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Jedida
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Unfinden

Bewertungen

Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 15.06.2023
Wunder gibt es immer wieder / Die Fernsehschwestern Bd.1
Sauer, Beate

Wunder gibt es immer wieder / Die Fernsehschwestern Bd.1


ausgezeichnet

Gelungener Reihenauftakt über das Fernsehen in den 50er-Jahren und eine mutige Frau, die ihren Wünschen folgt

Bereits nach wenigen Seiten hatte mich die Story gepackt. Sie ist so bildhaft und voller Zauber, dass ich mich, obwohl ich dem Fernsehen vor etwa 20 Jahren entsagt habe, wieder an meine Kindheit und Jugend erinnert habe und daran, wie magisch das Fernsehen damals für uns war. Hier durfte ich als Leserin gleich in die Dreharbeiten zu »Sissi« eintauchen und war sofort Feuer und Flamme, weil ich Romy Schneider und ihre Arbeit schlicht und ergreifend mag.

Die Hauptfigur Eva ist jemand, mit der man sich als Frau leicht identifizieren kann. Sie ist mutig und selbstbewusst und weiß ganz genau, was sie möchte. Nur ist sie, für das, was ihr wirklich am Herzen liegt, ein paar Jahrzehnte zu früh geboren. Denn zu der Zeit, zu der die Geschichte spielt, haben Frauen – zumindest in Westdeutschland – nach dem Diktat der Männerwelt zu leben. Allen voran hier Evas Vater, der so manipulativ und gemein ist, dass man voller Mitgefühl für die junge Frau ist.

Der Glamour der Fernseh-, Zeitungs- und Hörfunkwelt der damaligen Zeit wird so anschaulich geschildert, dass der Leser das Gefühl hat, sich geradezu auf einer anderen Zeitschiene zu befinden. Dazu trägt besonders der ständige Bezug zum damaligen politischen Tagesgeschehen bei, denn dabei begegnet der Leser neben vielen anderen Politikern an einer Stelle sogar Gerhard Schröder, als er noch Innenminister war.

Über die Thematik Kostümschneiderei hatte ich bislang noch nie wirklich nachgedacht, deswegen fand ich Evas Leidenschaft dafür einfach grandios, mitzuerleben. Und sicher kann es kaum einen besseren Einstieg in diese Thematik geben als einen Sissi-Film. Solche opulente Kostüme bleiben auch Jahrzehnte, nachdem man den Film gesehen hat, in Erinnerung.

Was mir sehr gut gefiel, ist auch die Sichtweise des Vaters, eines ehemaligen Kriegsgefangenen, der versucht, seine Karrierepläne nach all den verlorenen Jahren nunmehr mit aller Gewalt durchzusetzen. Trotz aller Gemeinheiten, die er sich Eva und seiner Frau gegenüber erlaubt, lässt einen die Autorin begreifen, dass sein Verhalten einer entsprechenden Konditionierung entspringt, dass Männer nämlich die Geldverdiener sind und die Familienoberhäupter und ihnen damit der Gehorsam und die Duldsamkeit des weiblichen Geschlechts quasi geschuldet wird.

Auch Evas Mutter Annemie konnte mich als Figur überzeugen. Heute würde man sie wohl als Trophy Wife bezeichnen, eine Frau, die an der Seite ihres älteren Ehemanns glänzt und im Leben wenig mehr zu tun hat, als ihren Ehemann zu begleiten und die Familie zu umsorgen. In Annemies Fall jedoch erfährt der Leser, dass sie ihre drei Kinder in der Nachkriegszeit allein und ohne Vater durchgebracht hat. Eine Seite, die sie auch vor sich selbst verleugnet, seit ihr Mann wieder zurück ist. Als sich ihr die Gelegenheit zu einer eigenen Karriere bietet, lässt sie sich dies von ihrem Mann verbieten. Dass ihr Verhalten auch in einem oder mehreren Geheimnissen aus der Vergangenheit begründet liegt, liegt nahe und der Leser möchte gern mehr darüber erfahren.

Evas Freund Paul ist eine weitere Figur, die über sich hinauswachsen darf, wenn sie eine Frau wie Eva an ihrer Seite halten will. Hier hat mich die Entwicklung und der Hintergrund des Charakters sehr berührt.

Für mich als ehemalige Ostdeutsche war es interessant, eine Familiengeschichte und auch das Herangehen an die jeweiligen Karrierepläne aus westdeutscher Sicht zu erleben. Auch wenn Eva, ihre Mutter und ihre Schwester vielen Einschränkungen unterliegen, so gab es doch wesentlich mehr, was ihnen offen stand, als ihnen bewusst war. Wenn ich das mit Ostdeutschland vergleiche, wo man als unpolitischer oder religiöser Mensch quasi karriereuntauglich war und nicht einmal das Land verlassen durfte, obwohl Frauen und Männer einander wesentlich gleichgestellter waren, so gibt es doch deutliche Unterschiede, die ich mit absoluter Faszination erfahren durfte.

Was mir ebenfalls gefiel, war die Buchgestaltung als auch das Cover (das Cover zu Teil II ist meines Erachtens nach sogar noch schöner). Im Innenumschlag finden sich Infos zu den Hauptfiguren und ihren Schatten bzw. Lebensthemen. Das empfand ich als eine äußerst spannende Herangehensweise, gerade wenn man beim Lesen vielleicht etwas länger braucht.

Nicht jeder gelungene Reihenauftakt lädt dazu ein, die Folgebände unbedingt lesen zu wollen, aber hier gebe ich zu, dass mich das Fieber so gepackt hat, dass ich nachgeschaut habe, wann der nächste Band erscheint: am 11.01.2024. Jetzt heißt es, Geduld zu haben.

Was soll ich sagen: Ein Reihenauftakt, der in die glamouröse Welt des Fernsehens der Fünfziger Jahre entführt und mit ausdrucksstarken Charakteren und einer spannenden Handlung aufwarten kann. Ein absoluter Pageturner!

Bewertung vom 15.06.2023
Mika im echten Leben
Jean, Emiko

Mika im echten Leben


ausgezeichnet

Ein großartiger Roman voller Tiefgang und Gefühl

Dieses Buch ist so spannend und gut geschrieben, dass man es, einmal angefangen, kaum aus der Hand legen mag. Die Thematik Adoption und die damit verbundenen Gefühle auf Seiten derer, die daran beteiligt sind – Adoptierter, Adoptierende und Elternteil, der Kind zur Adoption freigibt – hat mich tief berührt. Ich musste das Ganze nach dem Lesen erst einmal eine Weile sacken lassen.

Emiko Jean gelingt es, den Leser einfühlsam und mit Fingerspitzengefühl an eine Frau heranzuführen, die den Schritt gegangen ist, ihr Kind zur Adoption freizugeben, damit es ein besseres Leben hat. Es ist ergreifend, zu sehen, wie sie selbst jedoch dieses Kind, das sie aufgegeben hat, keinen einzigen Tag ihres Lebens loslassen kann. Sie ist nicht in der Lage, ihr Leben auf eine Weise zu führen, die sie glücklich macht, sondern versagt auf ganzer Linie. Und als sie dann, 16 Jahre später, von ihrer Tochter kontaktiert wird, erfindet sie ein Traumleben, weil sie fürchtet, dass sich ihre Tochter für sie schämen könnte. – Ein wunderbarer Plot, dessen Umsetzung mich als Leserin voll und ganz zufriedengestellt.

Bis zu den Nebenfiguren hin stimmt alles, doch besonders die Hauptfigur und Namensgebern des Romans – Mika – überzeugt. Sehr gut gefiel mir, wie die Gründe für Mikas Entscheidung und ihr japanischer Background geschildert werden. Aber auch die andere Seite, Mikas Tochter, die bei nichtjapanischen Eltern aufwächst, als auch die Adoptiveltern an sich tragen Entscheidendes zum Geschehen bei und machen die Geschichte rund.

Der emotionale und bildhafte Schreibstil lässt nichts zu wünschen übrig, er passt zur Story und man gleitet nur so durch die Zeilen.

Wie Mika in ihr Traumleben hineinwächst (beruflich, liebestechnisch, lebenstechnisch) war überaus inspirierend.

Diese Geschichte geht tiefer und ist gleichzeitig so zart und hoffnungsvoll, dass sie ein gutes Gefühl hinterlässt, wenn man die letzten Seiten liest. Wer nach einem gefühlvollen Roman sucht, der nicht nur an der Oberfläche plätschert, der wird hier voll auf seine Kosten kommen und mit einer spannenden und zum Nachdenken anregenden Thematik belohnt.

Bewertung vom 09.06.2023
Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte
Fletcher, Susan

Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte


ausgezeichnet

Entschleunigend, atmosphärisch und mit einer Sprache wie gemalt
Ein Buch der leisen Töne, der Intimität und vor allem der Farben. Der Leser erfährt von Jeanne, die eine lieblose Ehe voller Gewohnheiten und Einsamkeit führt. Dabei war die Liebe einst da, zu sich selbst, zu ihrem Mann und vor allem zum Leben. Aber der Alltag und die Angst ihres Mannes vor dem gesundheitsschädlichem Kontakt seiner Frau mit Frischluft als auch den Anstaltsinsassen der Anstalt, die er leitet, hat ihre Ehe zu etwas werden lassen, das vor allem auf Pflicht basiert. Nachdem die Kinder aus dem Haus sind, bleibt Jeanne nichts, als ihren Mann zu versorgen, denn die Gegend, in der sie lebt, ist abgeschieden, wenn auch landschaftlich voller Zauber. Nun handelt es sich um ein historisches Setting, dennoch sind Jeannes Gefühle in einer Ehe, in der sie sich ungesehen fühlt, absolut nachvollziehbar und zeitlos.

Die Eintönigkeit ihres Lebens hat Jeanne blind gemacht für das, was das Leben schön, bunt und abwechslungsreich macht. Mit dem Maler van Gogh, der sich in die Anstalt ihres Mannes einweisen lässt, tritt endlich die ersehnte Abwechslung in ihr Leben. Jeanne, selbst ungesehen, beobachtet den Maler, von dem sie gehört hat, dass er so unerhörte Ideen kultiviert, wie sich splitterfasernackt zu zeigen, zunächst von fern. Dann sorgt sie dafür, dass ihr Mann ihm gestattet, außerhalb der Anstalt zu malen, um daraufhin seine Nähe zu suchen. Zwischen ihm und ihr entwickelt sich eine Intimität, die rein gar nichts Körperliches an sich hat und dennoch vermag, zu berühren.

Dieses Buch ist keine Biografie von van Gogh, auch wenn hier interessante Details aus seinem Leben vermittelt werden. Die Hauptfigur ist und bleibt auch nach van Goghs Eintritt in ihr Leben Jeanne. Und die lernt, dass sie wieder gesehen werden möchte. Dass sie mehr vom Leben möchte, als nützlich zu sein.

Was an diesem Buch besticht, ist vor allem seine gewählte, fast malerische Sprache, die den Leser tief in die Atmosphäre des Ortes Saint-Rémy-de-Provence im Jahr 1889 eintauchen lässt und einfach perfekt auf die Geschichte abgestimmt ist.

Für die Lektüre dieser Geschichte darf man sich Zeit nehmen, um sie mit allen Sinnen zu erkunden und darin zu versinken wie in einem der Gemälde van Goghs, die darin beschrieben werden.

Bewertung vom 03.06.2023
Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1
Stern, Anne

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1


ausgezeichnet

Opulenter Auftakt eines Mehrteilers über Dresden und die Semperoper

Bei diesem Buch stimmt wieder mal alles. Die Verpackung als auch der Inhalt begeistern nicht nur den Dresden und die Oper Liebenden, nein, an diesem Epos dürften sich auch viele Kunst- und Kulturwertschätzenden erfreuen. Anne Stern gelingt es, das Dresden im 19. Jahrhundert auf eine Weise darzustellen, dass man einfach nur völlig verzaubert an diesen Ort reisen möchte, selbst wenn man dort geboren ist und viele Jahre seines Lebens da verbracht hat.
Ein besonderes Detail, das den Leser erfreut, ist daher auch die Karte, die sich auf der Innenseite des schön gestalteten Einbands befindet, die die Innenstadt von Dresden um 1841 zeigt und auch die Orte bezeichnet, die in der Geschichte eine Rolle spielen. Für mich als geborene Dresdnerin war das von besonderem Interesse, da ich die aktuellen Karten kenne, aber auch die Karten von DDR-Zeiten.
Anne Stern beschreibt Dresden mit viel Liebe zum Detail und fängt den Zauber ein, der von dieser Stadt ausgeht, die auf so viele Weisen inspiriert.
Doch auch die Geschichte um Elise Spielmann und Christian Hildebrand berührt. Elise ist hochmusikalisch und geht dieser Passion leidenschaftlich nach – Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein Unding, vor allem, da Elise Violine spielt. Eine Ehe mit dem viel älteren Adam droht jedoch, ihrer Leidenschaft den Riegel vorzuschieben. Christian hingegen stammt nicht aus bürgerlichen Kreisen und wurde zudem als Kind Waise. Jedoch seine Leidenschaft und das Talent, zu malen, öffnen ihm die Türen zu einer Ausbildung als Opernkulissenmaler. Mit Elise und Christian treffen zwei verwandte Geister aufeinander und können doch nicht beieinander sein, weil die Konventionen das verbieten.
Eine spannende Geschichte mit berührenden Haupt- und Nebenfiguren vor der atemberaubenden Kulisse von Dresden sowie die Semperoper als Schauplatz vieler Szenen – dieses Buch scheint wie für mich gemacht. Ich hatte meine wahre Freude an der Lektüre und ich kann es kaum erwarten, dieses Dresden-Epos weiterzuverfolgen.

Bewertung vom 11.05.2023
Du bist so schön, sogar der Tod erblasst
Emezi, Akwaeke

Du bist so schön, sogar der Tod erblasst


ausgezeichnet

Dieses Buch hat mich auf vielerlei Weise berührt, da es die Themen tiefe Trauer und Bindungsängste aufgreift, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte ziehen. Zudem fand ich es spannend, ein Buch komplett aus der Sicht einer Nigerianerin zu lesen. Das begann bereits mit den Haarfrisuren (Braids, Locs) und setzte sich mit der beschriebenen Kleidung fort. Einige Dinge musste ich erst einmal googeln, um eine optische Vorstellung davon zu bekommen. Erwähnenswert ist hier auch der spannende Bezug zu Künstlerinnen und Kunstwerken der erwähnten Ethnie.
Der Einstieg ins Buch beginnt mit einer Sexszene. Feyi hat nach fünf Jahren das erste Mal wieder Sex. So lange ist es her, dass ihr Ehemann verunglückt ist. Ihr erstes Mal ist ungeschützt und frei von emotionaler Bindung und doch ist es genau das, was Feyi braucht, um kein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem toten Ehemann zu haben, aber dennoch wieder im Leben und damit auch ihrem Körper anzukommen und sich selbst wieder als sexuelles Wesen wahrzunehmen.
»Wenn sie losließ und nur im Hier und Jetzt, ohne Vergangenheit existierte, ging es. Es machte sogar Spaß.«
Eine Weile wirkte Feyis Leben für mich, als gebe es nichts Wichtigeres als Sex, Party, Klamotten und Haare. Das habe ich durchaus nicht als negativ empfunden, es hat mich nur gewundert und dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, ob das möglicherweise ein kultureller Unterschied dazu ist, wie ich aufgewachsen bin, der mir so noch gar nicht bewusst war. Im Deutschland meiner Generation war Arbeit immer das wichtigste Element. Spaß durfte man haben, diesen aber nicht überbewerten. Also ist es möglicherweise ein Generationending, wie viel Spaß erlaubt ist, und ich bin da durchaus offen für mehr Spaß. :)
Feyi selbst hat nicht den typischen Job – ein weiterer spannender Aspekt dieses Buches –, sondern ist Künstlerin, die ihre Kunst nutzt, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.
So richtig tiefsinnig wird der Roman, als Feyi Alim begegnet, der sie von Anfang an wie magnetisch anzieht.
»›War es nur ein Kuss?‹, drängte sie schroff, damit sie der Mut nicht verließ.«
Wirkt das anfänglich oberflächlich, so wird im Laufe der Geschichte klar, dass die seelische Anziehungskraft die körperliche bei Weitem übersteigt. Im Laufe vieler Gespräche stellt Feyi Alim Fragen, die allzu oft in Beziehungen oder bei der Anbahnung von Beziehungen gerade eben nicht gestellt werden. Feyi konfrontiert sich dabei immer wieder mit ihrer Verletzlichkeit, dem alten Schmerz und den neuen und alten Ängsten. Und das ist es, was mich wirklich nachhaltig berührt hat: Diese Ehrlichkeit, diese Schonungslosigkeit beim immer wieder Nachfragen. Dieses nicht darauf vertrauen, dass der andere schon versteht, was ich meine. Dieses Klarstellen und Dranbleiben, auch und besonders wenn es wehtut. Und Alim bietet ihr dafür den perfekten Sparringspartner, denn er betont nicht nur immer wieder, dass er da bleibt, was er will und was er sich wünscht, sondern er wirft Feyi auch wieder auf sich zurück, wenn sie sich hinter Ausflüchten versteckt.
»Woran merken wir, ob’s echt ist? Ich hab Angst, dass du plötzlich aufwachst, mich ansiehst und denkst: Was zur Hölle war mit mir los? Ich habe Angst, dass du aufwachst und ich nicht.« …
»Was passiert, wenn du genug von mir hast?« …
»Du glaubst nicht, dass ich die Wahrheit sage.« …
»Ich glaube, du denkst, dass du die Wahrheit sagst. … Das entspricht vielleicht jetzt gerade deinen Gefühlen.«
»Ich kann dich nicht zwingen, mir zu glauben, Feyi. Den Schritt musst du selbst gehen.«
Alles in allem eine sehr lesenswerte, etwas andere New-Adult-Geschichte mit Protagonisten kurz vor der 30, die bei Weitem nicht so queer wie erwartet ist. Obgleich die Liebesgeschichte letztendlich eher konventionell ist, spricht sie genau das an, woran es in vielen Beziehungen krankt, nämlich auch in einer Beziehung für sich selbst zu sorgen und in allem klar zu sein, gerade bei den Aspekten, bei denen einem das am schwersten fällt. Ein kleiner Bonus sind die leckeren Gerichte, die der Zwei-Sterne-Koch zaubert, die mich direkt inspiriert haben, selbst wieder ein wenig ausgefallener zu würzen.

Bewertung vom 04.05.2023
Schattengold - Ach, wie gut, dass niemand weiß ...
Handel, Christian

Schattengold - Ach, wie gut, dass niemand weiß ...


ausgezeichnet

Düster-gefühlvolle Märchenadaption mit vielen liebevollen Details

Wenn Rumpelstilzchen seinen Namen wissen will und der gar nicht Rumpelstilzchen ist, ja, wie heißt der gute Mann denn dann?

Was mir an dieser Märchenadaption sehr gut gefallen hat, ist, dass sie nicht vorhersehbar ist, obwohl man den Ausgang der Geschichte kennt. Sie wartet mit ganz vielen liebevollen Details auf. Zum Beispiel sind die magischen Rituale, die Farah, die Müllerstochter, verwendet, alle bis ins Detail geschildert und können zu Hause selbst ausprobiert werden (hehe!). Vorausgesetzt, dass man sich traut. :-) Aber wer hätte nicht gern eine Kammer voll Gold, richtig? Da kann man doch mal ein bisschen herumritualen … Nun ja, das Märchen lehrt uns, dass alles seinen Preis hat, und den muss auch Farah bezahlen – wenn auch ganz anders als im Märchen.

Ich mochte Farah und Magnus, aber vor allem den Spinnenmann, vor allem seine Geschichte. Auch die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet, ganz besonders gefallen haben mir hier die tierischen Begleiter sowie Berit und die Hüterin der Quelle.

Der Weltenbau ist klasse, ich bin sehr gerne in die Welt der Dunklen Feen eingetaucht.

