Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1401 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2022
Kinder des Aufbruchs
Winter, Claire

Kinder des Aufbruchs


ausgezeichnet

Alice und Emma haben inzwischen auch räumlich zueinander gefunden und leben beide mit Ehemännern und Alice auch mit Kind in Westberlin. Allerdings stolpern sie wieder und wieder über ihre familiäre Vergangenheit und haben es dadurch schwer, sich ein friedliches Leben aufzubauen

Ein wundervoller Roman um eine überaus tragische Familiengeschichte vor der Kulisse des zweigeteilten Deutschland und des kalten Krieges. Autorin Claire Winter hat akribisch recherchiert und schreibt unglaublich spannend, mitreißend, aber auch ausgesprochen einfühlsam. APO-Zeit, Schah-Besuch, Ermordung des Studenten Ohnesorg durch den Polizisten Kurras und das so ungerechte Entscheiden der Justiz - hier kommt alles zur Sprache!

Sowohl sprachlich als auch inhaltlich stimmt hier absolut alles! Ein Buch, das man sich selbst kaufen, aber noch viel mehr verschenken sollte, an Menschen, mit denen man es besonders gut meint. Und die mehr über die Vergangenheit des geteilten Berlins erfahren wollen und sollen.

Claire Winter ist seit Jahren das Beste, was dem deutschen Literaturbetrieb in Bezug auf historische Romane über das 20. Jahrhundert passiert ist! Ich würde ihr, mehr noch aber dem internationalen Buchmarkt gönnen, dass "Kinder des Aufbruchs" in unzählige Sprachen übersetzt wird!

Bewertung vom 01.11.2022
Der Fußgänger
Boning, Wigald

Der Fußgänger


gut

Von tochteralice


Das Müllern ist des Wanderns Lust: eine etwas gemeine Einleitung in den Txt. Weil Wigald eben Wigald Boning ist. Die Wahrheit ist: ich habe mich direktemang und geradewegs verliebt in sein ebenso persönlich wie warmherzig gestaltetes Buch über das Gehen.

Wir richten das Augenmerk für die Dauer der Lektüre auf ein recht wuseliges kleines Männlein, das wir auf seinen vielfältigen Wegen nicht nur durch unsere eigene Republik begleiten dürfen.

Herrlich seine Ausführungen zur ersten Wandergruppe samt Familienfoto aus den 1970ern (der Zusammenhang ist unschwer erkennbar). Erstaunlich, dass der Autor selbst in tiefsten Zeiten des Post Punk - wohlgemerkt seines Post Punk - Weggefährten findet, die - ebenso wie er - verkatert, aber unverdrossen losziehen. Dann jedoch habe ich mich auch wieder entliebt: denn die Wahrheit ist, der gute Wigald treibt es immer mal wieder ein bisschen zu doll. So wie ein Kind, das man ständig zur Ordnung ruft und das einfach nicht aufhört.

Dieses Buch ist ebenso witzig wie ernsthaft, es ist eine Art persönliche Wanderbiografie - aber eben nur stellenweile. In anderen Teilen ist es dann doch auch ziemlich anstrengend zu lesen, finde ich.

Bewertung vom 31.10.2022
Ungeschönt
du Mont, Sky

Ungeschönt


weniger gut

Netter älterer Herr ganz schön zynisch unterwegs!

Vorneweg - ich sehe den Autor ganz gerne im Film. Vor allem das eine Mal, als er bei Kubrick ganz groß rauskam. Wissen Sie noch? Mit Nicole Kidman und Tom Cruise. Da waren die noch verheiratet. Ist Ewigkeiten her.

Und dabei hätte ich es besser auch belassen, denn hier erzählt er ein paar Schwänke aus dem Leben und zwar in einem Ton, als könne er uns was beibringen. Echt jetzt, das hat mich so gar nicht vom Hocker gerissen und somit werde ich dieses Buch auch nicht weiterempfehlen.

