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violettera
Wohnort: 
Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 06.03.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


ausgezeichnet

Gänsehaut-Buch
Frankfurter Poetikvorlesungen, Vom Schreiben über das Schreiben, das könnte staubtrocken sein, aber nicht bei Judith Hermann. Flüssig und einfühlsam, oft tief berührend schreibt sie über ihr Leben und ihre Beziehungen, dazu über vieles, was sie beim Schreiben verschwiegen hat. Das Verschweigen ist für sie ein großes Thema, das zum Schreiben gehört wie zum Leben. Auch das Versäumnis gehört zum Leben, und wir erfahren manches dazu. Die Erzählungen aus ihrer Kindheit, die Abgründe in ihrer Familie, die Geheimnisse ihrer Großeltern und Eltern, davon zu lesen verursacht Gänsehaut. Auch wie die Heranwachsende sich von ihrer Familie zu befreien versucht und neue Beziehungen knüpft, die zu neuen Irrwegen und Versäumnissen führen, wie alles mit allem zusammenhängt und in der Summe ein Leben formt, all das beschreibt die Autorin mit erstaunlicher Klarheit. Dieses Buch ist ein poetischer Versuch, die Zusammenhänge und die Unterschiede zwischen Leben, Träumen und Schreiben auszuloten, mit offenem Ergebnis und wunderbar zu lesen.

Bewertung vom 22.02.2023
Dschomba
Peschka, Karin

Dschomba


ausgezeichnet

Fremdsein und Heimat
Was sucht der Fremde in Eferding? Warum tanzt der Serbe Dragan Dzomba kurz nach seiner Ankunft im November 1954 halbnackt auf dem Friedhof? Dieses unerhörte Ereignis im beschaulichen Eferding steht am Anfang des Romans und sorgt für gehörige Spannung, im Städtchen wie bei den Lesern. Die weiteren Ereignisse breitet die Autorin eher gemächlich vor uns aus, immer in ihrem eigenartigen Sprachfluss, der offenbar an den Dialekt der Gegend angelehnt ist und für ein ganz eigenes Kolorit sorgt. Viele Sätze bleiben halb fertig, wie die Geschichten, die sie erzählen. Der Roman entwickelt sich im Wesentlichen, mit einigen Rückblenden, auf zwei Zeitebenen, zum einen nach der Ankunft des Serben und seiner Aufnahme in Eferding, zum andern rund 25 Jahre später, als die zehnjährige Wirtstochter sich von dem immer noch Fremden, von den Einheimischen Dschomba genannten, angezogen fühlt und beginnt Fragen zu stellen. Was hat es auf sich mit dem sogenannten Serbenfriedhof, wo Dschomba in einer Holzhütte wohnt? Allmählich fügt sich vieles zu einer Geschichte mit mancherlei Facetten, doch vieles bleibt auch offen und lässt Raum für die Phantasie der Leser. Es ist nicht alles so, wie es anfangs scheint, auch die handelnden Personen entwickeln sich oft anders, als man zunächst meint. Die Vielschichtigkeit der Erzählung, das Mehrdeutige und Melancholische machen einen großen Reiz dieses Romans aus. Fazit: sehr lesenswert.

Bewertung vom 04.02.2023
Gleißendes Licht
Sinan, Marc

Gleißendes Licht


sehr gut

Das Cover von "Gleißendes Licht" zeigt ein phantastisches Foto von oben auf den Bosporus, fast schwarzweiß, mit leuchtenden, eben gleißend hellen Wolkenbergen über der Meerenge zwischen den Kontinenten Europa und Asien, während Himmel und Erde in Düsternis versinken. Es gibt in diesem Licht keinen Horizont, die Grenzen verschwimmen. Hier klingt ein Thema des Romans an, die Kluft zwischen den Völkern und Kulturen diesseits und jenseits des Bosporus, und das zerrissene Leben eines Mannes mit deutschen, türkischen und armenischen Wurzeln, die Geschichte einer Familie zwischen diesen Welten. Der teils wohl autobiografisch beeinflusste Roman springt zwischen den Welten ebenso wie zwischen den Zeiten, scheinbar wahllos wechseln die einzelnen Episoden zwischen dem Frühjahr 1915 und November 2023. Es gibt keine geradlinige Geschichte, Erinnerungen und Erzählungen aus verschiedenen Zeitebenen mischen sich mit Erlebnissen der Gegenwart oder der jüngeren Vergangenheit, Projektionen in die Zukunft, Träumen, Wünschen und Obsessionen. Es geht um Erinnern und Vergessen, Rache und Vergebung, Täter und Opfer. So entsteht ein vielschichtiges Szenario aus starken Bildern und vielen angerissenen Geschichten. Sie fügen sich zu einer facettenreichen Erzählung, deren roten Faden sich die Leser selbst suchen müssen. Das macht die Lektüre nicht immer einfach, aber lohnend ist sie zweifellos.

Bewertung vom 22.01.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


ausgezeichnet

Der Junge, den die Zeit vergessen hat
Dirk Gieselmann erzählt die Geschichte eines armen, schweigsamen Jungen, Sohn armer, schweigsamer Eltern. Mit ihrem zehnjährigen Sohn Hans und ihrer spärlichen Habe ziehen sie kurz vor Weihnachten bei bitterer Kälte auf eine einsame Insel im See. Dort werden sie von nun an leben, von Schafen und ein wenig Landwirtschaft. In Rückblenden erfahren wir manches aus der Kindheit des Jungen. Die Familie lebte in der Kleinstadt, er hatte einen Freund, den kleinen dünnen Kalle, mit dem er spielte, und einen Nachbarjungen, den fetten starken Manne, der ihn schikanierte. Hans war ein träumerisches Kind, phantasievoll und hilfsbereit, aber auch ängstlich. Auf der Insel lässt er alles zurück, die verhasste Schule, den bösen Manne, leider auch den Freund Kalle. Aber er bekommt einen neuen Gefährten, den Hund Bull. Mit ihm verbringt er einen glücklichen Sommer, erkundet die Natur der Insel, erträumt sich die Zukunft, fühlt sich frei und unbeschwert. Es wird der glücklichste Sommer seines Lebens. Aber die Träume finden ein Ende, als ein Schreiben eintrifft, das die Eltern an die Schulpflicht erinnert. In den ersten Wochen rudert er noch täglich den weiten Weg über den See, bald aber muss er die Insel verlassen. Seine Kindheit endet abrupt, es folgen Jahre schlimmster Drangsalierung. Er wächst heran zum schweigsamen Außenseiter, die Insel aber bleibt das Ziel seiner Träume …
Der Inselmann ist eine schwermütige Erzählung, wunderschön und traurig, in starken Bildern poetisch erzählt. Man braucht Ruhe und Muße um einzutauchen in dieses schmale Buch, wird aber belohnt durch ein tief berührendes, nachhallendes Leseerlebnis.

Bewertung vom 11.01.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


ausgezeichnet

Vom Suchen und Finden im Müll
„Das glückliche Geheimnis“ ist eine autobiografische Erzählung, die die Entwicklung des Autors vom schüchternen, ängstlichen Studenten ohne konkrete Perspektive bis zum erfolgreichen, mit vielen Preisen bedachten Schriftsteller schildert. Als junger Mann zieht Arno Geiger nach Wien mit dem vagen Ziel Schriftsteller zu werden. Er lebt dort in sehr bescheidenen Verhältnissen und entwickelt bald die Manie, regelmäßig den Papiermüll der Stadt Wien zu durchsuchen. Dies wird er mit Unterbrechungen über 25 Jahre lang praktizieren. In den ersten Jahren ist ihm die Peinlichkeit seines Tuns sehr bewusst. Er sieht sich auf einer Stufe mit den Besitz- und Wohnungslosen, die den Müll durchwühlen um zu überleben. Andererseits bedeutet es ihm viel, auf diese ungewöhnliche Weise nicht nur Bücher und gelegentlich wertvolle Druckerzeugnisse zu finden, sondern auch private Korrespondenzen, Notizen und Tagebücher ihm völlig unbekannter Personen. Aus diesen schöpft er Lebenserfahrungen, die er in seiner schriftstellerischen Tätigkeit verarbeitet, während jene ihm zur Finanzierung seines Lebensunterhalts dienen. Er teilt sein Geheimnis nur mit seiner jeweiligen Lebensgefährtin und wird meist in seinem Tun bestärkt. Dass sein geheimes Dopelleben ein glückliches ist, erschließt sich nach und nach aus seinem schriftstellerischen Erfolg, den er zu einem guten Teil auf die intensive Lektüre seiner Zufallsfunde im Wiener Müll zurückführt, ebenso wie auf die Erfahrungen, die er während seiner morgendlichen Streifzüge macht. Arno Geiger erzählt diese etwas skurrile Geschichte einer fortgesetzten Suche nach fremden Lebenszeugnissen so kurzweilig und sprachlich brillant, dass das Lesen zum Vergnügen wird. Seine Texte zu lesen ist immer ein Vergnügen, sie sind durchzogen und getragen von seinem etwas sarkastischen Humor und leben von seinen präzisen Schilderungen. Er offenbart uns persönlichste Erfahrungen, er schont weder sich noch seine Leser. Und keine Seite ohne Merksatz, mindestens. So nehmen auch die Leser seiner Texte etwas mit fürs Leben. Ganz nebenbei machen wir uns mit dem Autor Gedanken über das Leben und die Liebe, die Literatur, das Wesen des Mülls, hier des Wegwerfens als entbehrlich erachteter Papiere, und die Veränderung seiner Zusammensetzung als Folge kultureller und gesellschaftlicher Veränderungen. Auch der Autor hat sich verändert, er hat die Suche nach Zufallsfunden aufgegeben und kann nun sein „glückliches Geheimnis“ preisgeben. Steht er als Autor vor einem Neubeginn?

Bewertung vom 08.12.2022
Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


ausgezeichnet

Western 1869: wundersamer Rachefeldzug eines chinesischen Killers
Das Cover sagt schon viel: Ein einsamer Reiter zieht durch die Ebene nach Westen, hinter ihm färbt die aufgehende Sonne den Himmel blutrot. Ein harter Mann, dem übel mitgespielt wurde, rächt sich an seinen Peinigern. Im Gewand eines klassischen Western erleben wir hier den Rachefeldzug eines Chinesen, der wegen seiner Herkunft gewaltsam um seine große Liebe, eine weiße Frau, gebracht und zum Eisenbahnbau gezwungen worden war. Er zieht als einsamer Rächer zurück nach Westen, um die Männer zu töten, die ihn einst vertrieben hatten. Er will sie alle töten, einen nach dem anderen, und so seine Frau zurückerobern. Das Töten macht ihm schon lange nichts mehr aus, wie wir im ersten Satz erfahren haben. Für Pferde gilt das nicht, bei ihnen fallen ihm selbst Gnadenschüsse schwer, und lieber zieht er zu Fuß durch die Wüste als einem Pferd den Tod durch Verdursten zuzumuten.
Schon bald aber wird er begleitet, ja geführt von einem blinden Seher, genannt Prophet. Der kann in die Zukunft sehen, weiß in der Gegenwart stets Rat, hat aber keine Erinnerung. Ein alter asketischer Mann, Chinese wie Ming. Mit ihm erscheinen mächtige Wunder. Sie treffen auf eine Zirkusgruppe, die eine echte Wunder-Show aufführt. Ein märchenhafter Zug nach Westen beginnt, voller Wunder und Mysterien, auch voller wunderbar intensiver Naturerlebnisse. Zarte und starke Gefühle entstehen. Morde und Kämpfe ereignen sich, stets geleitet vom Rat des Propheten. Hilfe kommt, wenn sie gebraucht wird. Erinnerung wird wichtig, fehlt oder wird gelöscht. Und immer wieder fließt Blut, in Strömen.
Den letzten schweren Weg nach Kalifornien geht Ming wieder allein, entrinnt dem Tod nur knapp und wundersam. Wird er sein Ziel erreichen? Und das erhoffte Glück?
Fazit: Eine Westernparodie, neu interpretiert in ungewöhnlicher Besetzung und geschrieben in einer knappen, bildhaften Sprache, immer mit der nötigen Prise Humor. Filmreif.

Bewertung vom 24.10.2022
Die Meerjungfrau von Black Conch
Roffey, Monique

Die Meerjungfrau von Black Conch


sehr gut

Erfahrungen von und mit einer Meerfrau
Die leuchtenden Farben des Covers mit dem schuppigen Hintergrund, der abstrahierten Darstellung eines Fischschwanzes und einer Schildkröte weisen auf das exotische Thema hin: das Auftauchen einer Meerfrau vor der Küste einer Karibikinsel im Jahr 1976.
Ein Fischer von der kleinen Insel Black Conch entdeckt die Meerfrau beim Fischen, lockt sie mit Gesang und Musik, so dass sie immer wieder auftaucht, wenn sie sein Boot hört. Beim jährlichen Angelwettbewerb wird sie jedoch wie ein großer Fisch von Amerikanern gefangen, die sie als Trophäe, eher tot als lebendig, verkaufen wollen. Der Fischer, dem sie ans Herz gewachsen ist, stiehlt sie vom Haken an der Mole und bringt sie heimlich bei sich unter. Nun geschieht ein Wunder: Sie überlebt und entwickelt sich an Land ganz allmählich in eine Menschenfrau zurück, lernt schließlich gehen und sprechen, wird seine Geliebte. Er träumt von Heirat und Kindern. Aber auf ihr lastet ein ewiger Fluch, den eifersüchtige Frauen vor Jahrhunderten über sie verhängt hatten, als sie ein wunderschönes junges Mädchen war. Und so ahnen wir schon beim Lesen, dass dieses Märchen nicht gut ausgehen wird.
Monique Roffey behandelt in ihrem schmalen Roman große Themen wie Fremdsein und Einsamkeit, wenn man anders ist, z.B. aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Behinderung. Es geht um Hass und Eifersucht, Schuld und Geldgier, um die Vergehen von Menschen an der Natur, an Meereswesen, auch an Mitmenschen. Die Macht des Bösen ist groß. Es geht aber auch um Liebe und Lust, Hilfsbereitschaft und Freundschaft, Sehnsucht und Verlust. All dies vor dem Hintergrund der kleinen fiktiven Karibikinsel, wo Menschen aus verschiedenen Kulturen eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft bilden.
Die Sprache irritiert, wenn der lokale Dialekt wiedergegeben wird. In der englischen Originalfassung mögen die weichen umgangssprachlichen Wendungen, Verkürzungen und Wortverdopplungen des Black-Conch-English passen, in der deutschen Übersetzung wirken sie befremdlich. Aber die ganze Geschichte ist ja befremdlich für uns, und so passt auch die Sprache dazu. Lesenswert ist dieser Roman allemal, und die starken Bilder bleiben haften.

Bewertung vom 17.10.2022
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


ausgezeichnet

Ein von vielen Lektionen geformtes Leben

Roland Baines verlebt als Sohn eines britischen Armeeoffiziers in Libyen eine recht unbeschwerte Kindheit, die abrupt endet, als er 1959 mit 11 Jahren auf ein englisches Internat geschickt wird. Er erweist sich als begabter Junge, bereits als Schüler sogar als außergewöhnlich begnadeter Pianist. Mit seiner Klavierlehrerin erlebt der pubertierende Junge jedoch obsessive sexuelle Erfahrungen, die ihn durchaus mit Stolz erfüllen, im Rückblick jedoch ein prägendes Missbrauchserlebnis darstellen. Auf den Schulabbruch folgt ein unstetes Leben ohne Ausbildung und ohne Beruf, mit wechselnden Beziehungen, getrieben von sexueller Obsession. Nach einem „verlorenen Jahrzehnt“ ziellosen Herumstreunens heiratet er 1985, wird sesshaft im eigenen Heim und gründet eine Familie, aber die geliebte Ehefrau lässt ihn mit dem Baby allein zurück, um sich ihrer Berufung als Schriftstellerin zu widmen, mit großem Erfolg. Er wird zum Alleinerziehenden, bringt sich und den Sohn mit Gelegenheitsjobs über die Runden, meist als Barpianist und Tennislehrer. Auch eine spätere zweite Liebesbeziehung scheitert zunächst. Durchzogen und begleitet wird der Lebensbericht von den großen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Krisen der jeweiligen Zeit, von der Kubakrise über Tschernobyl, den Mauerfall, Corona bis hin zur globalen Klimakrise, die auf Rolands Leben einwirken. Auf 700 Seiten breitet Ian McEwan das wechselvolle Leben des Roland Baines aus, von der Kindheit bis ins Alter, schildert sein Innenleben in all den Jahrzehnten, fragt nach der Verantwortung für das eigene Leben und das der anderen, stellt Fragen nach Sex und Liebe, Sehnsucht und Erfüllung, Scheitern und Erfolg, Schuld und Vergebung. Es erzählt von vertanen Chancen und überraschenden Wendungen, Zeiten voller Pläne und Hoffnung und solche der Trägheit und des Sich-treiben-Lassens. So entsteht ein literarisches Meisterwerk, das nebenbei die großen Fragen der Zeit behandelt, in der dieses Leben spielt.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2022
Die Passage nach Maskat
Rademacher, Cay

Die Passage nach Maskat


sehr gut

Gefährliche Passage
„Wenn ich sterbe, werde ich auf dem Meer sterben.“ Davon ist der Berliner Pressefotograf Theodor Jung überzeugt. Und dennoch hat er sich im Jahr 1929 auf diese Seefahrt erster Klasse nach Maskat eingelassen, zusammen mit seiner Ehefrau Dora, deren Eltern und Bruder, reichen Kaufleuten aus Hamburg. Auch der Prokurist, ein unsympathischer Möchtegern-Dandy, begleitet die Familie und macht Jung noch vor dem Ablegen unmissverständlich klar, dass er besser noch in Marseille wieder von Bord geht, wenn er sich nicht in Gefahr begeben will. Früh erfahren wir den Grund für Jungs Angst vor dem Meer, ein traumatisches Kriegserlebnis auf einem sinkenden U-Boot. Nach und nach lernen wir Mitreisende kennen, auch Besatzungsmitglieder, und verfolgen, wie er sich in ein Netz unterschiedlichster Interessen und Beziehungen verstrickt, die immer undurchsichtiger werden. Seine Frau Dora verschwindet, seltsame Unfälle geschehen, Morde sogar. Wer spielt welche Rolle in diesem zwielichtigen Spiel? Einige Landgänge sind willkommene Unterbrechungen der Seereise, es geht u.a. zu den Pyramiden von Gizeh, ins Tal der Könige, in die Altstadt von Aden. Doch überall lauern Gefahren.
„Die Passage nach Maskat“ ist ein geschickt aufgebauter Krimi, der viel Spannung bietet, aber auch Raum lässt für atmosphärisch dichte Schilderungen der Passage auf dem historisch verbürgten Ozeanliner Champollion, seiner mehr oder weniger extravaganten Gesellschaft an Bord, der Reiseroute und ihren Stationen. Die Glaubwürdigkeit der Story wird erhöht durch eingestreute Begegnungen mit historischen Figuren wie Anita Berber oder Howard Carter. Manche Details hingegen sind mir weniger glaubwürdig erschienen, deshalb vergebe ich 4 Sterne.
Fazit: eine spannende Kriminalstory, eingebettet in einen Reisebericht vor historischem Hintergrund.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.08.2022
Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3


sehr gut

Das Cover zeigt zwischen verstreuten Blüten Fragmente eines der seltenen Fotos des Liebespaares. Sie liegen „in einem Boot“, beide ohne Schuhe und ohne die eigentlich notwendige Brille, offenbar glücklich und unbeschwert.
Der Roman schildert die Liebesgeschichte der beiden erfolgreichen Literaten Ingeborg Bachmann und Max Frisch in den Jahren 1958-63, eine Liebe von besonderer Intensität, gelebt weitgehend abseits der Öffentlichkeit. Die beiden könnten kaum gegensätzlicher sein. Der immer wieder als bodenständig bezeichnete Schweizer Autor, ein geschiedener Mann um die fünfzig, bekannt für seine Theaterstücke, Romane und Tagebücher, brauchte Ordnung, Struktur und Klarheit im Leben und bei der Arbeit. Die viel jüngere, zarte und hochsensible Ingeborg Bachmann verfasste Gedichte und Erzählungen, rang beim Schreiben um jedes Wort, war stets auf der Suche, verabscheute offenbar Ordnung und Struktur, umgab sich hingegen mit der geheimnisvollen Aura einer freiheitsliebenden Künstlerin. Gemeinsam war ihnen die Liebe zur Sprache und Literatur, der innere Zwang zu schreiben, auch der literarische Erfolg. Gemeinsam war ihnen nicht zuletzt der ausufernde Genuss von Alkohol und Nikotin.
Bettina Storks schildert ausführlich die abwechslungsreiche Geschichte dieser ungewöhnlichen Liebe, ihre Chancen, Höhenflüge und Hindernisse, wobei die einzelnen Kapitel jeweils abwechselnd die Sicht der Frau und des Mannes wiedergeben. Die Reflexionen der beiden „Kopfarbeiter“ nehmen viel Raum ein, was den Roman insgesamt etwas kopflastig macht. Wir erfahren viel über die inneren Zwänge der beiden, seine Eifersucht und sein Misstrauen, ihre Verletzlichkeit und ihren Freiheitsdrang. Auch die unterschiedlichen Orte, an denen die Liebenden wohnen und arbeiten, allen voran Zürich und Rom, werden geschildert, ebenso der Literaturbetrieb jener Jahre, soweit die beiden Protagonisten darin eingebunden waren.
Wer sich für Leben und Werk der beiden großen Literaten interessiert, wird den Roman genießen. Wer nur eine herzerwärmende Liebesgeschichte sucht, sollte zu anderer Lektüre greifen.