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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 883 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2018
Die Eifelhexe
Kleiber, Katja

Die Eifelhexe


sehr gut

Antweiler/Adenau. Die 36-jährige Unternehmensberaterin Ella Dorn hat nach einem Burn-out Frankfurt den Rücken gekehrt und genießt seit zwei Jahren das Leben in einem alten, abgeschieden gelegenen Forsthaus in der Nähe von Antweiler. Ella beschäftigt sich intensiv mit Kräuterheilkunde und hat sich mit dem Aufspüren von Erdstrahlen und Wasseradern mittels Wünschelrute bereits einen Namen in der Umgebung gemacht. Als der Lokalpolitiker und Vorsitzende des Jagdvereins Wolfgang Leyendecker ermordet aufgefunden wird, gerät Ella in das Visier der polizeilichen Ermittler. Sowohl ihr Wissen in Kräuterkunde – Leyendecker wurde mit einer Überdosis Digitalis vergiftet – als auch die Tatsache, dass sie anfangs den Besuch bei Leyendecker am Abend seines Todes leugnet, lassen Ella äußert verdächtig erscheinen. Um ihre Unschuld zu beweisen, stellt Ella eigene Nachforschungen an…

Katja Kleiber versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil ausgezeichnet, den Leser in den Bann ihrer Geschichte zu ziehen. Schnell war ich mittendrin im Geschehen und hatte schon nach kurzer Zeit das Gefühl, mit allen Akteuren gut vertraut zu sein.

Neben der sympathischen Ella schickt die Autorin den Dorfpolizisten Peter Claes und die ehrgeizige Tanja Marx von der Kriminaldirektion Trier ins Rennen. Obwohl sich Hobbydetektivin und offizielle Ermittler sehr bemühen, scheint eine rasche Aufklärung des Falls lange Zeit unwahrscheinlich, denn Verdächtige haben Alibis und hoffnungsvolle Hinweise verlaufen im Sande – bis Ella beim Bäcker einen Tipp erhält, der sie auf die richtige Spur bringt…

Katja Kleiber kann mit einer großen Portion Lokalkolorit punkten. Ausführlich werden die Landschaft und die beeindruckende Natur beschrieben, so dass man sich ein gutes Bild von der Gegend machen kann. Die Autorin hebt die Besonderheiten des Landstrichs hervor und lässt zudem lokale Begebenheiten sowie Probleme der Region in die Handlung einfließen, indem sie die unterschiedlichen Interessen von Umweltschützern, Jägern und Landwirtschaft in den Mittelpunkt rückt und dabei auf Themen wie den Natur- und Artenschutz und die Flurbereinigung eingeht.

„Die Eifelhexe“ hat mir sehr gut gefallen. Die Krimihandlung kommt nicht mit atemloser Höchstspannung daher, kann dafür aber mit einer sympathischen Ermittlerin und interessanten Themen überzeugen.

Bewertung vom 05.04.2018
Tiefe Havel
Pieper, Tim

Tiefe Havel


ausgezeichnet

Potsdam/Havelland. Der 60-jährige Schiffsführer Jürgen Seitz befindet sich mit seinem Frachtschiff auf dem Havelkanal, als ein Unbekannter von der Stabbogenbrücke bei Paretz aus an Bord springt und ihn ermordet. Eine Tat, die einer Hinrichtung gleicht – wie Hauptkommissar Toni Sanftleben und seinem Team schnell feststellen…

In einem weiteren Handlungsstrang lernt man den 25-jährigen Sandro Ehmke kennen. Sandro hat nach seiner Haftentlassung Arbeit als Stallgehilfe auf dem Pferdehof von Hartmut Jessen gefunden. Das Aufpäppeln der Fuchsstute Bonita hat dem Exhäftling nach vielen schlechten Erfahrungen neuen Lebensmut gegeben, doch seine kriminelle Vergangenheit hat er nicht hinter sich gelassen…

Tonis Frau Sofie galt 16 Jahre lang als verschollen. Toni hat sie nach intensiver Suche aufgespürt, doch Sofie, die lange Zeit im Koma lag und mit den Nachwirkungen zu kämpfen hat, braucht Zeit für sich. Sie hat das gemeinsame Hausboot verlassen und lebt in einer Wohngemeinschaft auf einem Resthof, um die verlorene Zeit aufzuarbeiten und zu sich selbst zu finden. Als Toni bei einem Überraschungsbesuch erkennen muss, dass Sofie sich emotional weiter von ihm entfernt hat, als er jemals für möglich gehalten hätte, bricht für den trockenen Alkoholiker eine Welt zusammen und er greift wieder zur Flasche…

„Tiefe Havel“ ist bereits der dritte Fall für den Potsdamer Hauptkommissar Toni Sanftleben, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich.

Tim Pieper versteht es mit seinem angenehm zu lesenden Schreibstil ganz ausgezeichnet, die Spannung schon nach wenigen Seiten auf ein hohes Level zu katapultieren. Schnell ist man mittendrin im Geschehen und erlebt nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die persönlichen Probleme sowie das Miteinander und das Gegeneinander der Akteure hautnah mit.

Der Fall um den ermordeten Seitz ist knifflig und mit einigen Überraschungen gespickt. Immer neue Fakten und Ereignisse halten die Handlung bis zum actionreichen Finale lebendig und haben mir genauso wie die zahlreichen im Verlauf des Krimis auftauchenden Fragen viel Platz zum Miträtseln über Zusammenhänge und Hintergründe, mögliche Motive und die Identität des Täters gegeben.

Tim Pieper punktet auch mit einer großen Portion Lokalkolorit. Dank der detailreichen Beschreibungen kann man sich die Schauplätze im Havelland sehr gut vorstellen. Zudem bekommt der Leser auch interessante Einblicke in die Arbeit der Binnenschiffer.

„Tiefe Havel“ hat mich durchweg begeistert - ein Krimi, der mit interessanten Charakteren und einer fesselnden Handlung zu überzeugen weiß - ein rundum spannendes Lesevergnügen.

Bewertung vom 04.04.2018
Am Ende bist du still
Dutzler, Herbert

Am Ende bist du still


ausgezeichnet

Sabine Meißner durchlebt eine Kindheit, die man niemandem wünscht, denn Sabines Leben wird von ihrer Mutter bis ins kleinste Detail gesteuert. Ihr Vater sieht untätig dabei zu, wie seine Tochter gegängelt und bevormundet wird, er ist jedoch nicht mutig genug oder einfach zu bequem, um sich einzumischen. Es ist Sabine nicht möglich, eigene Erfahrungen zu machen und aus eventuellen Fehlern zu lernen. Nie darf sie selbst Entscheidungen treffen, stets ist es ihre Mutter, die bestimmt, was richtig und was falsch ist. Sabine bekommt zudem eingeimpft, wie wichtig Äußerlichkeiten sind. Teure Geschenke und exklusive Kleidung grenzen sie jedoch in der Schule aus, sie hat keine Freunde.

Wie stark diese extreme Überbehütung Sabine geprägt hat, zeigt sich dann auch während ihres Studiums – sie ist zum Beispiel nicht in der Lage, ihren Part an einem Projekt zu erfüllen, weil es ihr an Initiative und sozialer Kompetenz fehlt.

Sabine hat immer alle Vorwürfe, Anweisungen und Kommentare ihrer Mutter in sich reingefressen, es gelingt ihr selbst als Erwachsene nicht, sich gegen die Übermacht ihrer Mutter zu wehren. Über die Jahre hinweg hat sich in der jungen Frau eine riesengroße Wut aufgestaut, die irgendwann in Hass umgeschlagen ist und den Wunsch nach Rache und Vergeltung in ihr wachsen lassen hat. Als sich an einem Weihnachtsabend unversehens die Möglichkeit bietet, sich endgültig von aller Unterdrückung und Bevormundung zu befreien, zögert Sabine daher nicht…

Herbert Dutzler hat einen flüssig zu lesenden, sehr fesselnden Schreibstil, der mich schnell in das Geschehen hineingezogen hat. Der Autor erzählt anschaulich und eindringlich von Sabines Erlebnissen und schildert sehr mitreißend, wie ein Kind durch übertriebene Fürsorge zu einem Monster gemacht wird.

