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Benutzername: 
marakkaram
Wohnort: 
Lingen

Bewertungen

Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 20.02.2018
Flammender Schnee
Manderley, Thomas

Flammender Schnee


gut

"Ja schon. Ich habe den ganzen Tag das Treiben im Dorf beobachtet, vollkommen ungestört. Ich hatte zwar nur wenig Essen dabei, aber ich hab´s mir gut eingeteilt. Langweilig ist es mir jedenfalls nicht geworden."

Als Tobias im Krankenhaus erwacht, kommen die Erinnerungen nur stückchenweise. Der Reporter war auf dem Weg in den Ski-Urlaub, als sein Fahrzeug von der verschneiten Strasse abkam und er bis ins nächste kleine, um nicht zu sagen; fast schon von der Welt abgeschnittene, Dorf laufen musste. Und dort tickten nicht nur die Uhren noch anders, auch die Begrüßung fiel nicht grade gastfreundschaftlich aus. Nur Anna, die Wirtin, kümmert sich um ihn. Aber auch sie rät ihm zu verschwinden. Tobias Reportergeist ist geweckt. Was verbirgt die Dorfgemeinschaft?

~ * ~ * ~ *

Thomas Manderley hat mit "Flammender Schnee" einen soliden, ruhigen Kurzkrimi geschrieben, den man sich gut als E-Book Happen für zwischendurch zu Gemüte führen kann.

Die Geschichte ist nicht neu, dennoch recht interessant und punktet mit einem überraschenden, aber in sich rundem Ende.

Der Weg dorthin ist hier und da vielleicht etwas langatmig, da unser Reporter sich selber gerne reden hört, das hätte ich mir definitiv knackiger gewünscht. Langweilig wird es trotzdem nicht, da man einfach neugierig ist, was in diesem Dörfchen denn eigentlich geschehen ist.

Der Schreibstil von Thomas Manderley ist recht flüssig, aber trotzdem noch ein wenig ausbaufähig (Wiederholungen, Wortwahl, Satzbau etc.). Bei den Charakteren hat er ganz interessante Nebenfiguren geschaffen, wogegen die Hauptprotas ein wenig blass bleiben.

Fazit: Ein solider, ruhiger Krimi, den man als E-Book zum Abschalten für zwischendurch gut lesen kann. Ob es sich lohnt, das Taschenbuch zu kaufen, muss jeder für sich entscheiden. Ich stehe dem Preis-LeistungsVerhältnis bei Kurzgeschichten immer eher kritisch gegenüber und hier fehlt es mir dafür auch ein bisschen an Substanz - also kein "Must have".

Bewertung vom 17.02.2018
Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1
Weigold, Christof

Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1


ausgezeichnet

Für einen Moment sahen wir uns schweigend an. Einer von uns lächelte. Ich war es nicht.

Der erste Fall von Hardy Engel.
Hollywood 1921: Hardy Engel, ein recht erfolgloser deutscher Schauspieler und deswegen auch seit neuestem Privatdetektiv, wird von der ebenso schönen wie mysteriösen Pepper Murphy beauftragt das Starlet Virginia Rappe zu finden.
Als er diese tatsächlich auf einer Party des beliebten und erfolgreichen Komikers Roscoe "Fatty" Arbuckle trifft, befindet sie sich in einem recht desolaten Zustand. Zwei Tage später ist sie tot und Arbuckle wird der Vergewaltigung und des Totschlags beschuldigt.
Der Fall entwickelt sich rasant zu einem der größten Skandale der Stummfilmzeit und droht das aufstrebende Hollywood in den Abgrund zu stürzen.

~ * ~ * ~ *

Perfektes Kopfkino!
Erwartet hatte ich einen netten, kleinen Krimi im Stil der 20iger Jahre - bekommen habe ich einen tiefen Einfblick in das Hollywood der Stummfilmzeit und einen großartig recherchierten Roman, der auf einen wahren Fall basiert.

Wer, wie ich, anfangs denkt, ohje, ein Krimi mit 650 Seiten, der merkt schnell, dass es sehr viel mehr ist als ein Krimi. Es braucht nur ein paar Seiten und man wird förmlich in das Hollywood der 20iger Jahre hineingezogen, in die Anfänge der Studiogiganten, der ersten großen Stars wie Fatty Arbuckle, Buster Keaton und Charlie Chaplin, und daraus resultierend auch der ersten "Yellow Press" des Hearst Konzerns.

Eine überaus faszinierende Welt.

Anfangs lies mich Hardy ein wenig schmunzeln, da er alle Klischees erfüllt und ich immer einen Humphrey Bogart im Trenchcoat vor Augen hatte. Doch er passt hervorragend in das Bild. Mit ihm hat Christof Weigold einen sympathischen Ermittler geschaffen, der sich urplötzlich in einer skrupellosen, machtgierigen Welt wiederfindet und so vollmundig einen Job repräsentiert, in den er erst noch hineinwachsen muss.

Die große Stärke dieses Buches besteht im Flair, in den Charakteren, den Schilderungen - so herrlich lebendig und spannend, das man völlig abtaucht.

Und wenn man sich dann noch ein wenig mehr mit dem Fall beschäftigen möchte (ich hatte zwar irgendwann einmal davon gehört, aber auch nicht wirklich einen Bezug dazu und der Stummfilmzeit gehabt), der wird im Internet schnell fündig (empfehlen kann ich "The Trial of Fatty Arbuckle").
Klar hat sich Christof Weigold ein paar künstlerische Freiheiten herausgenommen, dafür ist es ein Roman, aber die Kernfakten stimmen. Und ich muss sagen, ich habe beim Lesen nicht nur viel über Roscoe Arbuckle recherchiert, sondern mir auch die Highlights der Stummfilmära angeschaut und zum ersten Mal einen Zugang dazu gefunden.

Fazit: Ein großartiger Krimi, dessen Gesamtpaket mich einfach nur begeistert. Ich hoffe, dass ich nicht allzu lange auf den zweiten Fall von Hardy Engel warten muss und bin gespannt, mit welchem Fall er sich beschäftigen wird.
***Lesehighlihgt 2018!***

Bewertung vom 12.02.2018
Intuition ¿ Dein Coach für ein gesundes und glückliches Leben
Meyer, Claudia

Intuition ¿ Dein Coach für ein gesundes und glückliches Leben


sehr gut

Zusammenhänge erkennen und Denkanstösse mit auf den Weg bekommen.

Wer einen Leitfaden sucht, der ihm strikt vorgibt, was er wann und wie essen kann, mit Lebensmittelkunde und Rezepten, der ist hier falsch.
Claudia Meyer geht mit ihrem Ratgeber "Top Gefühle - Top Ernährung" einen anderen Weg. In kurzen, gut gegliederten und vor allem für jeden verständlichen, Kapiteln, stellt sie den Darm, den Säure-Basen-Haushalt und die Arbeitsweise der Lymphen vor. Sie erklärt, was jeder tun kann um den Körper zu entlasten und geht dann auf die Zusammenhänge zwischen Lebensmitteln, Gefühlen, Denken, Schlafen usw. ein.

Sehr interessant: was machen natürlich schlanke Menschen intuitiv richtig und das man mit ein bisschen Aufmerksamkeit seine Darmflora ändern kann.

Vieles ist allgemein bekannt, einiges war mir neu, aber - und das hat mich anfangs etwas irritiert - es sind meist wirklich nur Denkanstösse und man muss sich bei Bedarf selber eingehender mit den entsprechenden Thematiken auseinandersetzen - aber, man erhält einen guten Überblick (Getreide, Milch, Bio, Schlaf usw.) und zum Teil sehr hilfreiche Tipps.

Was mir sehr gut gefallen hat, war die Darstellung der Organuhr in Verbindung mit den Meridianen. Aber auch hier, wer mehr über die Meridiane wissen möchte, muss sich selber weiter schlau machen.
Ganz klar ist, das man sich im Berufsalltag wenig danach richten kann, aber man erkennt wieso, weshalb, warum man sich grad so fühlt, ein Tief hat o.ä. Es liegt an jedem selber, was man daraus macht.

Mich hat Claudia Meyer tatsächlich zum Nachdenken und in gewisser Weise auch zum Umdenken gebracht und das war genau das, was ich mit diesem Buch erreichen wollte.

Was mir persönlich ein wenig gefehlt hat, sind einige Tipps zur praktischen Umsetzung und eine bessere Belegung der Aussagen.

P.S. Wer sich unschlüssig ist, dem kann ich nur die recht ausführliche Leseprobe empfehlen.

Bewertung vom 10.02.2018
Frag mich, wie es für mich war
Heppermann, Christine

Frag mich, wie es für mich war


ausgezeichnet

Er ist mein Rettungsboot. Trotzdem gehe ich unter. Ich öffne den Mund, doch alles was herauskommt sind Luftblasen.

Die 15-jährige Addie ist ein ganz normaler Teenager, gut in der Schule, Star des Cross-Lauf Teams und glücklich mit ihrem Freund Nick. Doch nach ein paar Monaten Beziehung, der Schock: sie ist schwanger. Aber ihre Eltern und Nick stehen hinter ihr und unterstützen sie.
Addie entscheidet sich für einen Abbruch. Der verläuft geplant und unkompliziert und dennoch verändert er ihr Leben. Sie wird stärker, selbstbewusster, reflektierter. Sie möchte auf gar keinen Fall als schwach und zerbrechlich wahrgenommen werden, denn sie weiss genau, es war die richtige Entscheidung.

~ * ~ * ~ *

Was für ein Buch, das ich zwar in einem Rutsch durchgelesen habe, aber dabei immer wieder bestimmte Textstellen in Ruhe wirken lassen musste.

Der Erzählstil von Christine Heppermann ist so ungewöhnlich wie wirkungsvoll und gibt sehr tiefe Einblicke in die Gefühlswelt der 15-jährigen.
Denn Addie erzählt in knappen Tagebucheinträgen, bestehend aus Texten, Dialogen, Gedichten oder auch Mini-Essays wie z.B. Was würde (Jungfrau) Maria tun? Ja, bei allem Ernst der Thematik, verliert sie keineswegs ihren großartigen, sarkastischen Humor.

Die gewählte Form lässt dabei viel Spielraum zum Nach- und Weiterdenken. So schnell lässt einen das Buch nicht wieder aus seinen Fängen.

So kurz und knapp die Abschnitte auch sein mögen, haben sie es in sich. Denn Addie schwärmt nicht oder trieft vor Selbstmitleid, nein, Addie bringt es immer direkt auf den Punkt und das macht das Buch aus und so lesenswert.

S.63 (Dad kann alles reparieren)

Es ist okay, Addie. Alles wird gut.

Wenn ich nur vergessen könnte,
wie er zusammengezuckt ist,

als meine Worte bei ihm ankamen.
Als ob etwas
zerbrochen wäre.

Bewertung vom 10.02.2018
Die Herzen der Männer
Butler, Nickolas

Die Herzen der Männer


sehr gut

"Papa?" "Was denn, Nelson?" Hast Du mich lieb?, möchte der Junge fragen. "Danke für den Orangensaft."

Nelson ist ein Aussenseiter. So sehr ihm das bewusst ist und wehtut, weiss er doch nicht, was er tun müsste, um dies zu ändern. Denn selbst bei den Pfadfindern ist er aussen vor; er schläft alleine in einem Zelt und steht immer als Erster auf, um zum Morgenappell zu blasen, was ihm den Spitznamen "Trompeter" einbringt.

Auch bei seinem Vater findet er keine Liebe und Geborgenheit, der weiss recht wenig mit dem sensiblen Jungen anzufangen. Und so eskaliert die Situation an Nelson´s 13ten Geburtstag beinahe, als er das gesamte Lager eingeladen hat, aber niemand zu seiner Gartenparty erscheint und Nelson zutiefst enttäuscht in Tränen ausbricht. Doch kurz vor dem grossen Knall steht plötzlich Jonathan an der Gartenpforte. Der Junge, zu dem Nelson heimlich aufblickt, bei allen beliebt und zu den Anführern im Camp gehörend.
Hat Nelson in Jonathan tatsächlich einen Freund gefunden....?

~ * ~ * ~ *

"Die Herzen der Männer" umspannt 3 Generationen.
Behutsam und leise erzählt Nickolas Butler von abwesenden Vätern und verlorenen Söhnen, von Müttern und Söhnen, von Männern und Frauen, der Liebe und dem Leben.
Im Mittelpunkt eine Konstante: Das Pfadfinderlager im Wandel der Zeiten.

In seinem Debütroman "Shotgun Lovesongs" hat Nickolas Butler schon mit seinem Erzähltalent überzeugt und ich war sehr gespannt auf seinen neuen Roman.

Sein Schreibstil, sehr ruhig und unaufgeregt, lebt von den Charakteren und ihren Geschichten.
Sein Talent; den Leser mit leisen Tönen und ausgewählten Situationen zu fesseln.

Man kann sie jetzt nicht wirklich vergleichen (und ich sehe so manchen schon leicht die Augen verdrehen), aber sowohl Stephen King als auch Nickolas Butler sind einfach grossartige Erzähler. Man folgt ihnen gebannt; sie fangen das alltägliche miteinander, die Natur der Kleinstädte, das scheinbar Nebensächliche so gekonnt ein, was das Gelesene unheimlich greifbar und die Personen so nahbar macht.

Emotionen brauchen hier keinen großen Auftritt, sie sind einfach da - die ganze Zeit - und manchmal nur schwer zu ertragen. Die Geschichte von Nelson, Jonathan und seinem Sohn mit Familie geht unter die Haut und lässt einen so schnell nicht mehr los.

Fazit: Berührend und sprachlich überzeugend erzählt der Autor von Kindheit, Verlusten, Traurigkeit, Freundschaft, Liebe und die Sprachlosigkeit der Männer.

Bewertung vom 01.02.2018
Die amerikanische Prinzessin
Zijl, Annejet van der

Die amerikanische Prinzessin


ausgezeichnet

Courage all the time - nie den Mut verlieren!

Das ist das Lebensmotto von Alene Tew.
Geboren 1872 und aufgewachsen in Jamestown, einem kleinen amerikanischen Städtchen, erkennt sie schon früh, dass einem alle Türen offenstehen, wenn man nur den Mut und das Vertrauen besitzt, seinen eigenen Weg zu gehen.

"Die amerikanische Prinzessin" ist die wahre Geschichte, über eine junge Frau aus der Provinz, die bis in den Adel aufsteigt.
Was sich so einfach wie der amerikanische Traum anhört, ist ein Leben voller Höhen und Tiefen; gescheiterten Ehen, Weltkriegen, Wirtschaftskrisen usw., aber es ist vor allem auch ein erfülltes, gelebtes Leben. Alene Tew war eine mutige und toughe Frau, sie hat sich nie unterkriegen lassen, das Leben geliebt und ausgekostet was es ihr zu bieten hatte. Bewundernswert.

Annejet van der Zijl ist nicht nur eine beeindruckende Biographie einer faszinierenden Frau gelungen, es fliessen auch ganz wie nebenbei breitgefächert historische Fakten mit ein. Nicht nur die zu erwartende amerikanischen Geschichte, sondern über die Zarenfamilie und Rasputin, bis hin zum niederländischen Königshaus. Das ist mehr als hervoragend recherchiert und gibt dem Roman einen lebendigen, spannenden Rahmen.

Der Schreibstil ist sehr angenehm und wird nicht ständig durch Fussnoten und Anmerkungen unterbrochen, was den Lesefluss ungestört lässt. Alles was man wissen möchte, befindet sich aber selbstverständlich im Anhang.

Im Mittelteil gibt es zudem noch 2 Sektionen mit s/w Fotographien, die einem nicht nur die Familie, Freunde und Verwandte näher bringen, sondern auch die Häuser und Weggefährten ihrer jeweiligen Lebensabschnitte. Das hat mir sehr gefallen.

Man merkt wahrscheinlich, dass mich das Buch absolut begeistert hat. Selten habe ich eine Biographie einer mir völlig unbekannten Person so verschlungen.
Lesehighlight 2018!

Bewertung vom 14.01.2018
Das Leuchten der Erinnerung
Zadoorian, Michael

Das Leuchten der Erinnerung


ausgezeichnet

Ein sehr berührender Roman über eine letzte Reise, die zum Trip in die Erinnerung wird.

Es ist eine Geschichte um große Liebe, das Leben, Familie und all die kleinen und großen Entscheidungen des Lebens - aber es ist auch eine Geschichte über Krankheit, Versprechung und das Alter.

Selten hat mich ein Buch von der ersten Seite an, so stark berührt, ohne auch nur im geringsten rührselig zu sein.
Und das liegt zum größten Teil an Ella; einer absolut patenten, alten Frau, mit ihrer ganz direkten und dennoch warmherzigen Art, ihrem großartigen sarkastischen Humor und einem riesengroßen Herzen. Ella hat sich wirklich schon im ersten Abschnitt in mein Herz geschlichen und sich mit jedem weiteren dort unverwüstlich breit gemacht.

"Wie es scheint, werden wir immer mutiger, je länger die Reise dauert. Das - oder dümmer. Wie auch immer, wir sind hier."

Bei allem Wohlfühlcharakter, zeigt das Buch doch sehr deutlich und ungeschönt, was Demenz aus geliebten Menschen macht und wie schwierig es ist, damit umzugehen. Auch die Angst, der Partner könnte auch einmal vergessen, dass er liebt....

Sehr interessant war für mich auch die Geschichte bzw. der Zerfall der legendären Route 66.

Fazit: Absolutes Lese-Highlight.
Ein bewegender Roman, dem ich jedem ans Herz legen möchte.
Im Januar kommt die Verfilmung mit Helen Mirren und Donald Sutherland in die Kinos. Ich freue mich schon sehr darauf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.12.2017
Die Vergessenen
Sandberg, Ellen

Die Vergessenen


sehr gut

Das Leben hat einen Rückspiegel, und in dem sieht man immer die Eltern.

Vera Mändler und Manolis Lefterig - 2 Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Sie, unterforderte Journalistin eines Frauenmagazins mit gefühlskalter Mutter - Er, Sohn eines griechischen Gastarbeiters, der die Gräueltaten seiner Kindheit -das Massaker an seiner Familie- schon sehr früh an den Jungen weitergibt. Mittlerweile betreibt Manolis ein Autohaus, nebenbei aber ist er immer noch der Mann für alle Fälle, der auch vor Auftragsmord nicht zurückschreckt.

Beide sind auf der Suche nach verschwundenen Patientenakten der Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg aus der Nazizeit.
Denn als Veras Tante nach einem Schlaganfall im Koma liegt, stösst sie auf ein langgehütetes Geheimnis. Was keiner aus der Familie weiss, Kathrin hat 1944 in der Winkelberg-Klinik gearbeitet. Hat sie etwas mit den damaligen Euthanasie-Morden zu tun? Sie muss doch damals auf jeden Fall etwas davon mitbekommen haben. Warum hat sie ihr ganzes Leben lang geschwiegen....

~ * ~ * ~ *

Ich habe mich sehr auf diesen Roman gefreut, da mich die Thematik der Euthanasie in den Heil- und Pflegeanstalten im Dritten Reich sehr interessiert und berührt. Das hat dieses Buch zwar geschafft, es lässt mich dennoch ziemlich zwiegespalten zurück.

Ellen Sandberg ist das Pseudonym einer recht erfolgreichen Krimiautorin. Mit "Die Vergessenen" hat sie sich an eine Familiengeschichte oder besser gesagt: zwei, herangewagt und grade da hat der Roman für mich kleine Schwächen.

Ich glaube, allein die Geschichte um Kathrin und den Arzt Landmann im Romanformat, 250-300 Seiten stark, hätte mich umgehauen und emotional mitgerissen. Man spürt, dass die Autorin sich tiefgreifend mit dem Thema auseinandergesetzt hat und sowohl die Möglichkeiten die jeder damals hatte, die Abwägungen und Gefahren, das mit sich selber ausmachen, was man bereit ist zu riskieren.... sehr glaubhaft rüberbringt.
Die Charaktere wirken lebensecht, greifbar und glaubwürdig.

Zwischenfazit: Die Kerngeschichte ist großartig und lässt mich tiefbewegt zurück.

Probleme hatte ich allerdings mit der etwas bemühten Geschichte drumherum. Das war mir manchmal zu langatmig und einfach too much. Denn mal ganz ehrlich, die schrecklichen Geschehnisse der Vergangenheit und wie weit sie noch in die heutige Zeit reichen, sprechen und wirken für sich, da benötige ich nicht wirklich noch die Familientragödie eines "Assassinen" oder den kleinkriminellen Cousin der Journalistin. Das hat das Ganze etwas überfrachtet und ich fand die ersten 150 Seiten unglaublich zäh.

Hinzu kam, dass mich auch die beiden Hauptfiguren nicht so richtig für sich einnehmen konnten. Sie waren mir weder sympathisch noch unsympathisch, aber ich hatte selten ein klares Bild von ihnen vor Augen. Sie blieben relativ flach. Was sehr schade war, denn die Geschichte von Manolis Vater ist erschütternd und hat viel Potential, nur die Emotionen konnten mich hier über Manolis gespiegelt, nicht so erreichen.

Fazit: Ein Roman mit einer großartigen Kerngeschichte über Schuld, Mitschuld, Rache, Verdrängung und das Vergessen. Eine Geschichte, die berührt und unter die Haut geht. Eingerahmt von einer, für mich persönlich, etwas zu überladenen Rahmenhandlung. Dennoch: lesenswert!