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Benutzername: 
Igelmanu
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Mülheim

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Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2020
Einhorn kann jeder! / Emmi & Einschwein Bd.1
Böhm, Anna

Einhorn kann jeder! / Emmi & Einschwein Bd.1


ausgezeichnet

»Papas Drache saß an der Seite und versuchte, sich dünn zu machen. Das war sehr rücksichtsvoll von ihm – und völlig hoffnungslos. Er hieß Henk und gehörte zur Sorte der Blauen Drachlinger, was bekanntlich ziemlich große Drachen sind. Und so nahm Henk einen beträchtlichen Teil der Küche ein. Er war so lang wie zwei Sofas – und so dick wie ein Sofa. Das führte immer wieder zu Debatten zwischen Papa und seinem Fabelwesen. Papa fand, dass so ein großer Drache versuchen sollte, nicht auch noch dick zu sein. Henk wiederum war der Meinung, es gäbe nichts Besseres als Gebäck.«

Emmi ist so aufgeregt wie noch nie in ihrem Leben. Ihr 10. Geburtstag, ihr Fabeltag, steht kurz bevor. Und an ihrem Fabeltag wird sie, wie jeder andere Wichtelstädter, ihr Fabeltier bekommen, mit dem sie dann auf Dauer verbunden bleibt. Welches Tier es sein wird, weiß niemand vorher, doch Emmi ist überzeugt, dass sie ihr Leben mit einem zarten, wunderschön anmutigen Einhorn verbringen wird. Tatsächlich hat das Wesen, das ihr am großen Tag in die Arme hopst, ein Horn. Aber zart und anmutig ist nichts an ihm. Emmi ist verzweifelt, denn mit einem pummeligen Einschwein kann sie sich nicht in der Schule sehen lassen. Doch sie wird feststellen, dass Einschwein wirklich etwas Besonderes ist…

Gut, ich gehöre wohl nicht zur Zielgruppe und meine Kinder sind erwachsen. Trotzdem habe ich von Zeit zu Zeit Spaß an einem gut gemachten Kinderbuch. Und dieses hier gehört zu der Sorte.

Wichtelstadt ist eine coole Gegend. Auf den ersten Blick sieht alles so aus, wie bei uns auch. Ganz normale Kinder und Erwachsene, die Kinder gehen zur Schule und die Großen zur Arbeit. Emmis große Schwester beschäftigt sich mit ihrem Smartphone, der kleine Bruder macht Quatsch. So weit, so normal. Aber neben jedem Wichtelstädter sitzt sein Fabeltier, gehört so selbstverständlich zur Gesellschaft, dass neben der Schule eine Landebahn für fliegende Fabeltiere steht und gute Restaurants eine eigene Speisekarte für sie parat haben. Die Fabeltiere sprechen und lesen und haben neben ihren besonderen Fähigkeiten auch jedes seinen eigenen Charakter.

Es gibt massenhaft witzige Szenen und Dialoge. Ich hatte enormen Spaß an der großen Vielfalt der Fabeltiere. Wer jetzt nur mit den „Klassikern“ wie Drache und Einhorn rechnet, wird sich wundern! Die Autorin hat bei der Erschaffung der Wesen und ihrer Fähigkeiten beachtliche Kreativität bewiesen. Ich will hier gar nichts verraten, davon sollte man sich einfach überraschen lassen.

Aber das Buch präsentiert nicht nur heile Wunderwelt. Emmi hat in der Schule gewaltige Probleme, sie ist ein Mobbing-Opfer. Mit einem Einhorn als Fabeltier hofft sie, endlich Akzeptanz und Freunde zu gewinnen. Ihr Selbstbewusstsein leidet natürlich sehr. Ein trauriger Hintergrund, der so manchem Leser bekannt sein dürfte. Nur ohne Einhorn natürlich ;-)

Fazit: Eine rundum gelungene Geschichte, witzig, phantasievoll und mit lustigen Illustrationen. Verdiente 5 Sterne für diesen Auftaktband der Einschwein-Reihe.

Bewertung vom 12.09.2020
Die Fährte des Wolfes / Zack Herry Bd.1
Kallentoft, Mons;Lutteman, Markus

Die Fährte des Wolfes / Zack Herry Bd.1


gut

»Im Konferenzraum ist die Kerntruppe versammelt … Alle sitzen auf ihren Stammplätzen, aber Zack hat das Gefühl, als schauten sie ihn merkwürdig an. Als wüssten sie, was er letzte Nacht getan hat.«

Die Idee dieses Thrillers hatte mich neugierig gemacht: Ein junger Sonderermittler mit dunkler Seite auf der Jagd nach dem Mörder mehrerer brutal hingerichteter thailändischer Frauen. Klingt doch spannend, oder?

Streckenweise war es das auch. Der Typ Ermittler, den Zack Herry verkörpert, ist zwar stereotyp, aber durchaus reizvoll. Während dieser Typus sonst meist ein Alkoholproblem hat, weil er den Verlust von Ehefrau oder Kind nicht verarbeiten kann, sind es bei Zack harte Drogen und die tote Mutter.
Nächtliche Partyexzesse und der beste Freund ist gleichzeitig der Dealer – da sind Konflikte mit dem Polizei-Berufsalltag vorprogrammiert. Trotzdem ist Zack der Top-Ermittler im Team. Inwieweit das realistisch ist, darüber kann man schon spekulieren.

Aber zunächst einmal zum Fall. Vier ermordete thailändische Frauen werden in einem Massagesalon aufgefunden, die Tat wirkt wie eine brutal inszenierte Hinrichtung. Wer steckt dahinter? Ein Frauenhasser? Ein Rassist? Oder liegt ein Fall von Bandenkriminalität vor? Die Ermittler haben gerade die Arbeit aufgenommen, da folgt schon die nächste blutige Tat…

Empfindlich darf man bei diesem Buch nicht sein, die geschilderten Grausamkeiten sind sehr heftig und lassen teilweise die Frage aufkommen, welches menschliche Gehirn sich so etwas einfallen lässt. Wer also sensibel ist, sollte die Finger von diesem Buch lassen!

Freunde von Logik und Realismus (so wie ich) dürften beim Lesen ebenfalls das ein oder andere Problem haben. Ich habe schnell gemerkt, dass der Schwerpunkt hier nicht auf Schlüssigkeit, sondern auf Action gelegt wird. Kann man machen, finden sicher auch viele gut so, aber an einigen Stellen killte der fehlende Realismus bei mir völlig die Spannung. Auch der wohl geplant hochspannende Showdown ging so für mich daneben.

In der Summe lande ich bei 2,5 Sternen, die ich auf freundliche 3 aufrunde. Ich werde der Reihe auch noch eine Chance mit dem 2. Band geben. Das liegt in erster Linie daran, dass ein paar Fragen zu Zack und seinem Umfeld noch offen sind und ich auf Antworten hoffe. Falls die Formel aber erneut „Viel Action, viel Blut, kaum Logik, kaum Realitätsbezug“ lautet, gibt es keinen dritten Versuch.

Fazit: Viel Action, Blut und Grausamkeiten. Dafür fehlen leider Logik und Realitätsbezug.

Bewertung vom 02.09.2020
Beethoven
Meter, Peer

Beethoven


ausgezeichnet

»Dann schloss er die Augen, um im Geiste ganz bei seiner Symphonie zu sein. Es war, als würden tief in seinem Innersten Freude über sein Werk und Schmerz über seine Taubheit miteinander ringen.«

Nachdem mich schon mehrere Graphic Novels von Peer Meter begeistert hatten, wurde ich sofort neugierig, als ich diese hier entdeckte. Auch diesmal konnte mich der Autor in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Rem Broo überzeugen.

Der Ansatz des Buchs ist ungewöhnlich. Hatte ich ursprünglich mit einer Art Biographie gerechnet, wurde ich gleich zu Beginn überrascht. Die Handlung setzt praktisch mit dem Tod Beethovens ein, der zu diesem Zeitpunkt schon als Star verehrt wird. Im Fokus steht dann auch die Gesellschaft Wiens, reichlich bissig richtet Peer Meter den Scheinwerfer auf Tratsch und Reliquienjagd.
Viele „beste Freunde“ und angeblich nahestehende Personen tauchen auf und schildern ergreifende Momente, die sie mit dem Verstorbenen erlebt haben wollen. Der Leser erfährt dadurch natürlich einiges aus Beethovens Leben, erhält kleine Einblicke, staunt über so manche Anekdote. Die Tatsache, dass er in seiner Wiener Zeit in der Stadt fast achtzig Mal umgezogen ist, wird zum Beispiel gleich zu Beginn mit viel Humor dargestellt. Oder der Kult um seine Locken! Unglaublich!
Gleichzeitig wird deutlich, dass es mit den ganzen guten Freunden in der Realität nicht weit her war. Manche schwärmen in höchsten Tönen von dem einmaligen Genie Beethovens, andere lästern und verunglimpfen den Menschen und Komponisten. Offensichtlich ging es ihnen dabei darum, deutlich zu machen, dass sie durch persönliche Erlebnisse zu diesem Urteil befähigt sind. Vielleicht trauerten sie tatsächlich um Beethoven, in erster Linie wollten sie aber ein Stück vom Ruhm abhaben. Dieses Phänomen lässt sich sicher auch auf Stars der jüngeren Zeit übertragen.