Schauen Sie sich den Autor lieber in oben genannten Film an, das lohnt sich deutlich mehr

Bewertung vom 31.10.2022
The Great Outdoors - Into the Wild
Sämmer, Markus

The Great Outdoors - Into the Wild


ausgezeichnet

Wilde Gesellen - vom Sturmwind durchweht

Wilde Gesellen - das trifft sowohl auf das Wild als auch auf seine Jäger zu, wenn auch der moderne Waidmann ganz sicher kein Fürst in Lumpen und Loden ist, sondern eher gepflegt auftritt. Denn ganz klar: Wild jagen und zubereiten entspricht definitiv dem Zeitgeist.

Dem Autor Markus Sämmer ist hier ganz klar ein wunderschönes (die Fotos bringen mich zum Schwärmen) Werk gelungen, das weitaus mehr ist als ein Kochbuch, es bietet quasi einen Einstieg in ein Leben - nein, nicht als Wilderer, um Gottes Willen. Als Jäger oder zumindest als jagdaffiner Wildkoch.

Hier wird alles geboten - schlichte und aufwendigere Rezepte, aber mehr noch ausführliche Erläuterungen zum neuen "Wild Life" mit Glossar und allem Zipp und Zapp.

Es ist tatsächlich ein liebevolles Werk. Ich bin keine Jägerin und mag auch nur wenig Wild, aber ich habe einen Heidenrespekt und sehr viel Achtung davor und empfehle, dieses Buch jemandem zu schenken, mit dem man es sehr, sehr gut meint.

Bewertung vom 31.10.2022
Agent Sonja
Macintyre, Ben

Agent Sonja


sehr gut

Die spannendsten Geschichten, die schreibt das Leben selbst

So hatte ich es mir erhofft, fasziniert von Ursula Kuczynski, später Ursula Hamburger, Codename Agent Sonja, noch später, als DDR-Bürgerin Ruth Werner. Eine Frau, die ihrer Zeit - jeder Zeit - weit voraus war und auch ihrem eigenen Mann wie auch wechselnden Liebhabern mit wehenden Fahnen davon lief.

Meine Eltern sind im Krieg aus zwei verschiedenen Ländern des Baltikums geflohen - anders als die hier beschriebene Agentin aus der Sowjetunion, die für sie und ihre Eltern Gefahr und Einschränkung bedeutete.

Nicht so für Ursula Kuczynski, die sich dem Sowjetregime bereits in jungen Jahren als Spionin andiente - als Jüdin, der Bedrohung von seiten der in Deutschland an die Macht gelangten Nationalsozialisten drohte, ist dies nachzuvollziehen. Allerdings war es bei ihr mehr die Abenteuerlust, die sie in die Arme Stalins und seiner Gefolgsleute trieb.

Ein überaus abenteuerliches Leben ist dies. Meiner Ansicht nach hätte der Autor Ben Macintyre noch einiges mehr daraus machen können, bleibt bei ihm doch das eigentliche Wesen seiner Protagonistin wie auch weiterer Akteure im Hintergrund. Es werden einfach nur die Abläufe aneinandergereiht und beschrieben, welches Feuer sie eigentlich nährt, bleibt unerwähnt.

Ich wusste bisher nichts von dieser unkonventionellen, vielschichtigen Frau, kannte einige - eher wenige - ihrer Weggefährten und habe mit großem Gewinn einen neuen überaus individuellen Lebenslauf einer tapferen und mutigen, vor allem aber eigenwilligen Frau kennengelernt. Auf jeden Fall ein Gewinn!

Bewertung vom 30.10.2022
Die Spur der Luchse / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.10
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Die Spur der Luchse / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.10


sehr gut

Schüler, Umweltschützer und Beute
Das alles tummelt bzw. befindet sich im beschaulichen smaländischen Wald - man mag es kaum glauben. Ich liebe Internatkrimis und so war ich entzückt, dass eines meiner schwedischen Lieblingsteams, nämlich das um Ingrid Nyström und Stina Forss, sich mit einem entsprechenden Fall beschäftigen muss. Unter anderem, muss man sagen. Denn eigentlich geht um militante Naturproteste und einiges mehr, in dessen Rahmen es auch Stina, inzwischen in Stockholm ansässig, wieder an die alte Wirkungsstätte verschlägt.

Mitten rein in diese actionreichen Geschehnisse im stillen schwedischen Wald meldet eine schockierte Lehrerin vier Schüler und ihren Kollegen vermisst. Bald findet sich ein einziges Mädchen aus der Vermisstenschar, vollkommen traumatisiert.

