut

„Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“ ist ein Roman, der Elemente des Abenteuerromans, der Fantasy und des Entwicklungsromans verbindet, was ich vor dem Lesen so nicht erwartet hätte. Eingebettet in die Kulisse des späten 19. Jahrhunderts, nimmt der Roman seine Leser mit auf eine Reise durch das geheimnisvolle und gefährliche Ödland, das zwischen China und Russland liegt. Diese riesige, verlassene Wildnis wird nur vom Transsibirien-Express durchquert, einem Symbol für Fortschritt und Zivilisation, der jedoch in jüngster Zeit durch düstere Gerüchte überschattet wird.

Der Roman folgt drei Hauptfiguren, die alle aus verschiedenen Gründen den riskanten Weg durch das Ödland antreten und die man schnell näher kennenlernt. Aufgrund der Fantasyelemente, ein für mich ungewohntes Genre, ist es mir dennoch erst schwergefallen, in den Text zu finden. Im Laufe des Romans wurde die Atmosphäre dann jedoch dichter und packender. Das Ödland, eine fast mythologische Landschaft, wird durch lebendige Beschreibungen zum Leben erweckt. Auch die Fahrt des Zuges, war so beschrieben, dass ich sie während des Lesens fast selbst spüren konnte. Insgesamt ist der Roman ruhig erzählt, man muss sich Zeit nehmen, um sich auf die Welt des Zuges und des Ödlands einzulassen.

Aus meiner Sicht beleuchtet der Roman die Auswirkungen des Reisens auf die menschliche Psyche und den veränderten Blick auf die Welt. Die Charaktere entwickeln sich durch ihre Reise, werden mit ihren Ängsten und Hoffnungen konfrontiert. Darüber hinaus wird der Umgang des Menschen mit seiner Umwelt dargestellt und die Hybris, zu glauben, man könne sich die Welt Untertan machen und sei nicht mit ihr verbunden, ziehen sich als roter Faden durch die Erzählung. Das hat mich tatsächlich auch sehr berührt, weshalb ich den Roman allen empfehlen kann, die offen sind für ein ungewöhnliches, besonderes Leseerlebnis.

Bewertung vom 19.05.2024
One last shot - Macht es am Ende doch noch Klick?
Cayouette, Betty

One last shot - Macht es am Ende doch noch Klick?


sehr gut

„One Last Shot“ ist ein Roman, der sich zunächst als bezaubernde Liebesgeschichte in der malerischen Kulisse Liguriens präsentiert. Die Handlung verspricht, wie auch das wunderschöne Cover mit dem geschmackvollen Farbschnitt (gefällt mir sonst eigentlich nie!), eine romantische und dennoch erfrischend unkitschige Erzählung.

Im Zentrum der Geschichte stehen Emerson, gefragtes Supermodel, und Theo, Fotograph, die sich nach zehn Jahren auf einem Fotoshooting für ein großes Unternehmen wiederbegegnen. Die Wiederentdeckung ihrer Jugendliebe bildet das Herzstück des Romans. Die ersten drei Viertel des Buches haben mich dabei ausgesprochen gut unterhalten. Emersons starker und eigenwilliger Charakter sowie die spannende Darstellung der Modewelt und großer Fotoshootings bieten eine interessante Lektüre.

Leider verliert die Geschichte auf den letzten 100 Seiten, als die Handlung wieder in die USA verlagert wird, etwas von ihrem Charme und ihrer Faszination. Die Rückkehr in die USA und die dortigen Entwicklungen konnten das vorherige Niveau und die besondere Atmosphäre der italienischen Szenen nicht halten, auch wenn die Story eigentlich auf diesen Seiten an Tiefe gewinnt. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass die Autorin die Geschichte weiterhin in Ligurien belässt und uns mehr von der schönen Region und dem Leben dort zeigt.

Insgesamt bleibt „One Last Shot“ jedoch eine lesenswerte und unterhaltsame Lektüre, die besonders durch ihre ersten drei Viertel besticht. Für Fans von romantischen Geschichten mit starken Charakteren und einem Hauch von italienischer Lebensart ist dieses Buch definitiv zu empfehlen.

Bewertung vom 17.05.2024
Das Gegenteil von Erfolg
Thomas, Eleanor Elliott

Das Gegenteil von Erfolg


gut

Ich muss zugeben, dass ich mir mehr von diesem Roman erhofft habe. Der Roman wird angekündigt als „irre komischer […] schlauer Roman […] über Arbeit, Mutterschaft, Freundschaft, Kapitalismus und den Mutzu scheitern“. Ein unterhaltsamer Roman über eine sympathisch chaotische Protagonistin, der dann aber auch noch Kapitalismuskritik übt? Das musste ich lesen!

Der erste Drittel hat mich dann tatsächlich auch nicht enttäuscht. Der Schreibstil ist locker und unterhaltsam, die beiden Freundinnen Lorrie und Alex sind jeweils nicht zu perfekt und deshalb sympathisch, dennoch haben eine Vorgeschichte, die den Figuren Tiefe gibt. Außerdem sind beide richtig kluge Frauen. Anschließend verlor der Roman aus meiner Sicht allerdings zunehmend an Tempo, es gab zu weitschweifige Überlegungen der beiden Frauen, die jedoch kaum irgendwohin führten oder dazu führten, dass die beiden ihre Handlungen anpassten.

Gestört hat mich dann am Roman in der Gesamtschau, dass mit wichtigen Themen dann doch zu unkritisch umgegangen wird. Das fat shaming, dem z.B. Lorrie ausgesetzt ist, von dieser zwar reflektiert wird, aber dennoch bis zum Schluss nichts dagegen unternommen wird - da wird auch eine ernste Krankheit von Lorries Mutter noch als gute Abnehmmaßnahme kommentiert. Das wird zwar von Lorrie als unmöglich wahrgenommen, sie tut allerdings nichts dagegen. Auch die Kapitalismuskritik fällt lahm aus - Lorrie betont, dass sie am liebsten als Hausfrau bei ihren Töchtern bleiben würde anstatt zu arbeiten. Vielleicht möchte sie auch noch einmal studieren. Das blendet sicher viele Schwierigkeiten, die damit einhergehen aus, wie z.B. die finanzielle Abhängigkeit von ihrem Mann, in die Lorrie sich begeben würde. Auch die Klimaaktivisten werden vom Roman als zu radikal dargestellt, Alternativen dazu scheint es nicht zu geben. Und als wären das nicht schon genug Themen, gibt es auch noch ein Eifersuchtsdrama zwischen Alex und Lorrie und weiteren Figuren. Mein Fazit also: Kann man lesen, muss man aber vielleicht auch nicht.

Bewertung vom 14.05.2024
Das Ende der Erschöpfung
Mau, Katharina

Das Ende der Erschöpfung


sehr gut

"Das Ende der Erschöpfung" ist eine leicht verständliche Einführung zur dringenden Notwendigkeit einer nachhaltigen Umgestaltung des Wirtschaftssystems. Die Autorin präsentiert wichtige Ideen und Weichenstellungen, die in Richtung einer zukunftsfähigen Wirtschaft lenken könnten. Ihre Betrachtungen sind dabei sowohl informativ als auch inspirierend, insbesondere aber für Leser:innen, die sich erstmalig mit diesem Thema auseinandersetzen.

Die Autorin beginnt mit einleuchtenden Alltagsbeobachtungen zu Wachstum und Konsum. Die These, Unzufriedenheit und der Wunsch nach mehr komme erst durch den Vergleich mit anderen, fand ich dabei besonders treffend. Ich wohne in einer sehr reichen Stadt und staune teilweise, was in meinem Viertel die „Norm“ ist, da überkommt mich dann tatsächlich öfter der Wunsch, eigentlich auch eine größere Wohnung mit Balkon haben zu wollen, obwohl meine jetzige Wohnung mein Grundbedürfnis nach einem Dach über dem Kopf eigentlich schon gerecht würde. Auch an weiteren Beispiel zeigt die Autorin, von welchen Vorstellungen und Fehlverständnissen unser Blick auf das Wirtschaften und Wachstum geprägt ist. Darauf aufbauend geht sie dann auf viele konkrete Ideen von Degrowth-Strömungen ein und erläutert sie auch für Laien sehr verständlich. Dabei wird sie teilweise wenig konkret, allerdings ist das auch nicht das Ziel des Buches: Die Autorin möchte erst einmal einen Möglichkeitsraum im Denken aufmachen und eine Diskussion anstoßen. Richtig gut gelingt das jedoch immer, wenn Alltagsbeispiele eingebracht werden, von denen es ruhig noch mehr hätte geben dürfen.

Insgesamt bietet "Das Ende der Erschöpfung" damit eine wichtige Perspektive auf die notwendigen Veränderungen im Wirtschaftssystem. Allerdings liefert es für einige bereits informierte Leser:innen möglicherweise nicht viele neue Erkenntnisse, da vor allem verschiedene Ansätze zusammengefasst und in einen Zusammenhang gebracht werden. Die Autorin baut also stark auf bereits bekannte Konzepte auf, was ich grundsätzlich positiv sehe, sie fügt aber nur begrenzt neue Einsichten hinzu. Ich persönlich kannte mehrere Sachbücher und wissenschaftliche Ansätze, auf die sich die Autorin bezieht (Ulrike Herrmann, Maja Göpel, Kate Raeworth, John Maynard Keynes,…), weshalb es nur einige Kapitel gab, die für mich inhaltlich wirklich neu waren. Und trotzdem: Gerade deshalb ist dieses Sachbuch sicher für viele Leser:innen ein guter Ausgangspunkt für den Einstieg in die Debatte.

Bewertung vom 08.05.2024
Die Schönheit der Rosalind Bone
McCarthy, Alex

Die Schönheit der Rosalind Bone


sehr gut

In "Die Schönheit der Rosalind Bone" taucht man ein in die düstere und beklemmende Welt eines walisischen Dorfes, in dem zwar jeder jeden beobachtet, aber bei Problemen intensiv wegschaut und geschwiegen wird. So ist Rosalind Bone von mehreren Jahrzehnten vom Erdboden verschwunden, aber erst ihre Nichte Catrin stellt Nachforschungen an.

Besonders beeindruckend ist McCarthys Fähigkeit, auf wenigen Seiten ein dichtes Bild dieses Dorfes zu entwerfen. Durch die Augen verschiedener Figuren lernen wir die Verstrickungen innerhalb der Dorfgemeinschaft nach und nach kennen. Dabei wird schnell deutlich, wie viel Gewalt, Angst, Trauer und Wut in den scheinbar idyllischen Kulissen verborgen liegt. Die poetische Sprache des Autors verleiht der Geschichte eine ganz eigene Atmosphäre und ermöglicht es dem Leser, tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der Charaktere einzutauchen. Dabei schreckt die Autorin nicht zurück, auch die Perspektive von Tätern zu übernehmen. Zudem werden dadurch die unterschiedlichen Sichtweisen auf dasselbe Ereignis deutlich. Hoffnung macht die Figur Catrin, die mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit das Wegschauen und Nichtstun in Frage stellt und damit den Kern der gesellschaftlichen Missstände im Dorf offenlegt.

"Die Schönheit der Rosalind Bone" ist mehr als nur ein Roman, es ist eine eindringliche Auseinandersetzung mit Themen wie Gewalt gegen Frauen, Verdrängung und dem Streben nach Gerechtigkeit. McCarthy gelingt es, diese schwierigen Themen mit Sensibilität und Tiefe zu behandeln, ohne dabei an Intensität zu verlieren. Ein Buch, das noch lange nachklingt und zum Nachdenken anregt.