Der Aufbau des Kriminalromans hat mir besonders gut gefallen. Herbert Dutzler präsentiert das Geschehen auf zwei Zeitebenen. Kapitelweise wechseln Episoden aus Sabines Kindheit und ihr Leben in der Gegenwart sich ab. Durch die Darstellung von Ursache und Wirkung kann man Sabines Entwicklung sehr gut nachvollziehen und erlebt den Weg zu dem genauso dramatischen wie tragischen Finale äußerst intensiv mit.

Überraschungen und Wendungen sorgen im Verlauf der Handlung dafür, dass die Geschichte immer wieder neuen Schwung bekommt und die Sogwirkung bis zur letzten Seite nicht abreißt.

„Am Ende bist du still“ hat mich durchweg begeistert – ein abwechslungsreicher, gut durchdachter Krimi, der mir ein paar äußerst spannende Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 03.04.2018
Maskerade im Mondlicht
Axtell, Ruth

Maskerade im Mondlicht


sehr gut

London, 1813. Rees Phillips, eigentlich ein einfacher Angestellter im britischen Außenministerium, wird in das Innenministerium versetzt. Aufgrund seiner guten Französischkenntnisse und seines Talents, Ungewöhnliches aufzuspüren, soll er als Geheimagent der britischen Regierung in einem französischen Haushalt in Mayfair spionieren und muss dafür in die Rolle eines Butlers schlüpfen. Rees wird unter dem Namen „Harrison MacKinnon“ in den Haushalt der 28-jährigen Céline de Beaumont, verwitwete Countess of Wexham eingeschleust und soll herausfinden, ob sie vertrauliche Informationen an Bonaparte weitergibt…

Céline, die ihre Heimat als 17-Jährige aufgrund der Wirren der Französischen Revolution verlassen hatte, wurde von ihrer Mutter zu einer Ehe mit dem reichen, aber dreimal so alten Earl of Wexham genötigt. Nach dem Tod ihres Ehemanns sind Céline neben dessen riesigem Vermögen vor allen Dingen seine hervorragenden Kontakte zur Upperclass geblieben – Kontakte, die sie seit einigen Monaten zu nutzen weiß…

„Maskerade im Mondlicht“ ist ein Roman, der den Leser in die Epoche des Regency entführt und ihn auf unterhaltsame Weise sowohl mit dem Leben und Alltag der britischen Adelswelt, wie auch mit der Spionagetätigkeit zur damaligen Zeit bekannt macht. Man bekommt Einblicke in einen Haushalt der Londoner High Society und lernt neben der Hierarchie unter den Bediensteten vor allem die Aufgaben und Tätigkeiten eines Butlers kennen.

Ruth Axtell nimmt sich viel Zeit, um ihre Protagonisten vorstellen und deren jeweilige Position zu erklären. Die sehr detaillierten Beschreibungen sind für meinen Geschmack fast ein bisschen zu ausführlich geraten - die Handlung will anfangs nicht so richtig in Schwung kommen.

Besonders gut gefallen hat mir, dass die Autorin die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und Céline und Rees abwechselnd zu Wort kommen lässt. So bekommt man einen guten Einblick in die Ansichten, Beweggründe und Gefühle beider Akteure.

Es kommt im Verlauf der Handlung, wie es kommen muss - Céline und Rees fühlen sich zueinander hingezogen. Leider lassen sowohl die unterschiedlichen gesellschaftlichen Stellungen wie auch das Arbeiten für verfeindete Auftraggeber eine Romanze nicht zu… Es ist der Autorin sehr gut gelungen, den Zwiespalt zwischen Pflichterfüllung und persönlichen Wünschen darzustellen.

„Maskerade im Mondlicht“ hat mir sehr gut gefallen. Die gut ausbalancierte Mischung aus Historie und Romantik lässt sich angenehm flott lesen und hat mir ein paar kurzweilige Lesestunden beschert.

Bewertung vom 26.03.2018
Die Klippen von Tregaron
Wilken, Constanze

Die Klippen von Tregaron


ausgezeichnet

In Constanze Wilkens fünftem Wales-Roman „Die Klippen von Tregaron“ erwartet den Leser eine dramatische Familiengeschichte mit einem abwechslungsreichen Handlungsverlauf und einer spannenden Spurensuche.

Die Glaskünstlerin Caron Bevans erbt ein Cottage in der walisischen Gemeinde Llanbedrog sowie eine beträchtliche Geldsumme, wenn sie die Bedingungen erfüllt, die der exzentrische Brynmore Bowen an das Erbe geknüpft hat. Caron soll die Geschichte eines Gemäldes aufdecken. Das Bild aus dem späten 19. Jahrhundert zeigt eine junge Mutter mit einem Kleinkind auf dem Arm. Verblüfft stellt Caron fest, dass die dargestellte Frau ihre Doppelgängerin sein könnte…

Als Grundlage für ihre Recherche bekommt Caron das Tagebuch des Malers und hat ein Jahr Zeit, um Brynmores Aufgabe zu erfüllen. Caron nimmt die Herausforderung an, um die Gelegenheit zu nutzen, Licht in das Dunkel um ihre eigenen Wurzeln zu bringen und um herauszufinden, warum der kleine Küstenort ihr so seltsam vertraut vorkommt…

Neben dem gegenwärtigen Geschehen gibt es einen weiteren Handlungsstrang, der im Jahr 1885 spielt. Dieser Part entspricht dem Inhalt des Tagebuchs. Hier lernt der Leser Lloyd Pierce kennen. Lloyd ist ein talentierter aber mittelloser Künstler, der auf Empfehlung eines Freundes während seiner Wanderschaft durch Wales bei Lawrence Bowen auf Plas-Gelli-Wen haltmacht. Lloyd findet in Lawrence einen großzügigen Geldgeber und bleibt in Llanbedrog. Er lernt die junge Selma kennen und lieben. Schon bald muss der begabte Maler jedoch feststellen, dass in seinem neuen Domizil nicht alles mit rechten Dingen zugeht – Lloyd mischt sich in die Angelegenheiten der Einheimischen ein und bringt damit nicht nur sich selbst in große Gefahr…

Constanze Wilken hat einen sehr mitreißenden Schreibstil. Die Beschreibungen sind intensiv, die Schilderungen durchweg bildhaft und die Figuren allesamt ausdrucksstark. Jede Szene wirkt lebendig und ist fesselnd, so dass ich nicht nur ruckzuck mittendrin im Geschehen war, sondern auch durchweg bestens mit den Akteuren mitfiebern und mitfühlen konnte. Caron - die bei ihren Nachforschungen von dem charmanten Landschaftsgärtner Ioan unterstützt wird - und ihre Erlebnisse haben mich dabei genauso begeistert, wie die tragische Geschichte um Lloyd und seine Selma.

Dank der detailreichen Beschreibungen konnte ich mir die Schauplätze in und um Llanbedrog sehr gut vorstellen. Die Besonderheiten des – in der Gegenwart idyllischen, in der Vergangenheit düsteren - Landstriches werden entsprechend hervorgehoben und sowohl die lokalen Begebenheiten wie auch die Eigenarten der Küstenbewohner fließen in die Handlung ein.

„Die Klippen von Tregaron“ hat mir ausgezeichnet gefallen. Eine gut ausbalancierte Mischung aus Spannung, Romantik und Historie, die mit interessanten Charakteren und einer fesselnden Handlung zu überzeugen weiß - ein rundum mitreißendes Leseerlebnis.

Bewertung vom 22.03.2018
Libellenschwestern
Wingate, Lisa

Libellenschwestern


ausgezeichnet

Lisa Wingate erzählt in ihrem auf wahren Begebenheiten basierenden Roman „Libellenschwestern“ die Geschichte der Kinderhändlerin Georgia Tann.

Georgia Tann war Leiterin einer Zweigstelle der Tennessee Children's Home Society in Memphis und hat in den 1920er bis 1950er Jahren unzählige Kinder aus Krankenhäusern stehlen und von der Straße weg entführen lassen, um sie dann zahlungskräftigen Kunden zur Adoption anzubieten. Während Tann sich in der Öffentlichkeit als wohltätige, liebevolle Frau präsentierte, die Kinder aus ärmlichsten Verhältnissen „rettet“ und ihnen Gutes tut, wurden die Kinder in der Realität unter unwürdigen Bedingungen in Heimen untergebracht und dort bis zu ihrer Adoption resp. ihrem Verkauf vernachlässigt, misshandelt und oft sogar missbraucht.

Dieses schreckliche Schicksal ereilt im Sommer 1939 auch die Kinder der (fiktiven) Familie Ross. Briny und Queenie Ross sind Flusszigeuner. Sie leben mit ihren fünf Kindern auf einem Hausboot, schippern den Mississippi auf und ab und führen ein karges, aber glückliches Leben. Als die schwangere Queenie in den Wehen liegt und es zu Komplikationen kommt, rät die Hebamme den Eheleuten, sich schnellstens in ein Krankenhaus zu begeben. Die 12-jährige Rill verspricht ihrem Vater, auf ihre jüngeren Geschwister aufzupassen, bis er wieder zurück ist, ohne jedoch auch nur zu ahnen, wie viel ihr dieses Versprechen abverlangen wird…

Neben dem historischen Geschehen gibt es einen weiteren Handlungsstrang, der in der Gegenwart spielt. Hier lernt der Leser Avery Stafford kennen. Avery ist Juristin und unterstützt derzeit ihren erkrankten Vater bei dessen Aufgaben als Senator von South Carolina. Ein Besuch in einem Pflegeheim steht an. Während der Feierlichkeiten zu Ehren einer hundertjährigen Bewohnerin begegnet Avery der 90-jährigen May Crandall. May schnappt sich nicht nur Averys Libellenarmband und behauptet, dass es ihr gehört, sie besitzt auch ein Foto, auf dem eine Frau abgebildet ist, die große Ähnlichkeit mit Averys Großmutter Judy hat…

Lisa Wingate hat einen mitreißenden Schreibstil, der mich schnell in das Geschehen hineingezogen und durchweg gefesselt hat. Die Autorin erzählt anschaulich und eindringlich von Rills Erlebnissen und schildert sehr realistisch das unsägliche Leid, die Schikanen und die Misshandlungen, die Rill und ihre Geschwister erdulden müssen, so dass man als Leser eine recht genaue Vorstellung davon bekommt, was die Kinder alles durchgemacht haben.

Lisa Wingate hat auch eine kleine Liebesgeschichte in ihren Roman eingebaut. Avery knüpft zarte Bande zu einem Mann, den sie kennenlernt, während sie ihre Familiengeschichte durchleuchtet. Diesem Part hat die Autorin genau das richtige Gewicht verliehen - ein schöner Gegenpol zu den grausamen, in der Vergangenheit spielenden Abschnitten. Der Leser bekommt die Möglichkeit durchzuatmen, dennoch wird der Intention des Romans - auf die skandalösen, bis heute nachwirkenden Ereignisse aufmerksam zu machen - nicht die Kraft genommen.

Ich hatte vor dem Lesen dieses Buches noch nie von Georgia Tann und ihren Machenschaften gehört und bin immer noch entsetzt, wie viele Jahre sie ihr barbarisches Netzwerk aufrechterhalten konnte und wie viele einflussreiche Menschen aus Politik und Gesellschaft dieser habgierigen Frau ihre Lügen geglaubt und sie unterstützt haben, ohne dabei an die Kinder und die Folgen für sie und ihre Familien zu denken. Obwohl Lisa Wingate am Ende aufzeigt, dass es durchaus einigen Kindern trotz der erlebten Schrecken vergönnt war bzw. ist, ein gutes und erfülltes Leben zu führen, bleibe ich ergriffen und erschüttert zurück.

„Libellenschwestern“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt. Ich habe mit den Akteuren gelebt und gelitten, habe mit ihnen gebangt und gehofft und habe Kummer und Furcht genauso mit ihnen geteilt, wie die kleinen Glücksmomente. Eine fesselnd erzählte, berührende Geschichte, die lange nachklingt. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.03.2018
Mehr als nur ein Traum
Büchle, Elisabeth

Mehr als nur ein Traum


ausgezeichnet

Elisabeth Büchle erzählt diesen Roman sehr ausdrucksvoll. Die Beschreibungen und Schilderungen sind detailreich und anschaulich, sie sind mitreißend und haben mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt.

Es gelingt der Autorin ganz hervorragend, die in den 1960er Jahren von der Rassenproblematik geprägte Gesellschaft der USA darzustellen und die vorherrschende Stimmung in dem kleinen Ort nahe Woodville/Mississippi wiederzugeben. Die Vorurteile und das Misstrauen gegenüber den Schwarzen werden genauso intensiv geschildert, wie die gewalttätigen Übergriffe, so dass man als Leser eine recht genaue Vorstellung davon bekommt, was die Menschen damals alles durchmachen mussten.

Elisabeth Büchle zeichnet das Bild einer mutigen jungen Frau. Felicitas besticht besonders durch ihre Vorurteilslosigkeit. Sie will sich den örtlichen Gepflogenheiten nicht beugen und versucht trotz aller Angriffe und Anfeindungen gegen sich, eine Brücke zwischen den Parteien zu bauen und legt sich dafür sogar mit Mitgliedern des Ku-Klux-Klans an, indem sie versucht, deren Identitäten aufzudecken.

Eine zusätzliche Portion Spannung bekommt der Roman sowohl durch die rätselhafte Erbschaft – während Felicitas versucht, in Amerika Fuß zu fassen, entdeckt ihre Freundin Kerstin, die als Notariatsgehilfin in Bad Tölz arbeitet, Ungereimtheiten in der Erbangelegenheit und versucht, diesen nach und nach auf die Spur zu kommen – wie auch durch das undurchsichtige Verhalten von Deputy Landon Brown, der Felicitas zwar sehr zugeneigt scheint, den aber eine mysteriöse Aura umgibt.

Die Akteure werden allesamt bunt und facettenreich beschrieben. Sie sind authentisch und ausdrucksstark. Selbst Nebenfiguren wirken überzeugend, wie zum Beispiel die dunkelhäutige Birdie, die mit ihrem tiefen Glauben und klugen Lebensweisheiten beeindruckt oder die resolute Dorothy, deren Auftritte mich zum Schmunzeln gebracht haben.

Neben dem Geschehen in den USA und Kerstins Nachforschungen in Deutschland spielt ein dritter Part der Handlung in Südvietnam und hat den Drogenhandel während des Vietnamkrieges zum Thema.

Unterstrichen wird die fiktive Handlung durch eingebettete reale Ereigniise, wie zum Beispiel die Ermordung des Bürgerrechtsaktivisten Medgar Evers. Sehr gut gefallen haben mir auch die Zitate von Martin Luther King, die jedem der vier Abschnitte des Buches vorangestellt sind und die Geschichte abrunden.

„Mehr als nur ein Traum“ hat mich durchweg begeistert – ein aufwühlender und durch die Spannungselemente gleichermaßen unterhaltender Roman. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.03.2018
Der Preis des Todes
Eckert, Horst

Der Preis des Todes


ausgezeichnet

Düsseldorf/Berlin im September. Sarah Wolf - Journalistin und Moderatorin einer Polit-Talkshow - ist seit einigen Wochen mit dem Staatssekretär Christian Wagner liiert. Als Christian von den Medien als Lobbyist des Krankenhausbetreibers Samax AG angeprangert wird, hält Sarah zu ihm. Wenige Tage später wird Christian erhängt in seiner Berliner Wohnung aufgefunden. Die Polizei vermutet Selbstmord. Doch Sarah glaubt nicht an einen Suizid und beginnt nachzuforschen…

Bereits ein paar Tage zuvor wurde am Unterbacher See in Düsseldorf die Leiche der 27-jährigen Johanna Kling entdeckt. Johanna war Referentin für eine international agierende Hilfsorganisation und hatte Mitte Juni eine Dienstreise nach Dadaab/Kenia in das weltgrößte Flüchtlingslager unternommen. Kurz nach ihrer Rückkehr hat sie sich in Berlin mit Christian Wagner getroffen und galt seit Ende Juni als vermisst…

Horst Eckert ist dafür bekannt, dass er sich in seinen Thrillern mit politischen Aspekten befasst, die hochaktuell sind. Auch in „Der Preis des Todes“ stellt der Autor äußerst brisante Themen in den Mittelpunkt - es geht um Korruption, um Lobbyismus und um miese Geschäftemacherei auf Kosten von Hilfsbedürftigen. Außerdem kann der Leser einen Blick hinter die Kulissen der Fernsehwelt werfen und den permanenten Kampf um die Zuschauergunst und das knallharte Gerangel um Quoten und Verträge miterleben.

Horst Eckert versteht es mit seinem angenehm zu lesenden Schreibstil ganz ausgezeichnet, die Spannung schon nach wenigen Seiten auf ein enorm hohes Level zu katapultieren. Der Thriller wird mitreißend erzählt und besticht vor allen Dingen durch die gekonnte Verknüpfung von Fiktion und Realität - dass der Autor die Hintergründe intensiv recherchiert hat und über eine gute Kenntnis der Fakten verfügt, merkt man dem Roman auf jeder einzelnen Seiten an.

Sarah Wolf versucht, die blutigen Machenschaften eines kriminellen Netzwerks aufzudecken und bekommt dabei deren Skrupellosigkeit und Brutalität am eigenen Leib zu spüren. Horst Eckert konfrontiert seine Protagonistin immer wieder mit neuen Ereignissen und Herausforderungen und hält das Geschehen so für den Leser lebhaft und interessant. Zahleiche im Handlungsverlauf auftauchende Fragen laden dabei zum Miträtseln und Mitgrübeln über Zusammenhänge und Hintergründe ein.

„Der Preis des Todes“ hat mich durchweg begeistert – ein abwechslungsreicher, gut durchdachter Thriller, der mit seiner authentischen Handlung zu überzeugen weiß und mir ein paar äußerst spannende Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 06.03.2018
Das Geheimnis des Glasbläsers
Dorweiler, Ralf H.

Das Geheimnis des Glasbläsers


ausgezeichnet

Rom, 1452. Anlässlich seiner Vermählung mit der portugiesischen Königstochter Eleonore bekommt Friedrich III. ein besonderes Geschenk des Dogen von Venedig überreicht – Gläser, die so klar sind, als bestünden sie aus fest gewordenem Gebirgswasser.

Friedrich will die von den Venezianern streng geheim gehaltene Rezeptur für dieses Kristallglas und fordert, seinen besten Glasbläser mit dem Auftrag auszusenden, sich bei dem berühmten Glasmacher Angelo Barovier einzuschleichen und das Geheimnis aufzudecken.

Die Wahl fällt auf den jungen Simon Glaser. Simon ist zwar sehr talentiert, aber auch ein Tunichtgut und Träumer, der nur Flausen im Kopf hat und von seinem Herrn, dem Waldvogt von Hauenstein, nicht ohne Hintergedanken für diese Aufgabe ausgewählt wird.

Zur Seite gestellt bekommt Simon für die gefährliche Reise weder einen erfahren Ritter noch ein edles Ross, sondern den als dümmlich geltenden Scherbensammler Ulf und dessen Esel Lilli. Wenn auch widerwillig, zieht Simon mit seinen Begleitern los, ohne zu ahnen, dass diese Reise ereignisreicher und abenteuerlicher werden soll, als er es sich je hätte träumen lassen…

In seinem historischen Roman „Das Geheimnis des Glasbläsers“ entführt Ralf H. Dorweiler den Leser mitten hinein in das ausgehende Mittelalter und wartet mit einer gut ausbalancierten Mischung aus Historie, Abenteuer, Spannung und Romantik auf.

Ralf H. Dorweiler erzählt sehr unterhaltsam, die Beschreibungen und Schilderungen sind detailreich und farbenfroh. Jede Szene wirkt lebendig und ist fesselnd, so dass ich ruckzuck mittendrin im Geschehen war. Ich konnte mir sowohl die Handlungsorte wie auch die vorherrschenden Gegebenheiten bestens vorstellen und zudem prima mit den Akteuren mitfiebern.