Ich liebe diese Reihe, aber ich muss sagen, mir war ganz klar zu viel los in dem Krimi. Zu viele parallele Ereignisse, die nur mittelbar miteinander zu tun hatten und mich mehr und mehr verwirrten. Dann kam noch mehr Verwirrendes innerhalb der einzelnen Erzählstränge hinzu und ich war komplett durcheinander. Natürlich war vieles wieder originell, fast schon zu sehr, und ich habe mich riesig über ein Wiedersehen mit den Protagonisten gefreut. Aber ich muss sagen, ich hoffe sehr, dass es im nächsten Fall wieder deutlich gemütlicher zugeht.

Allzuviel ist ungesund - nicht nur, was Verbrechen angeht. Genauso ist es, wenn Autoren ihre Werke überfrachten!

Bewertung vom 30.10.2022
Der Pfirsichgarten
Fu, Melissa

Der Pfirsichgarten


sehr gut

Meilin kommt aus einer guter Familie von Antiquitätenhändlern und hat aus Liebe geheiratet. Leider kehrt ihr Mann, mit dem ihr eine wundervolle Zukunft bevorstand, nicht aus dem Krieg zurück, sie musste mit Renshu, dem vierjährigen Sohn fliehen.

Zusammen mit der Familie ihres älteren Schwagers Longwei, dessen Frau sie sie stets spüren lässt, dass sie unwillkommen ist, beginnen sie ein neues Leben.

Meilin muss oft ihren Stolz hinter sich lassen, um ihren Sohn über die Runden zu bringen und ihm später sogar ein Studium zu finanzieren. Da sind sie allerdings längst in Taiwan gelandet und schlagen sich meist ohne Longwei und die Seinen durch.

Ein Roman, in dem die Perspektiven wechseln: ist es über die die meiste Zeit Meilins Perspektive, aus der erzählt wird, wechelt sie später auf Renshu, der in die Vereinigten Staaten zum Studium geht und dort zu Henry wird und danach auf dessen Tochter Lily aus seiner Ehe mit der Amerikanerin Rachel. Lily wächst als Amerikanerin mit wenigen Informationen über China auf und sieht ihre Großmutter Meilin nur einmal bei deren Besuch in den Staaten.

Ein Roman, der die starke Zerrissenheit vor allem der mittleren Generation, also von Renshu/Henry verdeutlicht; der zweisprachige Name steht quasi als Sinnbild darüber.

Wie sehr mich der Roman durch die einfühlsame Schilderung seiner Charaktere auch begeistern konnte, für mich blieben die Darstellungen seltsam emotionslos. Oftmals hatte ich das Gefühl als wüsste die Autorin selbst nicht richtig über die Geschichte ihres Vaterlandes, die immer wieder ansgesprochen wird, Bescheid. Das hat mich jedenfalls in höchstem Maße irritiert und meine Begeisterung ein wenig geschmälert.

Bewertung vom 23.10.2022
ministeps: Meine ersten Kuschel-Bilder (Stoff-Leporello)

ministeps: Meine ersten Kuschel-Bilder (Stoff-Leporello)


ausgezeichnet

Freunde von mir, ausgewiesene Leseratten, sind gerade Eltern geworden - das kleine Mädchen soll sich im buchreichen Haushalt gleich wohlfühlen und so habe ich ihr ein Buch ausgesucht, das für Buchfreunde ab 0 Monaten gedacht ist.

Wie erwartet, haben sie und das Buch sich gleich angefreundet. Es ist ein heiteres Buch, das nichts dagegen hat, auch mal angebissen oder in die Waschmaschine gesteckt zu werden!

Bewertung vom 21.10.2022
Die Wut, die bleibt
Fallwickl, Mareike

Die Wut, die bleibt


weniger gut

Helene, Mutter von drei Kindern, davon zwei im Vorschulalter, steht eines Abends vom Esstisch auf und stürzt sich vom Balkon. Übrig bleiben Lola, die älteste Tochter im Teenageralter mit ihren beiden kleinen Brüdern und Johannes, der Vater der Jungs.

Und Sarah. Helenes Freundin seit Kindertagen. Sie hat Helene am längsten gekannt, hat mit ihr zeitweise zusammengelebt, als Lola noch klein war, ist mit ihr durch dick und dünn gegangen. Sie ist freischaffende Autorin, kinderlos, derzeit mit jüngerem Freund, der recht schnell bei ihr eingezogen ist - recht praktisch in Coronazeiten, wenn man den Mann, den man begehrt, gleich im Haus hat.

Wobei ich hier von der Autorin gleich eines auf die Finger bekommen würde, nehme ich mal an: nein, es heißt doch: der Mann den frau begehrt. Denn hier wird gnadenlos gegendert, was so gar nicht mein Ding ist.

Sarah sagt sofort zu, als Johannes sie um Hilfe bittet. Hilfe: das heißt bei ihm: sich alleine und bedingungslos um die Kinder, vor allem um die kleinen Jungs zu kümmern, mit etwas Unterstützung von Lola. Er selbst macht so weiter wie bisher, die Familie sieht ihn kaum. Sarah wird zur Bezugsperson.

Lola, die selbst einige Schlüsselerlebnisse mit Männern bzw. Jungs gehabt hat, macht sich so ihre Gedanken, die sie mit Sarah teilt, die quasi aufgerüttelt wird. Zunächst wehrt sich Lola mitsamt ihren gleichgesinnten Freundinnen - wird sie Sarah überzeugen können?

Keine Frage, die österreichische Autorin Mareike Fallwickl kann schreiben und so hatte ich auch kein Problem damit, ihren Roman schnell zu rezipieren. Doch ich muss gestehen, dass mir nach etwa der Hälfte des Romans Schauer über den Rücken liefen. Und das setzte sich bis zum Ende der Lektüre fort.

Denn hier werden Männer zu Feinden, gegen die Krieg geführt werden muss. Und zwar aus irgendwelchen Gründen alle, die im Roman eine größere Rolle spielen. Männer sind offen für die Bedürfnisse der Frauen, nein, sie tanzen ihnen vielmehr auf der Nase herum. Und hören nicht damit auf, bis sie diese ins Grab bringen.

So die Botschaft, jedenfalls diejenige, die mich erreicht hat. Ich - ein Kind der 1960er - bin entsetzt, bin ich doch in meinem Leben schon so einigen "frauenfreundlichen" Männern begegnet - nicht zuletzt meinem eigenen - und tue es weiterhin. Ich finde nicht, dass ein solches Thema derart einseitig und vor allem mit einer solchen Brutalität behandelt werden sollte. Auch wenn viele offenbar begeistert ist.

Einmal mehr wird deutlich: die Welt ist bunt!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2022
Élises Geheimnis
Druart, Ruth

Élises Geheimnis


ausgezeichnet

Wo komme ich eigentlich her?

Das fragt sich die junge Josephine nicht erst im Jahr 1962, doch nun ist sie in den letzten Zügen mit ihrem Abitur und bevor sie hinaus in die Welt zieht, will sie doch genau erfahren, was sie ausmacht.

Ihre Mutter Élise hat ihr sehr, sehr wenig erzählt und außerdem ist sie immer die ganze Woche unterwegs, Josephine und die gemeinsame Freundin der Familie sind dann auf sich gestellt.

Aber es gibt ja noch Isabel, die deutlich jüngere Schwester der Mutter in Paris. Dort fährt Josephine für ein paar Tage hin und findet Isabel durchaus erzählfreudig vor.

Was sie dann erfährt - das darf ja wohl nicht wahr sein! Eine Geschichte über die Zeit der Deutschen Besatzung von Vichy-Frankreich, die in Paris besonders rigide gehandhabt wurde, mittendrin Élise und irgendso ein Mann - also wirklich!

Josephine beginnt selbst nachzuforschen und landet in England - zunächst zwar nur mit dem Finger auf der Landkarte, doch das ändert sie so schnell wie möglich!

Ein wundervoller, allerdings sehr trauriger historischer Roman über Frankreich im Zweiten Weltkrieg und danach.

Wer alles wissen will und sich nicht scheut vor heftigen Inhalten, der ist hier an der richtigen Adresse. Denn Autorin Ruth Druart lässt nichts aus - aber das tut sie auf eine so gleichermaßen offene wie warmherzige Art und Weise, das ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte!