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katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 113 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


sehr gut

Die Gedanken sind frei...

Während Thomas Mann seine Seele baumeln lässt und die Sommerfrische genießt, versucht Übersetzer Žydrūnas Miuleris einen Weg zu finden, um den von ihm verehrten Schriftsteller anzusprechen. Kein leichtes Unterfangen und doch kommt ihm der Zufall zur Hilfe. Aus dieser Begegnung entsteht eine Art freundschaftliche Verbundenheit, die auf eine harte Probe gestellt wird.Ein brisantes Manuskript ist in falsche Hände geraten und es gilt, die fehlende Seite wieder in das Mann'sche Anwesen zurückzuholen. Die Ereignisse überschlagen sich und entwickeln in dem einen oder der anderen kriminelle Energien...


Tilo Eckardt schafft mit seinem Roman "Gefährliche Betrachtungen" eine gelungene Verbindung von Fiktion und Realität, die die Leser:innen in die faszinierende Welt des großen Literaten Thomas Mann entführt. Die Handlung spielt während einer Sommerfrische, in der der Übersetzer Žydrūnas Miuleris den kühnen Plan verfolgt, Manns Werke ins Litauische zu übersetzen. Was als bescheidenes Unterfangen beginnt, entwickelt sich schnell zu einem tiefgründigen Dialog, der nicht nur die literarische Beziehung zwischen dem Schriftsteller und seinem Übersetzer beleuchtet, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Spannungen der damaligen Zeit reflektiert.

Bereits das ansprechende Cover schafft eine einladende Stimmung und Darstellung von wogendem Dünengras und sanften Wellen, über die Thomas Mann den Blick schweifen lässt, lässt die Leserschaft in die Idylle des Sommers eintauchen. Doch hinter dieser Fassade brodelt die Bedrohung durch die aufkommende Naziherrschaft, die wie ein Schatten über den Charakteren schwebt. Der Titel "Gefährliche Betrachtungen" ist dabei mehr als nur ein Hinweis auf die Kriminalhandlung; er ist ein zentrales Motiv des Romans, das die Leser dazu anregt, auch das tagespolitische Geschehen kritisch zu hinterfragen. Eckardt hat ein Gespür für Sprache und Atmosphäre und erschafft dadurch die Möglichkeit, sich in die Figur des Žydrūnas Miuleris hineinzuversetzen und an seiner Stelle alles hautnah mitzuerleben.

Die Beziehung zwischen Mann und Miuleris ist das Herzstück des Romans, lebt sie doch von den Erinnerungen des Übersetzers. Eckardt zeichnet die beiden Protagonisten mit großer Sensibilität und verleiht ihnen Tiefe und Facettenreichtum. Die Dialoge sind geprägt von Manns subtilem Humor, der oft zwischen Arroganz und feinen Pointen schwankt. Diese Wortwechsel sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch aufschlussreich, da sie die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Literatur und der politischen Realität widerspiegeln.

Obwohl die kriminalistische Handlung nicht durchgehend spannend ist, weiß der Autor dies mit einer sprachlichen Brillanz auszugleichen, die die Leserschaft immer wieder mit ins Boot zieht. Das geschickte Verweben von fiktiven Erinnerungen, realen Ereignissen und sozialpolitischer Kritik schafft eine ganz besondere Atmosphäre, die zum Nachdenken anregt. Die Fragen nach Demokratie, Freiheit und Frieden sind zeitlos und finden in der Gegenwart der Lesenden eine eindringliche Resonanz.
"Gefährliche Betrachtungen" ist somit nicht nur eine Hommage an Thomas Mann, sondern auch ein eindringlicher Appell an die Leser:innen, die Gefahren der Vergangenheit und Gegenwart zu erkennen und zu reflektieren

Bewertung vom 30.10.2024
Im Namen der Barmherzigkeit
Lind, Hera

Im Namen der Barmherzigkeit


ausgezeichnet

Kinderseelen sind zerbrechlich

Die Tatsachenromane von Hera Lind gehen tief unter die Haut, hinterlassen Spuren und blieben in Erinnerung. Die neue Veröffentlichung "Im Namen der Barmherzigkeit" ist die bisher eindringlichste Lektüre, die ich aus ihrer Feder gelesen habe.

