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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 869 Bewertungen
Bewertung vom 18.01.2024
Deine Welt wird brennen / Kommissar Völxen Bd.13
Mischke, Susanne

Deine Welt wird brennen / Kommissar Völxen Bd.13


ausgezeichnet

Dieser 13. Krimi rund um KHK Bodo Völxen hat mir wieder sehr gut gefallen. Was ist passiert?

Mitten in der Nacht wird Völxen von Feuerwehrsirenen aus dem Schlaf gerissen: Der Stadel auf dem Hof des als Hühner-Baron bekannten Nachbarn, der ihn an Arnold Becker, einen Hobby-Maler, vermietet hat, steht in Flammen. Als beim „Brand aus“ eine verkohlte Leiche in der „Fechter-Stellung“ gefunden wird, geht alle Welt davon aus, dass es sich um Arnold Becker, der im Brotberuf Teilhaber einer Fracking-Firma ist. Ist er ein Opfer einer radikalen Umweltschutzorganisation geworden?

Die Trauer um Becker hält sich sowohl bei Tochter und Bruder in Grenzen. Aus vorerst nicht nachvollziehbaren Gründen ist Arnold plötzlich vom Saulus zum Paulus geworden und engagiert sich für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

Blöderweise stellt sich wenig später heraus, dass die verkohlte Leiche eine Frau ist. Die Aufregung um Arnold Becker scheint umsonst zu sein, nur wer ist die tote Frau?

Meine Meinung:

Die Völxen-Reihe, von der ist noch nicht alle Bände gelesen habe, kommt ohne rasante Verfolgungsjagden und Ähnlichem aus. Vielmehr setzt Autorin Susanne Mischke auf solide Polizeiarbeit im Team, auch wenn das vielleicht ein wenig langweilig klingen mag.

Der Krimi punktet durch unterschiedliche Charaktere, die hin und wieder auch ziemlich schrullig daherkommen. Daneben wird dem Privatleben aller Ermittler Raum gegeben. Dass der Arbeitsplatz die größte Partnerbörse ist, hat zusätzlich seinen Reiz, denn dadurch kommen und gehen immer wieder Mitarbeiter ohne große Aufregung.

Schmunzeln musste ich darüber, dass der Staatsanwalt, der ja in vielen Krimis der Widersacher der Ermittler ist, gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter Bodo Völxen beim Schafe scheren hilft.

Es bleibt auch Platz für aktuelle Themen wie Restitution von geraubten Kunstschätzen oder Klimaklebern. Wie sich die Umweltschutzdebatte in den letzten Jahren verändert hat, kann anhand des Gesprächs zwischen Bodo und seiner Tochter, die eine Vergangenheit als Umweltschützerin hat, beobachtet werden. Show, don’t tell! Das ist hier die Devise der Autorin.

Die Autorin schickt sowohl Ermittler als auch Leser in die eine oder andere Sackgasse. Die Auflösung dieses Mordfalls durch das Team um Bodo Völxen ist stimmig.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden Krimi, der ohne allzu viel Action auskommt, 5 Sterne.

Bewertung vom 18.01.2024
Rügentod / Dorothee von Stresow ermittelt Bd.1
Frank, Sylvia

Rügentod / Dorothee von Stresow ermittelt Bd.1


sehr gut

Die in Berlin erfolgreiche Krimi-Autorin Dorothee von Stresow besucht im Jahr 1920 auf Einladung ihrer früheren Schule die Insel Rügen, die sie nach dem Brand und dem Tod ihrer Eltern vor achtzehn Jahren verlassen hat. Nach der Lesung trifft sie nicht nur ihre alten Schulkameradinnen, darunter auch die wenig beliebte Margarethe von Klippholm, sondern auch Albert, ihren Freund aus unbeschwerten Kindertagen, wieder.

Margarethe macht Dorothee mit der Nachricht, Informationen über den Brand des Streswo‘schen Anwesen zu haben, neugierig. Man verabredet sich für den nächsten Tag. Blöderweise liegt Margarethe erschossen vor dem Jagdhaus und Dorothee wird hinterrücks niedergeschlagen.

Wenig später werden Schafe von einem Wolf gerissen, was naturgemäß auf der Ferieninsel Rügen für Panik sorgt. Gemeinsam mit Albert, der nun der Tierarzt der Insel ist, sowie dem Kriminalbeamten Gustav Breesen beginnt Dorothee zu ermitteln.

Natürlich steht Breesen den Nachforschungen der Schriftstellerin äußerst skeptisch gegenüber, muss aber Abbitte leisten, als sie zielführende Hinweise liefert.

Allerdings und das lässt auf eine Fortsetzung hoffen, kommt sie ihrem Ziel, Näheres über den Brand und den Tod ihrer Eltern herauszufinden, nicht näher.

Meine Meinung:

Dieser Auftakt zu einer neuen historischen Krimireihe auf der Insel Rügen hat mir gut gefallen. Er führt uns nach Binz, das mit seinen mondänen Hotels und seinen illustren Gästen punktet.

Der Krimi selbst ist gut strukturiert und zeigt, dass auch ohne DNA-Analysen oder großartige Forensik à la CSI Mordfälle gelöst werden können. Man braucht dazu eine schnelle Auffassungsgabe, eine Portion Menschenkenntnis sowie ein bisschen Fantasie. Über das alles verfügt Dorothee. Daher kann sie die Erkenntnisse, die sich ihr und Albert erschließen, Kommissar Gustav Breesgen schlüssig erklären.

Der Krimi lässt sich locker und flüssig lesen. Allerdings finde ich den Schreibstil hin und wieder ein wenig zu modern.

Ich hatte recht bald eine Idee, wer der Täter sein könnte, und habe mit meiner Hypothese recht behalten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe 4 Sterne.

Bewertung vom 18.01.2024
Das Geschäft der Toten (eBook, ePUB)
Mabanckou, Alain

Das Geschäft der Toten (eBook, ePUB)


sehr gut

Der kongolesische Schriftsteller Alain Mabanckou lässt in seinem Roman "Das Geschäft der Toten" die Verstorbenen aus ihren Gräbern steigen, um sich an korrupten Lebenden zu rächen.

Wir begleiten Liwa Ekimakingaï, den Küchengehilfen im Hotel Victory Palace in Pointe-Noire, der am Abend des kongolesischen Nationalfeiertag die geheimnisvolle Adeline in einem Nachtklub trifft. Ganz Gentlemen, begleitet er sie nach Hause und findet sich am nächsten Morgen in einen Sarg, auf dem Weg Richtung Friedhof Frère-Lachaise wieder.

Seiner eigenen Beerdigung zuzusehen? Klingt doch ein wenig schräg, oder?

"Von Weitem siehst du deinen Leichnam unter einem Unterstand aus Palmblättern liegen, umgeben von weinenden Frauen im fortgeschrittenen Alter. Der Anblick einer solchen Körperhaltung gefällt dir gar nicht, und du weigerst dich, zu glauben, der Leichnam, an dem hier Totenwache gehalten wird, sei deiner, der von Liwa Ekimakingaï."

Wer jetzt noch irritiert den Namen des Friedhofs liest und an den in Paris denkt, hat recht, denn dieser Roman ist auch eine bitterböse Satire auf die französische Kolonialzeit.

"Diese Erde gehörte den Schwarzen, die anderen Rassen sind gekommen, um uns auszulöschen, weil wir schön, stark, tapfer und gastfreundlich waren. (…) Der Herr ist hier bei uns, mit uns! Die Weißen haben alles auf der Erde verdorben mit Kriegen, Sklaverei, Nazismus, Kolonialismus und seinen bizarren Auswüchsen!"

Der Autor Alain Mabanckou kehrt mit diesem Buch erneut in seine Heimatstadt Pointe-Noire in der Republik Kongo zurück, aus der er Ende der 1980er-Jahre zwecks Jura-Studium nach Paris aufgebrochen ist.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Roman, der skurrile Begegnungen im Zwischenbereich von Diesseits und Jenseits beschreibt, 4 Sterne.

Bewertung vom 18.01.2024
Arthrose endlich heilen
Feil, Wolfgang;Homburg, Tobias

Arthrose endlich heilen


weniger gut

Als Betroffene (Arthrose Stadium IV in beiden Kniegelenken) war ich natürlich auf dieses Buch sehr neugierig. Ich finde den Titel schon recht provokant und frage mich daher, ob das Buch, das halten kann, was er verspricht. Denn so überbordende Beschreibungen wie "bahnbrechend", "perfekt", "revolutionär" oder gar "wundervoll" wirken auf mich reißerisch und befremdlich.

Der Beginn liest sich wie ein Auszug aus dem Chemie-Buch und die Autoren sind keine Ärzte. Wolfgang Feil ist Biologe und Tobias Homburg Physiotherapeut.

Die Tabellen sind zum einen Teil interessant, zum anderen aber, wenn man wenig naturwissenschaftliche Kenntnisse, kaum zu verstehen. Da braucht es schon einen "Übersetzer" wie Arzt, Apotheker oder Ernährungsberater.

Dass Reduktion von Alkohol- und Fleischkonsum Entzündungen im Körper verringern bzw. erst gar nicht entstehen lassen kann, ist jetzt keine bahnbrechende Neuigkeit. Auch regelmäßige, gelenkschonende Bewegung hilft, chronische Schmerzen zu verringern. Beides habe ich unter (fach)ärztlicher Aufsicht selbst ausprobiert und gute Erfolge damit erzielt.

Nicht glauben kann ich, dass Knorpeldefekte (sogenannte Knorpelglatzen) nur durch eine entsprechende Ernährung von selbst heilen und der Knorpel nachwächst. Aufgrund seiner Beschaffenheit (fehlende Blutversorgung) kann sich der Knorpel nicht selbst reparieren.

Witzig finde ich die "Frolox-Familie", diese Zeichnungen sollen gute Bausteine der Nahrung symbolisieren. Die fünf (!) Basis- und neun (!) Einstiegsrezepte zeigen in die richtige Richtung, sind aber für eine komplette Ernährungsumstellung viel zu wenig.

Was bei mir aber einen schalen Nachgeschmack hinterlässt und mich wirklich stört, sind die drängenden Empfehlungen zur Einnahme von teuren Nahrungsergänzungsmitteln, die - oh Wunder - von einer im Familienbesitz befindlichen Firma vertreiben werden. Das stellt für mich persönlich die Glaubwürdigkeit der Methode infrage. Da helfen auch noch so viele Erfahrungsberichte dankbarer Patienten nicht. Im Gegenteil, die wirken wie bezahlte Anzeigen aus der Werbung.

Conclusio:

Dass eine allgemein gesunde Lebensführung mit einer vernünftigen, entzündungssenkenden Ernährung sowie gezielten Bewegungsübungen, ergänzt von einer evtl. erforderlichen Gewichtsreduktion einer Arthroseerkrankung vorbeugen oder eine Verschlimmerung verhindern kann, wird wohl ohnehin niemand abstreiten wollen. Dass man durch Einnahme von teuren Nahrungsergänzungsmitteln eine „Heilung“ von Arthrose herbeiführen kann, muss ich mit einem Zitat aus Goethes Faust quittieren:

„Die Botschaft hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ (Faust I/J. W. Von Goethe)

Fazit:

Diesem Buch, das bei vielen von Arthrose geplagten Schmerzpatienten vermutlich nicht erfüllbare Hoffnungen weckt, kann ich wegen der unsäglichen subtilen Werbung für Nahrungsergänzungsmittel aus der eigenen Firma nur 2 Sterne geben.

Bewertung vom 18.01.2024
Die Hoffnung der Chani Kaufman
Harris, Eve

Die Hoffnung der Chani Kaufman


ausgezeichnet

Nachdem Chani Kaufmann gegen alle Widerstände (und ohne jüdischen Heiratsvermittler) ihren Baruch Levy geheiratet hat, warten alle Verwandten (und vor allem Baruchs Mutter) auf die erlösende Bekanntgabe einer Schwangerschaft. Denn, was ein geachteter Rabbi sein will, der muss viele Kinder haben. Nun ja, sein Anteil an einer Schwangerschaft ist relativ gering. Leidtragende sind immer die Frauen in der jüdisch-orthodoxen Welt, die im Durchschnitt jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen. Aufgrund der zahlreichen religiösen Vorschriften, die auch das Eheleben reglementieren, sollte es eigentlich bei nahezu jedem Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft kommen, denn Sex ist nur während des engen Zeitfensters rund um den Eisprung gestattet. Doch ein Kind will und will sich nicht einstellen.

In ihrer Verzweiflung wenden sich Chani und Baruch an eine nicht-jüdische Fruchtbarkeitsklinik. Hier erfährt Chani das erste Mal Grundlegendes über ihren Zyklus aus medizinischer und nicht aus religiöser Sicht. Nach verschiedenen Tests ist klar, Chanis Eisprung ist viel zu früh, nämlich schon am achten Tag nach der letzten Blutung.

„Aber Gott kann sie nicht schwängern, meine Liebe. Das kann nur Sex.“
Chani biss die Zähne zusammen:
„In meiner Welt kann Gott alles. Und IHM muss man gehorchen. Was einen frühen Eisprung zu einem echten Problem macht.“

Denn die jüdischen Gesetze verlangen, dass sich der Mann seiner Frau erst nach dem 12. Tag und der rituellen Reinigung nähern darf. Wie sollen die beiden den Teufelskreis unterbrechen?

Der Rabbi, den Chani und Baruch um Rat fragen, verschanzt sich hinter den Vorschriften. „Nur HaSchem kann diese Dinge entscheiden.“ Daraufhin platzt Chani der Kragen und schnauzt den Rabbi an „Aber das stimmt nicht! Ihr Rabbis seid diejenigen, die die Gesetze machen!.“

In einem zweiten Handlungsstrang begleiten wir die ehemalige Rebbetzin Rivka Silbermann, die selbst genügend Probleme hat: Sie hat ihren Mann Chaim und die Kinder verlassen, weil eben genau die vielen Vorschriften das weitere Zusammenleben mit dem ultra-orthodoxen Ehemann, der sie anlässlich einer Fehlgeburt beinahe verbluten hat lassen, weil blutende Frauen als unrein gelten, für sie unmöglich machen.

Sie lebt, wie vor ihrer Hochzeit mit Chaim, säkular und wird deswegen von der ultra-orthodoxen Gemeinde angefeindet. Die Einmischung der Gemeindemitglieder geht so weit, dass man Rivka auflauert und ihr die Finger bricht, damit sie endlich in die Scheidung von Chaim einwilligt. Chaim soll nach Willen der Gemeinde eine respektable Witwe aus der Nachbarschaft heiraten. Die Gemeinde verbietet den Kindern den Umgang mit Rivka.

Da trifft es sich gut, dass Chani der verfemten Rebbetzin Rivka Silbermann über den Weg läuft. In Rickas winzigem Apartment, das nun ohne jüdische Merkmale wie die Mesusa am Türstock, auskommt, führen Chani und Rivka ein Gespräch, das Chani einen Weg finden lässt, HaSchem (also Gott) auszutricksen.

„Die Rabbis machen die Regeln. Nicht HaSchem. Männer sagen dir, wann du Sex haben darfst und wann nicht! Also hast du die Wahl. Lass zu, dass die Regeln dich und deine Ehe zerstören, oder beuge sie ein wenig und lebe.“

Meine Meinung:

Wie schon im Vorgänger sorgen die zahlreichen, für Nichtjuden unbekannten Regeln und Vorschriften, für so manches Kopfschütteln. Einige davon sind „hausgemacht“ wie der Druck von Baruchs Mutter, die ihre Schwiegertochter von Beginn abgelehnt hat. Immerhin hat Baruch hier Zivilcourage bewiesen und Chani gegen den Widerstand geheiratet hat. Also darf gehofft werden, dass die beiden die Vorschriften im richtigen Sinn beugen.

Gut gefallen haben mir die vielen eingestreuten jüdischen Begriffe, die in einem ausführlichen Glossar gut übersetzt und beschrieben sind.

Das Buch ist sehr einfühlsam geschrieben und erklärt völlig unaufdringlich die Reihe von jüdischen Geboten und Verboten, die das Eheleben bestimmen. Ich war bis jetzt nicht ganz unbelesen, was diese Vorschriften anbelangt, doch die Vielzahl dieser oft für Nichtjuden barbarisch anmutenden Regeln, lassen mich tiefes Mitgefühl mit den Frauen haben. Erschreckend ist, wie unvorbereitet junge Menschen wie Chani und Baruch in eine Ehe gestoßen werden. Da muss schon auch den Müttern der Vorwurf gemacht werden, dass sie zumindest ihre Töchter nicht besser aufklären. Immerhin haben sie selbst Ähnliches durchgemacht. Die Mütter hätten es in der Hand, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Für die Jungs wäre die gute alte Tradition so mancher Adeliger oder Großbürger, die ihre Söhne ins Bordell geschickt haben, auch nicht schlecht.

Über diese Selbsthilfegruppen, die jüdischen Frauen dabei hilft, aus ihrer orthodoxen Ehe zu entkommen, habe ich schon gelesen bzw. eine TV-Doku gesehen.

Meine persönliche Meinung ist, Fundamentalismus – egal in welcher Religion – ist meistens für die Frauen menschenverachtend und daher entschieden abzulehnen.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung wieder fünf Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 10.01.2024
Taubenschlag / Teit und Lehmann ermitteln Bd.2
Jürgensen, Dennis

Taubenschlag / Teit und Lehmann ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Als auf einer Baustelle in Berlin ein bislang unbekanntes unterirdisches Bunkersystem mit den skelettierten Überresten einer Familie gefunden werden, weiß noch niemand, welche Dimensionen dieser Fund haben wird. Allen Anschein nach sind die Mitglieder dieser Familie seit rund vierzig Jahren tot, verhungert und verdurstet.

Wenig später werden in Kiel, Hamburg und nahe Lübeck mehrere Menschen in ihren Häusern ermordet aufgefunden. Die Männer und die Frau haben einiges gemeinsam: Sie wurden gefoltert, gefesselt an einen Stuhl gebunden, anschließend erschossen und haben jeweils eine tote Taube im Schoß.

KHK Rudi Lehmann von der Polizeidirektion Flensburg und Kriminalassistentin Lykke Teit aus Kopenhagen, die bereits in „Gezeitenmord“, einem länderübergreifenden Kriminalfall sehr gut zusammengearbeitet haben, werden anlässlich einer Sondereinsatztruppe beauftragt, diesen Fall zu lösen.

In akribischer Kleinarbeit, die die beiden bis nach Berlin, in das Archiv der Stasi führt, kommen sie nur langsam vorwärts. Die Mordserie verlangt den beiden einiges ab, denn sowohl Lehman als auch Teit haben so ihre eigene Familiengeschichte.

Meine Meinung:

Dieser Krimi, der durchaus von wahren Begebenheiten inspiriert sein kann, hat mich sehr gut unterhalten. Auch mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall sind noch immer nicht alle Fälle von verschwundenen Personen restlos aufgeklärt. Die Ermittlungen mit all ihren Sidesteps und Sackgassen sowie gefährlichen Situationen sind recht realistisch geschildert.

Lehmann und Teit sind ein gutes Team, obwohl der Altersunterschied doch recht groß ist. Gut gefällt mir, dass Rudis Frau Verständnis für seinen Beruf hat und auch Lykke freundlich begegnet.

Interessant ist, dass der Täter und sein Motiv den Lesern schon recht bald sogar namentlich bekannt sind. Die Spannung liegt nun darauf, ihn zur Strecke zu bringen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der mich bis zur letzten Seite gefesselt und mir spannende Lesestunden beschert hat, 5 Sterne.

Bewertung vom 10.01.2024
Austrian Psycho Jack Unterweger
Herwig, Malte

Austrian Psycho Jack Unterweger


ausgezeichnet

Wer kennt ihn nicht, den Jack Unterweger, den Prostituiertenmörder, der als Häfn-Poet nicht nur Österreichs Schickeria, sondern auch die Justiz austrickste?

Jack Unterweger kommt als unehelicher Sohn einer Kellnerin und eines US-Soldaten 1950 im steirischen Judenburg (Österreich) zur Welt. Er wächst bei seinen Großeltern auf und fällt bereits als Jugendlicher durch Einbrüche und Gewalt gegen Frauen auf. Seinen ersten Mord begeht er 1974 und wird daraufhin zu lebenslanger Haft verurteilt. Er sitzt in der Strafanstalt Stein ein.

Es ist die Zeit von Justizminister Christian Broda, der von der Utopie einer „gefängnislosen Gesellschaft“ träumt, weil er jeden Verurteilten für resozialisierbar hält, und daher gleichzeitig Verfahren gegen Täter des NS-Regimes verschleppen lässt.

Diese Stimmung nutzt Unterweger, der zuvor kaum schreiben und lesen kann, um seinen Hauptschulabschluss nachzuholen. Er dilettiert an Texten und schafft es, mit Unterstützung eine Art Autobiografie mit dem Titel „Fegefeuer oder die Reise ins Zuchthaus“ zu schreiben. Nachdem es auch die Zeit des experimentellen Schreibens ist, wird das Buch von der Kulturszene begeistert aufgenommen. 1983 kommt es zu der legendären Lesung in der Strafanstalt, in der auch der Co-Autor dieses Buches eingeladen ist.

Aufgrund von zahlreichen Petitionen und Gutachten wird Unterweger 1990 vorzeitig entlassen und gilt als resozialisiert. Er treibt sich in und mit der Wiener Schickeria herum, erhält Aufträge seites des ORF, verfasst Theaterstücke und versucht sich als Journalist.

Noch weiß bzw. ahnt niemand, dass Unterweger Texte aus der Gefängnisbibliothek abschreibt und für seine Zwecke missbraucht. Selbst die Geschichten für die Radiosendung „Das Traummännlein“ schreibt nicht er selbst, sondern seine Mentorin Sonja von Eisenstein. Niemand erkennt die Manipulationen, mit der Unterweger die Menschen an der Nase herumführt.

„Die Öffentlichkeit, diese unbekümmerte Öffentlichkeit, die dank ihrer Persönlichkeiten, ihres Einflusses gearbeitet haben in der Sache, die haben Unterweger schlicht und einfach freigepresst.“ (Oberst Willibald Zach, damals stellvertretender Anstaltsleiter S. 58).

Und fast schon prophetisch ergänzt Zach:
„Mit der Sprache muss man vorsichtig umgehen. Man darf die Wirkung der Sprache nicht unterschätzen. Ich gehe so weit: Sprache kann töten.“(S. 58)

Dazu passt auch Unterwegers Interview am Tag seiner Entlassung:

„Im Prinzip bin ich gefährlicher als vor der Haft, weil ich ja das Denken gelernt hab und das Wort als Waffe verwenden kann.“ (S. 117)

In einer Talk-Show doziert er über Politik, die Strafrechtsreform (!) und andere aktuelle Themen der Gesellschaft. Wenn die Frage nach seinem Mord von 1974 kommt, wird er einsilbig und wirkt distanziert. Das Auditorium hält das für Reue.

Schon während der Haft erhält er Hunderte von Briefen, vor allem von Frauen, die sich zu ihm hingezogen fühlen. Nun, in Freiheit bedient sich Unterweger ihrer, denn Frauen sind für ihn vor allem eines: nützlich.

Wenig später werden in Brünn und wenige Wochen später in Bregenz zwei Frauen ermordet. Unterweger ist kurz davor in beiden Städten. Zufall? Oder, dass in den Wochen, die er in Los Angeles verbringt, mindestens drei Prostituierte erdrosselt werden? Noch ein Zufall?

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Die Polizei von LA und Wien arbeiten zusammen und für Unterweger klicken in den USA die Handschellen. 1994 wird er des neunfachen Mordes schuldig gesprochen und abermals zu lebenslanger Haft verurteilt, erhängt sich aber in der Nacht nach dem Urteil in seiner Zelle.

Meine Meinung:

Autor Malte Herwig ist Autor und Journalist und hat für Zeitungen wie die „SZ“ sowie Magazine wie den „Spiegel“ zahlreiche Prominente und auch einige Kriminelle interviewt.

In diesem Buch verquickt er gekonnt Fakten und Fiktion zu einer packenden Erzählung. Aus Interviews sowohl mit Unterweger selbst als auch mit Zeitzeugen hält er uns den Spiegel der Manipulationen des Serienmörders Zeit vor Augen. Die alte Weisheit „Man sieht nur, was man sehen will“ hat sich hier auf dramatische und tödliche Art bewahrheitet.

Der Titel ist an „American Psycho“ von Bret Easton Ellis angelehnt, der über den Serienmörder Patrick Bateman schreibt, der tagsüber in seinem Büro in der Wall Street saß und nächtens zahlreiche Menschen ermordete.

Fazit:

Dieser packenden Geschichte über die Verblendung zahlreicher Mitglieder der Wiener Society durch die Manipulation eines Serienmörders gebe ich gerne 5 Sterne. Möge sie als abschreckendes Beispiel dienen.

Bewertung vom 08.01.2024
Die Welt des Schnellkochens (eBook, ePUB)

Die Welt des Schnellkochens (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Seit ich denken kann, ist ein Schnellkopftopf Teil der familiären Küchenausstattung. Ob Großmutter oder Mutter beide hatten jeweils einen, allerdings ein österreichisches Produkt, das in den 1960er-Jahren um einiges preiswerter waren als jene von Fissler. Ich bin stolze Besitzerin eines Fisslers, dessen Potenzial ich längst noch nicht ausgeschöpft habe.

Dieses Buch bietet mir nun die Gelegenheit seine Fähigkeiten, anhand der 150 Rezepte auszuprobieren. Wobei, wenn ich es recht überlege, meine Rindsrouladen aus dem Schnellkochtopf oder das Gulasch sind zart und lassen sich in einer annehmbaren Kochzeit zubereiten. Auch Rindsuppe und Erdäpfel sind schnell gekocht.

Sehr interessant finde ich die technischen Erklärungen, die die Funktion und die unterschiedlichen Betriebsmöglichkeiten. Wahrscheinlich werden sich einige Leser mit dem umfangreichen Theorieteil nicht auseinandersetzen wollen. Aber, es schadet nicht, sich die Tipps anzusehen.

Wer noch keinen Schnellkochtopf in Gebrauch hat, kann dieses Buch als Entscheidungshilfe für den Kauf heranziehen. Zeit- und Energieersparnis machen den etwas höheren Preis eines Schnellkochtopfes recht bald wett.

Ich liebäugle seit ein paar Monaten mit einem Dampfgarer, aber scheint, als könnte der Schnellkochtopf auch als solcher eingesetzt werden. Schauen wir uns das einmal an.

Die rund 150 Rezepte sind gut beschrieben und bebildert. Wie heißt es in der Werbung so schön? Probieren Sie es einfach aus! Guten Gelingen und guten Appetit!.

Fazit:

Dieser Anleitung, den Praxis-Tipps und der Rezeptesammlung gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 08.01.2024
Die Patin vom Ku'damm (eBook, ePUB)
Kellerhoff, Lutz Wilhelm

Die Patin vom Ku'damm (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der dritte Fall für Wolf Heller führt uns in das geteilte Berlin Anfang der 70er-Jahre. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin Paula kümmert sich Wolf um deren Kinder Astrid und Jochen, die sehr an ihm hängen. Leider ist der Beruf des Kriminalpolizisten für einen alleinerziehenden Vater der denkbar schlechteste. Daher will Heller den Dienst quittieren, ohne zunächst einmal zu wissen, womit er seine Brötchen verdienen will.

Doch meistens kommt es anders, als man denkt. In Hellers Fall ist es einerseits der Hausverwalter, der Heller und die beiden anderen Mieter aus dem Haus haben will, weil dieses abgerissen werden soll, und zum anderen wird ein Mitglied des Berliner Senats ausgerechnet von Wolf Heller auf der Transitstrecke zwischen der DDR und der BRD tot aufgefunden. Doch Borowski ist nicht nur tot, sondern seine Leiche wird so arrangiert, dass bei ungenauem Hinsehen, auch ein Selbstmord angenommen werden könnte. Und dann gibt es noch einen Toten auf einer der zahlreichen Baustelle der Barbara Albrecht.

Da bei Borowskis Tod ein Zusammenhang mit der „Patin vom Kudamm“, wie man die Besitzerin der größten Baufirma und Immobilienentwicklerin BerIins, Barbara Albrecht, auch nennt, vermutet wird, stellt man Heller die junge Vera Jung, eine Ermittlerin im Bereich Wirtschaftskriminalität aus Bonn zur Seite.

Heller laviert zwischen den Ermittlungen zum aktuellen Fall, der Vertuschung vom Verschwinden des Hausverwalters und den Vaterpflichten, denen er nur ungenügend nachkommen kann, herum. Er kann sich nicht sicher sein, ob die toughe Vera, ihn nicht doch durchschaut.

Gemeinsam und manchmal auch parallel wühlen sich Heller und Jung durch einen Sumpf von Korruption, Prostitution und Gewalt. Dabei will Wolf Heller nichts mehr, als den Fall schnell abschließen und mit den Kindern Berlin verlassen.

Meine Meinung:

Das Autoren-Trio, das unter dem Pseudonym Lutz Wilhelm Kellerhoff die Reihe rund um Wolf Heller schreibt, führt uns in diesem dritten Roman die Stimmung der 1970er-Jahre, die sich in eine radikale verändert, vor Augen. Wie immer verbinden sie gekonnt den Zeitgeist mit Spannung. So hat Barbara Albrechts Tochter Manuela ausgerechnet mit jenem Andi ein Pantscherl, der die Bundesrepublik bis zu seinem Tod 1977 in München-Stadelheim in Atem halten wird - gemeint ist natürlich Andreas Baader.

Das Ende des dritten Teils deutet darauf hin, dass Heller zwar Berlin verlassen wird können, den Polizeidienst möglicherweise aber nicht.

Fazit:

Eine fesselnde Fortsetzung, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 08.01.2024
Sahel
Tchangari, Moussa

Sahel


sehr gut

Dieses interessante Buch beleuchtet jenen Teil Afrikas, den wir gemeinhin als „Sahelzone“ kennen. Diese geografische Bezeichnung umfasst die Staaten Mauretanien, Senegal, Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Tschad, Sudan und Eritrea. Die meisten dieser Länder haben um 1960 ihre Unabhängigkeit von Frankreich erhalten bzw. erkämpft, doch die Nachwirkungen des Kolonialismus dauern bis heute. So taumeln die Länder von einer korrupten Regierung in die nächste, bis die Machthaber von einem Militärputsch hinweggefegt werden und häufig in Bürgerkriegen versinken.

Vor allem junge Menschen erhoffen sich von Regierungswechseln oft mehr Sicherheit und bessere Lebensperspektiven – und werden dann herb enttäuscht, denn wie Wirklichkeit sieht anders aus, als es die Propaganda versprochen hat. Das Ergebnis sehen wir täglich in den Nachrichten: Abertausende junge Männer, die sich nach Europa aufmachen.

Moussa Tchangaris Buch ist der Versuch, die großen politischen Herausforderungen der aktuellen Sicherheitskrise in der Sahelzone im Detail zu beleuchten. Er geht der Frage nach, warum es den Vereinten Nationen mit dem UN-Aktionsplan nicht gelang, die Krise zu stoppen. Tchangari kritisiert vor allem, dass die EU dezidiert Gelder für das Militär bereitstellt, was die Unsicherheiten im Land verstärkt hat, anstatt in die Landwirtschaft zu investieren. Auch die Prävention von gewalttätigem Extremismus bei Jugendlichen in Kombination mit fehlenden Bildungseinrichtungen ist nach Tchangari essenziell.

Meine Meinung:

Das Buch ist engagiert geschrieben und geht mit den ehemaligen Kolonialmächten sowie der UNO hart ins Gericht. Moussa Tchangari stellt seine Überlegungen bereits 2015/16 an. Ins Deutsche übersetzt ist es erst 2023 und genau das ist ein wenig die Schwäche dieses Buches. Einige der Länder wechseln ihre Machthaber durch Putsch und Gegenputsch so schnell, dass die Namen erwähnten Diktatoren nur mehr wenigen Lesern geläufig sind.

Fazit:

Wer sich dafür interessiert, WARUM so viele Menschen aus den Ländern der Sahelzone nach Europa auswandern (wollen), sollte unbedingt dieses Buch lesen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.