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Ingrid von buchsichten.de
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Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 330 Bewertungen
Bewertung vom 27.02.2020
Rote Kreuze
Filipenko, Sasha

Rote Kreuze


ausgezeichnet

Der Roman „Rote Kreuze“ von Sasha Filipenko spielt am Ende des Jahres 2000. Alexander ist einer der beiden Protagonisten, 30 Jahre alt und hat eine wenige Monate alte Tochter. Er ist von Beruf Fußballschiedsrichter und hat gerade eine Wohnung in Minsk neu angemietet. Auf seiner Wohnungstür ist ein gut sichtbares rotes Kreuz aufgemalt. Beim Versuch, die beiden Striche zu entfernen, begegnet er seiner Nachbarin Tatjana, die sich dazu bekennt, das Kreuz angebracht zu haben, damit es sie nach Hause führt. Sie ist die zweite Hauptfigur des Romans, schon 90 Jahre alt und an Alzheimer erkrankt.

Tatjana besteht darauf, dem jungen Nachbarn ihre Wohnung zu zeigen, von der Alexander überrascht ist und deren Ausstattung Fragen aufwirft. Die beiden kommen ins Gespräch und beginnen damit, über ihr Leben zu erzählen, wobei Alexander dabei zunächst zögerlich ist. Tatjana schildert ihr bewegtes Leben und ihren persönlichen Kampf für ihre kleine Familie in den Jahren der Stalin-Ära und den Jahren nach dem Tod des Diktators. Auch Alexander hat in den letzten Wochen und Monaten für seine kleine Familie gekämpft. Obwohl sich die Geschichten grundlegend unterscheiden, haben beide auch einiges gemeinsam.

Rote Kreuze ziehen sich durch den gesamten Roman, nicht nur in Form des Symbols zur Erinnerung an Alexanders Haustür. Der Titel bezieht sich ebenso auf das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, das im und nach dem Zweiten Weltkrieg Informationen über Verletzte und Kriegsgefangene gesammelt und zur Verfügung gestellt hat. Die Korrespondenz mit dem Komitee spielt eine wichtige Rolle im Buch, Sasha Filipenko hat den Wortlaut von Originaldokumenten in seinen Roman eingebunden, mit ihnen stützt er seine Forderung, die Erinnerung an die Gräuel des vorigen Jahrhunderts in den sozialistischen Sowjetrepubliken aufrecht zu erhalten.

Außerdem erinnern die Kreuze in ihrer übertragenen Form an das Leid, dass beide Protagonisten in ihrem Leben erfahren haben und nun mit sich tragen. In ihren Schicksalen trifft der Respekt gegenüber einer einzelnen Person des modernen Weißrusslands auf die Grausamkeiten des Sowjetregimes in der Mitte des letzten Jahrhunderts, die ein Leben auf gänzlich andere Art gemessen, beurteilt und bewertet hat.

Beiden Protagonisten gemeinsam ist auch, dass sie schwierige Entscheidungen zu treffen hatten. Tatjana hat entsprechend der gegebenen Lage im Geheimen entschieden, weil sie niemandem vertrauen konnte. Alexander, der einen Sinn für Gerechtigkeit hat, die auch in seinem Beruf zum Tragen kommt, hatte zwar die Möglichkeit Informationen und Rat öffentlich einzuholen, doch sein Beschluss wird nicht von jedem gutgeheißen, sondern findet auch kritische Stimmen.

„Rote Kreuze“ ist ein Roman gegen das Vergessen, nicht nur aufgrund der Alzheimererkrankung der Protagonistin Tatjana, sondern es ist ebenfalls ein Aufschrei gegen das kollektive gesellschaftliche Vergessen an die gefühllos veranlassten Repressionen in den sowjetischen Republiken vor einigen Jahrzehnten. Sasha Filipenko schreibt bedrückend und berührend, seine Geschichte bleibt in Erinnerung. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 26.02.2020
Das Haus der Frauen
Colombani, Laëtitia

Das Haus der Frauen


ausgezeichnet

In ihrem Roman „Das Haus der Frauen“ von Laetitia Colombani spielt der „Palais de la Femme“ in Paris eine große Rolle. Die Autorin verbindet aktuelle fiktive Ereignisse mit und der Gründungsgeschichte des Hauses, das real existiert. Das Gebäude wurde in den ersten Jahren nach dem Bau auf unterschiedliche Weise genutzt, doch seit 1926 bietet die Heilsarmee hier in Not geratenen Frauen in heute 630 Zimmern eine Wohnmöglichkeit. Die christliche Freikirche konnte die Kosten für den Erwerb des Hauses und dessen nötiger Renovierung nur mit dem großen Engagement ihres Mitglieds Blanche Peyron aufbringen, die von ihrem Ehegatten mit allen Kräften unterstützt wurde.

Soléne ist 40 Jahre alt und eine erfolgreiche Rechtsanwältin. Sie ist in einer Kanzlei angestellt und dort als pflichtbewusst und ehrgeizig bekannt. Nach einem verstörenden beruflichen Ereignis wird bei ihr Burn-Out diagnostiziert. Als Teil einer Therapie wird ihr ein soziales Engagement empfohlen. So wird sie zur Briefeschreiberin im „Haus der Frauen“. Nach einem holprigen Start gewinnt sie zunehmend das Vertrauen der Bewohnerinnen und ihre Zweifel an der Tätigkeit werden zunehmend mit Anerkennung kompensiert.

Der Roman beginnt mit einem wahren Paukenschlag für Soléne. Ihr Leben ist geprägt von ihrer Arbeit in der Kanzlei, ihre Freizeit ist dadurch stark eingeschränkt. Sie ist überrascht, wie sehr die berufliche Krise sie mitnimmt. Nur zögerlich entscheidet sie sich für ein soziales Engagement. Ihr Auftreten in der ungewohnten Umgebung ist von Unsicherheit geprägt, ein Gefühl, dass sie kaum kennt. Je tiefer sie in die Hintergründe des Aufenthalts der Frauen im „Palast“ eintaucht, die aus ganz unterschiedlichen Gründen hier Unterkunft gefunden haben, desto mehr wird sie genauso wie ich als Leserin davon emotional berührt.

Auch wenn die Geschichten nur fiktiv sind, hat Laetitia Colombani es geschafft, bewegende Lebensläufe zu schildern, die nachdenklich stimmen. Soléne wird dadurch immer mehr deutlich, was wichtig ist im Leben und dass vor allem ein sicherer Aufenthaltsort dazu gehört.

Neben den ergreifenden erdachten Lebensberichten bindet die Autorin die Geschichte der Blanche Peyron in ihren Roman ein, der mich etwa hundert Jahre in die Vergangenheit führte. Blanche ist die tatsächliche Gründerin des Hauses, so wie es bis heute existiert. Als Person war sie mir bisher unbekannt. Sie ist eine starke Persönlichkeit, die zu ihren Lebenseinstellungen steht, sich über Konventionen hinwegsetzt und ihre Ziele unermüdlich mit immer neuem Eifer nachgeht. Mich hat sie als Person stark beeindruckt.

„Das Haus der Frauen“ von Laetita Colombani ist ein großartiger herzerwärmender Roman über die erfolgsgewohnte Anwältin Soléne, die nach einem persönlichen Krise eine ehrenamtliche Tätigkeit im titelgebenden Gebäude in Paris aufnimmt und dort Frauen in problematischen sozialen Situationen kennenlernt, deren Lebensgeschichten emotional tief zu Herzen gehen. Gleichzeitig ist er aber auch eine Würdigung der Lebensleistung der wenig bekannten Blanche Peyron, die eben jenen „Palast der Frauen“ in Paris gegründet hat. Gerne vergebe ich hierzu eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung vom 21.02.2020
Power
Güntner, Verena

Power


ausgezeichnet

Der Roman „Power“ von Verena Güntner handelt von einem Hund, der verschwunden ist. In dem Dorf, in dem das geschehen ist und das an einem Waldrand liegt, ist darüber zunächst nur seine Besitzerin betrübt. Doch das Buch macht seinem Namen alle Ehre, denn „Power“ bildet die treibende Kraft, die die Kinder des Orts schließlich geschlossen dazu bringt, ihn auf eine ungewöhnliche Weise zu suchen.
Kerze, die Protagonistin des Romans, ist elf Jahre alt und damit genauso alt wie Power. Sie lebt allein mit ihrer Mutter, die tagsüber zur Arbeit ist. Ihren gegebenen Versprechen kommt sie immer nach. Sie hat sich ihren Spitznamen gegeben, weil sie Verzweifelten, Enttäuschten und Bedrückten wieder Licht und damit Freude zurück in den Alltag bringen will. Dem Auftrag der älteren Dorfbewohnerin Frau Hitschke, nach ihrem Hund Power zu suchen, kommt sie daher gerne nach. Sie ist selbstbewusst, vorlaut und lebt ihre Rolle als Detektivin streng und übertrieben aus.
Das Ende der Geschichte ist nicht verwunderlich, denn das Ergebnis der Suche wird auf den ersten Seiten vorweggenommen. Dennoch ist die Erzählung bis dahin überraschend. In einem kleinen Ort, in dem jeder jeden kennt mit all seinen Eigenarten, Allüren, Freundschaftsbeziehungen und Abneigungen stehen die Sommerferien an. Für Kerze und die übrigen Kinder ist das eine eher langweilige Zeit. Keiner hat eine Urlaubsreise, der Tag liegt wie ein dunkles Loch vor einem, denn Aktionen in Form von Ferienspielen oder ähnlichen bieten sich hier keine an. Ich kenne das aus meiner eigenen Kindheit auf dem Dorf. Kerze aber bietet mit ihrer Suche eine prima Ablenkung vom Ferienalltagseinerlei. Ganz nebenher tut man auch noch Gutes, wenn man sich der Sache anschließt und einer Ortsbewohnerin vielleicht sogar ihren kleinen Liebling wiederbringen kann. So beginnt es.
Zunehmend übernimmt Kerze die Organisation der Gruppe der Kinder, von denen sich immer mehr der Suche anschließen, und gewinnt dadurch deren Vertrauen. Die Gruppe folgt ihren Anweisungen, aber mit steigender Verantwortung für die Entscheidung über Gerechtigkeit und die Übernahme von Schiedssprüchen ändert sich allmählich ihr Ton. Die Suche wird immer verbissener. Die Ideen von Kerze zum Auffinden des Hunds werden immer abstruser, aber keines der Kinder wagt gegen die Methoden aufzubegehren, der Druck der Gruppe auf Uniformität wächst.
Die Eltern sehen dem Treiben unterdessen tatenlos zu. In der von der Autorin aufgezeigten Welt, in der Erwachsene ihrer Rolle als Vermittler von Werten und Normen kaum nachkommen, testen die Kinder ihre Grenzen bis zum Äußersten aus und die Mütter und Väter rühmen sich ihrer erzieherischen Fähigkeiten und lehnen jede Hilfe ab, die nicht aus diesem Kosmos kommt.
Auf überspitzte Weise zeichnet Verena Güntner in ihrem Roman „Power“ die ungewöhnliche Art eines Zusammenschlusses von Kindern, zunächst mit einem erkennbar guten Sinn, später aber immer mehr aus dem Ruder laufend. Ihre Sprache ist beredt, klar und mit viel feinem Gespür fürs Detail. Die Geschichte regt zum Nachdenken an. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 15.02.2020
Je tiefer das Wasser
Apekina, Katya

Je tiefer das Wasser


ausgezeichnet

Der Roman „Je tiefer das Wasser“ ist das Debüt von Katya Apekina, die heute in Kalifornien lebt. Die Worte auf dem Cover sind hingepinselt, unregelmäßig, wie in Eile geschrieben. Ein Augenpaar schaut mich schräg dazu zwischen den Buchstaben an, viele gesehenen Dinge verbergend und dadurch neugierig machend auf die Geschichte zwischen den Buchdeckeln.

Die 16-jährige Edith, kurz Edie genannt, wohnt mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Mae und ihrer Mutter Marianne in einem Vorort von New Orleans. Eines Tages findet sie ihre Mutter kaum noch bei Bewusstsein vor, weil sie versucht hat, sich umzubringen. Edies Eltern leben seit vielen Jahren getrennt, ihr Vater ist ein bekannter Schriftsteller und wohnt in New York. Nach der Einlieferung von Marianne in die psychiatrische Klinik haben die beiden Schwestern keine andere Möglichkeit als ihrem Vater Dennis in den Norden zu folgen. Während Edie bald schon ihre Freunde vermisst, lebt Mae auf, denn sie fühlt sich von Zwängen befreit.

Katya Apekina kehrt für ihre Erzählung zurück in das Jahr 1997, das eine besondere Bedeutung für Edie und Mae hatte und einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellte. Während Edie über die aktuellen Begebenheiten aus dieser Zeit heraus erzählt, berichtet Mae aus dem Jahr 2012 im Rückblick auf die Ereignisse. Die Autorin lässt ihre Figuren tiefe Emotionen zeigen, dazu nutzt sie zum weiteren Verständnis der Handlungen ihrer Protagonisten verschiedene Perspektiven, um nochmals einen anderen Blickwinkel einzunehmen und dabei vielleicht ein weiteres Hintergrunddetail zu entdecken. Die unterschiedlichen Sichtweisen waren auch wichtig dafür, entgegengesetzte Meinungen nachvollziehen zu können. Hinzu kommen einige originelle Ergänzungen wie Tagebucheinträge, Telefonate und Briefe, die dem Roman eine ganz eigene Form geben.

Obwohl die beiden Schwestern sich sehr nahestehen, sind sie doch recht gegensätzliche Charaktere. Sie lieben sich, aber in anderen Situationen hassen sie sich. Ihre Eltern haben sich getrennt, als Edie vier Jahre alt war. Edie hat noch rudimentäre Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit ihrem Vater. Sie ist selbstbewusst und hat sich in der Schule Anerkennung erarbeitet. Ich konnte ihre Unzufriedenheit gut verstehen. Ihre zynischen Kommentare lassen ihre Frustration erkennen und geben der Erzählung manchmal einen auflockernden Unterton. Während sie sich auf die Seite der Mutter stellt und an deren baldige Genesung und Heimkehr glaubt, freut Mae sich über die Chance, ihren Vater besser kennen zu lernen. Zusätzlich bietet er ihr eine interessante neue Umgebung. Bei ihrer Mutter fühlte sie sich eingeengt, denn sie ist nicht so unternehmenslustig wie ihre Schwester und bekam durch ihre häufige häusliche Anwesenheit oft Aufgaben von Marianne zugeteilt. Äußerlich ähnelt sie ihrer Mutter, die bereits in jungen Jahren maßgeblich den kreativen Schreibprozess des Vaters beeinflusst hat. Mae sieht sich in der gleichen Rolle. Während Edie sich auflehnt und ihre Wut gelegentlich überhandnimmt, wirkt Mai demgegenüber verträumt und zieht sich mitunter in sich selbst zurück.

Katya Apekina erzählt in ihrem Roman „Je tiefer das Wasser“ darüber, wie zwei Töchter die psychische Erkrankung der Mutter auf sehr unterschiedliche Weise verarbeiten. Dabei wird mit anhaltender Krankheit und der damit verbundenen neuen Eindrücke in einer fremden Umgebung die Geschichte immer schmerzhafter für die beiden. Die Autorin hält durch immer neue Wendungen die Erzählung durchgehend interessant und konnte mich mit der besonderen Gestaltung des Romans überzeugen. Er ist tiefgehend und ergreifend, nimmt sensible Themen in den Fokus und stimmt dadurch nachdenklich. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 29.01.2020
Der Trip
Barton, Fiona

Der Trip


ausgezeichnet

Der Thriller „Der Trip“ der Engländerin Fiona Barton ist der dritte Band einer Buchserie bei der die Journalistin Kate Waters von der Daily Post ihre eigenen Wege geht, um zu den Ermittlungen des Teams der Kriminalpolizei, das von Detective Bob Sparks geleitet wird, beizutragen. Der vorliegende Fall handelt von zwei jungen Frauen aus Winchester, die direkt nach ihrem Schulabschluss auf einen Backpacking-Trip nach Thailand reisen.
Die Erzählung beginnt im Juli 2014, nicht ganz eineinhalb Jahre nach dem Epilog des vorigen Teils „The Child“. Es wird an einigen Stellen während der aktuellen Fallermittlungen zwar auf die bisherige Zusammenarbeit von Bob Sparkes und Kate Waters hingewiesen und ein paar Details erwähnt, aber Vorkenntnisse der ersten beiden Bände sind nicht erforderlich, um den Geschehnissen mühelos folgen zu können. Wie bisher versucht Kate als Journalistin wieder, die Erste zu sein, die mit den Betroffenen der Opfer spricht und daraufhin ihre Story schreibt.
Fiona Barton erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven in denen sie verschiedene Protagonisten in den Mittelpunkt rückt. Die Titel der Kapitel geben an, welche Person jeweils im Fokus steht. Zum ersten Mal in der Serie übernimmt dabei Kate die Ich-Perspektive. Bob als „Der Polizist“ und Lesley O’Connor, deren Tochter Alex sich den Thailandtrip gewünscht hat, als „Die Mutter“ sind weitere Hauptfiguren. Parallel dazu schiebt die Autorin Kapitel ein, die in Bangkok spielen und in denen sie die Geschichte der beiden jungen Frauen erzählt ab ihrer Ankunft in der Thailändischen Hauptstadt. Auf diese Weise erfuhr ich zunehmend mehr über die Freundschaft von Alex und Rosie zueinander, ihren Vorstellungen über ihren Aufenthalt und ihren neuen Freunden vor Ort. Der Erzählstrang gibt Hintergrundinformationen, die das Bild des Verbrechens später abrunden werden.
Die Ermittlungen von England aus, die versuchen den Fall im fernen Thailand aufzuklären, gestalten sich mühevoll, denn Bangkok zeigt seine quirlige und undurchschaubare Seite. Daneben baut Fiona Barton einige parallele Nebenschauplätze ein, deren Handlungen aber nicht zur Aufklärung des Falls beitragen und dadurch leider zu ein paar Längen führen. Nach einem ruhigen Beginn des Thrillers steigert sich die Spannung zwar zunehmend, wird aber immer wieder leicht ausgebremst durch die Einschübe der täglichen Ereignisse rund um die beiden Freundinnen. Zwar konnte ich die Sorge der beiden Elternpaare nachvollziehen, jedoch wurden mir die Figuren nicht wirklich sympathisch. Ich fand den Thriller nicht ganz so mitreißend wie die beiden vorigen Teile der Serie.
Die Autorin thematisiert die Rolle der Eltern bei der Erziehung, bei der mit zunehmendem Alter der Kinder das Vertrauen zueinander immer wichtiger wird. Auch die Rolle der Sozialen Medien und die Wirkung von öffentlichen Postings wird gezeigt, wobei sie eine wichtige Funktion im Rahmen einer Fallermittlung einnehmen können. In jedem der Fälle der vorliegenden Serie habe ich einiges über investigativen Journalismus erfahren, so auch hier. Aber diesmal konnte mir Kate als Ich-Erzählerin auch ihre Gefühle vermitteln, die sie als Journalistin an vorderster Front des Falls empfindet. Ich konnte ihren Zwiespalt spüren zwischen Mutterrolle und ihrer der Wahrheit verpflichteten Arbeit.
„Der Trip“ von Fiona Barton ist mehr als ein Thriller, der nur eine Tatermittlung beschreibt. Die Autorin versteht es, aktuelle Themen in die Ereignisse einzubinden. Auch deshalb ist das Buch lesenswert. Eltern werden ihre Ängste um ihre heranwachsenden Kinder wiedererkennen. Die Frage, ob man anders unterstützend hätte tätig werden müssen, steht im Raum und stimmt nachdenklich. Gerne empfehle ich ihn an Fans von Thrillern und Krimis weiter.

Bewertung vom 29.01.2020
Robin und Lark
Ohlin, Alix

Robin und Lark


ausgezeichnet

Der Roman „Robin und Lark“ der gebürtigen Kanadierin Alix Ohlin erzählt die Geschichte der beiden titelgebenden Schwestern. Das Cover vermittelte mir den Eindruck, dass die Schwestern sich gegenseitigen Halt bieten und dennoch ein Vertrauen zueinander besteht, das es ermöglicht sich ohne vorherige Erklärung voneinander lösen zu können, ohne dabei im übertragenen Sinne tief zu fallen.
Die Geschichte spielt zwischen zwei Staaten, einerseits im Süden Kanadas und andererseits im Westen der USA. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel, wobei das erste den Titel „Davor“ trägt. Nicht nur die Betitelung warf die Frage danach auf, vor welcher Begebenheit sich das Geschehen ereignen wird, sondern auch der erste Satz weckte meine Neugier, denn darin erwähnt Lark als Ich-Erzählerin des gesamten Romans, dass Robin und sie in die Lebensgeschichte von Scottie verbandelt sind. Wer Scottie ist, erfuhr ich erst am Ende des Buchs.

Lark ist vier Jahre älter als Robin, die beiden haben verschiedene Väter. Weil ihre Mutter Marianne nach dem frühen Tod von Robins Vater alleinerziehend ist und dabei berufstätig bleibt, sind die beiden Mädchen schon als Kinder stundenweise allein zu Hause. Lark schlüpft als Ältere dabei in eine beschützende Rolle. Ihre Bindung zueinander wächst, doch mit zunehmendem Alter gehen die Interessen der Mädchen immer weiter auseinander. Während Lark sehr gute Noten in der Schule erhält und einem Studium in den USA entgegenstrebt, entdeckt Robin die Musik für sich. Ihre Begabung im Klavierspiel wird entdeckt. Noch einmal finden die beiden Halt beim anderen, bis ihre Wege sich scheinbar endgültig trennen.

Alix Ohlin hat den Charakter ihrer beiden Protagonistinnen sehr gut ausformuliert. Sie lässt Lark die Geschehnisse als Erwachsene im Rückblick erzählen und schaut dabei auf die Zusammenhänge, warum ihre Lebensgeschichten sich so unterschiedlich entwickelt haben. Eine entscheidende Rolle, die die beiden Frauen geprägt hat, ist ihre Mutter, die die ihr in den 1970ern Jahren gesellschaftlich üblichen zugedachten Mutterrolle nicht akzeptiert und sich in verschiedenen Berufen ausprobiert. Aufgrund einer Reisetätigkeit ist sie später immer weniger Zuhause. Ihre mütterliche Liebe äußert sich eher ungewöhnlich mit sarkastischen und groben Antworten auf Fragen ihrer Kinder. Mit wechselnden Partnern ihrer Mutter lernen Robin und Lark umzugehen. Bindungsfähigkeit entwickeln beide auf ganz verschiedene Weise.

Während Lark durch ihren Schulfleiß auffällt und gern die stille Beobachterin bleibt, ist Robin eigenwillig, ohne scheu und findet daher schnell Freundschaften. Jedoch ist es schwierig, ihr uneingeschränktes Vertrauen zu erhalten. Einfühlsam lässt die Autorin Lark als Erzählerin ihre Gefühle beschreiben: bei der Loslösung von ihrer Familie, beim ersten Date, beim Auszug zum Studium, bei der Entdeckung ihrer Berufung und dem Eintauchen in eine neue künstlerische Welt bis hin zu einem geheimen Wunsch. Ihre Empfindungen über Entscheidungen, die Robin für sich selbst trifft, prägen Lark. Jeder Schritt war für mich durch die geschilderten Begründungen nachvollziehbar. Immer wieder überraschte mich Alix Ohlin mit neuen unvorhergesehenen Wendungen.

„Robin und Lark“ ist ein bewegender und nachhallender Roman über zwei Schwestern, die auf ihre je eigene Weise einen Weg zur Selbstverwirklichung finden. Es ist aber auch ein Roman über die Mutterrolle, dem Suchen nach wahrer Liebe und dem Wunsch nach Anerkennung für die eigene Fähigkeiten. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 29.01.2020
Die Reisenden
Porter, Regina

Die Reisenden


ausgezeichnet

In ihrem Debütroman „Die Reisenden“ schreibt die US-Amerikanerin Regina Porter über zwei Familien, die auf ihre Weise das Lebensgefühl des Landes von den 1950ern bis 2010 wiederspiegeln. Protagonisten der Geschichte sind Rufus und Claudia und ihre Eltern, aber auch viele weitere Bekannte, Freunde, Familienangehörige und Geliebte.

Der Roman beginnt im Jahr 2009. Rufus und Claudia führen eine gemischtrassige Ehe und haben zwei Kinder im Kindergartenalter. James Samuel Vincent ist der Vater von Rufus, geschieden und wieder neu verheiratet. Claudia Mutter Agnes hat in den 1960ern ein traumatisierendes Ereignis gehabt, aufgrund dessen sie sich von ihrem damaligen Freund trennte, wenig später Eddie traf und heiratete. Beverly ist Claudias Schwester, hat vier Kinder und übernimmt in einigen Kapiteln die Erzählerrolle. Der inzwischen verstorbene Vater der beiden verpflichtete sich nach seiner Hochzeit zur Navy und wurde im Vietnamkrieg auf einem Flugzeugträger eingesetzt.

Eddie litt unter den Rassenspannungen auf dem Schiff sowie den Kampfangriffen und deren Auswirkungen und lenkte seine Gedanken und Gefühle mit Lesen ab. Der Text des komödiantischen Schauspiels „Rosenkrantz und Güldenstern“ von Tom Stoppard begleitet ihn schließlich überall hin. Mit seinen Kindern spielte er den Inhalt später häufig nach. Wie Rosenkrantz und Güldenstern sind die Figuren in diesem Roman Reisende, die arglos sind im Spiel der politischen Gegebenheiten. Das Foto auf dem Cover ist nicht das Einzige, das die Erzählung unterstützt, sondern es finden sich zu Beginn jeden Kapitels wie auch im Text von der Autorin ausgesuchte illustrierende Bilder in schwarz-weiß.

Regina Porter nimmt sich Zeit für jede ihrer Charaktere. In den Kapiteln fokussiert sie auf jeweils eine Figur. Sie beschreibt einen Lebensabschnitt der im Mittelpunkt stehenden Person, der als solcher mit einer Kurzgeschichte vergleichbar ist. Die erzählten Situationen stattet sie mit etlichen weiteren Personen aus, von denen viele in anderen Szenerien wieder eine kleine Rolle übernehmen. Das ist nicht immer einfach nachzuvollziehen, hilfreich dabei ist eine Übersicht im Buch, die die Querverbindungen der Charaktere untereinander visualisiert.

Über den Kapiteln findet sich ein Zeitrahmen, in den man das Geschehen einordnen kann, denn die Autorin blickt zurück, sieht nach vorn und schildert aktuelle Ereignisse des Jahrs 2010, wobei sie die Szenarien immer umrahmt mit geschichtlich bedeutenden und kulturellen Begebenheiten, gleich in welcher Zeit. Sie erzählt abwechslungsreich und ändert dabei auch die Erzählform. Ihre Figuren sind vielschichtig, lernen aus ihrem Verhalten und entwickeln sich dadurch weiter. Sie sind weiß, farbig, gemischtrassig, alt, jung und verschieden sexuell orientiert. Sie haben ihre Ängste und Sorgen, doch viele sind neugierig auf das Leben und getrieben, das beste für sich daraus zu schöpfen.

Regina Porter zeigt in ihrem bunt gestalteten Roman „Die Reisenden“, dass wir einfach alle Menschen sind, nicht perfekt, sondern mit Fehlern und gleich welcher Hautfarbe, welchen Alters oder Orientierung und das wir sehr unterschiedliche Gefühle, Erwartungen und Wünsche haben, die nach Respekt und Anerkennung verlangen. Ein großartiges, vielgestaltiges Buch, das ich gerne empfehle.

Bewertung vom 24.01.2020
Eine fast perfekte Welt
Agus, Milena

Eine fast perfekte Welt


ausgezeichnet

Der Roman „Eine fast perfekte Welt“ der Italienerin Milena Agus ist eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg. Ester, ihre Tochter Felicita und ihr Enkelsohn Gregorio sind die Figuren, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. „Eine fast perfekte Welt“ ist es, in der sie leben und nach ihrem jeweils eigenen Traum vom Glück suchen.

Raffaele, der Verlobte von Ester, kehrt nach seinem Einsatz bei der Marine im Krieg und seiner Gefangenschaft äußerlich stark verändert in sein Dorf auf Sizilien zurück. Doch Ester hält zu ihm und als seine Frau begleitet sie ihn nach Genua, später nach Mailand, weil er dort Arbeit findet. Ihre gemeinsame Tochter Felicita freut sich über den Beschluss, zurück nach Sizilien zu ziehen. Jahre später sucht sie sich eine Wohnung in Cagliari, um ihren Sohn ohne Einmischung vom Rest der Familie zu erziehen. Felicita liebt die multikulturelle Gesellschaft und die Nähe zum Meer. Gregorio hat musikalisches Talent und die enge Wohnung seiner Mutter bietet ihm wenig Möglichkeit zum Üben. Er erhofft sich sein Glück jenseits des Ozeans in New York.

Ester nimmt ihre Mutter als unglücklich wahr. Die Arbeit ist hart und eintönig und Ester äußert sich mehrfach gegenüber ihrem Verlobten, dass sie nicht weiß, aus welchem Grund man in dem kleinen Ort auf Sizilien leben sollte. Doch als sie in Genua lebt, erkennt sie, dass auch hier wieder etwas zu ihrem persönlichen Glück fehlt. Milena Agus zeigt in ihrem Roman, dass Zufriedenheit schwierig zu erreichen ist. Immer neue Erwartungen und Vorstellungen von einem noch perfekteren Ort finden wir dort, wo wir mit neuen Eindrücken konfrontiert werden. Im Hintergrund steht die Frage, woran wir unser Glück messen können und wie weit wir bereit sind zu gehen, um unsere Selbstverwirklichung umzusetzen.

Die Autorin nennt keine Jahreszahlen, doch die zeitliche Einordnung kann anhand des Alters der Charaktere erfolgen. Die Kapitel des Romans sind meist ziemlich kurz. Manchmal hätte ich mir gewünscht, mehr über einen einzelnen Charakter zu erfahren. Die Figuren sind interessant gestaltet, doch ich empfand es als eher unrealistisch, dass mehrfach kindliche Einzelgänger einen bei Gleichaltrigen angesehenen besten Freund haben, von dem sie in Schutz genommen werden, weil das leider relativ selten anzutreffen ist.

Der Grundton des Romans ist melancholisch, die Schicksale sind bewegend. Die Autorin verdeutlicht unterschiedliche Meinungen und zeigt, dass das Handeln einer Person, die von ihrem Tun überzeugt ist, von einer anderen als Fehler angesehen werden kann.

Milena Agus widmet sich der großen Frage unseres Lebens danach, wer wir sein wollen. Sie schafft es, mit einer schlichten Sprache starke Gefühle auszudrücken. „Eine fast perfekte Welt“ bringt zum Ausdruck, dass unser Glück so vielseitig sein kann, dass es sich für jeden auf eine andere Weise ausdrückt und daher auch auf unterschiedlichste Arten erreicht werden kann. Der Roman lässt Raum zum Hoffen und Träumen, ich empfehle ihn gerne weiter.

Bewertung vom 18.11.2019
Rachs Rezepte für jeden Tag
Rach, Christian

Rachs Rezepte für jeden Tag


ausgezeichnet

Das Buch „Rachs Rezepte für jeden Tag“ von Christian Rach und seiner Co-Autorin Susanne Walter trägt den Untertitel „Große Küche für kleines Geld“, daher erwartete ich von den beinhalteten Rezepten eine einfache Umsetzung im Alltag mit Lebensmitteln, die ich auch in Märkten in der Kleinstadt erhalte, in der ich wohne.

Nach einem kurzen Vorwort mit der Erklärung des Autors zu seinem Motto „Kochen ist einfach und macht Spaß“ werden auf einer Doppelseite die häufigsten benötigten Utensilien und auf einer weiteren die wichtigsten Kräuter gezeigt. Da ich mit beidem bestens ausgestattet bin, freute ich mich auf die nun folgenden Rezepte. In der Inhaltsübersicht sind die Kapitel Salate, Suppen & Eintöpfe, Gemüse, Ofengerichte, Nudeln und Reis, Fisch und Meeresfrüchte, Geflügel und Fleisch sowie Süßes und Dessert aufgelistet.

Jedem Gericht ist eine Doppelseite gewidmet auf der die Zutaten und die Kochanleitung aufgeführt wird, begleitet mit einem großformatigen, einseitigen Foto des zubereiteten Rezepts. Auf einer grauen Steinplatte wird das Gericht auf den Fotos von Wolfgang Schardt jeweils auf einem neutralen hellen Teller, in der Pfanne oder dem Backofenblech gezeigt. Vor diesem schlichten Hintergrund leuchteten mir vor allem die Gemüse- und Kräuterfarben entgegen. Das sieht sehr appetitlich aus und fordert zum Nachkochen auf. Grundrezepte über verschiedene Brühen und Saucen werden nicht in der Anleitung beschrieben, sondern finden sich mit Verweis in einem eigenen Kapitel am Schluss des Buchs.

Der Überschrift folgt ein kurzer Einwurf, in welcher Richtung das Rezept einzuordnen ist wie beispielsweise, ob es würzig-frisch oder deftig, herbstlich oder frühlingsfrisch, mediterran oder asiatisch ist. In einem Kasten links von der Zubereitungsanleitung finden sich die nützlichen Hinweise auf die Zubereitungszeit, die Kilokalorienzahl, die Menge der Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate sowie die Angabe darüber, für wie viele Personen das Gericht geeignet ist. Darunter werden die Zutaten im Einzelnen mit Mengenangaben aufgelistet. Bei Zubereitungen im Backofen steht in der Anleitung die Temperatureinstellung für den Elektroherd mit Ober- und Unterhitze. Auf der letzten Seite des Buchs findet sich der Hinweis, dass weitere Temperaturangaben der Gebrauchsanweisung des eigenen Herds entnommen werden sollen.

Die Zubereitungszeit der Hauptgerichte liegt bei einer Stunde, meistens deutlich darunter, viele Gerichte sind schon nach einer halben Stunde fertiggestellt. Gelegentlich greift Christian Rach zur Vereinfachung auch mal zum fertigen Flammkuchen oder Strudelteig. Beim Durchblättern konnte ich mich davon überzeugen, dass fast alle Zutaten handelsüblich zu erhalten sind beziehungsweise die benötigten Kräuter in meinem Gärtchen wachsen.

Mir ist beim Durchblättern aufgefallen, dass das Buch viele vegetarische Gerichte, mit Ausnahme natürlich in den Kapiteln Fisch und Fleisch, enthält, was ich sehr gut finde. Ich habe verschiedene Rezepte aus „Rachs Rezepte für jeden Tag“ ausprobiert: eine Kürbissuppe mit Flammkuchen, eine Ofendorade mit Kartoffeln, Salat und Zitronen-Kräuter-Vinaigrette sowie ein Bananen-Zimt-Quark. Alles ließ sich nach der jeweiligen Anleitung problemlos zubereiten und das fertige Gericht sah vergleichbar so aus wie auf dem Foto im Buch. Auch die Zubereitungszeit passte jedes Mal ungefähr. Es hat mir und meiner Familie sehr gut geschmeckt und daher empfehle ich das Buch gerne weiter. Einige Rezepte habe ich mir bereits markiert, um bald schon die benötigten Lebensmittel einzukaufen und weitere leckere Gerichte von Christian Rach zuzubereiten.

Bewertung vom 11.10.2019
Der größte Spaß, den wir je hatten
Lombardo, Claire

Der größte Spaß, den wir je hatten


ausgezeichnet

In ihrem Debütroman „Der größte Spaß, den wir je hatten“ schreibt die US-Amerikanerin Claire Lombardo über das fiktive ältere Ehepaar David und Marilyn Sorenson und ihre vier Kinder. Der Roman spielt in der Gegenwart und beginnt im Frühjahr des Jahrs 2016. Ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich die Geschichte weiter über ein ganzes Jahr und mehr hinweg. Immer wieder wird die Erzählung durch längere Rückblicke unterbrochen, einen ersten Blick auf die Vergangenheit gibt es bereits im Prolog.

David und Marilyn sind beide über 60 Jahre alt, seit 39 Jahren verheiratet und wohnen in Chicago. Ihre vier Töchter sind inzwischen erwachsen und ausgezogen. Wendy ist die Älteste und wurde noch im gleichen Jahr geboren, in dem ihre Eltern geheiratet habe. Ihre Schwester Violet ist kein ganzes Jahr jünger als sie. Beide wohnen noch in der Stadt genauso wie Liza, die mit einem zeitlichen Abstand von sechs Jahren zu ihrer ältesten Schwester geboren wurde. Erst etwa zehn Jahre nach ihr kam dann Grace zur Welt, die inzwischen in Portland wohnt.

Neben Wendy, die schon einige Verluste in ihrem Leben hinnehmen musste, haben auch die übrigen Geschwister ihre Last zu tragen und jede genießt glückliche Zeiten. Die große Liebe ihrer Eltern ist ihnen immer ein Vorbild, doch es ist schwierig, sie im gleichen Maß zu erreichen. Jonah ist das große Geheimnis von Violet, sie hat ihn nach der Geburt vor 15 Jahren zur Adoption freigegeben. Der Roman erzählt im Folgenden, wie es dazu kam, warum er jetzt wieder Kontakt zur Familie hat und wie die einzelnen Familienmitglieder mit seinem Erscheinen umgehen.

In ihrem Roman schreibt Claire Lombardo über alltägliche Situationen, in denen jeder ihrer Leser sich bestimmt irgendwo wiederfindet. Ihre Geschichte fokussiert auf den einzelnen Charakteren. Die Geschwister beschreibt sie mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, was den Roman abwechslungsreich gestaltet. Vor allem im Austausch zwischen Wendy und Violet stehen sich immer wieder sehr verschieden Ansichten gegenüber.

David und Marilyn haben einander immer respektvoll behandelt und sind fast immer offen mit ihren Meinungen umgegangen. Dennoch sind sie gemeinsam über viele Höhen und durch viele Tiefen gegangen. Sicher wurde ihr Leben dadurch erleichtert, dass es zwar Zeiten gab, in denen ihr Budget gering war, dennoch haben sie immer auf die Unterstützung ihrer Eltern setzen können und später hat David als Arzt sehr gut verdient. Für ihre Kinder sind die beiden der Fels in der Brandung, sie bieten ihnen jederzeit eine Schulter zum Anlehnen. Was sich zunächst nach einer beneidenswerten Basis und Vertrauen anhört, stellt sich wie in der Realität als schwierig dar, weil jede Person unterschiedliche Vorstellungen davon hat, wie viel Privatheit er benötigt und wie viel Nähe er zulassen will. So ist es auch für David und Marilyn eine Gradwanderung, herauszufinden, in welchem Maße jede ihrer Töchter Zuwendung benötigt und zwar nicht nur als Kind, sondern auch im erwachsenen Alter.

Claire Lombardo ist mit „Der größte Spaß, den wir je hatten“ ein wunderbarer, mich begeisternder Roman gelungen, der einfühlsam beschreibt, wie ein Ehepaar über viele gemeinsame Jahre hinweg Sorgen um und Probleme mit ihren vier sehr unterschiedlichen Töchtern meistert, die inzwischen als Erwachsene ihren eigenen Weg gehen und dabei auf ihre Weise mehr oder weniger eigene Lösungen für ihre Schwierigkeiten finden. Die Autorin gewährte mir als Leserin tiefe Einblicke in die jeweiligen Liebesbeziehungen und ließ mich an den kleinen Scharmützeln unter den Familienmitgliedern teilhaben. Unerwartete Wendungen und einige Geheimnisse gestalten den Roman abwechslungsreich. Sehr gerne vergebe ich hierzu eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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