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Juti
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Insgesamt 631 Bewertungen
Bewertung vom 07.06.2021
Valerie
Krüdener, Barbara Juliane von

Valerie


schlecht

Seltsame Zeitgenossen

Der Roman Valérie wurde von der Autorin Zeitgenossen gelobt wie Goethes Werther und ich frage mich warum. Wie der Werther ist das Werk ein Briefroman. Aber während der Werther seine Lotte liebt, schreibt hier ein gewisser Gustav seinem Freund Ernst, der selten antwortet über seine Liebe zu Valérie. Ich konnte aber weder eine Entwicklung noch eine entstehende Dreiecksbeziehung erkennen, sondern las nur von der Schüchternheit des Briefschreibers.

Eigentlich schade, dass ich dieses Werk nach 20 Briefen oder 66 Seiten bei Seite legen musste, obwohl ich sowohl die einleitende Biografie als auch die Doktorarbeit über die Autorin sehr gerne gelesen habe. 1 Stern

Bewertung vom 05.06.2021
Homeland Elegien
Akhtar, Ayad

Homeland Elegien


gut

Als Tiger gestartet

Nein, mich interessiert nicht, was wirklich geschehen ist. Das Buch ist ein Roman und darf fiktives berichten, auch das Trump vor 20 Jahren bei Akhtars Vater wegen Herzproblemen in Behandlung war. Und als ich schon fürchtete, 460 Seiten über Trump lesen zu müssen, verlagert der Autor den Schwerpunkt über das Leben als Secundo mit pakistanischen Eltern in Amerika.

Hier hat mich der Autor wirklich gepackt, die Mutter nie wirklich in der neuen Heimat angekommen und der Vater scheinbar überintegriert.
Aber dann geschieht der Anschlag aufs WTC und der Ich-Erzähler wird wegen seines Aussehens von Teilen der amerikanischen Gesellschaft so sehr durch sein Äußeres verdächtig, dass er einige Zeit lieber ein Kreuz um den Hals trägt.
Besonders eindrücklich ist die Geschichte mit dem Verkehrspolizisten in Scranton, dem er zum Beispiel erzählt, dass seine Eltern aus Indien stammen, um nicht unter Terrorverdacht zu geraten. Doch der Polizist bleibt misstrauisch.
Beeindruckend fand ich auch die Erzählung von Riaz dem Schuldenhändler, der Multimillionär wurde und Ayad in die Welt der Superreichen aufnimmt.

Aber dann bei S.245 folgt das letzte, fast das halbe Buch umfassende Kapitel, das mich rätseln lässt.
Wollen wir wirklich wissen, wie sich der Ich-Erzähler bei seiner Freundin Asha Syphilis geholt hat, um dann zu lesen, dass er durch die Medikamente einen Dauerständer bekommen hat? Die Quintessenz des 66 Seiten langen Kapitel ist, dass selbst ein so liberale Pakistani schließlich an einen Cousin in Pakistan verheiratet wird. Auch das Gerichtsverfahren des Vaters, der angeblich eine Patientin falsch beraten hatte, wird erst inhaltlich, dann wörtlich als Theaterstück geschildert.
Gut, der Ausgang ist spannend.

Dreimal hatte ich sprachliche Probleme. Ich habe mir nur das letzte auf S. 230 gemerkt: „Ich verstand es. Das und noch viel mehr.“ Warum schreibt der Autor nicht „ Ich verstand noch viel mehr“?

Ich empfehle diese Buch allen, die die Gefühle eines Kindes von pakistanischen Migranten in Amerika miterleben wollen, die Gegensätze des Landes, das nach den Anschlägen immer mehr auseinander bricht, weil die Wirtschaft nur noch auf die Kräfte des Marktes setzt und die Schwachen vernachlässigt. Ich empfehle aber auch die Lektüre auf S.243 zu beenden. Für das ganze Buch also 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.06.2021
Das Glück ist eine Bohne
Präauer, Teresa

Das Glück ist eine Bohne


schlecht

diffuser Zettelkasten

Wer will, mag die Geschichten dieses Buch ein Panorama nennen. Mir kommt es aber eher wie eine Zettelwirtschaft vor, die sonst nicht mehr verarbeitet werden konnte.
Der ersten Geschichte über eine entstehende oder nicht entstehende Liebe konnte ich durchaus etwas abgewinnen. „Kairo bei Nacht“ von Udo Jürgens habe ich mir nach einer anderen Erzählung auch noch gerne auf Youtube angehört. Aber mit der Zeit wurde mein Lesetempo immer höher.

