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Genussleserin
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Brütten, Schweiz

Bewertungen

Insgesamt 22 Bewertungen
Bewertung vom 08.05.2009
Kaltduscher
Sachau, Matthias

Kaltduscher


ausgezeichnet

The Man’s World im WG-Alltag

Kaltduscher ist sehr amüsant und spritzig zu lesen. Es handelt von Oliver Krachowitzer - genannt "Krach" - der in einer Männer-WG in Berlin Mitte wohnt. Die Altbauwohnung ist sanierungsbedürftig und der Vermieter Wohlgemuth will deshalb seine Mieter loswerden. Was ihm bis auf die drei verbliebenen Partien – dem Stasi-Opa, einer kleinen Werbeagentur im Erdgeschoss und der Männer-WG - auch gelungen ist. Diese lassen sich jedoch auch von den kleinen Tricks des Hausbesitzers (wie Strom und Wasser abstellen, russischen Schläger etc.) nicht vertreiben. Die chaotische WG besteht aus den Mitbewohnern: Gonzo (der eigentlich lieber schlägt als redet), Francesco (Anwalt, hilft bei Rechtsfragen), Tobi (Erfindertyp) und dem neuen Mitbewohner Reto (Scweizer und handwerklich sehr geschickt). Krach selber versucht es allen recht zu machen. Er arbeitet als Aufpasser in einem Museum, träumt aber von der Aufnahme an einer Schauspielschule. Jedoch reicht es nur für die Ersatz-Stimme von Ernie aus der Sesamstrasse. Echten Traditionen wie feste Sitzplätze der Mitbewohner am Küchentisch und stetiges Ein und Aus von Freunden und Bekannten gehören zum WG-Alltag dazu. Die Running-Gags wie: die Türklingel (NÄÄÄÄT!), „Reden?“ (SMS), "Es war nur was sexuelles" (SMS), „Tja, der Wohlgemuth, ne.“, „Der meints jetzt wirklich ernst.“, „Da kommt was ... !“, „Jauuuullll“ (Hund Lambert) und Smilies um die Dialoge der beiden Werbegrafiker ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch.
Immer wieder denkt man: typisch Mann! Es geh um die Weltanschauung aus Männersicht: Beziehungsprobleme (Krach schwärmt für Tobis Exfreundin Amelie, hat aber eine Affäre mit Julia, was zu zusätzlichem Chaos in der Gefühlswelt führt), wochenlanger Suche nach DER Hose, Schwierigkeiten beim Verstehen der „Frauensprache“ und bei der Kommunikation mit ihnen.
Stressfaktoren in der WG sind die Existenz von nur einer einzigen Toilette und natürlich die Sanierungsarbeiten, die zu eingebrochene Wänden, viel Lärm und kaum zu überbietende Rücksichtslosigkeiten führen. Den Männern gelingt es durch handwerkliches Geschick oder gute Einfälle sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Es gibt täglich neue Herausforderungen und Missverständnisse zu bestreiten. Diese werden jedoch durch die Profi-Bierzapfanlage, spontane Party’s, „Gras“, Sex, Fussball und Bandauftritte wieder wettgemacht.

Und wie Matthias Sachau selber auf dem Klappentext schreibt: „Wer eine Männer-WG betritt, ohne vorher dieses Buch gelesen zu haben, ist selber schuld.“ Womit er sicher nicht Unrecht hat! WG-Besucher und Frauen generell sollten diese Zeilen unbedingt lesen – sie dienen zum besseren gegenseitigen Verständnis von Mann und Frau!

Bewertung vom 16.04.2009
Die Känguru-Chroniken / Känguru Chroniken Bd.1
Kling, Marc-Uwe

Die Känguru-Chroniken / Känguru Chroniken Bd.1


sehr gut

Ein Känguru hält uns den Spiegel vor!

Phantasiereich und urkomisch! Abgedreht, verkehrte Welt, aber doch sehr liebenswert! Sämtliche Kuriositäten und Eigenheiten unserer derzeitigen Lebensweise werden uns schonungslos als Ich-Erzählung (teilweise wechselnde Erzählposition mitten im Dialog) vor Augen geführt! Egal ob neue Technologien oder aus Politik, Gesellschaft (Gewalt, Emanzipation, Glaube, Verstümmelung der Sprache, kein Respekt vor Gesetz und Ordnung, Psychologen, Talkshows, Musikindustrie, Drogen und andere Suchtverhalten, Big Brother is watching you, Fast Food, Dunkelrestaurant), Wirtschaft (Marketingtrategien, Marktforscher, Farbenlehre der Media-Märkte, Ikea, Discountern). Die angesprochenen, aktuellen Themen sind sehr vielfältig und sicher nahezu komplett. Jeder findet irgendwo seine Erlebnisse oder sich selbst wieder. Besonders gefallen hat mir die Aussage "Das Tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass auch jeder es tut." Natürlich sind die Dialoge völlig übertrieben, überspitzt und manchmal hart an der Grenze dargestellt, aber erst so werden einige Alltagssituationen erst richtig bewusst und wo gewisse Entwicklungen in unserer Gesellschaft hinführen respektive wie unglaublich aber auch ironisch sie eigentlich sind.
Das Känguru ist ein höchst undankbarer, geiziger und aufdringlicher Zeitgenosse und Quasselstrippe, die immer das letzte Wort haben muss. Man fragt sich, wieso Marc-Uwe sich überhaupt gefallen lässt, dass es auf seine Kosten als WG-Partner bei ihm lebt und nichts zum gemeinsamen Alltag beiträgt? Vermutlich auch so ein Ding der heutigen Zeit: Man fühlt sich zusehends isoliert und einsam. Da kommt ein Känguru als Wohngenosse doch sehr gelegen, wenn es noch so frech, direkt, gewalttätig und uneinsichtig ist! Auch wenn es einem immer wieder in Schwierigkeiten bringt - aber dann wiederum mit seinen roten Boxhandschuhen vor brenzligen Situationen rettet. Es ist skurril, wie das Känguru ein Leben mit Marc-Uwe fristet - so selbstverständlich als wäre es nichts besonderes, dass ein Känguru am menschlichen Leben einfach so teilnimmt. Jedoch entwickelt sich zwischen den beiden eine wahre Freundschaft mit gemeinsam ausgeheckten Ideen und gegenseitige Abhängigkeit.
Das Buch ist fesselnd, amüsant und urkomisch - es bringt einem jedoch auch zum Nachdenken. Kurze witzige Dialoge mit in sich abgeschlossenen Themen in über achtzig kleinen kolumnenähnlichen Passagen - jedes auf durchschnittlich 3 Seiten - mit je einer wichtigen, teilweise versteckten Botschaft. Die direkte, unverblümte und teils derbe, umgangssprachliche Aussprache machen das Buch zu einer kurzweiligen Angelegenheit. Auch für zwischendurch, obwohl es echt schwierig wird, das Lesen zu unterbrechen, wenn man erst mal begonnen hat und das Känguru einem in seinen Bann gerissen hat - mit viel Satire, Humor und Gesellschaftskritik! Diese kommt jedoch auch zusammenfassend sehr global daher und lässt bewusst Spielraum für die eigenen Interpretationen zu: "Wie sie vor sich hin leben. Wenn man ganz nah ran geht und sie beobachtet, scheint das alles einen Sinn zu geben, was sie da so wursteln, aber wenn man nur einen Schritt zurück macht, ist das doch alles sehr rätselhaft." Zum Schluss kommt noch die Aussage zu einem Pinguin, der als falscher Vogel bezeichnet wird. Passend unpassend. Zum Lesen amüsant und kurz - aber Nachdenken sollte man länger darüber...
Der Erstlings-Autor hat mich begeistert! Es ist sehr interessant mal aus Warte der Tiere unser Leben beurteilt zu bekommen! Da gibt es einige skurrile Erlebnisse und Alltagssituationen, die die beiden gemeinsam erfahren. Vielleicht sollte man öfters das Leben zwischendurch durch Känguru-Augen betrachten!

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