Wie immer hat Peer Meter im Vorfeld gut recherchiert, im Anhang geht er darauf ein. Der Leser erhält neben einigen Infos einen interessanten Einblick in die menschliche Natur, alles mit viel Wiener Lokalkolorit und unterhaltsam dargebracht. Die Illustrationen empfand ich als wirklich gelungen, farbenprächtig und ausdrucksstark.

Fazit: Sehr gelungene Graphic Novel, ausdrucksstarke Illustrationen und ein unterhaltsamer, informativer Inhalt. Das Buch werde ich sicher (so wie die anderen des Autors) immer mal wieder zur Hand nehmen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2020
Tödliche Camargue / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.2
Rademacher, Cay

Tödliche Camargue / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.2


sehr gut

»Meine Karriere ist am Arsch. Und ich fahre durch einen Sumpf, um mir den einzigen Fahrradfahrer Frankreichs anzusehen, der bescheuert genug war, sich von einem Ochsen entleiben zu lassen!«

Capitaine Roger Blanc, zwangsversetzt aus Paris, kämpft mit der Gluthitze eines Sommers in der Provence, seiner Ruine von Haus, dem ewig streikenden Auto und einem extrem blutigen Tatort. Ein Kampfstier ist aus seinem Gehege ausgebrochen und hat einen Radfahrer getötet. Ein klarer Unfall, so scheint es jedenfalls für alle außer Blanc. Der glaubt, dass jemand den Stier bewusst freiließ und der Radler, ein prominenter Fernsehmoderator nicht zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort war, sondern einem gezielten Anschlag zum Opfer fiel. Doch wer tut so etwas? Und warum?
Blanc macht sich mit seinen Ermittlungen mal wieder prompt unbeliebt. Jeder halbwegs Verdächtige scheint über gute Verbindungen zu verfügen, Blanc erfährt ordentlich Druck, die Akte soll zügig geschlossen werden. Doch wenn Blanc wühlt, dann richtig. Und stößt dabei auf mehrere alte und ungeklärte Verbrechen, die irgendwie mit dem aktuellen Fall zusammenhängen könnten…

Auch dieser zweite Band der Reihe hat mir wieder gut gefallen. Ich mag Blanc, weil er den Typ von Ermittler verkörpert, den man sich im Idealfall wünscht: In den Fall verbissen ignoriert er sämtliche Versuche von Prominenten, Politikern und sonstigen Personen mit Einfluss, seine Nachforschungen zu unterbinden. Wo andere aus Sorge um ihren Job einknicken, macht er trotzdem weiter. Manchmal heimlich und manchmal mit rechtlich nicht ganz einwandfreien Methoden, immer das Ziel im Blick. Ein schöner Gedanke, wenn jemand „Wichtiges“ es mal nicht schafft, sich Sonderrechte zu erkaufen.

Blancs Team gerät bei diesen Ermittlungen gelegentlich ins Schwitzen. Marius Tonon hat eh ein Alkoholproblem und einen dunklen Fleck in der Vergangenheit, über den niemand spricht, den aber jeder außer Blanc kennt. Kollegin Fabienne ist schon wesentlich cooler und ohne ihre IT-Kenntnisse wäre Blanc aufgeschmissen.

Der Fall wird, wie schon erwähnt, zu mehreren Fällen. Da muss man beim Lesen gut achtgeben, um nicht den Überblick zu verlieren. Zumal es teilweise weit in die Vergangenheit geht, auch die Bereiche Kunst und Politik einschließt. Zusammen mit den wieder tollen Landschaftsbeschreibungen wird eine runde Sache draus.

Fazit: Klasse Ermittler, tolle Landschaft und ein komplexer Fall. Hat wieder Spaß gemacht, ich verfolge die Reihe weiter.

»Wenn ich solche Tricks schon früher gekonnt hätte, dann würde ich immer noch in Paris arbeiten.«
»Wenn du immer noch in Paris wärst, wüsste ich nicht einmal, dass es überhaupt so etwas wie illegale Ermittlungen gibt.«

Bewertung vom 20.08.2020
Mörderischer Mistral / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.1
Rademacher, Cay

Mörderischer Mistral / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.1


sehr gut

»Blanc starrte durch die Windschutzscheibe. Er hatte eine verbrannte Leiche an den Hacken und einen Edith-Piaf-Chansons singenden Kollegen neben sich. Er hoffte, irgendwann aufzuwachen, in seinem Bett in Paris, Geneviève an seiner Seite. Das kann nur ein verrückter Traum sein, sagte er sich, bloß ein Traum, ein Traum, ein Traum, merde.«

Gerade eben noch war Capitaine Roger Blanc ein höchst erfolgreicher Ermittler in Paris und Ehemann einer schönen Frau. Von einer Minute zur anderen muss der fähige Korruptionsermittler feststellen, dass er diesmal wohl jemandem mit reichlich Einfluss zu gefährlich geworden ist. Sein Abstellgleis ist ein kleines Nest in der Provence, hübsch, aber eben mit null Gemeinsamkeiten zu seinem früheren Leben. Zumal seine Frau bei dieser Gelegenheit noch einen Schlussstrich unter die Ehe zog.
Unmittelbar nach Dienstbeginn wird der Capitaine zu einem brutalen Mord gerufen. Sein Vorgesetzter möchte den Fall gerne fix als Auseinandersetzung krimineller Banden aus Marseille abhaken, die Kollegen von dort wären dann zuständig. Doch Blanc hat Zweifel und fängt bei seinen Ermittlungen vor Ort gleich an, sich Freunde zu machen. Als noch ein zweiter Mord geschieht, merkt Blanc, dass ihn das weitere Verfolgen der Spur noch auf ein viel tieferes Abstellgleis bringen kann…

Nachdem ich mit großem Vergnügen die Krimis des Autors rund um Oberinspektor Frank Stave gelesen habe, machte ich mich nun neugierig an den ersten Fall für Capitaine Blanc. Die Provence ist für mich einer der Orte, die ich noch nie gesehen habe. Allerspätestens jetzt, nach der Lektüre, steht sie ziemlich weit oben auf meiner Reise-Wunschliste. Cay Rademacher hat es wirklich raus, Landschaft, Menschen, Speisen und Eigenarten so zu beschreiben, dass ich am liebsten sofort den Koffer packen würde. Abgesehen vom Mistral natürlich ;-)

Blanc ist jemand, dem ich zwar Sympathie entgegenbringe, mit dem ich aber so schnell noch nicht warmgeworden bin. Aber vermutlich ist der Charakter genau so angelegt, Blanc ist einfach niemand, der sich mit anderen Menschen gutstellen will. Er will aufklären, Korruption aufdecken, Verbrecher überführen. Und er schreckt dabei vor keinem einflussreichen Gegenspieler zurück.

Sein Mitstreiter, der ihm zugewiesene Partner, ist da ganz anders. Ein Mann, der ganz offensichtlich neben einem Problem mit zu viel Rosé auch noch ein Bündel charakterlicher Schwächen und/oder einen psychischen Knacks mit sich rumschleppt. Tatkräftige Unterstützung gibt es für Blanc eher von einer jungen IT-Spezialistin. Blancs Vorgesetzter fürchtet sich davor, dass Blanc seiner Karriere schaden könnte, daher agiert er lieber als Bremsklotz. Und das Verhältnis zur Untersuchungsrichterin lässt sich wohl am besten mit dem Wort „kompliziert“ beschreiben.

Die Ermittlungsarbeit fand ich logisch und schlüssig, abgesehen von einem ordentlichen Showdown gen Ende ist der Krimi eher ruhig angelegt. Mir hat das gut gefallen, ich lese gleich mit dem nächsten Band weiter.

Fazit: Gelungener Reihenauftakt. Spannender Krimi mit viel Atmosphäre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2020
Vom Mann, der mit zwei Flaschen Whiskey den Untergang der Titanic überlebte
Milton, Giles

Vom Mann, der mit zwei Flaschen Whiskey den Untergang der Titanic überlebte


ausgezeichnet

»Ich bin schon lange davon überzeugt, dass historische Details bei dem Versuch, die Vergangenheit zu rekonstruieren, von wesentlicher Bedeutung sind. Gerade vermeintliche Nichtigkeiten können größere Ereignisse auf eine Art untermalen, wie es der grobe Pinselstrich meist nicht vermag.«

Einige dieser Details und vermeintlichen Nichtigkeiten stellt der Autor in diesem Buch vor. Der britische Historiker, der sich im Vorwort selbst als „Schatzsucher“ bezeichnet, durchforstet mit großer Leidenschaft Archive, sichtet Briefe und persönliche Dokumente, immer auf der Suche nach den genannten Details, die beim Verständnis der großen Ereignisse helfen können.

Da gibt es beispielsweise Schilderungen aus dem 2. Weltkrieg, die üblicherweise nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stehen und deren Bedeutung sich trotzdem sofort erschließt. Immer drehen sich die Geschichten um einzelne Menschen, manche von ihnen berühmte Persönlichkeiten, von anderen hingegen las ich zum ersten Mal. So begegnet man in loser Folge Hitler, Agatha Christie, Stalin oder Charlie Chaplin, aber auch zum Beispiel dem Mann vom Titel, einem Crewmitglied der Titanic.
Manchmal sind es einfach nur kuriose Ereignisse, die da geschildert werden, manchmal lerne ich aber auch Menschen kennen, die größte Hochachtung verdienen. Manche Berichte gingen ans Herz, andere machten mich wütend. Und was Walter Harris, einem Korrespondenten der Times 1903 in Marokko passierte, hätte sich kein Thriller-Autor besser ausdenken können.

Das Buch liest sich sehr leicht und unterhaltsam, die vielen kurzen Episoden sind perfekt für das Geschichtshäppchen zwischendurch. Mal amüsant, mal spannend oder berührend und immer informativ. Manches klang so phantastisch, dass ich zweifelnd googelte – um dann zu staunen. Im Anhang findet sich aber auch ein umfangreiches Literaturverzeichnis.

Fazit: Lesen und staunen. Diese Geschichtshäppchen sind informativ und unterhaltsam zugleich.

Bewertung vom 17.08.2020
Helle und der Tote im Tivoli / Kommissarin Helle Jespers Bd.1
Arendt, Judith

Helle und der Tote im Tivoli / Kommissarin Helle Jespers Bd.1


gut

»Ein Mann, der durchschnittlicher nicht sein konnte. Der weder geliebt noch gehasst wurde. Nicht einmal von seiner eigenen Frau. Der moralisch einwandfrei gelebt hatte, aber eines grauenvollen Todes hatte sterben müssen.«

Skagen, die nördlichste Stadt von Dänemark. In der kleinen Gemeinde läuft außerhalb der Touristensaison das Leben ruhig ab. Helle Jespers, Leiterin der Polizeistation von Skagen, hat es in ihrem Alltag meist nur mit Dieben und Falschparkern zu tun. Als der ehemalige Gymnasialdirektor grausam ermordet im Tivoli aufgefunden wird, ist es vorbei mit der Ruhe. Dass die Mordkommission von Kopenhagen sich um die Ermittlungen kümmern will, stört Helle wenig. Wer kennt sich in Skagen schließlich besser aus als sie? Schon bald muss sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass der Täter sein blutiges Werk noch nicht vollendet hat.

Ein paar Dinge gefielen mir an diesem Krimi, dem ersten Fall für Helle Jespers, richtig gut. Zum einen die Küstenatmosphäre, die war toll und sehr stimmungsvoll beschreiben. Und dann der Hauptcharakter selbst. Eine Frau in den Wechseljahren, mollig und immer mal wieder übellaunig. Mit anderen Worten: Die berühmte Frau wie du und ich. Man könnte ihr ankreiden, dass sie zu viel trinkt. Allerdings tun das auch viele männliche Charaktere, ohne dass ein Wort darüber verloren wird. Ich fand sie jedenfalls sehr authentisch. Mein zweiter Lieblingscharakter war ihr Mann Bengt, optisch beschrieben als Wikinger, der den Haushalt schmeißt und Helle mit leckeren Dingen bekocht.
Helles Kolleginnen und Kollegen bieten ein Spektrum unterschiedlicher Charaktere, die sich bei der Teamarbeit ergänzen und reiben. Da stimmte eigentlich auch alles.

Was mich nicht so überzeugt hat, war der Täter. Immer wieder werden Abschnitte eingestreut, in denen man seinen Gedanken folgt. Eigentlich eine schöne Sache, aber mir war praktisch sofort klar, in welche Richtung das Ganze steuert. Da wäre eindeutig weniger mehr gewesen! Die Auflösung war letztlich schlüssig, für mich aber auch nicht überraschend.

Fazit: Da ist noch Luft nach oben. Da ich die Ermittlerin sehr mochte, werde ich der Reihe mit dem nächsten Band eine weitere Chance geben.

Bewertung vom 17.08.2020
Bücher öffnen Welten
Thompson, Colin

Bücher öffnen Welten


ausgezeichnet

»Peter folgte den alten Männern in ein großes, verschlossenes Buch. Es war erfüllt von dem Duft von Gewürzen und Erinnerungen.«

Was für ein herrliches Buch! Schon der Einleitungssatz in die Geschichte haute mich um. Eine Bibliothek mit vielen tausend Räumen und allen Büchern, die jemals geschrieben worden sind? Das musste ich sehen!

Bereits der erste Blick ins Regal zeigt den ganz besonderen Zauber dieses Buchs. Die Regale quellen nicht nur über vor lauter Büchern, sie leben auch. Das wird deutlich, wenn abends das Licht ausgeht. Dann öffnen sich auf den Buchrücken Türen und Fenster, winzig kleine Bewohner erscheinen, leben ihr ganz normales Leben.
Der kleine Peter ist einer von ihnen. Zusammen mit seiner Familie lebt er im Regal der Bücher, die mit „Q“ beginnen. Eines nachts entdeckt er, dass ein Buch fehlt: „Für immer leben“ ist spurlos verschwunden. Niemals altern ist ein Gedanke, der Peter gefällt und er macht sich zusammen mit seinem Kater Pixi auf die Suche…

Farbenprächtige Bilder lenken den Blick immer wieder auf winzige Details. In manche Bücher kann man hineinsehen, erkennt Bad, Wohn- und Kinderzimmer. Überall entdeckt man winzige Bewohner und Tiere, kleine Treppen verbinden die Regale, auf denen auch Bäume wachsen. Der Blick nach oben zeigt Wolken, einen Sternenhimmel, einen Heißluftballon mit Einhorn oder die Satellitenschüssel am Wohnbuch. Wie in einem Wimmelbuch lässt sich vermutlich auch beim zigsten Betrachten immer noch etwas Neues entdecken.
Auch die Titel der Bücher machen Spaß. „Robinson Crusoe und Freibier“, „Nicht ohne meine Torte“, „Sofis Geld“ oder Michael Anfangs „Mono“ – hier könnte man ein schönes „Wie-heißt-das-Buch-richtig“-Spiel spielen ;-)

Aber das Buch ist nicht nur lustig, sondern zugleich tiefgründig. Das Schicksal des uralten Kindes ist ein furchtbar trauriges, auch Peter wird nachdenklich und trifft schließlich eine wichtige Entscheidung. Wer sich auf diese phantasievolle Entdeckungsreise einlassen möchte, kann das egal in welchem Alter tun, er wird fündig werden.

Fazit: Wundervoller kleiner Bücherschatz für Leser jeden Alters.

Bewertung vom 11.08.2020
Zorn - Tod um Tod / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.9
Ludwig, Stephan

Zorn - Tod um Tod / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.9


ausgezeichnet

»Sie sollten sich langsam bereitmachen. Sie wissen ja, wie Sie sterben werden.«

Wenn man schon viele Krimis und Thriller gelesen hat, denkt man leicht, dass man von der Brutalität eines Mordes nicht mehr überrascht werden könnte. Stephan Ludwig tritt mit diesem Buch mal wieder den Gegenbeweis an.

Zorn und Schröder ist schnell klar, dass das Motiv des Mörders ein sehr persönliches sein muss, dass aus der Tat blanker Hass spricht. Bei den Ermittlungen stellt Zorn zudem fest, dass er das Opfer kannte und mit ihm Anfang der 1990er Jahre ein ausgesprochen unangenehmes Erlebnis hatte.
Und natürlich wird es nicht bei diesem einen Mord bleiben. Zorn muss in diesem Band mächtig arbeiten. Und wer ihn kennt, der weiß, wie es daher um seine Laune steht.

Thriller gibt es reichlich und Rachestorys ebenso, das Besondere an dieser Reihe sind für mich wirklich die beiden Kultkommissare. Seit Band 1 verfolge ich, wie sich die beiden Charaktere und ihr Verhältnis zueinander entwickeln, ich habe sie wirklich ins Herz geschlossen, genieße ihr Geplänkel und bedauere ihre Streitigkeiten. Obwohl es für die Handlung des Thrillers selbst nicht notwendig wäre, würde ich neuen Lesern deshalb empfehlen, die Reihe vorne zu beginnen.

Der Thriller selbst ist wie gewohnt handwerklich gut aufgebaut. Wechselnde Perspektiven sorgen dafür, dass man als Leser immer ganz nah an der Handlung ist, regelmäßige Rückblenden und eingestreute Tagebucheinträge lassen einen miträtseln. Durch das Zusammenspiel dieser Punkte ahnte ich früh, wohin das Ganze steuert, die Spannung entstand weniger durch überraschende Aktionen, sondern durch die erwarteten Brutalitäten. Die sind wirklich nicht ohne und empfindliche Leser sollten vielleicht besser nach einem anderen Buch schauen.

Fazit: Wieder mal ein Pageturner. Ich erwartete gute Unterhaltung und bekam sie auch. Zum Glück erscheint bald schon der nächste Band!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2020
Wer die Nachtigall stört ... Graphic Novel
Lee, Harper

Wer die Nachtigall stört ... Graphic Novel


ausgezeichnet

»Sie haben es vorher getan, sie haben es heute getan, und sie werden es wieder tun. Und wenn sie’s tun, weinen anscheinend nur Kinder.«

Harper Lees Klassiker gehört seit meiner Jugend zu meinen Lieblingsbüchern. Schon als junges Mädchen bin ich darin versunken und tue es noch heute, denn dieses Buch nehme ich immer mal wieder zur Hand. Für die großartige Verfilmung mit Gregory Peck empfinde ich ähnlich. Als ich entdeckte, dass es eine Umsetzung als Graphic Novel gibt, genügte ein kurzer Blick ins Buch, um mich zu überzeugen, einen Versuch zu wagen. Es hat sich gelohnt!

Die Novel verbindet auf geniale Weise Buch und Film. Die Handlung lehnt sich in ihrer Ausführlichkeit stark am Buch an, es gibt recht viel Text, der meist wörtlich der Buchvorlage entspricht. Die Art der Illustration erinnert mich stark an den Film, ist lebendig und ausdrucksstark. Die wunderbare Atmosphäre wird ebenso intensiv dargestellt wie die Emotionen der Charaktere und die Tragik und Schönheit der Handlung.

Ich hoffe, dass die Novel mithilft, neue Leser für dieses wichtige Buch zu finden. Die Thematik ist (leider) zeitlos wichtig, geht es doch primär um Rassismus, Vorurteile und Klassenunterschiede. In einem kleinen Südstaaten-Nest namens Maycomb wächst in den 1930er Jahre die 8jährige Scout zusammen mit ihrem 4 Jahre älteren Bruder Jem auf. Ihr Vater, Atticus Finch, ist Rechtsanwalt und hat die Aufgabe übernommen, einen jungen Schwarzen zu verteidigen, dem die Vergewaltigung einer Weißen vorgeworfen wird. Die Kinder, die von ihrem idealistischen Vater zu denkenden, vorurteilsfreien Menschen erzogen werden, bekommen nun einen sehr unschönen Blick hinter die Fassade der Bewohner von Maycomb. Sie werden bedroht, geraten sogar in Lebensgefahr und erhalten Hilfe von einer Seite, mit der sie nicht gerechnet hätten.

Fazit: Unbedingt lesen! Dieser Roman ist zeitlos wichtig und in dieser Adaption sehr leicht auch für junge Leser zugänglich.