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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 457 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2025
Nacht der Ruinen
Rademacher, Cay

Nacht der Ruinen


ausgezeichnet

Köln, im März 1945. Bei einem der letzten Bombenangriffe auf Köln muss sich der amerikanische Pilot Richard Rohrer per Fallschirm retten und wird nach seiner Landung von Deutschen gelyncht. Der junge amerikanische Soldat Joe Salmon wird nach Köln beordert, um den Mörder zu finden. Salmon ist Jude und als Joseph Salomon selbst in Köln aufgewachsen, bevor er 1939 gerade noch fliehen konnte. In Köln begibt er sich nicht nur auf die Spuren des Lynchmörders, sondern sucht auch privat nach zwei Menschen, die ihm sehr am Herzen liegen: Hilda und Jakub.

Als Joe nach Köln zurückkehrt, erkennt er die zerstörte Stadt kaum wieder. Sehr eindrücklich werden die zerstörten Fassaden und die Ruinen beschrieben, der allgegenwärtige Brand- und Verwesungsgeruch, die fetten Ratten, die überall durch die Stadt huschen. Cay Rademacher nimmt sich viel Zeit, um die Atmosphäre in Köln gegen Kriegsende zu beschreiben. Der Krieg ist noch nicht vorüber, die Wehrmacht sitzt am anderen Rheinufer, vereinzelt kommt es noch zu Kämpfen. Die Menschen „organisieren“ sich, was sie benötigen, es gibt weder Strom, noch Gas oder Wasser, das Benzin aus Brandbomben, die als Blindgänger in den Ruinen liegen, wird zum Betanken genutzt, kleinere Erschütterungen bringen Häuserfassaden zerbombter Gebäude zum Einsturz. Die Kölner sind vorsichtig, misstrauisch und taktieren gegenüber den Besatzern, versuchen, ihre Rolle während der Kriegsjahre gegenüber in einem möglichst harmlosen Licht darzustellen. Diese sehr detaillierten Schilderungen gehen etwas zu Lasten der Spannung, so dass „Nacht der Ruinen“ für mich eher ein tiefgründiger historischer Roman als ein Krimi ist.

Sehr gut gefallen hat mir, dass der Autor reale Personen wie George Orwell, Konrad Adenauer und Irmgard Keun, die sich zu dieser Zeit in Köln aufgehalten haben, in die Geschichte mit einflicht und Fiktion mit Realität verquickt. Im Nachwort geht Cay Rademacher dann näher auf seine Recherchen ein und erläutert, wo es sich um historische Fakten handelt und wo um Fiktion.

Durch den sehr lebendigen Schreibstil konnte ich mich von Beginn an sehr gut in Joe hineinversetzen, und vor allem seine Suche nach Hilda und Jakub hat mich sehr berührt.

Fazit: Ein sehr lesenswerter historischer Roman mit Krimianteil, der akribisch recherchiert ist und ein eindrückliches Bild von Köln kurz vor Kriegsende zeichnet.

Bewertung vom 18.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


gut

Auch angesichts der aktuellen politischen Situation interessiert mich die Geschichte des Panama-Kanals und seines langwierigen und komplizierten Baus, der insgesamt über 28000 Todesopfer forderte. „Der große Riss“ spielt im Jahr 1906 in der Stadt Empire nahe des Culebra Cuts und zeigt aus verschiedenen Perspektiven, welche Auswirkungen der Bau des Kanals auf die Bevölkerung und die Arbeiter aus den unterschiedlichsten Ländern hatte und welche Hoffnungen, Ängste und Träume mit dem Kanal verbunden waren. Da ist die sechzehnjährige Ada aus Barbados, die auf der Suche nach Arbeit nach Panama kommt, um ihre Familie finanziell zu unterstützen, ebenso wie unzählige Männer, die in der Hoffnung auf guten Lohn und ein besseres Leben unter härtesten Bedingungen beim Kanalbau schuften. Da ist der Fischer Francisco, der mit Argwohn verfolgt, wie die Vereinigten Staaten die Herrschaft über die Kanalzone übernehmen und die massiven Einschnitte in die Landschaft seine Heimat verändern, während sich sein Sohn Omar als Arbeiter am Kanalbau beteiligt. Auch Valencia muss erleben, wie ihr Heimatdorf umgesiedelt werden soll, um einem Damm Platz zu machen. Der Wissenschaftler John Oswald reist mit seiner Frau Marian aus Tennessee an, um die Malaria auszurotten, die jedes Jahr hunderte Todesopfer fordert.

Das Buch hat mich dazu gebracht, mich näher mit dem Panama-Kanal zu befassen, und ich habe hierbei einiges über seine bewegte Geschichte und auch die politischen Konflikte, die diese Schifffahrtsstraße bis heute begleiten und durch Trump jüngst neu angefacht wurden, gelernt. Leider enthält „Der große Riss“ selbst keine ausführlichen historischen Informationen. Historische Fakten dienen eher als spärliche Kulisse oder Lokalkolorit für einen stark emotionsbetonten Roman mit starken Frauenfiguren, während die Männer oft zögerlich und unsicher wirken. Auch der Kampf gegen Malaria, eine der Haupttodesursachen unter den Arbeitern, wird nicht näher beleuchtet. Das ist sehr schade, da der Roman hierdurch viel Potential verschenkt. Auch die Figuren bleiben insgesamt blass. Man spürt am Schreibstil der nordamerikanischen Autorin Cristina Henriquez deutlich, dass das Buch ursprünglich für den US-Markt geschrieben wurde.

Positiv hervorzuheben ist die Karte zum Panama-Kanal am Anfang des Buches. Gewünscht hätte ich mir hingegen noch ein Nachwort mit ergänzenden Daten zur geschichtlichen Einordnung und zur Recherche der Autorin.

Fazit: Wer einen Roman mit fundierten, detaillierten historischen Fakten sucht, wird hier nicht fündig. Ich würde „Der große Riss“ eher Leserinnen und Lesern empfehlen, die sich dem Thema von der emotionalen Seite nähern möchten.

Bewertung vom 18.02.2025
Maggie Blue - Das Portal zur Düsterwelt
Goodall, Anna

Maggie Blue - Das Portal zur Düsterwelt


sehr gut

„Maggie Blue – Das Portal zur Düsterwelt“ ist der Auftakt einer neuen Fantasy-Reihe für Kinder ab 10 Jahren. Maggie Blue lebt nach der Trennung ihrer Eltern bei ihrer Tante in West Minchen, einem fiktiven Ort im Norden Londons. In der Schule ist sie eine Außenseiterin, und auch sonst kümmert sich niemand wirklich um sie. Ihre Tante hat ihr eigenes Leben, und Maggie ist weitgehend auf sich allein gestellt. Ihre Mitschülerin Ida und deren zwei Freundinnen ärgern Maggie ständig, und dennoch fühlt sich Maggie zu Ida hingezogen, und möchte unbedingt mit ihr befreundet sein. Eines Tages verschwindet Ida unter mysteriösen Umständen im Everfall Wood, dem düsteren Wald neben der Schule. Maggie wird zufällig Zeugin merkwürdiger und mystischer Begebenheiten, und sie setzt alles daran, Ida zu finden und zurückzuholen. Begleitet wird sie dabei vom einäugigen Straßenkater Hoagy.

Ich habe die Geschichte gemeinsam mit meinem knapp 11 Jahre alten Sohn gelesen, und wir haben sie unterschiedlich aufgenommen. Meinem Sohn hat das Buch richtig gut gefallen, und er hat Maggies Reise durch das Portal in die Düsterwelt mit Spannung verfolgt. Ich habe das Buch mit teilweise gemischten Gefühlen gelesen, was sicher daran liegt, dass ich als Mutter und als Erwachsene einen anderen Blickwinkel einnehme. So ist es für mich unverständlich, warum Maggie ausgerechnet an dem Mädchen, das sie ständig mobbt, so viel liegt, sie diese unbedingt zur Freundin haben will und für sie ihr Leben riskiert. Seltsam fand ich, dass Maggie von ihren Eltern nach der Trennung einfach zur Tante abgeschoben wird. Der Vater hat eine neue Freundin (offenbar der Trennungsgrund) und die Mutter ist aufgrund schwerer Depressionen in der Psychiatrie. Der Vater meldet sich überhaupt nicht mehr, und mit der Mutter gibt es einmal pro Woche ein eher angespanntes und gereiztes Pflichttelefonat. Diese Konstellation stört mich etwas, da sich in den allermeisten Fällen die Eltern auch nach einer Trennung liebevoll um ihr Kind kümmern, und auch ein Elternteil, der aufgrund psychischer Probleme behandelt wird, dennoch weiterhin sein Kind liebt und Anteil an dessen Leben nehmen möchte. Hier frage ich mich, wie Kinder auf das Buch reagieren, die sich möglichweise selbst in einer schwierigen Familienphase befinden.

Auch der Aufbau der Düsterwelt mit der Sonnenstadt, dem Anführer der Insulaner, Eldrow, den Mondhexen und den rattenähnlichen Maenchen bildete für mich noch kein in sich schlüssiges Gesamtkonzept. Möglicherweise ändert sich das jedoch noch in den Folgebänden.

Es dauert zunächst etwas, bis die Geschichte Fahrt aufnimmt, doch in der zweiten Hälfte entwickelt sie sich zu einem temporeichen und spannenden Abenteuer. Richtig gut gefielen mir die Szenen mit dem verwegenen, teils egoistischen Straßenkater Hoagy, der immer für humorvoll-ironische Kommentare gut ist, und in dem düsteren Setting für Auflockerung sorgt.

Auch wenn sich am Ende des Buches einiges auflöst und der Kern der Geschichte abgeschlossen ist, bleiben noch viele Fragen offen. Mein Sohn ist schon sehr gespannt, wie es im Herbst mit Band 2 weitergeht, und bewertet das Buch mit 4 Sternen. Ich würde die Reihe selbst wohl eher nicht weiter verfolgen.

Bewertung vom 18.02.2025
Mickey und Arlo
Dick, Morgan

Mickey und Arlo


sehr gut

Mickeys Vater verließ seine Familie, als Mickey acht Jahre alt war, und ließ sie und ihre Mutter auf einem Berg Schulden sitzen. Er heiratete erneut und gründete eine neue Familie. Mit 33 Jahren erfährt Mickey vom Tod ihres Vaters und einer unverhofften Erbschaft. Einzige Bedingung: Sie muss in einer bestimmten Praxis sieben Stunden Psychotherapie absolvieren, erst dann wird das Geld ausbezahlt. Mickey ahnt nicht, dass es sich bei der Therapeutin um ihre Schwester Charlotte, genannt „Arlo“, aus zweiter Ehe handelt, und auch Arlo hat keine Ahnung….

Das Buch ist immer abwechselnd aus der Perspektive von Mickey und Arlo geschrieben, so dass man beim Lesen einen tiefen Einblick in die Gefühlswelt und das Leben beider Personen bekommt. Während Mickey bereits von Anfang an schwer traumatisiert scheint, da sie als Kind vom Vater verlassen wurde, wirkt Arlo wie die erfolgreiche und gefestigte Vorzeigetochter, die sich aufopferungsvoll um ihren sterbenskranken Vater gekümmert hat. Beide Frauen könnten unterschiedlicher kaum sein. Im Laufe des Buches wird das Bild der beiden immer differenzierter, und man lernt beide besser kennen, mit ihren Ängsten und Nöten, ihrer Hilflosigkeit, ihrer Wut. Es wird deutlich, wie stark der Vater beide Schwestern geprägt hat, auf positive wie negative Weise, was sie trennt und was sie eint, trotz vordergründig verschiedener Kindheit. Das fand ich sehr beeindruckend zu lesen. Das Buch zeigt, wie stark sich im Umfeld von Suchtkranken eine Co-Abhängigkeit entwickeln kann und welche Macht manipulative Personen auf andere haben können.

Mit der Figurenzeichnung hatte ich an einigen Stellen so meine Probleme. Beim Lesen konnte ich mich vor allem im Mickey besonders gut einfühlen, Arlos äußerst aufopferungsvolle Rolle gegenüber ihrem Vater und ihre extremes Buhlen um seine Liebe war für mich schwerer nachvollziehbar. An einigen Stellen wirkte Arlos Rolle als Psychotherapeutin für mich etwas aufgesetzt und nicht ganz stimmig, etwa wenn es heißt: „…diese Eigenschaft hatte ihr in ihrer Therapeutinnenlaufbahn immer gute Dienste geleistet.“ Diese dürfte bei einer 25-Jährigen sehr überschaubar sein. Auch wird nicht klar, warum einen Therapeuten-Koryphäe wie ihre Chefin Punam eine so junge und unerfahrene Kollegin in ihre Praxis holt. Ebenso bleibt unklar, wie der Vater der beiden Mädchen zu diesem enormen Vermögen kam, nachdem er in jungen Jahren nur Schulden aufhäufte. Arlos Mutter wirkt auf mich auch erstaunlich kühl, auch was die Erbrechtsregelung bezüglich ihrer Tochter angeht. Am wenigsten anfangen konnte ich mit dem Anwalt Tom, der mit seiner selbstmitleidigen, weinerlichen Art und seinem ständigen Bedürfnis, alle über seine charakterlichen Mängel in Kenntnis zu setzen, sehr unglaubwürdig wirkte.

Fazit: Insgesamt ein lesenswerter, tiefgründiger und nachdenklich stimmender Roman, der zeigt, wie prägend die Kindheit für das gesamte Leben ist, welche Folgen die Suchterkrankung eines Elternteils für die Kinder haben kann, und wie schwer es ist, sich davon zu befreien.

Bewertung vom 16.02.2025
Ginsterburg
Frank, Arno

Ginsterburg


gut

Nachdem „Seemann vom Siebener“ von Arno Frank eines meiner Lieblingsbücher 2023 war, war ich nun sehr gespannt auf „Ginsterburg“.
Der Roman zeigt das Leben in der fiktiven Kleinstadt Ginsterburg in den Jahren 1935, 1940 und 1945. Hierbei begleitet er die unterschiedlichsten Personen, etwa die Buchhändlerin Merle und deren Sohn Lothar, den Redakteur der Lokalzeitung Eugen, seine Frau Ursel und die Tochter Gesine, den Blumengroßhändler und Bürgermeister Otto, dessen Söhne Bruno und Knut, die Architektin Uta, die mit einem jüdischen Mann verheiratet ist, und einige andere. Reale Personen wie Lothar Sieber und Erich Bachem werden mit rein fiktiven Charakteren vermischt.

Über die Jahre wird deutlich, wie sich jeder auf seine Weise mit dem Regime arrangiert: Die einen suchen sich ihre private Nische, um möglichst unbehelligt durch die Kriegsjahre zu kommen, schaden niemandem aktiv, setzen sich aber auch nicht für andere ein und verschließen die Augen, wollen nichts sehen. Andere machen sich opportunistisch die neue Ordnung zunutze, bereichern sich und steigen auf. Wieder andere werden glühende Anhänger der Nazis und ihrer Ideologie, machen sich schuldig, indem sie etwa das Euthanasieprogramm mit vorantreiben. Hitlerjugend und BDM indoktrinieren die Jugend, die willig in den Krieg zieht.

Die Thematik ist angesichts der momentanen politischen Situation und des Rechtsrucks in der Gesellschaft leider sehr aktuell, und es ist wichtig, darüber zu schreiben. Dennoch konnte mich dieses Buch nicht überzeugen. Zu den Figuren konnte ich nur schwer einen Bezug entwickeln, teilweise wirkten sie sehr künstlich auf mich, und mit dem oft etwas weitschweifigen Schreibstil wurde ich nicht warm. Hinzu kamen kulturhistorische Beschreibungen des fiktiven Ortes Ginsterburg, die mich in ihrer Ausführlichkeit langweilten. Ich hätte stattdessen gerne noch mehr über einige Personen erfahren, die nur ab und an wie kurze Schlaglichter auftauchten, um dann nicht mehr erwähnt zu werden, etwa die Wahrsagerin Zola Vovoni. Auch hadere ich mit dem Schluss, der mir zu vieles offen lässt.

Positiv fand ich, dass Arno Frank sehr anschaulich beschreibt, wie sich jede Figur auf ihre Weise mit dem System arrangiert, und ich konnte mir schon beim Lesen lebhaft vorstellen, wie jede nach dem Krieg versuchen würde, sich nur als Mitläufer darzustellen. Man habe ja nichts gemacht, es waren doch die Umstände, und eigentlich habe man ja auch von nichts gewusst.

Etwas ärgerlich fand ich, dass der Autor in den Details immer wieder offensichtlich ungenau ist. So wird die mehrfach vorkommende römische Ziffer MDCXVII als 1497 gedeutet, obwohl sie das Jahr 1597 bezeichnet. Hitlers Berghof am Obersalzberg wird gar fälschlicherweise bei Garmisch verortet anstatt bei Berchtesgaden. Zudem lässt Arno Frank die aus Augsburg stammende Helga oberbayerisch sprechen, obwohl in Augsburg ein völlig anderer, schwäbischer Dialekt gesprochen wird (ich komme von dort). Das U-Boot U-51 wurde nicht, wie im Roman behauptet, am 23. August 1940 durch ein britisches Flugboot versenkt, sondern am 20. August 1940 durch die Torpedos eines britischen U-Bootes. Der Flugboot-Angriff einige Tage zuvor hatte das U-Boot lediglich stark beschädigt. Das sind natürlich Kleinigkeiten, die mich dennoch misstrauisch machen gegenüber der Sorgfalt des Autors insgesamt.

Da Arno Frank reale Personen wie Lothar Sieber und Erich Bachem in seine fiktive Geschichte einbettet, hätte ich mir zudem ein Nachwort gewünscht, in dem der Autor auf seine Recherchen hierzu eingeht und erläutert, welche Teile der Erzählung auf wahren Begebenheiten beruhen.

Fazit: Ich hatte nach dem „Seemann vom Siebener“ stilistisch und sprachlich etwas anderes erwartet, und konnte mich vor allem mit der Erzählweise in diesem Roman nicht recht anfreunden. Da dies Geschmackssache ist, kann ich mir allerdings sehr gut vorstellen, dass andere „Ginsterburg“ begeistern wird.

Bewertung vom 13.02.2025
Kinderfeste feiern
Schäflein, Annina;Merz, Lena

Kinderfeste feiern


ausgezeichnet

Bereits seit vielen Jahren ernähren wir uns als Familie zuckerreduziert und achten auf gesunde Snacks. Dieses Buch hat mich daher sofort neugierig gemacht.

Die Autorinnen zeigen, wie man mit überschaubarem Aufwand Leckeres zubereiten kann, das auch optisch bei den Kids für Begeisterung sorgen wird. So wird aus einem Blechkuchen (interessant: mit Apfelmark im Teig) durch bunte Schokolinsen und etwas Lebensmittelfarbe ein cooler Legokuchen. Diesen werde ich definitiv demnächst nachbacken. Neben Kuchen und Torten gibt es auch süße Rezepte für kleine Teilchen wie Cakepops, Muffins oder Eiskonfekt. Häufig wird Lebensmittelfarbe verwendet. Wir nutzen prinzipiell keine künstliche Farbe, aber die meisten Rezepte dürften auch mit veganer Pflanzenfarbe aus dem Biomarkt funktionieren, wenn man kleinere Abstriche in Intensität und Farbvielfalt in Kauf nimmt. Sehr lecker war die fruchtige Bowle, die mein Sohn gleich ausprobieren wollte.

Bei den herzhaften Snacks fiel mir gleich ein interessantes Rezept für Ketchup ins Auge: prima, da gekauftes Ketchup enorm viel Zucker enthält. Die ausgefallene Brottorte mit Avocado und Lachs steht auch schon auf unserer Liste, und der Gemüsezug ist eine tolle Idee! Ausprobiert haben wir die Käsekekse, die superschnell zubereitet waren, und die herzhaften Muffins, zu denen wir Salat gereicht haben. Bei den Muffins würden wir nächstes Mal etwas mehr Kräuter verwenden.

Sehr gut gefiel mir, dass die beiden Autorinnen nicht nur Zucker generell reduzieren, sondern auch Alternativen zum Industriezucker nutzen, etwa Agavendicksaft, Datteln oder Fruchtmus, teilweise auch Xylit. Besonders toll finde ich die Idee mit den natürlich gefärbten zuckerfreien Streuseln am Ende.

Ein sehr schönes, praxistaugliches Buch mit tollen Tipps nicht nur für gesunde Kinderfeste, sondern auch für leckere Naschereien und Snacks zu allen Gelegenheiten.

Bewertung vom 13.02.2025
Von hier aus weiter
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


sehr gut

In „Von hier aus weiter“ widmet sich Susann Pàsztor mit großer sprachlicher Leichtigkeit einem schwierigen Thema, das sich in seiner ganzen Tragweite erst im Laufe des Romans erschließt. Marlenes lakonische, trockene Art ließ mich trotz der düsteren Ausgangssituation nach dem Tod ihres Mannes Rolf immer wieder schmunzeln, und auch die anderen Figuren begegnen Marlene erfrischend direkt und unerschrocken. Meistens ziehen sich ja viele Freunde und Bekannte eher zurück, aus Unsicherheit darüber, wie sie mit jemandem umgehen sollen, der gerade seinen Partner oder seine Partnerin verloren hat. Insofern zeigt die Autorin auch, wie heilsam es für die Hinterbliebenen mitunter sein kann, wenn man ihnen weiterhin offen und empathisch, aber ohne Beklemmung begegnet – was sicherlich leichter gesagt als getan ist.

Sehr positiv fand ich, dass die Autorin für Marlenes Situation keine einfache Lösung anbietet, sondern bewusst vieles offen lässt und eher beobachtend schildert. Sicherlich wirkt die Handlung mit Jack, Marlenes ehemaligem Schüler, der spontan bei ihr einzieht und sich in Ida, Rolfs Hausärztin, verliebt, etwas konstruiert, das empfand aber nicht als störend. Im Gegensatz zu den immer wiederkehrenden übersinnlichen Elementen, die ein Eingreifen Rolfs aus dem Jenseits nahelegen. Da ich mit Übersinnlichem absolut nichts anfangen kann, haben diese für mich völlig unnötigen Begebenheiten meinen Lesegenuss leider deutlich geschmälert und führen auch dazu, dass ich leider einen Stern abziehen muss.

Für alle, die sich daran nicht stören, ein sehr lesenswerter Roman.

Bewertung vom 13.02.2025
Die Allee
Anders, Florentine

Die Allee


ausgezeichnet

Florentine Anders, Enkelin des berühmten Bauhaus-Architekten Hermann Henselmann, gibt mit diesem Roman einen äußerst spannenden und interessanten Einblick in ihre Familie. Sie erzählt vor allem aus der Perspektive ihrer Großmutter Irene „Isi“ und ihrer Mutter Isa. Erstere war selbst eine vielversprechende Architektin, stand jedoch immer im Schatten ihres Mannes und war zudem als achtfache Mutter gefordert. Durch Isis und Isas Blick zeichnet die Autorin auch ein detailliertes Bild von Hermann Henselmann, einem hochbegabten, aber für das DDR-Regime unbequemen Architekten, der die Umstände geschickt für sich zu nutzen wusste und bei seinen Projekten gerne hoch pokerte. So modern und einnehmend Henselmanns Entwürfe auch waren – er selbst wirkt auf mich zutiefst unsympathisch: Ein Choleriker, der seine Frau offen und bei jeder Gelegenheit betrog, ein patriarchaler Herrscher, extrem von sich selbst eingenommen, mit enormem Geltungsdrang. Als Quellen dienten Florentine Anders neben ihrer Mutter Isa die Memoiren ihrer Großeltern, Literatur über Hermann Henselmann und Gespräche mit ihrem Großonkel Raimund, dem Bruder von Isi.

Das Buch ist sehr unterhaltsam und lebendig geschrieben, und gibt tiefe Einblicke in das, was für die Privilegierten in der „klassenlosen Gesellschaft“ der DDR möglich war: Wohneigentum, Auslandsreisen, exotische Speisen usw. Zudem zeigt es, dass, aller Staatspropaganda zu Trotz, auch in der DDR die alten Rollenklischees nicht überwunden waren und Kinder und Haushalt weiterhin Frauensache blieben.

Da ich als Bayerin nicht mit der Ostberliner Architektur vertraut bin, waren für mich besonders die Details zur Entstehung der Bebauung an der Karl-Marx-Allee interessant und der lange Weg von der Idee bis zum Bau des Fernsehturms. Auch das ständige Hin und Her, was nun unter „sozialistischer“ Bauweise zu verstehen sein sollte, wurde eindrücklich beschrieben. Während des Lesens hielt ich immer wieder inne und betrachtete mir im Internet Bilder der im Buch erwähnten Bauwerke. Nach diesem Roman werde ich bei einem Besuch sicher mit anderen Augen durch Berlin laufen. Ein sehr lesenswerter Roman über ein bedeutendes Kapitel Ostberliner Baugeschichte.

Bewertung vom 13.02.2025
Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste
Hein, Jakob

Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste


ausgezeichnet

Mit viel hintergründigem Humor und einer herrlich grotesken Idee entwirft Jakob Hein eine geniale Geschichte, die zu innerdeutschen Verwicklungen zwischen der DDR und BRD auf höchster Ebene führt. Das ist urkomisch und für mich schon jetzt ein Highlight im Frühjahrsprogramm 2025. Die politischen und administrativen Instanzen auf beiden Seiten der Grenze werden gleichermaßen aufs Korn genommen, und ich hatte beim Lesen ein Dauergrinsen im Gesicht. Es gelingt Hein sogar, reale historische Ereignisse mit einzuflechten und diese in einem ganz anderen Licht darzustellen. Dieses Buch hat echtes Kultpotential, und ich könnte mir auch eine Verfilmung ähnlich „Good Bye, Lenin“ sehr gut vorstellen.

Ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 11.02.2025
Tinte, Staub und Schatten: Das Buch der Verlorenen
Metz, Alina

Tinte, Staub und Schatten: Das Buch der Verlorenen


ausgezeichnet

Minna ist sechzehn Jahre alt und hat gerade die Realschule abgeschlossen. Seit elf Jahren hat sie nur einen Wunsch: Sie will Büchersucherin werden wie ihre Mutter. Diese verschwand damals im geheimnisvollen Bücherlabyrinth, und Minna setzt alles daran, das Verschwinden ihrer Mutter aufzuklären.

In ihrem Debüt „Tinte, Staub und Schatten“ entwirft Alina Metz eine spannende und faszinierende Welt voller Magie: In einem gigantischen unterirdischen Bücherlabyrinth lauern geheimnisvolle Staubwesen, und jeder, der das Labyrinth betritt, läuft Gefahr, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Die Alexandrinische Gesellschaft als zentrales Verwaltungsorgan wacht über das Labyrinth, und die Büchersucher sind darin ausgebildet, sich mittels Staubmechaniken im Labyrinth zu orientieren und gegen drohende Gefahren zu verteidigen.

Die Autorin stellt Minna interessante Charaktere zur Seite: Da sind unter anderem die unkonventionelle Staubmechanikerin Litotes, Minnas grummeliger Lehrherr Raban Krull, sein tollpatschiger Sohn Gulliver und Jascha. Gulliver und Jascha sind ebenfalls Büchersucherlehrlinge. Jascha wird zudem als androgyne, queere Person dargestellt. Hier fand ich besonders gelungen, dass Jascha damit völlig selbstverständlich umgeht und das selbst auch gar nicht groß thematisiert, jedoch immer wieder mit entsprechenden Zuschreibungen und Klischees von außen konfrontiert wird und hierdurch auch genervt ist. Das wirkt auf mich sehr realitätsnah.

Das Bücherlabyrinth mit all seinen Facetten bietet sehr viel erzählerisches Potential und erinnert darin an Genre-Klassiker wie Cornelia Funkes Tintenwelt. „Tinte, Staub und Schatten“ ist als Dilogie konzipiert, und zwei Bände wirken fast ein wenig knapp bemessen, um dieses Potential komplett auszuschöpfen. So kommt die Ausbildung der Büchersucherlehrlinge durch Raban für mich im ersten Band etwas zu kurz. Bereits nach wenigen Tagen kann Minna die Staubmechaniken kontrollieren, und Lehreinheiten finden quasi nicht statt. Von den drei geisterhaften Patronen des Labyrinths kommt in Band 1 bisher nur einer nennenswert vor. Hier bin ich gespannt, ob in Band 2 die beiden anderen noch eine größere Rolle spielen dürfen.

Ich habe das Buch zusammen mit meinem knapp elfjährigen Sohn gelesen. Von Beginn an hat uns der lebendige und auch humorvolle Schreibstil richtig gut gefallen. Ich konnte mich sofort in Minna hineinversetzen und mir auch die weiteren Charaktere lebhaft vorstellen. Die Handlung ist bis zur letzten Seite voller spannender Wendungen und Abenteuer, so dass wir das Buch regelrecht verschlungen haben. Wir freuen uns schon sehr auf den zweiten Band und können es kaum erwarten zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht!