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Glüxklaus
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Franken

Bewertungen

Insgesamt 576 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2021
Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2
Blum, Antonia

Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2


sehr gut

Lesenswerte Fortsetzung - wie der Vorgänger ein kurzweiliger und packender Schmöker

„Vielleicht ist der Umsturz eine Chance für uns Frauen. Die Zeit ist reif dafür, dass die alten verkrusteten Strukturen aufgebrochen werden.“

Berlin 1918: Marlene Lindow arbeitet mittlerweile als Ärztin an der Kinderklinik. Sie sorgt sich nicht nur um ihre kleinen Patienten, sondern auch um ihren Verlobten Max, der im Krieg an der Front verletzte Soldaten versorgt. Als Max aus dem Krieg zurückkehrt, ist er nicht mehr derselbe. Marlene steht vor weiteren Herausforderungen. Der neue ärztliche Leiter macht ihr das Leben schwer. Außerdem breitet sich die Spanische Grippe in Berlin rasant aus, die medizinische Versorgung aller Erkrankten wird immer unmöglicher.
Marlenes Schwester Emma geht in ihrer Tätigkeit als Krankenschwester auf. Sie wird mit einer neuen, zusätzlichen Aufgabe betraut, der Ausbildung der Schwesternschülerinnen. Als Emmas Sohn Theo an Typhus erkrankt, ist es unklar, ob er überleben wird. Und plötzlich taucht völlig unerwartet Tomasz, Theos Vater, in Berlin auf.

Antonia Blum erzählt auf sehr leichte, unkomplizierte Art. Sie schildert in der dritten Person, was Emma, Marlene und Maximilian erleben, nimmt aber auch manchmal die Perspektive des Arztes Waldemar Buttermilch ein. Der Roman liest sich angenehm flüssig, fast wie von selbst. Ich hatte keinerlei Schwierigkeiten, sofort in die Handlung hineinzufinden, auch wenn es schon etwas länger her ist, dass ich den Auftaktband der Reihe gelesen habe. Das Cover - ein Mädchen blickt auf die Klinik- erinnert stark an das des Vorgängerromans, ist sofort als Teil der Reihe zu erkennen.

Die Protagonistinnen sind besondere Sympathieträgerinnen, mit denen sich die Leserschaft sicher gut identifizieren kann. Mit den Schwestern musste ich einfach mitfiebern. Marlene ist Ärztin aus Leidenschaft, sie geht auf ihre kleinen Patienten ein, hört ihnen zu, engagiert sich persönlich mehr, als sie das müsste. Für die ehrgeizige junge Frau ist ihr Beruf Berufung. Ebenso ergeht es ihrer Schwester Emma, die einen besonderen Draht zu ihren Schützlingen hat und sich nun auch als Ausbilderin beweisen muss. Beide Schwestern mögen ein wenig naiv sein, glauben sie doch immer an das Gute, aber das ist für sie natürlich auch ein Vorteil. Sie packen es an, sind überzeugt, dass sie etwas bewirken können. Viele ihrer Weggefährten konnten sie durch ihren unermüdlichen Einsatz von sich überzeugen. Aber nicht alle: Marlene muss sich gegen ihren neuen Chef Waldemar Buttermilch durchsetzen, der generell nicht viel von Ärztinnen hält und eine etwas andere Sicht auf seinen Beruf hat als sie. Für ihn steht stets Wirtschaftlichkeit im Vordergrund.

Auch nach dem Krieg ist in Weißensee keine Ruhe eingekehrt. Autorin Antonia Blum schildert einige zentrale Probleme der damaligen Gesellschaft wie politische Unruhen, den Kampf gegen die Spanische Grippe oder die Schwierigkeiten der Frauen, sich zu emanzipierten und zu etablieren. Im Nachwort heißt es „Der Krieg hat keine Gewinner.“ Das zeigt der Roman anschaulich. Auch Männer, die scheinbar körperlich unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt sind, leiden danach unter ihren schrecklichen Erinnerungen und haben wie Max Schwierigkeiten, sich in ihrem alten Leben zurechtzufinden. Überhaupt richtet Antonia Blum ihr Augenmerk auch auf die generellen seelischen Aspekte einer Krankheit. Krankheit hat eben nicht nur physische, sondern auch psychische Dimensionen, was gerade aktuell überdeutlich wird.
Bei all den verstörenden Erlebnissen, den beruflichen und privaten Prüfungen, verlieren Marlene und Emma nie ihre Zuversicht und werden oft - wie zur Belohnung für ihren Optimismus- Zeuginnen kleiner Wunder.
„Jahre der Hoffnung“ ist nicht nur ein historischer Roman, auch die Liebe spielt hier eine große Rolle. Emma und Marlene müssen sich entscheiden, wen sie in Zukunft an ihrer Seite haben wollen und machen dabei auch schmerzliche Erfahrungen: „Sich auf Liebe einzulassen,

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.12.2021
Wir freuen uns auf Weihnachten / Familie Flickenteppich Bd.4
Taschinski, Stefanie

Wir freuen uns auf Weihnachten / Familie Flickenteppich Bd.4


ausgezeichnet

Trubel und Aufregung, ein paar Turbulenzen und ganz viel warmes Weihnachtsgefühl

Aufregung bei Emma und ihrer Flickenteppich-Familie aus der Nummer 11. Weihnachten steht vor der Tür. Das erste Weihnachten im neuen Haus, an dem Papa und Selda ein Paar sind. Oma und Opa, Mama, Jeff und Aylins Großmutter haben zum Fest ihren Besuch angekündigt. Außerdem steht die Geburt von Stellas Baby kurz bevor. Und dann muss sich die Hausgemeinschaft noch um Oma Becker kümmern, die nach einer schweren Grippeerkrankung noch ziemlich schwach ist und immer tüdeliger wird. Natürlich gehören zu einem richtigen Weihnachten auch die passenden Geschenke und Schnee. Ob die Kinder beim Schnee mit einem geheimnisvollen Zauber etwas nachhelfen können?

Stefanie Taschinski schreibt im Präsens in Ich-Form aus Emmas Sicht direkt, ehrlich, klar und gut verständlich. Diese Erzählweise wirkt authentisch und lebendig. Beim Lesen hatten wir fast das Gefühl, Emma sitzt mit uns im Zimmer und erzählt nur für uns persönlich ihre Geschichte. Anne Kathrin Behl hat zur Geschichte passende Illustrationen gezeichnet. Ihre Figuren sehen charakteristisch und irgendwie drollig aus, sind sehr aussagekräftig. Beim Betrachten der Bilder wird sofort klar, wie sich die dargestellten Personen gerade fühlen. Die Schrift ist gut lesbar, da der Zeilenabstand etwas weiter ist. Zum Selberlesen eignet sich das Buch für Kinder ab acht Jahren, zum Vorlesen auch schon für jüngere Kinder ab sechs.

Die Flickenteppichs sind für uns schon wie alte, vertraute Bekannte. Was für eine Vielfalt an Charakteren! Da ist zunächst Emma, die sehr sozial, selbstständig und ehrlich ist. Sie weiß genau, was richtig und falsch ist, hat ein großes Herz, steckt voller Gefühle, lässt sich schnell begeistern, packt Sachen an. Manchmal passieren aber auch ihr Fehler. Mit ihrer Freundin und nun Fast-Schwester Aylin hat sie das große Los gezogen. Die beiden verstehen sich blind und sind immer füreinander da. Emmas Bruder Ben geht nun in eine neue Schule und muss sich da erst noch zurechtzufinden. Er möchte unbedingt bei seinen neuen Klassenkameraden beliebt sein und vergisst dabei manchmal, was eigentlich zählt. Neben Emmas und Aylins Familie gibt es noch Oma Becker, die sich in diesem Band zum Sorgenkind entwickelt, ist sie doch recht schwach und vergesslich. „Erbsenzählerin“ Frau Neumann bleibt ihrer bestimmten, strengen Art treu, beweist aber einmal mehr, dass sie im tiefsten Inneren ein sehr herzlicher Mensch ist, dem wichtig ist, dass es allen gut geht. Es macht immer wieder großen Spaß, die Entwicklungen in dieser außergewöhnlichen Hausgemeinschaft mit dem besonderen Zusammenhalt zu verfolgen. So sollte „Familie“ sein, auch wenn hier nicht alle verwandt sind.

„Wir freuen uns auf Weihnachten“ ist trotz aller Aufregung und Turbulenzen eine besinnliches Buch mit viel Weihnachtsgefühl. Die Flickenteppichs feiern ein manchmal unkonventionelles, mitunter chaotisches Fest voller ungeplanter Überraschungen, zeigen aber, worauf es wirklich ankommt: Zusammensein, rücksichtsvoll an andere zu denken und anderen eine Freude zu machen. Emma und Aylin demonstrieren auf ihre Art, was Toleranz heißt und erklären dabei völlig selbstverständlich auf ihre Art auch andere Familienmodelle jenseits des klassischen Vater-Mutter-Kind-Modells. Emma und vor allem Ben geraten diesmal in einen Gewissenskonflikt, tun das Falsche, lernen aber aus ihren Fehlern, beweisen Größe und entschuldigen sich, obwohl es ihnen nicht leichtfällt. Sie werden mit Problemen konfrontiert, die manche Leserinnen und Leser garantiert auch schon erlebt haben. Das macht sie zu prima Identifikationsfiguren.
Auch der neueste Band der Fleckenteppichs steht den anderen in nichts nach, vermittelt wieder das einzigartige „Flickenteppich-Gefühl“: Zusammenhalt, Freundschaft, Wärme und den Alltag als Abenteuer. Von dieser Familie können wir einfach nicht genug bekommen.

Bewertung vom 19.12.2021
Die Flucht beginnt / Survivors Bd.1
Pfeiffer, Boris

Die Flucht beginnt / Survivors Bd.1


gut

Eine hochdramatische Flucht - spannend, aber nicht durchgehend mitreißend

Zacky ist der seltsamste Leoparden-Drückerfisch der Weltgeschichte und lebt in einem Korallenriff. Sein heutiger Tag beginnt merkwürdig. Es ist dunkel und viel zu warm. Die Hitze macht die Bewohner des Riffs besonders hungrig. Aber nicht nur das, die Tiere sind zudem extrem verunsichert. Warum bleichen die Korallen aus und sterben? Zacky denkt an die Lieder seiner Vorfahren und sieht nur eine Lösung: die Flucht. Denn in einem toten Riff gibt es keine Nahrung und keinen Schutz mehr und die Tiere sind gefährlichen Jägern wie den Squids mit den drei Herzen ausgeliefert. Die Riffbewohner müssen gemeinsam ihre Heimat verlassen, um zu überleben, sie müssen zu „Survivors“ werden.

Autor Boris Pfeiffer schreibt kindgerecht und gut verständlich. Dass er seine Figur Scir mitunter neu erfundene, treffende Wörter sagen lässt wie „übersonnenwarm“ oder „muränenschwesterngemein“ die zwar nicht geläufig sind, deren Bedeutung aber sofort klar ist, gefällt mir gut. Die Geschichte beginnt mit dem Prolog und einem Ausblick auf das Ende des Buches. Danach wird chronologisch erzählt, wie es zu der beschriebenen Situation kommt. Das Cover erinnert an einen Zeichentrickfilm, wirken die Meeresbewohner doch fast dreidimensional. Die schwarz-weiß Bilder der Illustratorin Theresa Tobschall passen gut zur Geschichte, sind ausdrucksstark, detailreich und motivieren die Leserinnen und Leser. Die Schrift ist etwas größer gedruckt und daher sehr gut und angenehm zu lesen. Das Buch richtet sich an Kinder ab neun Jahren.

Die Survivors, das sind besondere Figuren. Da ist zunächst Zacky, der halb schwarz, halb regenbogenbunt ist und dem die Lieder seiner Vorfahren viel bedeuten. Seine beste Freundin das mutige Steinfischmädchen Scir hat nur ein Auge, erfindet immer wieder erstaunliche neue Wörter. Dann gibt es noch den Hai Heuler, bei dem Omen nomen ist, weil er sich ständig jammernd für sein grausames Fressverhalten entschuldigt, was mich anfangs amüsierte, später dann aber eher nervte. Hinzu kommen u.a. noch eine schwangere Röchin und zwei giftige Kegelschnecken. Sie alle sind so grundverschieden, müssen aber notgedrungen zusammenhalten, um im Schwarm gegen gemeinsame Feinde wie die Squids zu bestehen und die Naturkatastrophe zu überleben. Eine abwechslungsreiche, interessante Figurenmischung, aber die einzelnen Charaktere hätten für mich durchaus noch etwas sorgfältiger ausgearbeitet werden können, viele blieben für mich recht farblos. Bei der Vielzahl an Charakteren hätte ich mich über eine Übersicht der Figuren am Buchanfang gefreut.

Werden die Survivors gemeinsam erfolgreich gegen die Gefahren ankämpfen? Eine absolut gefährliches, dramatisches Tiefsee-Abenteuer erleben Zacky und seine Gefährten. Das Buch hat ein offenes Ende, der Schluss kommt dabei überraschend abrupt. Insgesamt ist die Serie auf vier Bände angelegt. Boris Pfeiffer macht mit seiner Geschichte auf das wichtige Thema Sterben der Meere aufmerksam. Ein hochaktuelles Problem, gegen das die Menschen unbedingt vorgehen müssen.
Viele Aspekte des Buchs haben mich überzeugt: tolles Cover, ausdrucksstarke Illustrationen, Scirs gelungene Wortneuschöpfungen, der hochaktuelle Hintergrund, die interessante Figurenkonstellation und der dramatische Plot. Dennoch riss mich die spannende Geschichte nicht richtig mit, der Funke wollte einfach nicht überspringen, aber ich kann nicht genau erklären, woran das liegt. Eventuell fehlt mir noch der tiefere Bezug zu den Figuren, die oft noch etwas blass bleiben. Vielleicht finde ich im zweiten Band noch einen besseren Zugang zu Geschichte und zu den Figuren. Ich werde der Fortsetzung noch eine Chance geben, das Thema hat schließlich höchste Beachtung verdient.

Bewertung vom 16.12.2021
Morgen, Klufti, wird's was geben
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Morgen, Klufti, wird's was geben


gut

Klamaukige Weihnachten

Weil Klufti lieber seine Serie schaut als der Erika beim Dekorieren zu helfen, fällt Erika von der Leiter und verletzt sich. Und weil Dr. Langhammer dafür sorgt, dass sich Erika ausgiebig im Krankenhaus ausruht, muss sich Klufti nun alleine um die Weihnachtsvorbereitungen kümmern und sich auch noch als guter Gastgeber für Markus japanischen Schwiegervater beweisen. Klufti erfährt am eigenen Leib dass Murphys Gesetz - was schiefgehen kann, geht schief- oft leider tatsächlich zutrifft….

Gewohnt witzig, flüssig und direkt schreiben die beiden Autoren. Sehr speziell ist dabei Kluftis Denglisch, sein Kauderwelsch-Englisch, mit dem er sich mit seinem japanischen Gast unterhält. Manchmal durchaus amüsant, aber oft auch ziemlich plump. Das Buch ist wie ein Adventskalender in 24 Kapitel, 24 Katastrophen, eingeteilt, lässt sich also theoretisch auch wie ein Adventskalender lesen.

Klufti ist wie er ist, irgendwie drollig und ziemlich unbeholfen. Er schafft es immer wieder, von einer Katastrophe in die nächste zu schlittern. Ihm fehlt oftmals das Gespür und der Sinn für die Realität. Aber was Kluft eigentlich ausmacht, seine schnelle Kombinationsgabe, sein wacher Verstand, fehlt in diesem kleinen Weihnachtsbuch leider völlig. Klufti agiert wie ein naives Kindergartenkind, oft zum Fremdschämen. Ich bin eigentlich ein großer Klufti-Fan, mag seine permanenten, unterhaltsamen Streitereien mit Doktor Langhammer und Richard Meier. Leider gibt es in diesem Weihnachtsklufti viel zu wenig davon - Meier kommt überhaupt nicht vor- und dafür zu viele alberne Klamaukmomente. Für mich ist Klufti eigentlich viel feinfühliger und pfiffiger als er sich hier präsentiert.

Lichterkettendeko, Glühwein, Weihnachtsmarkt, Weihnachtsessen, das alles findet „In Morgen, Klufti, wird’s was geben“ ganz anders statt als üblich und dennoch werden so manche Klischees bedient. Das Buch hat durchaus seine lichten Momente, aber leider insgesamt zu wenige davon und dafür zuviel Slapstick, zuviel Fremdschämen, zuviel Klamauk und zu viele an den Haaren herbeigezogene Albernheiten. Es liest sich fast so, als waren die Autoren beim Schreiben selbst etwas vom Glühwein besäuselt gewesen. Dass sie dabei Spaß hatten, ist allerdings sehr gut vorstellbar. Auch beim Lesen schadet der Genuss von Glühwein sicherlich nicht, um die Witze ausnahmslos lustig zu finden. Stellenweise spaßig und kurzweilig, aber insgesamt für mich als Kluftifan doch eher enttäuschend. Ich hoffe, das war nur ein kurzes Zwischenspiel. Klufti kann definitiv besser Krimi als Weihnachten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2021
Bis zum Mond und zurück
Atkins, Dani

Bis zum Mond und zurück


sehr gut

Manchmal entsteht aus etwas Schrecklichem etwas Gutes - ein wunderbarer Seelenwärmerroman

Astronomin Lisa liebt ihren Mann Alex und ihren kleinen Sohn Connor von ganzem Herzen, „bis zum Mond und zurück“. Dem Vortrag auf einer Messe fiebert sie schon lange entgegen. Doch dann passiert etwas Unvorstellbares, Lisa stirbt auf dem Weg zu ihrem Vortrag bei einem Zugunglück. Für Alex und Connor bricht eine Welt zusammen.
Alex entscheidet sich, Lisas Körper für die Organspende freizugeben.
Auch das Leben der Grundschullehrerin Molly ändert sich komplett, als sie vom Arzt die Diagnose erhält, dass sie ohne ein Spenderherz nicht überleben wird. Molly erhält schließlich Lisas Herz. Alex sucht den Kontakt zu ihr und den anderen Patienten, die durch Lisas Organspenden gerettet wurden. Die Menschen, die durch Lisas Tod verbunden sind, wachsen bald zu einer Gemeinschaft zusammen. Doch finden Molly und Alex durch den Kontakt zueinander wirklich das, was sie suchen und brauchen?

Autorin Dani Atkins schreibt angenehm leicht, flüssig und unkompliziert. Sie nimmt verschiedene Perspektiven ein, schildert das Geschehen teilweise aus Alex Sicht in der dritten Person. Mollys Erlebnisse erzählt sie aus Mollys Blickwinkel in der Ich-Form.
Das hübsche Cover mit den silbernen Blättern und Wolken ist sehr ansprechend gestaltet. Das Motiv der in den Mond blickenden Person hat einerseits etwas Sehnsüchtiges, strahlt aber andererseits auch Ruhe aus.

Hauptfigur Molly ist Grundschullehrerin, sie liebt ihren Job und natürlich Kinder. Molly ist eine ehrliche, herzliche und wirklich sympathische Frau. In manchen Situationen scheint sie recht tollpatschig, was sie aber nur umso liebenswerter macht. Für mich ist Molly die Idealbesetzung des weiblichen Parts einer Liebesgeschichte. Ihr gönnte ich alles Glück und bedauerte sehr, dass sie mit so eine schrecklichen Krankheit zu kämpfen hat. Auch Alex, der seine Frau Lisa nach ihrem Tod so sehr vermisst, dabei so hilflos und verloren und teils so wirklichkeitsfremd wirkt, rührte mich sehr. Sein Sohn Connor, der immer noch felsenfest daran glaubt, dass seine Mutter zurückkommt und kaum jemanden an sich heranlässt, tat mir ebenfalls sehr leid.
Für mich hat Dani Atkins bei der Auswahl ihrer Hauptfiguren ein sehr glückliches Händchen bewiesen, die Charaktere erreichten und bewegten mich.

Wird Molly wieder ganz gesund? Findet sie am Ende die Liebe? Kommen Alex und Connor über Lisas Tod hinweg?
Dani Atkins Roman liest sich wie eine Hollywoodromanze. Ein ergreifendes Buch voller Gefühl zum Mitfiebern, das trotz vieler trauriger Momente die Seele wärmt, einige schöne Gedanken enthält und Zuversicht vermittelt. Ein Buch, das zu Herzen geht. Wie Hollywoodkino im Stile von „P.S. Ich liebe dich“ oder „Ein ganzes halbes Jahr“ nur eben zum Lesen. Wer es romantisch, emotional und ein ganz winziges bisschen kitschig mag, dem kann ich „Bis zum Mond und zurück“ nur wärmstens empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2021
Die abenteuerliche Rettung von Schloss Drachenmut / Elli Rotfell Bd.1
Ameling, Anne

Die abenteuerliche Rettung von Schloss Drachenmut / Elli Rotfell Bd.1


ausgezeichnet

Tierisch turbulentes Freundschaftsabenteuer mit hochherrschaftlichem Schauplatz und wunderbaren Figuren

Elli Rotfell lebt im Schlosspark von Schloss Drachenmut. Sie ist nicht wie andere Eichhörnchen. Statt Vorräte zu sammeln, ihren traditionellen Aufgaben nachzukommen und beim Kobelbau zu helfen, übt sie lieber mit ihrer Schleuder zu schießen. Gerne würde sie einmal mehr von der Welt sehen als immer nur nur ihre direkte Umgebung. Nach einem Streit mit ihrem Opa Eckbert verlässt sie wutentbrannt das Revier und trifft auf den Waschbären Wolle Waschington. Eigentlich sollten Eichhörnchen Waschbären nicht trauen, aber die beiden Tiere verstehen sich dennoch ziemlich gut und werden sogar Freunde. Als sie erfahren, dass ihr Zuhause, der Schlosspark von Schloss Drachenmut und das Schloss verkauft und zum Golfhotel umgestaltet werden soll, beschließen sie, das unter allen Umständen zu verhindern und ihre Heimat zu retten. Doch alleine wird das nicht klappen. Die beiden brauchen dringend Unterstützung. Ob sie die unter den anderen Bewohnern des Parks finden?

Autorin Anne Ameling schreibt kindgemäß, abwechslungsreich, sehr humorvoll und gut verständlich.
Eva Czerwenka hat zur Geschichte hübsche, lebendige, bunte Bilder gezeichnet. Dabei bleibt der Rahmen der einzelnen Doppelseiten oben links und unten rechts stets gleich (oben eine Baumkrone mit Eichhörnchenschwanz und unten ein Waschbärenschwanz und Müll im Wasser). Er wird aber oft durch neue Illustrationen, hauptsächlich solchen von Tieren, ergänzt. Die Bilder der Figuren sind besonders ausdrucksstark und charakteristisch, sie machen einfach Spaß.
Auf dem Vorsatzpapier findet sich eine Karte von Schloß Drachenmut. Mit Hilfe der Karte lässt es sich sehr gut nachvollziehen, wie der Schauplatz aussieht und wo sich die Ereignisse gerade abspielen.
Die Textmenge pro Seite ist recht übersichtlich, Schrift und Zeilenabstand sind lesefreundlich und etwas größer als normal. Das Buch ist zum Vorlesen für Kinder ab sechs Jahren geeignet, für Selberleserinnen und -leser ab acht.

Elli Rotfell ist kein Eichhörnchen wie aus dem Bilderbuch, sie begnügt sich nicht mit Bravsein, ist aufmüpfig, quirlig und temperamentvoll. Elli möchte mehr von der Welt sehen als das begrenzte Revier der Eichhörnchen. Dass sie in ihrer Familie aneckt, scheint da vorprogrammiert zu sein. Auch Waschbär Wolle Waschington hat Probleme mit seiner Familie. Waschbären sind normalerweise doch recht bodenständig, Walle trägt seinen Kopf aber „in den Wolken“, möchte Erfinder werden, träumt vom Fliegen und davon einen funktionierenden Roboter zu entwickeln. Aus verschiedenen Gründen hat Walle „Ärger“ mit verschiedenen Tieren, ein Running Gag, der uns beim Lesen immer wieder sehr amüsiert hat. Elli und Wolle sind nur zwei der originellen Charaktere, da gibt es zum Beispiel noch einen überforderten Schlosshund, den Chaos-Kaninchenclub, einen kriminellen Raben, eine biestige Sperberin und viele weitere mehr. Eine wirklich gelungene, unterhaltsame Figurenauswahl!

Was die kleinen Parkbewohner alles auf die Beine stellen, um das Schloss zu retten, ist ganz großes Kino. Sehr spannend die Frage, ob sie letztendlich mit ihren Anstrengungen erfolgreich sein werden.
Nebenher werden allerlei Vorurteile überwunden und es erweist sich als überaus sinnvoll, sich auf bestimmte andere einzulassen, auch wenn man vorher davor gewarnt wurde. Denn oft sind viele Tiere und Leute doch ganz anders, als man glaubt. Und daher ist auch eine Freundschaft zwischen einem Eichhörnchen und einem Waschbären sehr gut möglich. Noch mehr: sie schafft so manches, an das man zuvor niemals geglaubt hätte.
Wie die persönlichen Eigenarten der Tiere von der Autorin dargestellt und aufgegriffen werden, ist immer wieder herrlich komisch und sorgt für gute Laune.
Ein wunderbares, phantasievolles, turbulentes Freundschaftsabenteuer mit drolligen Figuren, das großen Spaß macht. Von uns aus könnten Elli und Wolle sehr gerne in Serie gehen.

Bewertung vom 12.12.2021
In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10
Neuhaus, Nele

In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10


sehr gut

Wenn sich Freundschaft ungesund entwickelt - solide Fortsetzung, aber kein Highlight

„Viele Freundschaften beruhten auf Unehrlichkeiten, denn würde man sich tatsächlich die Wahrheit sagen, wäre es mit den meisten Freundschaften schnell aus und vorbei.“

Die ehemalige Programmleiterin und Lektorin des renommierten Winterscheid-Verlags Heike Wersch wird vermisst. Kurz zuvor hatte sie den berühmten Autor Severin Velten des Plagiats bezichtigt. Aber auch andere ehemalige Kollegen hatten so ihre Probleme mit Heike. Wurde sie deshalb etwa ermordet? Und wo ist ihre Leiche? Oliver Bodenstein und Pia Sander ermitteln und bekommen es mit einem ganz speziellen Freundeskreis innerhalb des Literaturbetriebs zu tun…

Nele Neuhaus schreibt schlicht, unkompliziert und gut verständlich. Sie begleitet mal Oliver Bodenstein und Pia Sander bei der Arbeit und im Privaten, mal auch andere Figuren wie Lektorin Julia Bremora. Vor allem, wenn es direkt um die Ermittlung bei der Polizei geht, verwendet die Autorin viel wörtliche Rede, um ihre Geschichte lebendig zu gestalten.
Das Titelbild auf dem Cover - eine Katze in der Dunkelheit vor einem beleuchteten Haus- passt gut zu denen der anderen Romane aus der Reihe.

„In ewiger Freundschaft“ ist der zehnte Fall für die beiden Ermittler Pia Sander und Oliver Bodenstein. Wer sie -wie ich- von Anfang an begleitet hat, dem werden sie schon so vertraut vorkommen wie gute alte Bekannte. Pia Sander ist eine resolute, bodenständige, sympathische Ermittlerin, die stets zupackt und auch bei Schwierigkeiten nicht aufgibt. Daher ist sie in ihrem Beruf sehr erfolgreich. Dass ihr Exmann, der Rechtsmediziner Henning Kirchhoff, immer noch sehr viel für sie empfindet und sie offen bewundert, spricht für Pia. Pias Kollege Oliver von Bodenstein leistet in seinem Job ebenfalls sehr gute Arbeit. Er verhält sich sehr sozial, hat ein ausgeprägtes „Helfersyndrom“ und glaubt an Gerechtigkeit, Regeln und Werte. Nicht immer gelingt es ihm, genügend Distanz zu seinen Fällen zu halten. Bei der Wahl seiner Lebenspartnerinnen bewies er leider wiederholt kein glückliches Händchen. Oliver hat sehr unter seinen komplizierten Paar-Beziehungen zu leiden und kann einem dabei oft nur leid tun. Oliver und Pia kennen sich schon lange, sind ein perfekt eingespieltes Team.
Die beiden Ermittler werden diesmal mit einem überaus vertrackten Beziehungsgeflecht unter Freunden konfrontiert, einem ungesunden „Freundschaftssumpf“ voller Geheimnissen, Lügen und Intrigen. Wie nach und nach immer mehr aufgedeckt wird, wie die potentiell Verdächtigen wirklich zueinander stehen, das ist durchaus spannend und interessant zu lesen.

Wie starb Heike Wersch? Während der Ermittlungen kommen schlimme Verbrechen aus der Vergangenheit zutage, die noch nachwirken, und dazu ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis, das sich Freundschaft nennt. Was Freundschaft ausmacht, steht dabei immer wieder im Fokus, auch Oliver Bodenstein macht sich seine Gedanken: „Reichten gemeinsame Jugenderinnerungen tatsächlich als Grundlage für eine lebenslange Freundschaft aus, oder handelte es sich eher um alte Bekannte, die ihre Vergangenheit glorifizierten?“.
Raffiniert, dass hier das Thema „Buch im Buch“ auf verschiedene Weise behandelt wird.
Pias Exmann Henning Kirchhoff hat die ersten beiden Fälle von Pia und Oliver in zwei Romanen verewigt, die auch noch genauso heißen wie die ersten Bände der Nele-Neuhaus-Krimi-Reihe. Außerdem taucht plötzlich das Manuskript eines Romans auf, das sehr detailliert erzählt, was sich wirklich in der Vergangenheit des verdächtigen Freundeskreises zugetragen hat.
Anfangs war ich recht gefesselt von den privaten Ereignissen in Bodensteins Leben, auch der Fall begann spannend. Bei der Menge an involvierten Personen verlor ich zwischenzeitlich allerdings etwas den Überblick und konnte nicht mehr eindeutig zuordnen, wer wie zu wem steht und mit wem verwandt ist. Insgesamt agierten mir etwas zu viele Charaktere. Die Personenübersicht am Anf

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.12.2021
Die magische Schwelle
Pannen, Kai

Die magische Schwelle


sehr gut

Wenn die kleine Welt im Kopf plötzlich lebensgroß wird - phantastische, sehr originelle Geschichte

Flo ist zwölf und ziemlich klein und schmächtig für sein Alter. Wenn es im echten Leben mal nicht so läuft, schleicht er sich heimlich auf den Dachboden zu Papas Modelleisenbahnwelt, der „kleinen Freiheit“, und denkt sich die wildesten Szenarien aus. Als er im alten Chevy, dem Oldtimer der Familie, eine kleine Auszeit nimmt, passiert es. Flo übertritt eine magische Schwelle. Plötzlich findet er sich in seiner eigenen Traummodelleisenbahnwelt wieder. Flo erkennt bald, dass er bestimmen kann, was in seiner Welt „Miniput“ alles passiert. Natürlich lässt Flo es sich nicht nehmen, die Fäden in der Hand zu behalten und ein wenig Gott zu spielen. Doch bald schon wird es gefährlich und Realität und Fantasie drohen sich immer mehr zu vermischen. Ob Flo da die Orientierung behält?

Autor Kai Pannen schreibt gut verständlich. Anfangs wirkte der Sprachstil auf uns etwas steif und altmodisch, doch nach ein paar Seiten hatten meine Mitleser und ich uns an die individuelle Sprache gewöhnt. Das Cover zeigt Figuren und Gegenstände älterer Modelleisenbahnenanlagen, erscheint ein wenig „retro“ und macht sehr neugierig. Am Anfang eines jeden Kapitels „laufen“ Gleise durch die Seiten und es ist jeweils ein Element aus der „Kleinen Freiheit“ dargestellt, zum Beispiel ein Haus oder eine Kuh. Das Buch ist zum Selberlesen für Kinder ab neun Jahren geeignet, jüngere Kinder dürften teilweise noch Schwierigkeiten mit der Überschneidung von Vorstellung und Wirklichkeit haben und werden daher die Handlung nicht vollständig erfassen können.

Flo ist nicht besonders beliebt, wenig sportlich, eher ein „Hänfling“ und nur ein durchschnittlicher Schüler. Er spielt mäßig Klavier, liest gerne und flüchtet sich immer wieder in seine besonderen Phantasien, um abzuschalten. Mit ihm können sich so manche Leserinnen und Leser sicher gut identifizieren. Als kleiner Bruder einer großen Schwester hat es Flo nicht leicht, er muss sich immer wieder die Sticheleien seiner Schwestern Heidi gefallen lassen.
Die Figuren in Miniput sind natürlich ganz besondere Figuren. Manche verhalten sich, wie Flo das bestimmt und andere verselbstständigen sich zu Flos Leidwesen. Und dann gibt es auch noch Personen, die Flo seltsam bekannt vorkommen. Eine überaus interessante und gelungene Figurenkonstellation.

Wie wäre es, wenn man sich eine Parallelwelt konstruieren könnte, um darin selbst erdachte Abenteuer hautnah am eigenen Leib zu erleben? Was für eine originelle, spannende und wirklich faszinierende Vorstellung!
Extrem kreativ und aufregend, was Flo sich ausdenkt und wie er plötzlich alles doch nicht mehr so unter Kontrolle hat, wie er das eigentlich geplant hatte. Gut gefallen haben uns auch die Anspielungen auf Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“, das Flo im Deutschunterricht für die Schule lesen muss. Meine Mitleser im Alter von sechs bis zehn Jahren waren von Flos spezieller Geschichte begeistert, schwelgten nach der Lektüre selbst in ihren eigenen Vorstellungswelten. Dieses Buch motiviert und regt zweifelsohne die Phantasie auf besondere Weise an. Kai Pannen hat mit „Die magische Schwelle“ ein sehr ungewöhnliches, aber absolut lesenswertes Kinderbuch geschrieben, das uns immer wieder überrascht hat, für einige Verwirrung und viel Nachdenken gesorgt hat und uns vor allem ganz prima unterhalten hat. Wir können Lesern mit Sinn für Phantasie nur wärmstens empfehlen, mit Flo die Reise nach Miniput anzutreten.

Bewertung vom 29.11.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


ausgezeichnet

Abgründige, beklemmende Weihnachtszeit - absolut fesselnd

Einen Tag vor Weihnachten besucht Esther ihre jüngere Schwester Sue, die nach ihrer Scheidung allein in einem abgelegenem Haus im Wald lebt. Die Schwestern haben gravierende Probleme im Umgang miteinander, ihr Verhältnis ist von Konflikten geprägt. Zuviel ist in der Vergangenheit passiert, das die Beziehung der beiden stark belastet. Während der Begegnung der Frauen kommen schreckliche Geheimnisse ans Licht und die Situation droht immer mehr zu eskalieren….

Autorin Judith Merchant schreibt angenehm flüssig und mühelos verständlich aus verschiedenen Perspektiven. Im Wechsel schildern Esther und Sue in der ersten Person ihre Sicht der aktuellen Geschehnisse, sie erinnern sich aber auch an zentrale Momente aus der Vergangenheit. Einige Kapitel lassen Esthers Mann Martin zu Wort kommen, allerdings wird hier nicht in der ersten, sondern in der dritten Person erzählt. Auch die Abschnitte um „das Mädchen“ sind in der dritten Person formuliert. Durch die kurzen Kapitel und den häufigen Perspektivwechsel liest sich die Geschichte sehr abwechslungsreich und interessant.
Sehr wirkungsvoll das schlichte Cover mit den überwiegend schwarz-weißen Bäumen, lediglich ein Baum ist rot, was an Blut und Gefahr erinnert und sehr gut zur bedrohlichen Atmosphäre des Buchs passt.

Die Beziehung der Schwestern ist wohl das, was gemeinhin als toxisch bezeichnet wird, alles andere als gesund. Im Laufe der Geschichte kommen immer mehr erschreckende Geheimnisse aus der Vergangenheit ans Licht. Anfangs macht es den Eindruck, als sei nur Sue sehr labil und habe immense psychische Probleme, während Esther gefestigt, ausgeglichen und rational wirkt. Doch hier ist nichts, wie es scheint und ich wusste beim Lesen gar nicht mehr, wem ich trauen kann und wer von beiden Schwestern noch unberechenbarer, gefährlicher und wahnsinniger ist. Alle Charaktere haben Leichen im Keller, niemand ist sympathisch. Hier leidet man als Leser nicht mit den Figuren mit, sondern erliegt dem Sog der Geschichte.

„Schweig“ führt die Leserschaft in tiefste menschliche, seelische Abgründe. Die Entwicklungen lassen einen oft schaudern. Was kommt da noch alles ans Tageslicht? Wie endet dieses überaus konfliktgeladene, hochexplosive Treffen? Judith Merchant setzt immer wieder „noch einen drauf“, überrascht mit erstaunlichen Wendungen, schockiert mit jedem weiteren Satz mehr. Die Geschichte ist ausnahmslos fesselnd, die Spannung steigert sich bis zum Finale, das mit einem besonderen Knall aufwartet. Auch wenn „Schweig“ kein klassischer Psychothriller ist, eher eine Mischung aus Familiendrama und Psychogramm, geht es kaum packender. Der Handlung um die kranke, beklemmenden Schwesternbeziehung konnte ich mich nicht entziehen. Ich möchte definitiv noch mehr von dieser Autorin lesen.

Bewertung vom 29.11.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Ein typischer „Bronsky“: Tieftraurig, schräg-komisch, berührend - einfach grandios

„Seine nächste Idee war, Karin anzurufen und zu fragen, wie man Kaffee kocht. Als Frau musste sie so was wissen.“

Walter Schmidt ist es gewohnt, dass seine Frau Barbara immer da ist und alle Aufgaben im Haushalt erledigt. Doch eines Tages fühlt sich Barbara so müde, dass sie nicht mehr aufstehen kann. Wohl oder übel muss Walter nun selbst ran: Kaffee kochen, Frühstück machen, einkaufen…Da es Barbara auch in den nächsten Tagen nicht besser geht, ändert sich Walters Leben von Grund auf. Jeden Tag warten neue Herausforderungen auf ihn, gleichzeitig setzt er sich zwangsläufig mit seinem Leben und der Beziehung mit Barbara auseinander.

Alina Bronsky schildert die Geschichte aus Walters Sicht als auktoriale Erzählerin in der dritten Person. Sie schreibt direkt und klar, in einfachen Sätzen, teils in Umgangssprache. Die Autorin „spricht“ Walters Sprache, formuliert so, wie sich Walter ausdrücken würde, genau so, wie er denkt. Das macht die Geschichte für mich sehr authentisch.

Walter Schmidt, meist im Buch nur bezeichnenderweise Herr Schmidt genannt, ist alles andere als angenehm. Er selbst ist wie Barbara „Zugezogener“ mit osteuropäischen Wurzeln, lehnt aber alles nicht-deutsche erst einmal ab. Er denkt oft rassistisch, frauenfeindlich, stockkonservativ, zeigt sich als ein absoluter Ignorant. Ein Unsympath, der mir im Laufe des Buchs aber dennoch immer sympathischer wurde. Walter kann nicht aus seiner Haut, ist unglaublich unbeholfen und überspielt das mit Selbstbewusstsein, Sturheit und Strenge. Aber die Situation zwingt ihn, sich anzupassen, sich weiter zu entwickeln, Dinge zu tun, die er eigentlich nicht tun will, wie Kochen. Er wertet seine Frau Barbara permanent ab, kritisiert sie als „unscheinbar“ und nicht „robust“, doch es wird immer klarer, wie sehr er sie wirklich braucht und schätzt. Das erstaunt ihn selbst: „Barbara war perfekt, dachte er überrascht.“
Barbara, die wenig aktiv ins aktuelle Geschehen eingreift, ist eine warmherzige, geduldige, mitfühlende, sensible und tolerante Figur. Eine Sympathieträgerin, die im Leben viel geleistet hat und bei anderen sehr beliebt ist.
Das Verhältnis von Barbara und Walter wird klar und nachvollziehbar dargestellt. Wie die „alltägliche Zweck-Beziehung“ der beiden wirklich aussieht, überrascht Walter selbst am allermeisten. Die Autorin hat sich sehr gründlich mit ihren Charakteren auseinandergesetzt und eine interessante, intensive und eindrucksvolle Figurenkonstellation konstruiert.

„Barbara stirbt nicht“ ist ein außergewöhnliches Buch, das nahegeht und zum Nachdenken zwingt. Eine Geschichte, die deprimiert, aber auch gleichzeitig zum Lachen bringt, ist es doch urkomisch und schräg, wie Walter beispielsweise versucht, Kaffee zu kochen. Angesichts Walters Lebensuntüchtigkeit kann man als Leser nur fassungslos staunen und sich fragen, ob man lachen oder weinen soll. Alina Bronsky hat eine tragische Familiengeschichte verfasst und gleichzeitig eine besondere, bodenständige, fast „derbe“, aber tiefgründige Liebesgeschichte. Dass sich während Barbaras Krankheit etwas in Walter bewegt, dass er erkennt, was wirklich wichtig ist, wie er auf seine ganz eigene, unbeholfene Art versucht, Barbara glücklich zu machen, ist rührend. Und je mehr Walter betont, dass Barbara nicht stirbt, sondern gesund wird, desto deutlicher wird, dass er sich etwas vormacht. Manchmal weiß man eben leider erst, was man hat, wenn es zu spät ist. Ein absolut lesenswerter Roman mit unbequemer, streitbarer, herausfordernder Hauptfigur, der mich stark beeindruckt hat. Ein Roman, der Verständnis auch für solche Menschen aufbaut, die nicht den moralischen Ansprüchen der Mehrheit genügen. Vielleicht ist gerade aber das in unserer Gesellschaft besonders wichtig?