In einigen Erzählungen kommen berühmten Persönlichkeiten vor, ja so viele, dass es sogar ein Personenregister gibt. Aber selbst wenn ich diese Person kenne, heißt das nicht, dass die Geschichte mir auch gefällt.
Nachdem sie von in meinen Augen abgefahrenen Buchstaben träumt und auf S.70 der Text „Vom richtigen Moment“ beginnt, dachte ich, es sei nun der richtige Moment das Buch aus der Hand zu lesen. Ich blätterte ins Register, las ohne Erbauung über Conchita Wurst und noch die letzte titelgebende Geschichte, der ich durchaus etwas abgewinnen konnte.

Doch mein Kriterium, das ein abgebrochenes Buch nur ein Stern erhält, ist unerbittlich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.06.2021
Wallenstein
Mann, Golo

Wallenstein


gut

ausführliches Werk eines berühmten Historikers

Diese umfassende Biografie des Kriegshelden Wallensteins leidet unter dem schwätzenden Stil, den er wohl von seinem Vater geerbt hat. Als Sachbuchleser wünsche ich mir, dass er häufiger direkt auf den Punkt kommt.
Dem gegenüber steht eine unübertroffene Ausführlichkeit, die nur durch neue Funde in historischen Archiven jenseits des Eisernen Vorhang gemacht werden könnten.

Ich bin froh, dass ich diesen Ziegelstein nun bei Seite legen kann und vergebe 3 Sterne.

Bewertung vom 22.05.2021
Das wunde Leder
Gmünder, Stefan;Zeyringer, Klaus

Das wunde Leder


gut

gegen den Kommerz im Fußball

Ich stieß zufällig auf dieses Büchlein und las alles, was ich im Prinzip schon wusste. Die FIFA schert sich einen Dreck um Menschenrechte, ihr Ethikrat ist nicht unabhängig und Korruption und Steuerhinterziehung sind allenfalls Kavaliersdelikte.

Die hohe Summen des Fußballs funktionieren dank immenser Fernsehgelder, die kaum mit dem öffentlich-rechtlichen Bildungsanspruch in Einklang zu bringen sind. Doch der Vorschlag des Manifest, die WM 2018 in Russland zu boykottieren, funktioniert nicht, weil 2018 vorbei ist und weil es keine Alternative zur WM gibt.

Wenn die europäischen Länder sich einig wären, könnte sie mit Brasilien und Argentinien eine Mini-WM als Alternative austragen, aber die UEFA ist ja selbst in die grauen Geschäfte verstrickt. Anfangen müsste der DFB, der jetzt 2021 einen vertrauenswürdigen Präsidenten wählen sollte: Arndt Zeigler.

Ich habe dennoch die bekannten, nicht mehr ganz aktuellen Skandale gerne gelesen. 3 Sterne

Bewertung vom 19.05.2021
Anderswo
Lueken, Verena

Anderswo


gut

nicht ganz plausible Vater-Tochtergeschichte

Manchmal steht ein Buch Jahre auf Liste der zu lesenden Bücher und manchmal weiß man nicht mehr, warum überhaupt. So ging es mir bei diesem Roman. Aber der große Druck und die kurzen Zeilen, die keine Blickverschiebung nötig machen, verführten mich dazu, dieses Werk an einem Nachmittag und Abend zu lesen.

Drei Dinge gefielen mir: 1. Die Kriegserzählung vom Vater, der als Fotograf an der Front war, dabei verletzt wurde und den Krieg nur noch in Gips erlebte. 2. Die Geschichte der Tochter, die für eine Peep-Show arbeitete, aber nie von Männern berührt wurde und 3. dass der geliebte Musiker Claudio in seinen Konzerten immer fragte: „Wollt ihr tanzen?“, wenn es an einem Abend nicht so lief, nachdem ihm ein Barbesitzer erzählte, sein Publikum tanze lieber.

Weniger gefiel mir, dass die Mutter 500 Mark für die Abtreibung ihrer Tochter und 500 Mark für das Schweigen über die Nichttötung bezahlt haben soll. Selbst wenn es so war, ist es mir ein Rätsel wie die Tochter selbst von dieser ungeheuren Geschichte erfahren kann. Außerdem könnte das Buch mit dem Tod des Vaters etwa auf S.175 zu Ende sein. Stattdessen wird noch sein Onkel Karl von der Tochter gesucht. Woher sie, die sich nach der Trennung von Claudio in Amerika mit Aushilfsjobs über Wasser gehalten hat, das Geld dafür hatte, bleibt unklar.

Alles in allem lohnt sich die Investition von einigen Stunden für die Lektüre. 3 Sterne

Bewertung vom 17.05.2021
Ada
Berkel, Christian

Ada


sehr gut

beeindruckendes Schweigen in der Nachkriegszeit

Berkels Apfelbaum hat mich dazu inspiriert, Bücher über den Mont Verita zu lesen. Sein zweites Werk handelt in der Nachkriegszeit und wird von der fiktiven Tochter Ada von Berkels Mutter erzählt. Ada, die den ersten Teil ihrer Kindheit in Argentinien verbracht hat, freundet sich in Berlin mit Uschka an, deren Vater zur Widerstandsbewegung gegen Hitler gehörte. Obwohl er von den Nazis umgebracht wurde, sehen ihn Teile der Bevölkerung als Vaterlandsverräter an.

Die eine Stärke des Buches ist das Schweigen über den Krieg. Weder Adas Vater erzählt, was er in Russland erlebt hat noch ihre Mutter erzählt, wie sie als Jüdin – im Nazijargon Halbjüdin – die Verfolgung überlebt hat. Die andere Stärke ist der Witz des Buches der besonders im Leben Adas mit ihrem jüngeren Bruder „Sputnik“ zum Ausdruck kommt. Die Szenen mit den „Katzenzungen“ und im Badezimmer sind so gut, dass ich sie nicht verraten will.

Allerdings habe ich weder den Sinn der Rahmenerzählung zur deutschen Einheit noch das Woodstock-Kapitel verstanden. Und im Kapitel über das Judentum bei ihrer Paris-Reise wurde mir der Erklärbär zu groß. Deswegen 4 Sterne.

Lieblingszitat: Noch so’n Ding, Augenring (63)

Bewertung vom 16.05.2021
Lotte in Weimar
Mann, Thomas

Lotte in Weimar


ausgezeichnet

Während der Pandemie habe ich den jungen Werther gelesen und mich daraufhin mit diesem modernen Klassiker beschäftigt, auch weil er wegen seiner Dialogführung gelobt wird.

Werthers Geliebte Lotte besucht inzwischen in die Jahre gekommen mit ihrer Tochter und einer Dienerin das Hotel Elephant in Weimar, weil sie dort ihre Schwester, ihr aber nicht zur Last fallen wollte. Sie schickt ihre Tochter vor, während sie im Hotel noch ein Nickerchen macht.
Als sie aufwacht, klopft der unselige Mager an die Tür, der darum bittet, dass die Hofrätin sich von einer englischen Reisenden Miss Cuzzle zeichnen lässt. Obwohl sie eigentlich keine Zeit hat, opfert sie schließlich eine Dreiviertelstunde, weil sie im Skizzenbuch der Malerin viele berühmte Persönlichkeiten findet.

Ihr folgt, wieder von Mager angekündigt, ein Doktor Riemer, der als Philosoph und Hauslehrer gute Beziehungen zu Goethe hat. Vor dem Hotel wartet inzwischen eine Gruppe von Menschen. Die gemeine Neugier wird von Riemer aber als naive Verbundenheit interpretiert. Er hält die „Menge“ für „geistesverachtend“, auch weil sich in der vielbesuchten Stadt Weimar das „Ansehen des deutschen Genius“ auf eine Person konzentriert, die mit Respekt betrachtet wird, während sie sonst nur „Firlefanz“ wäre. Doktor Riemer kritisiert Goethes Arbeitsweise als „nicht im mindesten“ eine „Stegreif-Natur“, „sondern vielmehr mit einer zögernden und aufschiebenden, auch einer sehr umständlichen, unentschlossenen [...] Arbeitsweise, die nie lange bei ein und derselben Aufgabe aushält und […] meist viele Jahre braucht, um ein Werk zur Vollendung zu bringen.“
Lotte meint, sie sei „wie der Prophet, der zum Berge kam, da der Berg nun einmal nicht zu ihm kommen wollte. Wäre der Prophet empfindlich, er käme nicht.“

Das lange Kapitel endet erst als Doktor Riemer von Jesus spricht und Mager mit gefalteten Händen ins Zimmer tritt, um mit Adele Schopenhauer einen neuen Gast anzukündigen. Vordergründig erzählt Adele im fünften Kapitel von der Liebe Ottiliens, „Tillemuse“ genannt, zu Goethe und seinem Sohn August, hintergründig berichtet sie, dass nur der Meister und sein Sohn Napoleon mehr als die preußischen Generäle liebte.

Und wie der Zufall so will, erscheint Goethes Sohn August bei Lotte im Hotel, um sie zum Essen beim Vater einzuladen. Von ihm erfahren wir, dass der Vater „mit seinem empfindlichen System“ genötigt ist, „alles Düstere und Verstörende“ zu meiden. So hütete er sowohl bei Augusts Mutter als auch bei Schillers Tod fiebrig sein Bett. Auch wenn August sterben würde, schwiege der Vater.

Das Siebente Kapitel fällt ein wenig aus dem Rahmen, weil nun Goethe mit seinem Bedienten diskutiert. Dabei redet er auch über seine lange verstorbene Freund Schiller: „Im Bewußten kann der Mensch nicht lange verharren, er muß sich zuweilen ins Unbewußte flüchten, denn darin lebt seine Wurzel.“ Der „Narr der Freiheit“ hatte „Geschmack im Geschmacklosen, Sicherheit im Schönen“ und „die stolze Präsenz aller Fähigkeiten.“ Mehr noch sinniert der Meister über sich selbst.

Im achten Kapitel erleben wir das gemeinsame Gastmahl von Lotte und Goethe. Ausführlich werden die Zimmer im Haus beschrieben bis die Tischunterhaltung einsetzt. Witzig ist, dass bei Goethe „die Augen weiter gingen als der Magen.“ Während des Essens spricht er dann über die Blutnacht von Eger, wo es im späten Mittelalter zu Judenmorden kam weil „die immer vorhandene übergeordnete und corrigierende Humanität“ zu spät eingegriffen hat. Goethe hält mehr oder weniger einen Monolog, während die Gäste nur untertänigst antworten.

Im letzten Kapitel besucht Lotte noch das Theater und wird von einer Kutsche abgeholt, in der Goethe oder sein Geist mitfährt.

Das Werk gehört heute zu Klassikern und enthält viel mehr, als ich hier schreiben konnte. 5 Sterne.

gekürzt

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2021
Männer in Kamelhaarmänteln
Heidenreich, Elke

Männer in Kamelhaarmänteln


sehr gut

Gute Laune Buch für Heidenreichfans

Eigentlich bin ich kein Modefan. Aber Elke Heidenreich steht für witzige Bücher. Also habe ich doch mal reingesehen. Und mich hat es gepackt. Erst gesellschaftskritisch zum weiblichen Rockzwang noch in der Mitte des 20. Jhs, dann definierend und schließlich witzig , manchmal traurig und nachdenklich, wie ich sie kenne.

In meiner letzten Kritik habe ich alle Anekdoten aufgezählt, die mir besonders gut gefallen haben. Hier erwähne ich nur die Rosenhosen, die die Ich-Erzählerin (es ist vermutlich die Autorin selbst) in Holland in einer Strandbotique nicht gekauft hat. Später trägt eine Freundin sie und wird von Elke angesprochen, was zu Situationskomik führt.
Witzig ist auch die Frau in Grün, die von einer Journalistin verfolgt wird, die sie immer nur in Grün sieht. Oder Reinhard, der die Erzählerin nach 40 Jahren wieder in Orange sieht, obwohl Orange gar nicht ihre Farbe ist.

Gegen Ende des Buches wird es doch modischer. Coco Chanel und Lagerfeld tauchen auf (Lagerfeld ist jedoch witzig) und ich musste nachschlagen, was ein Reihfaden ist. Als ich noch darüber nachsann, ob ich 4 oder 5 Sterne vergebe, entschied die Coda, die über Kleider in berühmten Filmen handelt, dass ich leider nicht die volle Punktzahl geben kann.

Bewertung vom 11.05.2021
Die Dame mit der bemalten Hand
Wunnicke, Christine

Die Dame mit der bemalten Hand


ausgezeichnet

ost-westlicher Gedankenaustausch

Dieses kleine Büchlein erzählt von der Begegnung zweier Astronomen im 18. Jahrhundert auf einer indischen Insel vor der damaligen englischen Kolonie Bombay.

Der eine ist Carsten Niebuhr. Er ist der letzte Überlebende der Jemen-Expedition des Göttingen Professors Michaelis. Dieser schillernde, seinerzeit nahezu allwissende Mann wollte in diesem den Europäer nahezu unbekannte Land Fragen zu Heiligen Schrift klären. Rührend, wie uns die Autorin an seinen Vorlesungen an der Universität Göttingen teilhaben lässt.
Untereinander zerstritten erkrankten im Jemen alle Teilnehmer an Malaria, einige starben direkt dort, andere retten sich auf ein Schiff nach Indien, doch nur der Mathematicus, der die Karten der Reise erstellen sollte und seine Standort mit Hilfe der Sterne bestimmte, überlebte.

Immer noch krank besichtigt er die Insel Elephantine und begegnet dort dem persischen Astronom Musa al-Lahuri mit dem er sich dank Grundkenntnissen der arabischen Sprache mit einigen lustigen Missverständnissen unterhalten kann.

Ein überaus lustiges Buch, das 5 Sterne völlig zurecht verdient.