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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 28.06.2020
Spätsommer ist auch noch Sommer
Lindgren, Minna

Spätsommer ist auch noch Sommer


ausgezeichnet

Ideale Mischung zwischen Humor und Tiefgang

Die Autorin kannte ich bislang nicht. Doch der treffliche Titel zog mich an. Und was soll ich sagen: Das Buch war für mich eine echte Entdeckung. Wunderbar, wie die Autorin mit leichter Hand und einer lächelnden Schreibfeder, dazu in finnischer Freizügigkeit, erzählt von einer Lebenszeit, die - zumindest zeitweilig - gar nicht so lustig ist.

Ulla, 74, pensionierte Zahnärztin, hatte über 10 Jahre ihren ungeliebten Mann Olli rund um die Uhr gepflegt. Ihre erste Tat nach dem Tod von Olli, überhaupt ihre erste Aktivität für sich selbst nach den langen Jahren der Pflege, ist ein Friseurbesuch mit allem Drum und Dran. Im nächsten Schritt nimmt sie Kontakt auf mit ihren alten Freundinnen Hellu und Pike, die sie trotz der jahrelangen Vernachlässigung wieder freudig in ihre Runde aufnehmen. Auf der Suche nach allem, was Spaß macht, wird nichts ausgelassen. Das ruft in den Kindern von Ulla größte Besorgnis hervor, denn „Mamilein“, die Greisin, scheint in deren Augen offensichtlich an fortschreitender seniler Demenz zu leiden…

Der Roman ist ein offenherziges und warmherziges Plädoyer dafür, auch in fortgeschrittenen Jahren das Leben Tag für Tag bewusst zu genießen. Heiter und beschwingt führt uns die Autorin anhand der drei Freundinnen durch deren verschiedene Versuche, alles auszuprobieren, was gefällt oder vielleicht letztlich auch nicht gefällt, wie zum Beispiel die missglückten neuen Augenbrauen, mit denen man aussieht wie Leonid Breshnew. Hauptsache, Schwung kommt ins Leben. Denn die Blessuren, die einem das Leben verpasst hat, gilt es bunt zu bemalen, nicht zu beweinen. Zwar blieb mir beim Lesen des Öfteren das Lachen im Hals stecken, denn hinter aller Vergnüglichkeit werden die Bedrohungen des Alters nicht ausgespart. Doch genau dies macht die Tiefe des Buches aus.

Doris Dörrie sagte einmal: „Humor funktioniert so, als würde man das Fenster aufmachen und es kommt wieder Luft rein.“ So, genau so erfrischend ist dieser wunderbare Roman zu lesen.

Bewertung vom 23.06.2020
Hundertwasser: Ein Haus für dunkelbunte Träume
Elschner, Géraldine

Hundertwasser: Ein Haus für dunkelbunte Träume


ausgezeichnet

Die Kunst der lebenden Architektur für die Kleinsten erklärt

Die erste Assoziation, wenn man das Buch in Händen hält, ist bei Erwachsenen „Hundertwasser“, ganz klar. Kleinere Kinder sehen viele, viele bunte Flächen, Vögel, Bäume, haben Spaß an dem vielen Gold auf dem Cover. Das ist schon eine besondere Kunst, wie Lucie Vandevelde mit ihren Bildern sowohl die ganz Kleinen erreicht wie auch die „wissenden“ Erwachsenen. Sie trifft genau die „Sprache“ Hundertwassers. Das ist beeindruckend.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Das kleine Mädchen Maya muss zuschauen, wie ihr Lieblingsbaum auf dem Grundstück gegenüber plötzlich mehr und mehr hinter einer hohen Mauer verschwindet. O Schreck, ein neues Haus wird gebaut. Was wird dann mit dem Baum passieren, unter dem es zusammen mit Lea und Leo so schöne Kindergeburtstagsfeiern gab und in dessen Zweigen sich Coco, der Papagei, so gerne versteckte? Viele Baumaschinen rücken an, Bagger, Kräne, Lastwägen, alle machen Lärm und Staub. Nach vielen Wochen ist das Haus fertig. Da zeigt ein wunderlich bunt gekleideter Mann den Kindern, dass der Baum inmitten eines Hofes stehen geblieben war und um ihn herum viele, viele Pflanzen einen Platz gefunden haben, teils sogar mitten aus den bunten Hauswänden herauswachsend. Ein Märchen, so schön…

Dass Hundertwasser selbst im Buch den Kindern etwas erzählt von den Pflanzen, die wie die Menschen Mieter sein sollen in dem neuen Haus, dass sie gepflegt werden müssen und dass diese Pflege in unserer eigenen Verantwortung liegt, ist ein geschickter Dreh im Buch, den die Kinder ohne Mühe beim Vorlesen verstehen. Schön wäre es, wenn Eltern ihren Kindern das „echte“ Hundertwasser-Haus in Wien auf Bildern oder vielleicht sogar noch direkt vor Ort zeigen könnten und ihnen dabei etwas über die Gedanken von Friedensreich Hundertwasser vermitteln könnten. Achtung vor der Natur, die sich in einer lebenden, bewegten Architektur zeigt – das verstehen auch die Kleinsten dank dieses wunderbaren Bilderbuchs.

Bewertung vom 22.06.2020
Halligmord / Minke-van-Hoorn Bd.1
Henning, Greta

Halligmord / Minke-van-Hoorn Bd.1


ausgezeichnet

Ein sehr gelungener klassischer Whodunit

Schon lange nicht mehr hat mir ein Kriminalroman so viel Spaß gemacht wie dieser hier. Intensiv wie ein Kammerspiel, auf kleinstem Raum spielend und perfekt inszeniert, entwickelt sich die Suche nach dem Schuldigen vor den Augen des rätselnden Lesers.

Die Szenerie könnte nicht besser gewählt sein. Auf einer Nordsee-Hallig spült das Meer menschliche Knochen frei, ein Skelett, das schon viele, viele Jahre im Boden gelegen haben muss. Aber wer ist der Tote? Minke van Hoorn, ursprünglich Meeresbiologin, ist in ihre friesische Heimat zurückgekehrt und als Kommissarin in die Fußstapfen ihres verstorbenen Vaters getreten. Doch dieser erste Fall ist alles andere als einfach für sie. Der einzige Kollege ist ausschließlich beschäftigt mit den Festvorbereitungen für seinen Renteneintritt, die zwei alteingesessenen Familien auf Nekpen sind überaus schweigsam, und dann verschwindet auch noch der Sohn des alten Deichgrafen. Minke gerät schwer unter Druck, denn ein gewaltiger Herbststurm rollt auf die Hallig zu…

Von der ersten Seite an zieht die Autorin den Leser in ihren Bann, was zu einem ganz großen Teil daran liegt, dass sie außerordentlich intensiv die spezielle Atmosphäre einer Nordsee-Hallig zu schildern versteht. Man hat beim Lesen ständig das Gefühl, die würzig-salzige Meeresluft zu atmen, den Wind auf der Haut zu spüren, die Weite des Horizonts und die Begrenztheit der Hallig vor Augen. Dazu kommt auch die Nähe, die der Leser zu Minke von Hoorn aufbaut, denn ihre verhaltene Trauer um ihren Vater und ihr gelassenes, nachdenkliches Wesen machen sie überaus sympathisch. Überhaupt werden die Menschen auf der Hallig sehr vielschichtig und einfühlsam geschildert, kantig, geradeaus, ein wenig wunderlich. In relativ kurzen Kapiteln, dennoch folgerichtig, mit leisem Humor gewürzt, durchweg spannend erzählt Christa Henning die Geschichte. Wohldosiert, in ganz kleinen Häppchen, bekommt der Leser Informationen, die ihn zum Miträtseln animieren. Wie ein klassisch gestrickter Kriminalroman nach englischem Muster erfolgt in einer eindrücklichen letzten Szene die überraschende Aufklärung. Ein Lesegenuss!

Bewertung vom 19.06.2020
Expedition Natur: WILD! Der Steinkauz
Stütze, Annett;Vorbach, Britta

Expedition Natur: WILD! Der Steinkauz


ausgezeichnet

Eltern, bitte lest dieses Buch mit eueren Kindern!

Wie oft musste ich schon beobachten, wie Kinder gefühllos durch Blumenbeete trampeln und bei jedem Käferchen „iiiiih“ aufschreien, wie oft musste ich also erkennen, wie wenig diesen Kindern Achtung vor der Natur und Wertschätzung für die Natur beigebracht wird. Umso glücklicher bin ich über das vorliegende Buch, das in Zusammenarbeit mit dem BUND entstand. Besser kann man ein solches Buch, das uns einen winzigen Ausschnitt aus dem Zusammenspiel der Natur näher bringt, nicht machen!

Die beiden Autorinnen lassen uns in diesem Band den Steinkauz näher kennenlernen, einen Eulenvogel, dessen Population bedroht ist, weil ihm die Lebensräume mehr und mehr genommen wurden. Zunächst begleiten wir ein Steinkauz-Pärchen durch das Jahr. Sehr, sehr anschaulich, anrührend und stellenweise atemlos spannend wird deren Leben erzählt. Die anstrengende Aufzucht der Jungen, die täglich überall lauernden Gefahren erleben wir mit. Im zweiten sachlichen Teil des Buches erfahren wir alles Wissenswerte über das Tier, über seine Lebensweise und seine Bedürfnisse. Vor allen Dingen aber erfahren wir auch, was wir ganz persönlich tun können, um dem Steinkauz zu helfen!

Doch nicht nur die hervorragenden Texte überzeugen. Die Gesamtgestaltung ist ganz großartig gelungen. Der erzählende Teil ist meisterhaft illustriert durch Bente Schlick. Die Zeichnungen sind so fein und exakt fast wie Fotos, richtig kleine Kunstwerke. Der Sachbuch-Teil enthält neben weiteren Zeichnungen von Bente Schlick viele Fotos, die zum Beispiel den Bewegungsablauf beim Fliegen zeigen oder einzelne Entwicklungsstadien. So werden die umfassenden Informationen durch die großzügige Bebilderung zusätzlich auf anschauliche Weise vertieft. Besser geht es nicht.
Eltern, bitte lest dieses Buch mit eueren Kindern!

Bewertung vom 18.06.2020
Unter den Linden 6
Kaiser, Ann-Sophie

Unter den Linden 6


ausgezeichnet

Gelungener Spagat zwischen Historie und Fiktion

Es empfiehlt sich sehr, das Nachwort der Autorin vorab zu lesen. Denn erst dann versteht man die eigentliche Leistung von Ann-Sophie Kaiser, in einem Spagat zwischen historischer Korrektheit, romanhafter Fantasie und sehr viel Fachwissen und Recherchearbeit ein Buch entstehen zu lassen, das gleichermaßen unterhaltsam und informativ ist.

Drei Frauen begegnen sich im Berlin der Jahrhundertwende. Lise (Meitner) will an der Universität bei Max Planck weiter forschen. Hedwig erreicht mit einer Unterschriftenfälschung die Möglichkeit, die Universität zu besuchen. Anni, das Dienstmädchen, liest sich heimlich durch das Bücherregal ihres Dienstherren. Alle drei Frauen, so unterschiedlich sie auch sind, finden eng zusammen im Kampf um ihr ureigenstes Recht auf Wissen und Bildung.

Lise Meitner, die bekannte Physikerin, wurde zwar die erste deutsche Physik-Professorin und entdeckte die Kernspaltung, dennoch blieben ihr die ihr eigentlich zustehenden Würdigungen verwehrt. Sie ist die historische Person in dem Roman. Hedwig, verheiratete Fabrikantentochter, und Anni, das Dienstmädchen, sind fiktive Figuren. Drei Gesellschaftsschichten, drei Einzelschicksale, drei Frauen, denen allen in einer von Männern beherrschten Welt auf unterschiedliche Weise, aber dennoch einschneidend Diskriminierung und mangelnde Wertschätzung widerfährt und die Zusammenhalt darin finden, für die Rechte der Frauen zu kämpfen, insbesondere für das Recht der Frauen auf Bildung. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Persönlichkeiten der drei Frauen differenziert und psychologisch nachvollziehbar darzustellen. Atmosphärisch dicht erlebt man als Leser die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts im pulsierenden Berlin und spürt geradezu schmerzhaft all die Einschränkungen, denen Frauen zu dieser Zeit ausgesetzt waren. Durch die Erzählweise der wechselnden Perspektiven bringt die Autorin geschickt und sehr anschaulich die jeweilige Persönlichkeit der drei Protagonistinnen dem Leser nahe. Streckenweise wurde mir die Lektüre zwar etwas langatmig durch die Detailfreude der Autorin, aber insgesamt fand ich den Roman doch sehr unterhaltsam, informativ und atmosphärisch dicht erzählt.

Bewertung vom 17.06.2020
Der Fahrer / Kerner und Oswald Bd.3
Winkelmann, Andreas

Der Fahrer / Kerner und Oswald Bd.3


ausgezeichnet

Gekonnt geschriebener Thriller mit kleiner Einschränkung

Winkelmann ist zweifellos ein Könner seines Faches. Das haben seine früher erschienenen Bücher von Mal zu Mal überzeugend bewiesen. Insofern hatte ich sehr hohe Erwartungen an „Der Fahrer“. Was vielleicht ein Fehler war. Denn gekonnt konstruiert und in Szene gesetzt ist „Der Fahrer“ auf jeden Fall, spannend zu lesen ist er auch. Und doch erscheint mir der Thriller ein wenig schwächer als die früher erschienenen Titel, zumindest was die erwartete angstauslösende Intensität betrifft.

Im Hamburger Stadtpark wird eine Tote gefunden, das Gesicht mit einer fluoreszierenden Farbe angemalt. Kommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald stehen vor einem Rätsel, auch nachdem sich herausstellt, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben, der junge Frauen auf perfide Art tötet und mit Leuchtfarbe bemalt zur Schau stellt. Scheinbar wahllos ausgesuchte Opfer, die nachts unterwegs gewesen waren. Die an vielen Orten auftauchenden Hashtags #findemich lassen mehr und mehr erkennen, dass diese Botschaften Jens Kerner persönlich betreffen. Doch nicht nur das: Beide Ermittler haben auch privat allerlei zu bewältigen…

Es gibt in diesem Thriller geniale Szenen, mehrheitlich die, in denen der Täter sich selbst, seine Sicht der Dinge, sein persönliches Erleben schildert. Es sind Sequenzen, die den Leser mitten hinein in die Gedanken- und Gefühlswelt des Mörders führen und eine gruselige Nähe zu ihm aufbauen. Das ist ja die besondere Stärke von Andreas Winkelmann, dieses geschickte Spiel mit Szenen, die dunkle Ängste auslösen und somit den Leser unmittelbar persönlich packen. Auch wieder genial gelöst ist der Aufbau einer sich steigernden Spannung aus wechselnden Perspektiven heraus mittels einer raffinierten überraschungsreichen Geschichte. Und doch blieb ich ein klein wenig enttäuscht zurück. Mag sein, dass ich in diesem Thriller weniger Zugang zu den beiden Ermittlern fand. Gerade weil dem persönlichen Hintergrund von Jens Kerner dieses Mal so viel Raum gegeben wurde. Ebenso dem komplizierten Hin und Her zwischen Rebecca und Jens, jenseits des Beruflichen. Das hätte ich nicht gebraucht, denn die teilweise trivial anmutenden Sequenzen rauben dem Thriller ein wenig die bei Winkelmann gewohnte schaudernde Intensität.

Fazit: Wieder ein raffinierter, sehr spannender, gekonnt geschriebener Thriller, jedoch nicht ganz so stark wie seine Vorgängerbände.

Bewertung vom 14.06.2020
Die Sonnenschwestern
Rees, Tracy

Die Sonnenschwestern


gut

Dahinplätschernd

Wie nur kam der Verlag darauf, das Buch „Die Sonnenschwestern“ zu nennen anstelle des so viel passenderen Originaltitel „Das Stundenglas“? Wollte man eine falsche Fährte legen zu Lucinda Riley, „Die Sonnenschwester“?

Der Verlag beschreibt den Inhalt ungefähr so:
London 2006: Nora, 40, weiß so gut wie nichts über ihre Familiengeschichte. Sie kündigt Job und Wohnung und reist nach Tenby, Wales, auf der Suche nach den Spuren ihrer Familie.
Tenby, 1956: Llew und Chloe sind von Kindheit an enge Freunde. Ein dramatischer Vorfall bringt die beiden auseinander und sie sehen sich nie wieder, ohne einander zu vergessen.
50 Jahre später findet Nora in Tenby nicht nur ihren Frieden, sondern auch die Lösung eines alten Familiengeheimnisses.

Irgendwie konnte ich mit dem Buch nicht warm werden. Vielleicht weil die Zeitsprünge nur jeweils so kurz sind und man als Leser dadurch nicht wirklich die Chance bekommt, sich wirklich in die jeweiligen Situationen einzufühlen. Kaum weiß man, wer wo wann und warum, schon springt die Geschichte wieder um in die andere Zeitebene und die Orientierungsphase beginnt von vorne. Zwar ist der Schreibstil gut lesbar, aber das reicht einfach nicht. Das Erzählte plätschert irgendwie nur so dahin, was auch daran liegen mag, dass die Protagonisten recht farbloss und blass beschrieben werden. Bildlich und atmosphärisch besser werden dagegen die jeweiligen Schauplätze geschildert. Doch insgesamt bleibe ich während der gesamten Lektüre leicht gelangweilt. Wirklich gepackt hat mich das Buch an keiner einzigen Stelle.

Bewertung vom 09.06.2020
Dunkles Lavandou / Leon Ritter Bd.6
Eyssen, Remy

Dunkles Lavandou / Leon Ritter Bd.6


ausgezeichnet

Urlaubsfeeling und Gänsehaut

Und wieder kann ich nur sagen: Auf diesen Autor ist Verlass. Ein Buch ums andere liefert er uns Urlaubsfeeling in Kombination mit Gänsehaut, routiniert gekonnt in Szene gesetzt. Fast fühle ich mich mit Leon Ritter, dem deutsch-französischen Rechtsmediziner, verwandt, so vertraut ist er mir über die Bücher hinweg geworden.

Frühsommer in Le Lavandou. Der Geruch von blühendem Ginster liegt in der Luft. Viel Sonnenschein, viele Touristen. Doch das Auffinden einer Frauenleiche unter einer Brücke unterbricht jäh das Urlaubsfeeling. Schnell wird klar, dass es sich nicht um Selbstmord handelt, denn vor dem Sturz von der Brücke war die Frau gefoltert worden. Eine weitere Frauenleiche wird entdeckt, diesmal getötet durch eine Schiffsschraube. Und auch diese Frau war vor ihrem Tod gefoltert worden. Ein Serienmörder? Leon Ritter beginnt eigenständig zu ermitteln, weil sich die Polizei nicht sonderlich intensiv um Aufklärung bemüht.

Wie in seinen früheren Büchern besticht der Schreibstil von Remy Eyssen. Detailreich beobachtend, präzise beschreibend, atmosphärisch dicht erzählend gelingt es dem Autor, den Leser in die Welt des Leon Ritter voll und ganz hineinzuziehen. Wobei die privaten Turbulenzen niemals dem eigentlichen Fall die Schau stehlen. Im Vordergrund bleibt die Schilderung des Falls, der spannend, mitunter sogar fast brutal, seinen Fortgang nimmt, wobei die intensive Spannung durch die zwischengeschalteten Sequenzen aus Opfersicht noch erheblich verdichtet wird.

Fazit: Auch in diesem sechsten Band ist die Kombination von französischer Lebensart und detaillierter, kluger Puzzlearbeit wiederum perfekt gelungen.

Bewertung vom 08.06.2020
SoKo Heidefieber
Henschel, Gerhard

SoKo Heidefieber


gut

Von allem zu viel und damit zu wenig satirische Durchschlagkraft

Doch, ich mag Regionalkrimis, das muss ich gestehen. Allerdings nur aus den Regionen, die mir vertraut sind, deren Dialekte ich verstehe, deren Denk- und Verhaltensweisen mich nicht verwundern. Und vor allen Dingen auch nur dann, wenn sie wirklich gut geschrieben sind. Was leider nicht ganz so oft der Fall ist. Insofern war es durchaus an der Zeit, dass sich Gerhard Henschel, der durch und durch Satiriker ist, mit seinem „ersten und einzigen Überregionalkrimi“ dem Thema widmet.

Die reichlich obstruse Handlung hat der Verlag optimal zusammengefasst.

Auf Satire war ich gefasst, und so hatte ich zunächst beim Lesen viel Spaß an den ziemlich komisch-witzigen Ideen, an den skurrilen Protagonisten, an der verrückten Persiflage insgesamt. Wenn „zwei Würmer einen herumliegenden Augenapfel belutschen“, braucht es schon ein „Nervenkostüm aus korrosionsfreiem Stahl“. So mäandert der Autor durch die deutschen Lande und vor sich hin, lässt sich immer wieder neu inspirieren von der kleingeistigen Miefigkeit des Durchschnittsbürgers. Das zu lesen war eine Weile sehr unterhaltsam. Aber dann wurde es mir zuviel. Zu viele Orte. Zu viele Dialekte. Zu viele Morde. Zu viele Klischees. Von allem zuviel und dadurch insgesamt zu wenig. Zu wenig Spannung, zu wenig satirische Durchschlagkraft. Übrig blieb Langeweile.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2020
Die Dame in Gold / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.7
Trierweiler, Valérie

Die Dame in Gold / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.7


weniger gut

Seelenlos und uninspiriert

Als ich die Ankündigung las, hatte ich unendlich viele Bilder im Kopf: Die eindrücklichen Gemälde von Gustav Klimt, viel Gold, der besondere kreative Schwung des Jugendstils, das intensive kulturelle Leben des Wien um die Jahrhundertwende, in dem so geniale und die Zukunft bis in unsere heutige Zeit beeinflussende Intellektuelle und Künstler einander in Salons trafen und diskutierten, wie zum Beispiel Sigmund Freud, Gustav Mahler, Reiner Maria Rilke und viele weitere.

Fin de Siècle, das schillernde Wien um 1903. Im Salon des Ehepaar Bloch treffen sich allerlei interessante Menschen. Auch Gustav Klimt taucht dort auf und betört durch seine Unangepasstheit die Damenwelt. Adele Bloch, die Hausherrin des Salon, ist eine emanzipierte junge Frau, klug, aber voller Trauer um ihr totes Kind. Als sie Gustav Klimt Modell sitzt, entspinnen sich lebendige Diskussionen zwischen den beiden, die in eine hitzige und verbotene Liebe übergehen.

Was alles hätte man aus diesem Thema machen können! Wie intensiv und bilderreich, wie atmosphärisch dicht hätte man das blühende Wien um die Jahrhundertwende schildern können, wie klug und einfühlend hätte man die herausragenden Persönlichkeiten dieser Zeit darstellen können. Und wie unendlich langweilig ist dieses Buch geraten! Es liest sich wie ein eilig hingehauenes Manuskript, ein ungeliebtes Auftragswerk, dem jegliches Herzblut fehlt. Der seelenlos hingehackte Schreibstil spricht für sich. Die Fakten mögen teils gut recherchiert sein, aber der Autorin ist es leider nicht gelungen, einen inneren Film für Zeit und Geschehnisse zu entwickeln und uns in Worte verpackt zu vermitteln.