Am besten fand ich das Ende – hier wird wunderbar der Bogen zum Anfang geschlagen.

Mehr mag ich gar nicht verraten, ich will ja niemandem die Freude am Erforschen nehmen.

Wer düstere Märchen(-Adaptionen), liebt, der wird hier voll auf seine Kosten kommen.

Bewertung vom 18.04.2023
Menschen, die wir noch nicht kennen
Sampson, Freya

Menschen, die wir noch nicht kennen


ausgezeichnet

Herzerwärmend und berührend – eine Wohlfühlgeschichte
Das ist eines jener Bücher, die einem ein warmes Gefühl im Herzen bereiten. Du liest es und fühlst dich verbunden. Und noch dazu wartet es mit einer wirklich berührenden, Hoffnung machenden Geschichte und Figuren zum Anfassen und Gernhaben auf. Das Besondere ist, dass sich die Geschichte tatsächlich zu einem großen Teil in und um einen zweistöckigen Bus abspielt – nämlich den 88-er, der in London von Clapham Common nach Parliament Hill Fields und wieder zurück fährt. Was für ein kammerspielartiges Setting! Dieses Buch ist so nah dran am Leben, dass es eigentlich keine Figur gibt, in die man sich nicht hineinfühlen kann, kein Schicksal, das nicht nahe geht.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der über 80-jährige Frank, der im 88-er nach einer Frau sucht, die er nur einmal gesehen hat, und die dennoch sein Leben verändert hat. Längst sucht er sie nicht mehr, weil er noch daran glaubt, dass sie ein Paar werden könnten, er will ihr vielmehr danken. Aber leider soll er ins Altersheim, weil er immer dementer wird, ihm läuft also buchstäblich die Zeit davon. Da kommen Libby ins Spiel, die gerade frisch verlassen wurde und Franks Pfleger Dylan, ein Punk mit Familienproblemen, die den alten Mann nach Kräften unterstützen und dabei feststellen müssen, dass ihr Leben nicht so verläuft, wie sie es gern hätten.

Ein Mann, der über 60 Jahre lang nach einer Frau sucht, die er nur ein einziges Mal gesehen hat – romantischer geht es eigentlich gar nicht.

»Menschen, die wir noch nicht kennen«, ist nach »Agnes geht« bislang mein zweitliebstes Buch des Jahres 2023.

Was mir zudem gefallen hat, ist die Aufmachung des Buches. Es gibt ein rotes Lesebändchen, passend zu dem roten, festen Bucheinband. Darauf ist ein Doppelstockbus abgebildet. Dazu gibt es noch einen hübsch gestalteten Schutzumschlag, auf dem sogar die Personen, die im Buch wichtige Rollen spielen, abgebildet sind. Das Cover passt einfach mal so was von perfekt zu der Geschichte und es stimmt einen wirklich gut darauf ein.

Wer Lust auf eine herzerwärmende, tief gehende Geschichte hat, die ganz nah am Leben ist, der wird sich hier wunderbar abgeholt fühlen. Ebenso alle Leser, die gern Bus fahren oder gefahren sind – die bekommen hier eine herrliche Mitreisemöglichkeit, um einmal mit dem 88-er quer durch London zu fahren und Menschen kennenzulernen, die sie noch nicht kannten.

Bewertung vom 12.04.2023
Staub fliegt höher als Glitzer
Lindner, Anni E.

Staub fliegt höher als Glitzer


ausgezeichnet

Jesus liebt dich, du bist nie allein … sind zwei der Messages, die dieses Buch transportiert und deren Wahrheitsgehalt ich in keiner Weise negieren möchte. Religion bzw. der Glaube an etwas Höheres oder Gott mag durchaus dazu beitragen, dass sehr viele Menschen ein glücklicheres Leben führen. Viele andere Menschen aber haben traumatische Erfahrungen mit Religion gemacht – und dass diese Erfahrungen keine bloße Fiktion sind, ist mittlerweile allseits bekannt. Solche Menschen und vielleicht auch einige andere mögen es gar nicht, wenn sie in einem Jugendroman ganz unerwartet mit der Bibel zugetextet werden. Nicht, wenn weder das Cover, das ein Zirkuszelt zeigt, noch der Titel »Staub fliegt höher als Glitzer« noch der Klappentext darauf hinweisen, dass etwa ab der Hälfte des Buches alle Kapitel mit Bibeltexten überschrieben sind.

Wenn diese Bibeltexte in die Geschichte eingebaut sind, indem sie z. B. der Pfarrer bei einer Beerdigung vorliest oder sie auf einem Grabstein stehen – fein. Das kann durchaus zu einem religiösen Setting passen und unterhaltsam sein. Ein Bibeltext zu Beginn eines Kapitels geht jedoch weit darüber hinaus, denn er ist an den Leser gerichtet, der in keiner Weise darum gebeten hat, bekehrt zu werden oder sonst welche Bibelsprüche aufs Auge gedrückt zu bekommen. Ich muss sagen, dass mir das den Lesegenuss dieses Buches wirklich verleitet hat, denn wer will schon gegen seinen Willen eine Meinung aufs Auge gedrückt bekommen?

Dabei hat Anni E. Lindner einen angenehmen Schreibstil. Sie erzählt die Geschichte von Cleo, einer Ladendiebin, die im Heim lebt, sowie von Danic, einem Zirkusartisten, der lieber Jurist sein möchte, einfühlsam und mit Fingerspitzengefühl. Ebenso geht sie die Themen Suizid, Tod und die Suche nach dem Sinn im Leben an. Wenn über allem nicht dieses überdominante Thema Religion liegen würde, hätte dieser Roman mir wirklich gefallen können.

Mittlerweile habe ich mich über den Verlag informiert und bemerkt, dass dort hauptsächlich christliche Bücher verlegt werden. Dann weiß ich zumindest beim nächsten Buch vorab Bescheid und kann die Finger davon lassen.

Fazit: Ein wunderbar erzählter Jugendroman mit dem Augenmerk auf wichtige Themen, der besonders Menschen ansprechen dürfte, die sich nach göttlicher Führung und der Sicherheit und Geborgenheit einer religiösen Gruppe sehnen. Wer ein Thema mit Religion hat, sollte allerdings besser die Finger davon lassen oder zumindest wissen, worauf er sich einlässt.

Bewertung vom 05.04.2023
DESTROY the hidden secrets (DESTROY-Reihe 1)
Dawe, Aileen

DESTROY the hidden secrets (DESTROY-Reihe 1)


gut

Viele Worte, wenig Handlung

Hin und wieder kommt es vor, dass ein Buch mich gar nicht erreicht. Jetzt war es nach langer Zeit wieder einmal so weit.

Wenn ich mit einem Wort zusammenfassen müsste, was mich am meisten an diesem Buch gestört hat, hier ist es: Geschwafel. Ich habe mich selten so durch die Zeilen gequält und hätte bereits nach ein paar Kapiteln abgebrochen. Für mich war das einfach zu viel Text mit zu wenig Inhalt.

Bereits zu Beginn des Romans fiel mir auf, wie viele Worte die Autorin dafür findet, wenn etwas in Scherben geht und auf die Protagonistin herabregnet. Das ist an sich in dieser Konstellation, auf die die Autorin hinauswill, wohl etwas Traumatisches, sicher, aber das weiß der Leser auch durch die bloße Schilderung, er muss es nicht wieder und wieder und wieder und wieder aufs Butterbrot geschmiert bekommen.

Ebenso muss der Leser nicht mehrfach daran erinnert werden, wie schön die Figuren doch allesamt sind. Abgesehen davon, dass ich es als eine sehr einseitige und wenig gefühlvolle Betrachtungsweise empfinde, wenn zwei Menschen sich hauptsächlich aufgrund optischer Reize voneinander angezogen fühlen, so ist es einfach anstrengend, wenn einem förmlich aufs Auge gedrückt wird, wie anziehend z. B. jemandes „Iriden“ doch sind.

Es kam der Punkt, an dem ich dachte, wenn ich jetzt noch ein weiteres Mal „Iriden“ lese, bekomme ich Brechreiz. Na ja, und mit ständigem Brechreiz liest es sich nicht entspannt.