Stellvertretend für alle mißbrauchten Heimkinder gibt die Autorin hier durch die Protagonistin Steffi diesen zerbrochenen Kinderseelen eine Stimme, damit die Betroffenen gehört werden. Schon die Umstände der Geburt sind für das Leben des kleinen Mädchens wegweisend, denn statt viel Liebe und Einfühlungsvermögen seitens ihrer leiblichen Mutter schlägt ihr pure Abneigung und Widerwille entgegnen. Die Vermittlung in eine Pflegefamilie verspricht zunächst Besserung, doch das, was Steffi hier erlebt lässt mich sprach- & fassungslos die Seiten umblättern.

Das, was die Pflegefamilie "Im Namen der Barmherzigkeit" dem kleinen Mädchen zukommen lässt, sind nicht etwa liebevolle Worte, schützende Umarmungen und Geborgenheit, sondern verbale, körperliche und sexualisierte Gewalt und Missbrauch. Die Pflegekinder auf dem Bauernhof werden regelrecht zu Arbeitssklav:innen erzogen, die Unfassbares ertragen müssen.Ich weine heiße Tränen umd das Kind Steffi, deren kleine Kinderseele für immer gebrochen wurde. Ich weine um die junge Frau Steffi, die nicht wirklich Fuß fassen kann in einer Gesellschaft, die lieber weggeschaut, statt hilft und ich bewundere die erwachsene Steffi, die den Mut hat, gemeinsam imt ihrer Freundin den Weg an die Öffentlichkeit zu gehen, um noch einmal die vernarbten Wunden aufzureißen, um ihre Geschichte zu erzählen.

Hera Lind begegnet Steffi wertschätzend und respektvoll, fasst in einfühlsamen und zugleich eindringlichen Worten das Martyrium zusammen, dass sich Leben nennt und widmet sich mit ganz viel Fingerspitzengefühl dieser Lebensgeschichte, die dauerhaft Spuren bei der Betroffenen hinterlassen hat. Die gläserne Kinderseele wird mit all ihren Sprüngen und Rissen für die Lesenden zugänglich gemacht und somit sensibilisiert die Autorin ihre Leserschaft, auch im eigenen Umfeld etwas genauer hinzuschauen, damit in Zukunft Missbrauch von Kindern erst gar nicht mehr passiert.

Bewertung vom 28.10.2024
Münter & Kandinsky
Brauner, Alice;Gronemeier, Heike

Münter & Kandinsky


gut

Bleibt leider sehr farblos und hinter den Erwartungen zurück

Es fällt schwer, für dieses Buch die richtigen Worte zu finden, wenn es um zwei der wohl bedeutendsten Maler geht, ohne die es das "Blaue Land" und die Künstlervereinigung "Der Blaue Reiter" nicht gegeben hätte.

Das Buch beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen zwei der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Auch wenn es die meiste Zeit über eher sachlich und nüchtern bleibt, bietet es tiefen Einblick in die Dynamik dieser Partnerschaft, die nicht nur von künstlerischer Zusammenarbeit, sondern auch von emotionalen Kämpfen geprägt ist. Schnell wird klar, dass die Beziehung von toxischen Elementen durchzogen ist. Münters verzweifelter Versuch, sich von der Kunst und dem Erbe Kandinskys abzugrenzen, steht symbolisch für ihren inneren Konflikt und den Druck, unter dem sie als Frau in einer männerdominierten Kunstwelt leidet.

Die Erzählung springt zwischen den verschiedenen Phasen ihres Lebens und der Entwicklung ihrer Beziehung, wobei die kreativen Höhen und Tiefen der beiden Künstler nachvollziehbar dargestellt werden. Die Gründung der Neuen Künstlervereinigung München und die Entstehung des Almanachs „Der Blaue Reiter“ werden nicht als bloße historische Fakten präsentiert, sondern als entscheidende Wendepunkte in der künstlerischen und persönlichen Entwicklung beider Malenden. Hervorzuheben ist die Art und Weise, wie die beiden Autorinnen Münters Kampf um Anerkennung und Selbstachtung thematisieren, ohne in übertriebene Melodramatik zu verfallen.

Dennoch bleibt das Buch in seiner Darstellung oft eher sachlich, farblos und distanziert. Das Fehlen von emotionaler Tiefe und der Esprit, der in den Kunstwerken von Münter und Kandinsky zu finden ist, lässt das Werk manchmal wie einen Fachaufsatz erscheinen. Die zahlreichen schwarz-weiß Fotografien und der Farbbildteil bringen jedoch eine willkommene Abwechslung und lockern die statische Erzählweise auf. Sie ermöglichen den Lesenden einen visuellen Zugang zu den Biografien, Lebensstationen, künstlerischen Schaffensprozessen und der Zeit, in der die beiden lebten.

Insgesamt gelingt es, die Komplexität einer Beziehung darzustellen, die sowohl von Liebe als auch von Machtkämpfen geprägt ist. Das Buch trägt zur Sichtbarkeit von Gabriele Münter als eigenständige Künstlerin bei, die lange im Schatten ihres Partners steht, bleibt aber über weite Strecken thesenhaft. Es ist eine Geschichte von Leidenschaft, Kampf und der Suche nach Identität, von der ich mir wesentlich mehr erhofft habe - neutrale 3 Sternchen

Bewertung vom 25.10.2024
Provence

Provence


sehr gut

Ein Buch zum Herz-über-Kopf-Verlieben

Schon allein der Name ""Provence" klingt wie ein Zauberspruch, der die Leser:innen zu leuchtenden Lila-Laune-Lavendelfeldern, mediterranen Landschaften und verwinkelten Bergdörfchen führt. Wenn das dazu passende Buch auch noch eine Augenreise verspricht, dann steht den Tagträumen und Seele baumeln lassen einfach nichts mehr im Weg.

Schon die ersten Seiten sind eine herzliche Einladung, den wohl schönsten Flecken Erde in Frankreich mit nicht nur mit den Augen, sondern mit dem Herzen zu bereisen und die die malerischen Landschaften schönen Dörfchen und die Bewohner:innen kennenzulernen. Dabei geht es nicht darum, bereits schon hundertmal gelesene Sätze und Klischees umzuformulieren und neu zu verpacken, sondern die Provence mit ihren unterschiedlichen Regionen und Besonderheiten zu entdecken. Ein wohltuender Reisebildband, der das Lebensgefühl, innovative Ideen und Individualität auf jeder Seite zeigt und vom Minimalismus lebt. Manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte und genau darauf liegt der Fokus des Buches - Elegant ohne exaltiert zu sein, zauberhaft ohne kitschig zu werden, voller Licht, Magie und Liebe ohne esoterisch zu wirken. Ein Buch voller Farben, die von sonnenwarmen Gelbtönen über dezentes warmes Ocker bis hin zu mystisch tiefem Blau reichen und ein Freudentanz für die Augen sind.

Nostalgie vermischt sich mit Modernem, Altes kann ohne das Neue nicht sein und doch steht hinter allem eine Geschichte, die mal spirituell, mal gastronomisch ist - abwechslungsreich sind sie allemal.

Savoir vivre in seiner wohl schönsten Art - dank der informativen und aufschlussreichen Begleittexte wird das Lebensgefühl spür- und erlebbar. Ein Reisebildband lebt normalerweise von seinen beeindruckenden Fotos, jedoch kommen diese durch die Wahl des Papiers nicht optimal zur Geltung. Der Druck auf Fotopapier könnte die Farbintensität und die Strahlkraft der Bilder erheblich verbessern und somit die gesamte visuelle Erfahrung bereichern.

