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Benutzername: 
Gisel
Wohnort: 
Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 1349 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


sehr gut

Ein Buch wie ein Kaleidoskop

Im Jahr 1966 hängt Robert Simon seinen Job als Gelegenheitsarbeiter auf dem Wieder Karmelitermarkt an den Nagel und eröffnet sein eigenes Café in einer leerstehenden Gastwirtschaft. Der Anfang ist bescheiden, doch die Menschen aus dem Viertel nehmen das Café mit Freuden an. Ihre Lebensgeschichten bereichern das Miteinander im Café.

Robert Seethaler erzählt diese Geschichte in seinem eigenen Schreibstil, an den ich mich erstmal gewöhnen musste. Jede seiner Figuren ist besonders und erhält in liebevoller detaillierter Arbeit ein Eigenleben. Als Leser erlebt man das Geschehen mit etwas Abstand, man bleibt Beobachter in einer Welt, von der man den Eindruck hat, dass sie den Leser nicht unbedingt braucht. Durch die Erzählung entsteht ein Bild der Sechziger Jahre der „kleinen Leute“, die nicht viel Geld zum Leben hatten. Es entsteht immer wieder neu ein Kaleidoskop von Bildern, entsprechend den Lebensgeschichten der jeweiligen Figuren.

Nicht jeder wird den Schreibstil des Autors schätzen, man muss sich darauf einlassen können. Wer das kann, dem empfehle ich das Buch sehr gerne weiter. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 26.07.2023
Erinnere dich!
Reiter, Max

Erinnere dich!


ausgezeichnet

Was geschah vor 20 Jahren?

Arno Seitz erhält eine Einladung zum Klassentreffen. Er zögert noch daran teilzunehmen, denn nach dem Abitur verschwand seine Freundin Maja bei einer Wanderung spurlos. Seither verdrängt er jede Erinnerung an sie und ist froh darüber, nun in Berlin und damit in großem Abstand zu seinem Heimatort zu leben. Doch als er teilnimmt, überschwemmen ihn Bilder, Gefühle, längst Vergessenes. Und es gibt jemand, der ihn anonym dazu zwingen will, sich an die Geschehnisse von damals zu erinnern und sich schuldig zu bekennen. Denn er war es, der Maja als Letzter gesehen hat.

Es ist eine beklemmende Atmosphäre, die Arnos Rückkehr in seinen Heimatort heraufbeschwört. Der Leser erfährt seine Gefühle hautnah, erlebt seine Zweifel, seine Befürchtungen, all seine Gedanken. Dabei ergeben sich immer wieder neue Aspekte der Geschichte, mit neuen Fragen, neuen Befürchtungen und Zweifeln. Über allem steht die Frage, was denn nun wirklich vor 20 Jahren geschah. Jeder erscheint verdächtig, nichts scheint sicher zu sein. Kann Arno seinen neu errungenen Erinnerungen überhaupt trauen? Das ist spannend geschildert, die flüssige Schreibweise hat mich flugs durch den Thriller getrieben.

Mir hat diese Geschichte eine gehörige Portion Spannung beschert, so dass ich das Buch sehr gerne weiter empfehle. Ich vergebe alle 5 möglichen Sterne.

Bewertung vom 25.07.2023
Going Zero
Mccarten, Anthony

Going Zero


ausgezeichnet

Rasante Verfolgungsjagd

Ein Überwachungsprojekt der CIA in Zusammenarbeit mit Silicon-Valley-Wunderkind Cy Baxter soll herausfinden, wie gut zehn Testpersonen so aus ihrem Leben verschwinden können, dass sie unauffindbar sind. Sie sollen 30 Tage unentdeckt bleiben – wem das gelingt, der erhält ein Preisgeld von 3 Millionen Dollar. Eine davon ist eine unauffindbare Bibliothekarin aus Boston, eigentlich eine vermeintlich leichte Beute. Doch es gelingt ihr immer wieder, ihren Verfolgern zu entwischen. Wird es ihr gelingen, das Preisgeld zu erringen?

Schon der Einstieg in die Geschichte ist überzeugend und zieht den Leser sofort in seinen Bann. Eine Jagd beginnt, wie sie spannender nicht sein könnte, denn Kaitlyn schafft es immer wieder in letzter Minute, ihren Verfolgern zu entwischen. Doch die Geschichte erzählt nicht nur von dieser spannenden Jagd auf die zehn Testpersonen, wobei vor allem Kaitlyn im Mittelpunkt des Geschehens steht. Es geht auch darum, wie sehr der Staat seine Bürger überwachen darf. Vor allem aber gibt es eine überraschende Wende, die das Buch in eine ganz andere Richtung verschiebt als anfangs gedacht. Hier wird die Geschichte nicht mehr ganz so glaubwürdig.

Insgesamt ist das Geschehen äußerst spannend und hat mich bestens unterhalten können. Zudem lädt das Thema zum Nachdenken über die Themen Überwachung und nationaler Sicherheit ein. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter und vergebe alle 5 möglichen Sterne.

Bewertung vom 25.07.2023
Träume aus Eis
Winkler, Franziska

Träume aus Eis


sehr gut

Historischer Roman um einen Lebenstraum

Josef Pankofer hat einen Lebenstraum, er ist Eishersteller mit Leib und Seele. Zusammen mit seiner Frau Erna und den Töchtern Frieda und Lotte eröffnet er eine Eisdiele in der Kaufinger Straße in München. Jeder im Familienunternehmen hilft mit, Josef experimentiert mit immer neuen, auch ausgefallenen Sorten. Recht bald verliebt sich Frieda in den Sohn eines großen Konkurrenten. Das Führen der kleinen Eisdiele bedeutet immer wieder ein Kampf gegen die finanzielle Not, spätestens die Weltwirtschaftskrise bringt das Unternehmen in ernsthafte Schieflage. Ob die neueste Idee Josefs die Familie mit ihrer Eisdiele retten kann?

Die Figur des Josef Pankofer ist historisch belegt, jedoch ist kaum etwas über ihn bekannt. Die Autorin Franziska Winkler erfindet eine Geschichte dazu, wie sie hätte stattfinden können. Anfangs musste ich mich wegen der großen Anzahl der Personen etwas konzentrieren, doch bald gelang es mir sehr gut, hier den Überblick zu wahren. Manche der Schicksalsschläge fand ich etwas zu dick aufgetragen. Das kleine Familienunternehmen hat es nicht leicht zu bestehen, gerade auch in NS-Zeiten wie auch in der Weltwirtschaftskrise. Allerdings fand ich die historischen Bezüge ein bisschen spärlich, hier hätte ich mir mehr gewünscht. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, ich konnte mich gut in sie hineinfühlen.

Die Geschichte ist flüssig geschrieben und zieht den Leser schnell in seinen Bann, so dass ich das Buch trotz einiger kleiner Kritikpunkte gerne weiter empfehle. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 25.07.2023
Diabolisch
Wagner, Jonas

Diabolisch


ausgezeichnet

Ort des Grauens

1995 warten der sechsjährige Alex und seine ältere Schwester Lotte vergeblich darauf, dass ihr Vater sie vom Sport abholt. Sie machen sich allein auf den Heimweg, doch nur Lotte wird heil zu Hause ankommen. - Siebenundzwanzig Jahre später geschehen im Dorf mehrere blutige Morde. Oberkommissarin Larissa Flaucher sieht einen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen von damals und den heutigen Verbrechen. Dabei stößt sie auf ein Geheimnis und gerät selbst in größte Gefahr…

Es sind eine Reihe von Begriffen, die im Verlauf des Buches fallen, die in meinen Augen bestens passen auf diese Geschichte: Höllenloch, Mordnest, Mordhausen, Horrordorf, Killerkaff, Ort des Grauens. Die Polizei scheint der Verbrechen gar nicht Herr zu werden, der Täter ist ihr immer mindestens einen Schritt voraus. Und doch ist die Erzählung äußerst glaubhaft aufgebaut, wobei die heutigen Geschehnisse abwechselnd mit denen aus der Vergangenheit erzählt werden. Dabei gibt es einige überraschende Wendungen, die der Geschichte immer wieder neue Aspekte beschert.

Mir hat dieses Buch immer wieder größte Schauer über den Rücken gejagt. Sehr gerne empfehle ich es weiter und vergebe alle 5 möglichen Sterne.

Bewertung vom 23.07.2023
Gelegenheiten
Schneider, Romy

Gelegenheiten


gut

Am Scheideweg

Karlas Leben ist an einem Scheideweg: Sie verlässt nicht nur ihren langjährigen Freund mit der scheinbar perfekten Penthousewohnung in Berlin und all das, was damit zusammenhängt. Kurz entschlossen sucht sie sich ein Ferienhaus in der Provence, um dort endlich ihren Traum von einem Leben als Schriftstellerin zu verwirklichen.

Es ist eine mutige Idee, die Karla in einen radikal neuen Abschnitt ihres Lebens versetzt. Alles hinter sich lassen, einen Neuanfang wagen, auf bisherige Annehmlichkeiten verzichten, das ist nicht einfach. Für Karla ist es hilfreich, dies in einer neuen Umgebung zu tun, vor allem, weil das Häuschen in Frankreich zu ihrem Lebenstraum gehört. Eine Playlist ergänzt die Geschichte um die Lieder, die Karla in ihr neues Leben begleiten. So flüssig sich die Geschichte liest, mir fehlte die Spannung. So vieles scheint ihr einfach so zuzufallen, trotz ihrer Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg ist. Ihr Mut wird in jeder Hinsicht belohnt. Hier erscheint mir die Geschichte doch sehr vorhersehbar.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, so dass sich für dieses Buch sicher geneigte Leserinnen finden werden. Ich kann leider nur 3 von 5 Sternen vergeben.

Bewertung vom 20.07.2023
Mutterliebe
Selvig, Kim

Mutterliebe


sehr gut

Justizkrimi mit spannenden Wendungen

Gerichtsreporterin Kiki Heiland soll einen Prozess verfolgen, der Furore macht: Eine Mutter hat ihre beiden Kinder zu einem Ausflug in den Wald mitgenommen und dort versucht, beide zu töten. Überlebt hat nur das ältere Mädchen, wohl aus Zufall. Doch Kiki zweifelt an der Schuld der Mutter, bei den Recherchen zu den Hintergründen stößt sie auf einige Ungereimtheiten. Sie ahnt nicht, dass sie sich dabei selbst in Gefahr begibt.

Es ist eine Tat, die niemand nachvollziehen kann. Umso fulminanter ist der Prozess, wobei die Schuld der Mutter bewiesen ist. Und doch bleiben die anderen Reporter an der Oberfläche der Geschichte, es ist Kiki allein, die an der Oberfläche der Gegebenheiten kratzt. Was sie dabei ermittelt, ist erschreckend. Immer wieder ergeben sich neue Wendungen, die neue Aspekte des Geschehens aufdecken. Ihre Methoden sind dabei nicht immer legal, sie begibt sich mutig in gefährliche Situationen. Die ermittelnden Charaktere sind interessante Figuren mit einem ganz eigenen Charme, das hat mir gut gefallen.

Mich hat die Geschichte gut unterhalten können und dabei immer wieder auch ein paar Schauer über den Rücken gejagt. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter und vergebe 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 20.07.2023
One of the Girls
Clarke, Lucy

One of the Girls


ausgezeichnet

Ein ganz besonderer Junggesellinnenabschied

Ein ganz besonderer Junggesellinnenabschied steht bevor: Lexi reist mit fünf Freundinnen auf eine griechische Insel in eine abgelegene Villa mit Meerblick. Was idyllisch beginnt, ändert sich nach und nach. Denn jede der Frauen hat ein Geheimnis zu verbergen. Was, wenn diese aufgedeckt werden? Dann gibt es eine Leiche auf den Klippen unterhalb der Villa…

Sehr unterschiedlich sind diese sechs Frauen, die auf einen ganz besonderen Junggesellinnenabschied aufbrechen. Schnell erhält der Leser einen Überblick über die Beziehungen, die die Frauen mit Lexi und untereinander verbinden, allerdings gibt es einige pikante Geheimnisse, die erst nach und nach den tieferen Charakter dieser Beziehungen erhellen. Das ist spannend geschrieben, vor allem weil immer wieder Voraussagen in die Geschichte eingestreut sind, die auf die Leiche hinweisen, man aber nicht weiß, wen es treffen wird. Ich habe munter geraten, wer hier Täter, wer Opfer sein wird: So ziemlich jede der Frauen besetzte abwechselnd jede dieser Rollen, während die Auflösung mich dann ziemlich überrascht hat. Die Aufdeckung der Geheimnisse führt immer wieder zu neuen Wendungen, so dass die Geschichte von Anfang bis Ende spannend ist, umso mehr, da die Erzählung aus den verschiedenen Perspektiven der sechs Frauen geschrieben ist und man so deren Motivationen gut nachvollziehen kann.

Mich hat die Geschichte von Anfang an fesseln können, so dass ich das Buch sehr gerne weiter empfehle. Ich vergebe alle 5 möglichen Sterne.

Bewertung vom 18.07.2023
Elternhaus
Mank, Ute

Elternhaus


sehr gut

Familienkonstellationen

Sanne, Gitti und Petra sind Schwestern. Längst leben sie ihr eigenes Leben - Sanne in der Nähe des Elternhauses, sie erkennt, wie den Eltern der Alltag im Haus immer beschwerlicher wird. Deshalb beschließt sie, dass die Eltern umziehen müssen in eine altersgerechte Wohnung. Die beiden anderen Schwestern fühlen sich von diesem Vorhaben etwas überfahren, vor allem Petra, die nur noch losen Kontakt zu den Eltern und den Schwestern hatte. Das angespannte Schwesternverhältnis wird zudem überschattet von der Frage, was ihnen das Elternhaus bedeutet.

Die Geschichte wird aus der Sichtweise der drei Schwestern erzählt, so dass der Leser die Gedanken von Sanne, Gitti und Petra gut nachvollziehen kann, gerade auch auf dem Hintergrund ihrer Erlebnisse im Elternhaus während ihrer Kinder- und Jugendzeit. Der Umzug der Eltern und der anstehende Verkauf des Elternhauses hinterfragt bisherige Strukturen und setzt neue Möglichkeiten frei. So unterschiedlich die Schwestern sind, so unterschiedlich sind auch diese neuen Möglichkeiten. Das ist spannend erzählt, jede der Schwestern wirkt äußerst authentisch. Ratlos hinterlassen hat mich nur der Schluss der Erzählung, ich habe tatsächlich nachgucken müssen, ob sich doch noch irgendwo einige Seiten des Buches verbergen.

Dieses Buch beleuchtet feinfühlig die dargestellten Familienkonstellationen und regt damit zu eigenen Gedanken an. Sehr gerne empfehle ich das Buch deshalb weiter. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 18.07.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


ausgezeichnet

Ein Roman voller Naturgewalt

Im Jahr 1948 lebt die 17jährige Victoria mit ihrer Familie in dem kleinen Städtchen Iola. Schon früh ist ihre Mutter gestorben und sie musste deren Aufgaben übernehmen. Eines Tages lernt Victoria einen geheimnisvollen Fremden kennen, der ihr nicht mehr aus dem Sinn geht. Als sie schwanger wird, muss sie in die Wildnis der Berge Colorados fliehen und dort um ihr Überleben kämpfen.

Die Geschichte ist eingebettet in die raue Natur Colorados, die als mächtige Kulisse für diese Erzählung dient. Jahre später wird das Städtchen geflutet, der Gunnison River zu einem See aufgestaut. Victoria erlebt ihre Kindheit und Jugend im Rhythmus der Natur, mit den Pfirsichplantagen der Familie, die das Leben auf der Farm bestimmen. Trotz des frühen Todes ihrer Mutter scheint ihr Weg vorgeschrieben zu sein. Doch als sie sich verliebt, bricht sie aus dieser Gesetzmäßigkeit aus. Und doch wird die sie umgebende Natur auch weiterhin ihr Leben bestimmen. Mit kraftvollen Worten beschreibt die Autorin Shelley Read sowohl die imposante Natur der Colorados wie auch Victorias überraschenden Weg in ein Leben, das sie gezwungen ist, für die Liebe ihres Lebens selbst zu gestalten. Es ist ein unüblicher Weg in der geschlossenen Gemeinschaft von Iola und doch der einzig richtige für eine Jugendliche, die zu ihrer großen Liebe steht, gegen den Widerstand ihrer Umgebung. Ganz nebenbei streift Victorias Leben Themen wie die Rolle der Frau, die Bedeutung der Familie wie auch ungewollte Schwangerschaft sowie den Rassismus einer Gesellschaft, wie sie sich im Gefüge der Gemeinschaft Iolas spiegeln. Man spürt, welche Bedeutung dieses Buch für die Autorin hat, wie sie diese in ihre Geschichte hineingeschrieben hat. Die kraftvolle Natur Colorados lässt die junge, noch kindliche Torie zu einer kraftvollen Victoria heranwachsen.

Dieses Buch hat mich nicht nur bestens unterhalten. Victorias Geschichte hat mich zum Nachdenken gebracht, ihre Kraft wirkt zuversichtlich auch in den dramatischsten Momenten. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter und vergebe alle 5 möglichen Sterne.