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Alais

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2023
Helle Tage, dunkle Schuld / Kriminalinspektor Carl Bruns Bd.1
Völler, Eva

Helle Tage, dunkle Schuld / Kriminalinspektor Carl Bruns Bd.1


sehr gut

Verbrecherjagd in der Nachkriegszeit
Das Spiel mit Hell und Dunkel, das das Cover prägt, passt perfekt zu diesem Roman, der kurz nach dem Ende der Naziherrschaft spielt. Eine polizeiliche Verbrecherjagd in einem Land, in dem sich vor wenigen Jahren noch der Staat selbst und mit ihm ein Großteil der Bevölkerung auf schlimmste Weise auf Verbrecherseite gestellt hatten, das ist eine ganz besonders heikle und interessante Ausgangskonstellation für eine Kriminalerzählung ...
Eingerahmt wird die Erzählung durch eine ansprechende Gestaltung mit zwei kleinen Extras: Vorne ein kurzes Interview mit der Autorin zu den historischen Hintergründen, bei dem man nebenbei erfährt, dass die Autorin Juristin ist, was sich zum Glück nicht auf ihren Schreibstil ausgewirkt hat, denn dieser ist sehr flüssig und allgemein verständlich. Aber diese Information erklärt, warum sie in dieser spannenden Geschichte so mitreißend und viele Aspekte beachtend das Thema Schuld veranschaulichen kann. Und ganz hinten im Buch befindet sich ein historisches Foto mit zwei Kindern, bei dem ich zwar keinen direkten Bezug zur Handlung erkennen kann, das aber hilft, sich in die Zeit, in der die Geschichte spielt, zu versetzen, und einige Pressestimmen, die ich eher überflüssig fand.
Mit ihrer Geschichte gelang es der Autorin Eva Völler sehr gut, die Nachkriegszeit vor meinem inneren Auge lebendig werden zu lassen. Sie bevorzugt eine klare, schnörkellose Sprache, schreibt aber auch mit viel Gefühl und Einfühlungsvermögen. Von Seite zu Seite nahm mich die Erzählung, die ich erst nur ganz nett, dann aber zunehmend interessanter fand, immer mehr gefangen und überraschte mich immer wieder mit unvorhergesehenen Wendungen. An einigen wenigen Stellen drohte sie, ins Kitschige abzugleiten, wirkte aber auf mich stets authentisch, insbesondere, was die durch die Nazizeit belasteten Beziehungen der einzelnen Figuren untereinander anbelangt.
Der Ermittler Carl Bruns entspricht nicht den üblichen Ermittlerklischees, noch interessanter fand ich jedoch einige starke Frauenfiguren und ganz allgemein das Miteinander und manchmal Gegeneinander der Menschen in dieser in vielerlei Hinsicht herausfordernden Zeit.
Ein vielschichtiger Krimi, der mitreißt, die damalige Zeit lebendig werden lässt und dabei Fragen aufwirft, die manchmal beunruhigend aktuell scheinen - meiner Meinung nach sehr lesenswert!

Bewertung vom 19.09.2023
Als wir an Wunder glaubten
Bürster, Helga

Als wir an Wunder glaubten


ausgezeichnet

Zwischen Verzweiflung und Hoffnung – ein einfühlsamer Roman über die Nachkriegszeit und ihre Herausforderungen:
Helga Bürsters feinfühlig erzählter Roman spielt in einem kleinen Dorf kurz nach dem Ende des selbstverschuldeten Zweiten Weltkriegs, als die Lage für die Menschen in Deutschland in vielerlei Hinsicht schwierig war. Zur oft finanziellen Not und der schwelenden Schuld kommen Orientierungslosigkeit, die selbst erlittenen Verletzungen und Traumen der Diktatur- und Kriegszeit. Die Autorin beleuchtet diese Zeit in dem kleinen, im Moor gelegenen Ort mit Herzensgüte, sehr viel Tiefe und Emotionalität, aber auch oft kritischem Blick.
Nachdem ich bereits ihren ersten Roman „Luzies Erbe“ sehr mochte, konnte sie mich auch in diesem Roman wieder mit ihrem Schreibstil begeistern. Sie schreibt einfach wunderbare Sätze! Sie erzählt auf eine atmosphärische und intensive Weise, sodass ich das Gefühl hatte, alles hautnah miterleben zu können. Auch gelingt es ihr, etwas Humor und menschliche Wärme in eine Romanwelt einfließen zu lassen, die eigentlich entsetzlich ist, von emotionaler Kälte, schwerer Schuld und roher Gewalt gegenüber Mensch und Tier geprägt. Viele Menschen sind in ihrem Unglück gefangen und traumatisiert. Hilfe, beispielsweise für Kriegsversehrte und ihre Familien, gibt es, wenn überhaupt, nur unzureichend. Interessant fand ich unter anderem den Aspekt, dass Ärzte, die sich im Nazireich auf schreckliche Weise schuldig gemacht hatten, zumindest in dieser Erzählung nicht länger das allgemeine Vertrauen der Menschen genießen. Doch gerade das lässt die in dieser Zeit oft tief verzweifelten Menschen leider zur leichten Beute von Heilsversprechern werden …
Die abgeschiedene Dorfwelt wirkte auf mich manchmal regelrecht mittelalterlich. Mehr als in anderen Romanen, die in diesen Nachkriegsjahren spielen, merkte ich hier, wie viel Zeit tatsächlich seitdem vergangen ist, was sicher daran liegt, dass die wenigsten Romane, die ich zu dieser Zeit bisher gelesen habe, einen Blick auf das damalige Landleben werfen, sondern eher in größeren Städten handeln. Gleichzeitig kommen Themen vor, die geradezu beängstigend modern sind, zum Beispiel: Hetzen und seine schrecklichen Folgen.
Trotz all dieser Düsternis und den unglaublich schweren Herausforderungen, vor denen die Menschen in diesem Roman stehen, gelingt es der Autorin aber auch immer wieder das Wunderbare darzustellen – ob im Menschen oder in der Natur – und Momente der Hoffnung einzubauen. Die verschiedenen Handlungsfiguren, von denen es auch neben den Hauptfiguren eine ganze Reihe weiterer Charaktere gibt, die besonders berühren bzw. aufwühlen, werden vielschichtig und einfühlsam geschildert. Überhaupt schreibt Helga Bürster sehr angenehm differenziert. So steht die Moorwelt für das "Alte" mit der Faszination seiner überlieferten Märchen und Sagen, aber auch den schlimmen Verbrechen der nicht allzu fernen Vergangenheit. Gleichzeitig naht der Fortschritt als strahlender, aber möglicherweise zerstörerischer Hoffnungsbringer ...
Mich packte die Erzählung so sehr, dass ich das Buch wie in einem Rausch las – auf der einen Seite diese tiefberührenden Schicksale, die es ja mit Sicherheit im echten Leben zu dieser Zeit in unfassbar hoher Zahl gegeben haben muss, und auf der anderen Seite dieser ansprechende, bildhafte Schreibstil, durch den das Lesen zum Genuss wird.

Bewertung vom 17.09.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1


gut

Ein unterhaltsamer, wenn auch nicht überragend spannender Krimi, der ideal ist, um ein bisschen von Italien zu träumen. Schon die Gestaltung weckte in mir Urlaubsgefühle - die bunten Farben der italienischen Mittelmeerküste, vorne zur Einstimmung ein kleines Interview mit dem Schriftsteller und im hinteren Teil eine liebevoll gestaltete Karte der Region.
Mit dem ermittelnden Commissario Vito Grassi, der nach dem Tod seines Vaters von Rom in sein geerbtes Haus in Ligurien zieht und prompt mit einem Mordfall konfrontiert wird, wurde ich hingegen nicht warm, obwohl er als liebender Vater einfach hinreißend ist. Seine unfreundliche Art gegenüber Menschen außerhalb seiner Familie empfand ich als ein bisschen nervend, insbesondere gegenüber seiner jungen Kollegin. Seltsamer- und unlogischerweise verliebte ich mich dafür sofort in die ebenfalls betont unfreundliche Toni, die Vito sehr zu seinem Erstaunen im Haus seines Vaters wohnend vorfindet, ohne dass sie es für nötig hält, ihm hierfür irgendeine Erklärung zu geben. Überhaupt hat der Autor Bonetto einige faszinierende Charaktere geschaffen, was auch für die Toten gilt - Vitos verstorbenen Vater und das Mordopfer, das nicht das einzige bleiben wird ... Diese Sorgfalt gefiel mir sehr, denn meiner Meinung nach werden Mordopfer von Autoren viel zu oft ein wenig vernachlässigt.
Dieser erste Fall von Vito Grassi ist knifflig, wendungsreich und berührend und doch konnten mich die Ermittlungen nicht immer hundertprozentig fesseln. Ich kann nicht genau bestimmen, was genau mir fehlte, vielleicht an einigen Stellen ein bisschen mehr Humor, vielleicht an anderen Stellen ein bisschen mehr Spannung. Dabei geschieht durchaus viel und auch der Lokalkolorit erscheint mir sehr gelungen. Ich bin zwar nicht hundertprozentig überzeugt, aber ich bin viel zu neugierig, wie die Geschichte Grassis in Ligurien weitergehen wird, um nicht weiterzulesen, wenn der nächste Band erscheinen wird ...

Bewertung vom 23.08.2023
Terafik
Karkhiran Khozani, Nilufar

Terafik


ausgezeichnet

Nilufars Kindheit ist durch den Verlust des Vaters, der in sein Geburtsland Iran zurückging, und eine kühl und unnahbar wirkende Mutter überschattet. Als junge Erwachsene gibt sie dem langen Drängen des Vaters nach und begibt sich auf eine Reise in das ferne Land ihres Vaters, um ihn und den iranischen Teil ihrer Familie zu besuchen. Eine emotionale Reise gepaart mit Rückblenden, die alte Wunden aufreißt und auch die Lesenden berührt und zum Nachdenken anregt …
In den virtuosen Umgang der Autorin mit Sprache habe ich mich gleich in den ersten Zeilen verliebt. Es ist eine sehr zarte Erzählung, getragen von Gefühlen und mit kraftvollen Bildern, die die Stimmungen, die Zerrissenheit und Verletzlichkeit der Handlungsfiguren gut vermitteln.
Als Leserin fühlte ich mich Nilufar, aber auch immer wieder ihrem Vater sehr nahe. Ich fand es berührend und inspirierend, wie er, ein Mensch mit großen Plänen, immer wieder seine Träume und Hoffnungen gegen die Gnadenlosigkeit der Welt stemmt. Er erschien mir als ein wohl sehr typischer Vertreter von Nilufars iranischer Familie, die mich mit ihrem Hang zu großen Gefühlen und Streitigkeiten nur allzu sehr an meine eigene Familie erinnerte.
Neben den Reiseeindrücken und dem Einblick in den iranischen Alltag wird auch immer wieder ein Blick zurück auf Deutschland und die dortigen Erfahrungen von Nilufar und ihrem Vater geworfen. Ein beschämender Blick, der Alltagsrassismus spürbar und miterlebbar macht ... Dass selbst Nilufar, die in Deutschland geboren und umgeben von deutscher Kultur aufgewachsen ist, solche Negativerfahrungen macht, verdeutlicht, wie absurd solche ausgrenzenden Reaktionen sind. Ein bisschen fühlte ich mich an das Stück „Andorra“ von Max Frisch erinnert, in dem Menschen einem Jungen, der unter ihnen aufwächst, das Bildnis eines Juden, das sie sich von ihm machen, so lange aufdrängen, bis er schließlich selbst überzeugt ist, diesem Bildnis zu entsprechen und nicht "einer von ihnen" zu sein.
Trotz dieser Behandlung schwerer Themen, der problematischen Beziehung zu den Eltern und des oft von außen aufgezwungenen Gefühls des Fremdseins, ist dieses Buch sehr versöhnlich und um Verständnis bemüht geschrieben. Und das in einem literarisch anspruchsvollen Schreibstil, der sich leicht und mit viel Genuss lesen lässt.

Bewertung vom 08.08.2023
Gnadenlose Provence / Commissaire Leclerc Bd.8
Lagrange, Pierre

Gnadenlose Provence / Commissaire Leclerc Bd.8


sehr gut

Auch wenn sich hinter dem Pseudonym Pierre Lagrange gar kein „echter“ Franzose verbirgt – die Liebe dieses Schriftstellers zu Frankreich und zur französischen Lebensart ist auch bei diesem neuen Krimiabenteuer des pensionierten Kommissars Albin und seines kleinen Begleiters, des Mopses Tyson, deutlich zu spüren. Eine liebevolle Darstellung von Handlungsort und Charakteren, durch die ich mich mit diesem Buch sehr wohlfühlte. Auch so typisch französisch: Man ist sich über ein Thema uneins, zieht klare Grenzen, verdeutlicht, wenn man eine Ansicht für vollkommen inakzeptabel hält, verurteilt deshalb aber nicht völlig den Menschen, der sie vertritt.
Und dennoch kommt es gerade in dieser diskussionsfreudigen, ansonsten aber idyllischen Region zu einer Reihe von Morden an Radfahrern – kurz, bevor ausgerechnet die Tour de France durch diese Gegend kommt, gleich in mehrerlei Hinsicht eine Katastrophe ... Für Albin und Tyson, dessen Beiträge nur von Albin „gehört“ werden können, sodass sich die vernünftigeren Leser:innen einreden können, Albin würde Tyson nur seine eigenen Gedanken quasi ins Maul legen, während die verrückteren Leser:innen wie ich selbstverständlich keinerlei Zweifel an der würdevoll und mit sehr viel gegenseitigem Respekt geführten Hund-Mensch-Unterhaltung haben, beginnt eine erneute gemeinsame Ermittlungsarbeit. Dass diese Einmischung eines Ruheständlers überhaupt möglich ist, wenn sie auch von den aktiven Ermittlern nur grummelig und unter Protest akzeptiert wird, erscheint mir erstaunlich, wird von Lagrange aber glaubhaft dargestellt.
Es kommt zu einigen Verwicklungen und Wendungen, die Erzählung macht an einigen Stellen entsetzt, betroffen und traurig, rührt an die dunkleren Seiten Frankreichs. Ich empfand die Geschichte als angenehm unterhaltsam und spannend, ohne dass aus ihr ein nervenzerfetzender Pageturner wurde, letzteres kann man ja auch nicht immer gebrauchen.
Kurzum: eine schöne Krimilektüre, um ein wenig dem Alltag zu entfliehen und in eine der schönsten Regionen Europas zu reisen!

Bewertung vom 31.07.2023
Fourth Wing / Flammengeküsst Bd.1
Yarros, Rebecca

Fourth Wing / Flammengeküsst Bd.1


ausgezeichnet

Ein wunderbarer Drachenfantasyroman!
Violet wurde auf ein Leben als Schriftgelehrte vorbereitet, doch dann trifft ihre distanzierte, hochrangige Mutter eine unfassbare Entscheidung und Violet muss sich einer Ausbildung als Drachenreiterin unterziehen. Bereits die Ausbildung in einem Umfeld, in dem Gewalt auch zwischen den Auszubildenden toleriert, wenn nicht gar gefördert wird, endet für viele tödlich und danach wird ein Einsatz in dem ewiglangen Krieg erwartet, in dem Violets Welt gefangen zu sein scheint ...
Von der ersten bis zur letzten Zeile fesselte mich dieser Fantasyroman mit atemberaubenden Erlebnissen wie der ersten Begegnung der Drachenreiterlehrlinge mit den Drachen, packenden, actionreichen Szenen und entwicklungsstarken Charakteren. Dabei hatte ich im Vorfeld einige Vorurteile, da mich actionreiche Handlungen oft langweilen und gewaltlastige Erzählungen in der Regel abstoßen. Tatsächlich aber gefiel mir in diesem Buch sogar die Darstellung von Gewalt, da sie in keiner Weise verharmlost oder gar glorifiziert wird, und die Kampfszenen werden so packend und berührend geschildert, dass ich nicht anders konnte, als mitzufiebern. Und dieses Buch bietet auch noch so viel mehr als "nur" eine packende Erzählung in einer Welt, die von Krieg geprägt ist. Besonders freute es mich, die Entwicklung der Beziehungen der Drachenreiter:innen untereinander mitzuerleben (bis hin zur knisternden Liebesgeschichte mit heißen Sexszenen). Ein bisschen erinnerte mich das an Internatsgeschichten, auch wenn die Reiter:innen schon erwachsen sind, der Unterricht kaum Erwähnung findet und Streitereien hier auch schon mal tödlich enden können ... Viele Figuren wuchsen mir schnell ans Herz oder faszinierten mich zumindest auf die eine oder andere Weise und ich stand völlig im Bann der Erzählung.
Violet ist aber auch eine gute Identifikationsfigur. Sie ist freundlich und intelligent. Im Vergleich zu ihren Mitstreitern hat sie aufgrund körperlicher Beschwerden und einer Ausbildung, die sie eigentlich auf ein ganz anderes Leben vorbereitet hatte, eine denkbar schlechte Ausgangsposition und muss sich als Reiterlehrling alles hart erarbeiten. Sie stellt sich ihrer schwierigen Situation und versucht, das Beste aus ihr zu machen, das war für mich sehr inspirierend.
Auch die geschaffene Fantasywelt ist faszinierend, mit Wesen wie Drachen oder Greifen und einem düsteren, völlig auf kämpferische Handlungen ausgerichteten Staatssystem. Die Einführung in diese von ihr entworfene Welt verknüpft die Autorin geschickt mit spannenden Szenen, sodass diese Schilderungen nie langweilig sind. Klar erkennbar sind bei dieser Romanwelt die Einflüsse und Inspirationen anderer Werke (Harry Potter, Tribute von Panem usw.) und doch hat mich Rebecca Yarros mit ihrem Ideenreichtum an einigen Stellen absolut begeistert. Kurz dachte ich sogar an die Serie Doctor Who, der manchmal, wenn eine Situation ausweglos erscheint, sich einfach einen Weg bzw. eine Lösung zusammenbaut bzw. Brücken errichtet, die es vorher nicht gab. Allerdings nutzt Yarros dieses Potential leider nicht immer, aber vielleicht braucht Fantasy auch einfach manchmal eine Prise harte Realität, um so authentisch wie dieses Buch zu wirken.
Das allergrößte Highlight in "Fourth Wing" war für mich jedoch die Schilderung von Drachen als vielschichtige mysteriöse Wesen mit ausgeprägtem Charakter, die ich so gelungen noch nie erlebt habe. Ich konnte sie mir lebhaft vorstellen und verspürte in ihrer Gegenwart ein erhebendes Gefühl mit leichtem Schaudern angesichts ihrer Unberechenbarkeit, Stärke und Gefährlichkeit. Zwei der Drachen habe ich besonders in mein Herz geschlossen und ich warte nun sehnsuchtsvoll auf den zweiten Band ...

Bewertung vom 12.07.2023
Die Erinnerungsfotografen
Hiiragi, Sanaka

Die Erinnerungsfotografen


ausgezeichnet

Ein charmantes Buch, das sich tief in mein Herz geschlichen hat
Welche Person auch immer dieses Buch gestaltet hat, sie hat sich, vermute ich, ebenso sehr in diese zarte Erzählung aus Japan verliebt wie ich: ein wunderhübsches Cover mit geschmackvoller Farbzusammenstellung, ein rosafarbener Schnitt und schwarze Zeichnungen auf fuchsiarotem Grund auf dem Vor- und Nachsatz, das wirkt schlicht, edel und liebevoll zugleich.
Der Roman handelt in einer Zwischenwelt zwischen Leben und Tod: Im Fotostudio des jungen Mannes Hirasaka blicken gerade verstorbene Menschen auf ihr Leben zurück und wählen aus den Fotos ihrer Lebenstage jeweils eines pro Lebensjahr aus, das ihnen besonders viel bedeutet. Nur Hirasaka selbst hat keine Erinnerungen an sein früheres Leben …
Die Autorin erzählt sanft und unaufgeregt und dennoch fand ich die Geschichte von Anfang an herrlich mysteriös und spannend und hatte die ganze Zeit über überhaupt keine Ahnung, in welche Richtung sie sich noch entwickeln wird. Jeder geschilderte Besuch der sehr unterschiedlichen Menschen, die zu Hirasaka kommen, war für mich etwas Besonderes und berührte mich tief. Es kommt auch zu einigen erstaunlichen Entwicklungen – und einer überraschenden Offenbarung zum Schluss.
Auch nach dem Lesen noch fühlte ich mich wie verzaubert. Es ist ein trostreiches modernes Märchen, das sich sehr behutsam mit den schwierigen Themen Sterben und Erinnerungen beschäftigt und dabei erstaunlich viel positive Energie freisetzt.
Ein wundervolles Buch, das ich allen Menschen ans Herz legen möchte!

Bewertung vom 16.06.2023
Über Leben in der Klimakrise
Glimbovski, Milena

Über Leben in der Klimakrise


sehr gut

"Dieses Buch ist Liebe" schreibt Milena Glimbovski in ihrer Danksagung auf S. 297 und diese Liebe, zu den Menschen wie zu unserer Erde, und die Sorge um sie spürt man auch. Es ist ein sehr persönliches Buch - aber wie könnte es auch anders sein, da wir Menschen doch schließlich alle persönlich in hohem Maße betroffen sind, auch wenn wir uns zumindest in Deutschland noch den Luxus erlauben, uns in sehr unterschiedlichen Stadien der Realisierung oder Verleugnung zu befinden. Natürlich ist es dadurch auch oft emotional und bewegend. Zugleich analysiert die Autorin sehr scharfsinnig, führt Fakten auf, macht auf Zusammenhänge aufmerksam, versucht verschiedene Blickwinkel zu berücksichtigen und bringt Argumente auf den Punkt.
Ich fand es großartig! Der eine oder die andere wird sich beim Lesen vielleicht etwas erschrecken, denn Glimbovski zählt definitiv nicht zu den Personen, die den Kopf in den Sand stecken. Auf mich wirkte aber gerade diese Kombination aus einem wachen Blick auf unsere zunehmend schwierige Lage angesichts einer Krise, die sich ohne Hoffnung auf ein Ende immer weiter verschlimmern wird, mit dem Elan, dem Engagement und der Packen-wir-es-an-Haltung der Autorin ermutigend. Mir gefiel, dass sie auf so viele verschiedene Aspekte einging, beispielsweise auf die Klimaangst oder auf den durch den Klimawandel gefährdeten Kaffeeanbau, gleichzeitig war es für mich manchmal ein bisschen zu viel durcheinander. Als Leserin nahm ich aber auch viel aus dem Buch mit: mehr Wissen, mehr Mut und praktische Tipps für private Anpassungs- und Vorbereitungsmaßnahmen.
Ein sympathischer und hilfreicher Begleiter für unsere Zeit!

Bewertung vom 02.06.2023
Schreibwelten
Johnson, Alex

Schreibwelten


ausgezeichnet

Ein wundervolles Buch zum Stöbern für Kunst- und Literaturfans, farbenfroh illustriert und mit vielen amüsanten Trivia!
Das ist ein Buch, das ich mir aufgrund seiner stimmungsvollen Farben und Zeichnungen von James Oses und der kurzen Kapitel zu den Arbeitsumgebungen verschiedener Schriftsteller:innen, die voller amüsanter Details sind und zum Zwischendurch-immer-wieder-ein-bisschen-darin-stöbern einladen, griffbereit ins Regal gestellt habe, um immer wieder passend zur jeweiligen Lektüre das eine oder andere Kapitel nachlesen zu können.
Ausgewählt wurden Schriftsteller:innen verschiedener Epochen, hauptsächlich aus englischsprachigen Ländern, aber auch aus Frankreich, Russland, Japan und Schweden. Eine solche Auswahl kann natürlich nur subjektiv und abhängig von den Erfahrungswelten des Verfassers sein, dennoch: Noch schöner wäre eine größere Vielfalt der Länder und Kulturen gewesen. Dafür scheinen Alex Johnson und ich ähnliche Leseerfahrungen zu haben und ich war sehr glücklich, darin erstaunlich viele meiner Lieblingsschriftsteller:innen wie Jane Austen, Agatha Christie und Astrid Lindgren (und auch einige von mir weniger geliebte, aber trotzdem für mich sehr interessante Persönlichkeiten wie Balzac oder Stephen King) wiederzufinden und einen ungewohnten Einblick in ihr Leben zu erhaschen. Kleine Exkurse zu verschiedenen Schwerpunktthemen, beispielsweise zu tierischen Hausgenossen und Kaffeehäusern, lockern die Kapitelordnung auf und zugleich schlagen sie Brücken zwischen verschiedenen Schreibwelten.
Der Ansatz dieses Buches hat etwas wohlig Voyeuristisches. Es sind zwar hauptsächlich Trivia, die man erfährt, aber ich fühlte mich gut unterhalten; es brachte mich den Autoren und Autorinnen näher, schenkte mir einen neuen Blick auf die Personen hinter vertrauten Werken und machte mich neugierig auf mir bisher unbekannte Werke. Der Schreibstil ist schnörkellos, zwischen den Zeilen ist manchmal ein kleines Augenzwinkern, immer aber auch Respekt für die schreibende Zunft zu spüren. Ich hatte das Gefühl, dass das Buch das Ergebnis einer mit viel Liebe und Sorgfalt durchgeführten gründlichen Recherchearbeit ist. Wer am Ende gerne höchstpersönlich in die vorgestellten Arbeitsumgebungen eintauchen möchte, findet auf den Seiten 186 und 187 hilfreiche "Besucherinformationen", wo es, beispielsweise im Rahmen eines Museums, heute noch möglich ist.
Ein rundum gelungenes Buch, das ich, obwohl es um Arbeitswelten geht, herrlich entspannend und unterhaltsam fand.

Bewertung vom 28.04.2023
Lebendige Nacht
Kimmig, Sophia

Lebendige Nacht


ausgezeichnet

Streifzüge durch die Dunkelwelt:
Mit spürbarer Begeisterung und viel Liebe zu den Tieren berichtet die Autorin in diesem Buch von dem Leben in der Nacht, stellt einzelne nachtaktive Lebewesen in der Stadt und auf dem Land vor und präsentiert im Plauderton immer wieder faszinierende Wissensperlen.
Dabei gewann ihr Erzählstil für mich, je tiefer ich mit dem Buch lesend in die Dunkelwelt vordringen konnte, immer mehr an Reiz. Kimmig schreibt klug und mit Bedacht, sie analysiert kritisch, bemüht sich, bei heiklen Themen wie dem Umgang mit Waschbären verschiedene Sichtweisen zu berücksichtigen, positioniert sich aber auch, philosophiert zuweilen und glänzt auch manchmal mit einem wunderbaren Humor. Dabei springt sie manchmal recht abenteuerlich von einem Thema zum anderen. Diese Fülle an faszinierenden Informationen und der sympathische Erzählstil sorgen dafür, dass dies alles andere als ein trockenes Sachbuch ist, sondern seine Leserschaft bestens unterhält.
Nie hätte ich es erwartet, aber tatsächlich waren, trotz all der geheimnisumwitterten Wesen, in deren (Nacht-)Leben dieses Buch spannende Einblicke bietet, die Betrachtungen zum Menschen, seinen Auswirkungen auf das tierliche Nachtleben und seinem eigenen Verhältnis zur Nacht für mich besonders spannend.
Auf mich macht das Buch den Eindruck, dass die Autorin sehr viel und in viele Richtungen recherchiert hat, um sorgfältig besonders Wissenswertes, Berührendes und Unterhaltsames auszuwählen. Ebenso sorgfältig und sehr liebevoll ist auch die Gestaltung mit einigen Fotos und Zeichnungen, die von der Autorin selbst stammen.
Ich bin rundum begeistert und habe mich sehr gefreut, von so viel Wunderbarem zu erfahren, das sich eigentlich ganz in unserer Nähe ereignet, für uns Menschen aber oft verborgen bleibt.