Der Autor schont seine Helden während ihrer abenteuerlichen Wanderschaft nicht, sondern lässt sie fast alles erleben, was sich eben Mitte des 15. Jahrhunderts erleben lässt. Einmal abgesehen von ihrem eigentlichen Auftrag, die geheime Zusammensetzung des Cristallos auszuspionieren, begegnen die beiden Gauklern, Banditen und Piraten, müssen viel Kraft bei der Überquerung der Alpen lassen, kommen mit der Pest in Kontakt, jagen einem Serienmörder hinterher und landen schließlich im Schlachtengetümmel zwischen Osmanen und Byzantinern in Konstantinopel.

Die Akteure bekommen allesamt schnell ein Gesicht, sie wirken echt, sind ausdrucksstark und haben Persönlichkeit, sie zeigen Emotionen und handeln entsprechend ihren Eigenheiten. Es war äußerst spannend, ihre Wege zu verfolgen und es hat Spaß gemacht, ihr Miteinander und Gegeneinander zu beobachten.
Besonders gut gefallen hat mir, dass die Figuren im Verlauf der Handlung eine Entwicklung durchmachen. Sie wachsen an ihren zahlreichen Erlebnissen und besonders Simon lernt aus seinen Fehlern und Niederlagen.

„Das Geheimnis des Glasbläsers“ hat mich rundum begeistert – eine sehr gelungene Verknüpfung von historischen Fakten, Spannung und Unterhaltung, die mit viel Pep und Schwung erzählt wird und mir kurzweilige Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 05.03.2018
Sturm
Laub, Uwe

Sturm


ausgezeichnet

Berlin im September. Daniel Bender verfolgt im Olympiastadion ein Hertha-Spiel, als ein wie aus dem Nichts auftauchender Tornado das Stadion verwüstet und zahlreiche Tote und Verletzte hinterlässt…

In der Nähe von Hannover findet ein Festumzug durch einen schlagartig einsetzenden Hagelsturm ein jähes Ende. Zahlreiche Menschen werden von den faustgroßen Eisklumpen schwer verletzt – auch Laura Wagners Sohn Robin wird von einem Brocken am Kopf getroffen. Die Schrecken dieses Tages sind für Laura allerdings erst der Beginn eines furchtbaren Albtraums…

Auch in anderen Teilen der Welt hat man mit plötzlich auftretenden, unerklärlichen Wetterphänomenen zu kämpfen. Der Permafrostboden in Jakutsk taut innerhalb weniger Stunden auf. Und in Australien sinkt der Wasserpegel eines Sees über Nacht um mehr als 15 Meter…

Uwe Laub versteht es mit seinem angenehm zu lesenden Schreibstil ganz hervorragend, die Spannung in diesem Wissenschaftsthriller schon nach wenigen Seiten auf ein enorm hohes Level zu katapultieren. Die Geschichte wird mitreißend erzählt und entwickelt dabei einen Sog, dem man sich als Leser nicht entziehen kann.

Das Wetter ist in den letzten Jahren immer extremer geworden. Nach dem Lesen von „Sturm“ fragt man sich, ob es sich bei diesen immer häufiger auftretenden Wetterkapriolen und Naturkatastrophen ausschließlich um übellaunige Entgleisungen der Natur handelt, oder ob da nicht doch kriminelle Mächte ihre Finger im Spiel haben könnten.

Besonders gut gefallen hat mir, dass Uwe Laub die wissenschaftlichen Aspekte und technischen Details sehr anschaulich und auch für Laien verständlich erläutert, so dass man alles auch ohne einschlägige Kenntnisse bestens nachvollziehen kann. Es gelingt dem Autor zudem ganz ausgezeichnet, die Grenze zwischen tatsächlich stattfindenden, legalen Wettermanipulationen und Science-Fiction verschwimmen zu lassen, so dass man als Leser ständig grübelt, was heutzutage wirklich möglich ist.

„Sturm“ hat mich durchweg begeistert – ein abwechslungsreicher, gut durchdachter Thriller, der mich von der ersten bis zur letzen Seite fest im Griff gehabt hat. Absolute Leseempfehlung!