Inhaltliche als auch Wortwiederholungen sind in diesem Roman ein ganz großes Ding. Ich kann durchaus verstehen, dass jemand Worte liebt oder sich nicht für eine ganz bestimmte Formulierung entscheiden kann und deswegen am liebsten alle seine diesbezüglichen Ergüsse behalten möchte, aber darum geht es in einem Liebesroman eben nicht, da geht es um Liebe. Zumindest wäre das wünschenswert.

Das Buch wurde in der Ankündigung als Romance-Thrill angepriesen. Nun, auf den Thrill wartet man hier vergebens. Es sei denn, damit sind die Misshandlungen gemeint, die Collin von seinem Vater angetan werden. Hier ist ein weiterer Punkt, der mich stört. Die Figur des Vaters ist sooo eindimensional. Wenn es schon so viele Worte in diesem Buch gibt, hier hätten ein paar mehr die Figur doch tatsächlich nachvollziehbar und echt wirken lassen.

Dass Collin, obwohl er erwachsen ist und nicht mehr zu Hause wohnt, all diese Misshandlungen über sich ergehen lässt, um seine ebenfalls erwachsene Schwester, die noch zu Hause wohnt, davor zu schützen – na ja, realistisch ist das nicht. Ebenso wenig wie die Szene mit der Polizei, die diesbezüglich später geschildert wird – hier wäre es nicht schlecht gewesen, sich vorab damit zu befassen, wie Polizeiarbeit in den USA funktioniert.

Ich könnte noch eine Weile so weiter machen, aber dann bin ich es, die viele Worte macht. Fakt ist, dieser Roman hat mich nicht erreicht. Leider.

Wem also könnte dieses Buch gefallen? Ich habe keine Ahnung, aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Sicher gibt es auch Leser, die es mögen, die gleiche Sache mit möglichst vielen Worten umschrieben zu bekommen. Und immerhin geht es hier um eine Protagonistin, die gerne liest und in einem schicken Zimmer voller romantischer Bücher schläft. Allein damit dürften sich genug Leser identifizieren können.

Bewertung vom 01.04.2023
Mord in Bordeaux / Claire Molinet ermittelt Bd.2
Albert, Sandrine

Mord in Bordeaux / Claire Molinet ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Cosy Crime mit französischem Charme und ganz vielen Delikatessen

Hier passt einfach alles: die Atmosphäre, die Ermittler, das Setting und der Kriminalfall. Alles verpackt in ein wunderbares französisch-kulinarisches Wohlfühlpaket, gewürzt mit jeder Menge Spannung und abgerundet mit einem herrlich leichten Schreibstil. Wer hier ganz stilecht mithalten möchte, sollte sich für die Lektüre vielleicht einen guten Rotwein aus Bordeaux bereit stellen.

Zu diesem Buch gibt es ein wirklich hübsches Cover in Hochglanz, das silbrig glänzt und absolut passend in den Farben Frankreichs gehalten ist.

Hier wurde zudem eine wirklich berührende Geschichte als Aufhänger eines Kriminalfalls gewählt, die mich im Nachgang sogar zu einiger Internetrecherche verführt hat. Außerdem kommt der kulinarische Aspekt nicht zu kurz. Ich habe mich einmal sogar veranlasst gefühlt, die Lektüre zu unterbrechen, um mir etwas Leckeres zu kochen.

Raoul und Claire sind Ermittler, zwischen denen förmlich die Funken sprühen, außerdem funktionieren sie sehr gut als Team, wenngleich einer der beiden zur Polizei gehört, während der andere Privatdetektiv ist. Eine spannende Dynamik.

Wer Krimis liebt, in denen das Ganze Drumherum spannender ist als actionreiche Verfolgungsjagden, Blut und endlose Polizeiarbeit, der ist hier bestens aufgehoben und wird sich keine Sekunde langweilen.

Kleiner Hinweis:

– kann unabhängig des Vorgängerbandes gelesen werden

– Französisch-Glossar im Anhang

– Wissenswertes zum Hintergrund des Kriminalfalls im Anhang, dazu gibt’s noch 2 Rezepte.