Ansonsten ein Buch zum Herz-über-Kopf-Verlieben

Bewertung vom 25.10.2024
KUNTH Die faszinierendsten Friedhöfe der Welt
Henss, Rita

KUNTH Die faszinierendsten Friedhöfe der Welt


sehr gut

Eine neue Reisesparte - Friedhoftourismus von seiner schönsten Seite

Während der Herbstnebel wabert und sich die Gedenktage an die Verstorbenen wieder nähern, erscheint im Kunth Verlag ein ganz besonderes Buch, das sich mit einer ganz neuen Reisesparte befasst - Friedhoftourismus. Was auf den erst Blick etwas morbide und befremdlich erscheint, wird beim Betrachten des Buches zu einem fesselnden und nachdenklich stimmendem Werk, das die Leser:innen dazu einlädt, das Gedenken an die Verstorbenen in einem neuen Licht zu sehen. Hier wird klar, dass Friedhöfe nicht nur Orte des Schmerzes und der Trauer sind, sondern auch der Begegnung, der Geschichte und der kulturellen Identität.

Oft nähern wir uns einem Friedhof nur mit leisen bedachten Schritten und in flüsterndem Ton. Die Frage, warum wir uns zurückhaltend verhalten, ist ebenso interessant wie die Überlegung, warum wir diese Orte nicht wie andere kulturelle Stätten in vollen Zügen genießen können. Hier gelingt es Rita Henss eine neue Perspektive einzunehmen und die klassischen Sehenswürdigkeiten wie Paläste, Kirchen und Museen aussen vor zu lassen und der Faszination der Grabdenkmäler, Inschriften, mit Moos und Flechten bewachsenen Granitkreuze oder kunstvoll gestalteten Grabsteine nachzuspüren.

Friedhöfe haben sich im Laufe der Jahrhunderte von Außenseitern der städtischen Landschaft zu zentralen kulturellen Anziehungspunkten entwickelt. Die Autorin beschreibt eindrucksvoll, wie diese Orte der Ruhe und des Gedenkens oft auch als grüne Oasen in urbanen Umgebungen fungieren. Die Verbindung zwischen Trauer und Erholung, zwischen Gedenken und Freizeit wird klar, und die Lesenden werden eingeladen, die Vielfalt der Motive zu entdecken, die Menschen zu diesen besonderen Orten führen.

Besonders spannend ist der Einblick in die verschiedenen religiösen und kulturpädagogischen Facetten, die vom Bestattungsritual bis hin zu Toten- und Trauerkult reicht. Erinnerungen an berühmte Persönlichkeiten gehören ebenso dazu wie eindrucksvolle Aufnahmen. Tanzende Polarlichter über schlichten weißen Holzkreuzen, hängende Särge in steilen Felswänden, ein achtarmiger Kronleuchter aus menschlichen Knochen, Wirbel und Totenschädeln oder ein letzter Blick nach Mekka - der Tod gehört zum Leben dazu und darf nicht weiter als Tabu in unserer Gesellschaft behaftet sein.

Bewertung vom 24.10.2024
Zugspitzgeist
Tröber, Anna

Zugspitzgeist


ausgezeichnet

Die Wahrheit kommt immer ans Licht

Clemens Hugo muss mehr oder weniger freiwillig ein paar Tage im Hotel der Familie Gamslechner verbringen. Das neue Jahr beginnt allerdings nicht mir guten Vorsätzen, sondern mit einer Leiche. Da selbst die Polizei von einem tragischen Unfall ausgeht, scheint sich das Tagesgeschehen am Fuß der Zugspitze wieder zu normalisieren. Aber der Bezirksanwalt kann es nicht sein lassen, dreht jede Schneeflocke zweimal um und stößt so auf Geheimnisse, die doch lieber unter einer kalten Schneedecke für immer verschüttet geblieben wären...


Anna Tröber gelingt mit ihrem neuen Roman "Zugspitzgeist" ein bemerkenswerter Spagat zwischen Kriminalgeschichte, scharfer Gesellschaftskritik und manchmal auch einem Augenzwinkern. In diesem fesselnden Krimi entführt sie die Leser:innen in die winterliche Idylle auf der österreichischen Seite der Zugspitze, wo hinter der heimeligen Fassade eines gemütlichen Hotels eine Welt aus Geldgier, Machtspielchen und dunklen Geheimnissen verborgen liegt.

Die Protagonist:innen, allen voran der eher unbedarft wirkende Clemens Hugo, scheinen eher zufällig in die Ereignisse involviert zu sein, sodass zunächst die Zusammenhänge für die Leserschaft vollkommen unklar sind. Doch je mehr Seiten gelesen sind, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass es hier um mehr geht, als eine Geschichte an der Zugspitzbahn. Die schneebedeckte Kulisse dient nicht etwa als Wintermärchen, sondern wird zur Diskussionsgrundlage in Bezug auf verstopfte Zufahrtsstrassen, Ausbeutung der Natur und den Geheimnissen einer kompletten Familie. Was auf den ersten Blick wie ein unbeschwertes Vergnügen aussieht, entpuppt sich schnell als ein gefährlicher Tanz auf dem geschäftlichen und familiärem Eis, das für viele immer dünner wird.

Der Autorin gelingt es immer wieder, die komplexen Zusammenhänge zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf eine Art und Weise darzustellen, die die Leser:innen Kapitel für Kapitel überrascht und fesselt. In der wechselvollen Geschichte der Tiroler Zugspitzbahn gibt es Finanzaffären, Kriegsnarben, einen Brand und nicht zuletzt ein gut gehütetes Geheimnis. Diese Ereignisse aus der Vergangenheit fügen sich nahtlos in den Erzählstrang der Gegenwart ein und bilden für die Ereignisse im Hier und Jetzt die Grundlage.

Geheimnisse sind wie Ungeziefer - aus jeder Ecke und jedem Winkel kriechen sie den Betroffenen immer nach und am Ende liegt die Wahrheit offen auf dem Tisch, als wenn die Sonne den Schnee schmelzen lässt. Diese Erfahrung muss Clemens Hugo machen und die Leser:innen folgen ihm in diesem Roman gerne auf Schritt und Tritt.

Bewertung vom 22.10.2024
Und der Schönbuch schweigt
Baecker, Sybille

Und der Schönbuch schweigt


ausgezeichnet

Hetzjagd

Der Naturpark Schönbuch ist für Karl Lederer zum Fluchtpunkt geworden. Nur hier kann er durchatmen und die Stille genießen, die ihm ansonsten im Dorf versagt bleibt. Als Brander und sein Team zum Wildbeobachtungsstand gerufen werden, können sie nur noch den Tod des Mannes feststellen. Es sieht so aus, als habe der Mann keinen Ausweg mehr gefunden und sich das Leben genommen. Die beiden Ermittelnden decken mit ihren Befragungen Erschreckendes auf. War Karl Lederer wirklich das Ungeheuer, wie ihn die Dorfgemeinschachft beschreibt ?


Zunächst ein wichtiger Hinweis: Dieses Buch enthält triggernde Elemente und explizite Szenen - Depressionen, sexuelle Gewalt, Missbrauch, psychische und physische Gewalt. Sie können bei einigen Leser:innen unangenehme oder belastende Gefühle hervorrufen könnten.


"Mit "Und der Schönbuch schweigt" legt Sybille Baecker einen Krimi vor, der definitiv unter die Haut geht und noch lange nachklingen wird. Ihre Geschichte um Karl Lederer ist verstörend, provokativ, zu jeder Zeit spannend und hält uns den Spiegel vor. Wie oft wird in einer Dorfgemeinschaft die sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben, wenn sich durch das Bloßstellen eines Menschen und seiner (vermeintlichen) Taten eine Meinung gefestigt hat. Für diesen Menschen und seine gesamte Familie ist es schwer, überhaupt noch einen Fuß auf den Boden zu bekommen und das zieht langsam, aber sicher eine (selbst-)zerstörerische Wirkung mit sich.

Das, was Baecker hier für ihre Leserschaft bereit hält, geht definitv an die Substanz und zeigt, wie schnell sich die Spirale aus Lügen, Intrigen und Hass dreht, wenn sie immer wieder mit neuen hinterlistigen Aktionen, Unwahrheiten und falschen Tatsachen befeuert wird. Es gelingt der Autorin, die Grenze zwischen fiktiver Handlung und erdachten Personen zu verwischen und die im Buch geschilderten Szenen zur gelebten Realität werden zu lassen. Die Lesenden befinden sich direkt unter den Ermittelnden, stehen ebenso vor einer Wand des dörflichen Schweigens und werden mit Dingen konfrontiert, die immer hässlicher und menschenverachtender werden.

Das gesprochene Wort, auch wenn es eine Lüge ist, kann nicht zurückgeholt werden und wenn dann auch noch die digitalen Medien zum Einsatz kommen, wird daraus ein Tsunami, der alles mit sich reißt. Karl Lederer wird ein Opfer dieser verbalen und digitalen Flutwelle und genau das macht seinen Tod so tragisch. Baecker legt immer wieder den Finger in die Wunde, sensibilisiert so ihre Leserschaft, auch in der eigenen (Dorf-)Gemeinschaft etwas genauer hinzusehen, um vielleicht Dinge aufzudecken, die zunächst klar und deutlich erscheinen, beim zweiten oder dritten Blick ein ganz anderes Bild ergeben.

Hinschauen statt Wegsehen, Helfen statt (Vor-)Verurteilen - ihre Botschaften sind genauso eindringlich wie der nervenaufreibende und raffiniert gesponnene Plot. Erschreckende Bilder, die sich in Gedächtnis einbrenne und eine Handlung mit ganz viel Konfliktstoff. Ein heißes Eisen, das Sybille Baecker anfasst und zu einem extrem gelungenen Roman schmiedet.

Bewertung vom 21.10.2024
Lappland
Römmelt, Bernd

Lappland


ausgezeichnet

Märchenschaft schön

Als Kind war ich fasziniert von der Zeichentrickserie "Nils Holgersson" und habe mir immer gewünscht, auf den Flügeln von Gans Martin durch das zauberhafte Lappland zu reisen. Bernd Römmelt gelingt es, diesen Kindheitstraum in seinem Bildband "Lappland" lebendig werden zu lassen und nicht nur mich, sondern auch alle anderen Leser:innen auf eine visuelle Märchenreise mitzunehmen.

Die grandiosen Aufnahmen, die Römmelt präsentiert, sind Balsam für die Seele. Sie entführen in ein Winterwunderland, wo schneebedeckte Landschaften, majestätische Rentiere und die magischen Polarlichter verzaubern. Die Bilder sind nicht nur ein Zeugnis der Schönheit Lapplands, sondern auch eine Einladung, die Geheimnisse dieser einzigartigen Natur zu ergründen. Nicht weniger beeindruckend sind die Aufnahmen, die die Mitternachtssonne einfangen und die Landschaft in ein warmes, goldenes Licht tauchen – die Vergänglichkeit des Augenblicks, die immer wieder zum Innehalten und Staunen einlädt.

Römmelts Fähigkeit, die stillen Wunder der Natur mit seiner Kamera festzuhalten, erschafft emotionale Bildmomente, die tief berühren. Die Wildnis Lapplands birgt unzählige Erlebnisse und Begegnungen, die nicht nur die Augen, sondern auch die Seele bereichern. Der Fotograf und Autor versteht es, überwältigende Augenblicke mit dem beeindruckenden Farbenspiel der Natur zu kombinieren und daraus einen Bildband zu kreieren, dessen Reiz die Leser:innen kaum widerstehen können.

Zwischen den märchenhaften Bildern finden sich informative Begleittexte, die die Lesenden sensibilisieren und auf die Notwendigkeit eines rücksichtsvollen Umgangs mit der Natur hinweisen. Gerade in Zeiten des Klimawandels und den Auswirkungen von Massentourismus ist es von entscheidender Bedeutung, die Schönheit Lapplands zu bewahren. Bernd Römmelt gelingt es, diese Botschaft behutsam zu vermitteln, ohne den Zauber der Bilder zu schmälern oder drohend den Zeigefinger zu heben.

Ein Bildband, der nicht nur märchenhaft schön ist und zum Träumen einlädt, sondern auch zum Nachdenken anregt. Er ist ein eindrucksvolles Zeugnis der teilweise noch unberührten Natur und ein Appell, diese kostbare Schönheit zu schützen und zu bewahren.

Bewertung vom 21.10.2024
LONELY PLANET Bildband Reisen fürs Leben

LONELY PLANET Bildband Reisen fürs Leben


ausgezeichnet

„Wohin auch immer wir reisen, wir suchen, wovon wir träumten, und finden doch stets nur uns selbst.“ Günter Kunert

Es gibt viele Möglichkeiten, um eine Reise zu planen. Die meisten reisen um des Reisens willen, einige, um ihren Insta-Feed mit hübschen Bildchen zu füttern, jedoch die wenigsten reisen, um bei sich selbst anzukommen. Gibt es für diese Art der Reise auch so etwas wie einen Reiseführer ? Eine Anleitung, um zwar nicht zum Mittelpunkt der Erde, jedoch zur eigenen Mitte zu kommen ?

Die Antwort ist so simpel wie einfach: Ja. Und dieses Ja zeigt ganz viele wunderbare Reisemöglichkeiten, die nicht nur den inneren Kompass wieder loten, sondern auch dabei helfen, das Wohlbefinden von Körper, Geist und Seele zu verbessern. Es sind Reisevorschläge, die dazu anregen, das Glück in den kleinen Dingen zu finden, entspannende Momente wirklich zu genießen und achtsamer mit sich selbst und der Umewlt umzugehen.

Das Zitat „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ findet seine wortwörtliche Umsetzung, die von leichten Spaziergängen bis hin zu Pilgertouren reichen und somit Kultur, Geschichte und Spiritualität auf eine ganz intensive Weise vermitteln. Mit dem Rad über Stock und Stein, Perspektivenwechsel mit dem Kanu, das monotone Ratter des Zuges auf Gleisen oder mit dem Camper auf Tour - im Einklang mit der Natur entsteht eine magische Zeit, die den Reisenden die Möglichkeit gibt, ihre eigene Spiritualität zu erkennen und sie zu leben. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche esoterischen Glaubenssätze auswendig zu lernen, sondern den inneren Kompass zum eigenen Wohlbefinden nach den Themen auszurichten, die die Reisenden berühren: Reflexion, Freude, Positivität, Leidenschaft, Dankbarkeit, Achtsamkeit, Freundlichkeit, Liebe, Vergebung

"Reisen fürs Leben" ist ein ganz besonderes Buch, das dazu einlädt, bewusst zu Reisen und sich dabei selbst zu entdecken.

Bewertung vom 20.10.2024
KUNTH Rom. Das Buch
Fischer, Robert;Holupirek, Katinka;Müller, Michael

KUNTH Rom. Das Buch


ausgezeichnet

Panem et circenses

Rom atmet Geschichte, Rom ist Geschichte und genau dieses Gefühl vermittelt "Das Buch- Rom". Jede einzelnen Seite stellt die Verbindung zwischen Antike und Gegenwart dar und die jahrtausendealten Monumente erscheinen wie Verbindungstore zwischen dem Gestern und Heute. Rom hat viele Facetten, ist Heimat von Religion, Geschichte und Kunst und hat, trotz - oder gerade - wegen seiner unendlich vielen Zeitzeugnisse nicht den Status eines lebendigen Museums inne. Vielmehr ist Rom auch heute noch am Puls der Zeit, Drehscheibe und Treffpunkt für Menschen aus allen Kontinenten dieser Erde und lebt vom geschäftigen Treiben in seinen alten Gassen und Gässchen.

Der Reisebildband verzaubert, betört und ist eine visuelle Eintrittskarte in die Welt der Deckenfresken, mächtigen Fassaden und beeindruckenden Bauten. Szenen aus diversen Filmen wie das Wagenrennen aus "Ben Hur", der Kampf im Colloseum von Russel Crowe als Maximus in "Gladiator" oder "Gib dem Affen Zucker" werden plötzlich lebendig, wenn die Bertachtenden in die Filmkulissen eintauchen. Die grandiosen Aufnahmen kurbeln nicht nur das Kopfkino an, sondern spielen auch mit sinnlichen Reizen - es duftet nach Pizza und Pasta, der fein-würzige Geschmack eines Espresso ist deutlich zu schmecken und die Sonne bringt das flammende Orangerot des Aperol Spritz im Glas zum Leuchten.

Geschichte und Geschichten in alten und neuen Szenevierteln, Edelboutiquen und gemütliche Lokale, Sehenswürdigkeiten und ganz viele Inspirationen, die den Besuch in der Ewigen Stadt am Tiber garantiert zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen.