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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1369 Bewertungen
Bewertung vom 19.09.2021
Als wir an die Zukunft glaubten / Die Hafenschwester Bd.3
Metzenthin, Melanie

Als wir an die Zukunft glaubten / Die Hafenschwester Bd.3


ausgezeichnet

"Ein Traum ist unerlässlich, wenn man die Zukunft gestalten will." (Victor Hugo)
1923 Hamburg. Die 45-jährige Krankenschwester Martha und ihre Familie haben den Ersten Weltkrieg mehr schlecht als recht überstanden und nun in der Weimarer Republik aufgrund der Hyperinflation all ihre mühsam ersparten Rücklagen verloren. Während Ehemann Paul seine Arbeit als Ingenieur im Hafen verrichtet, kümmert sich Martha in der Klinik liebevoll um ihre Patienten. Ihre drei Kinder Rudi, Ella und Fredi sind inzwischen erwachsen. Obwohl Ella von einem Studium als Ärztin träumt, muss sie zugunsten ihres Bruders Rudi zurückstecken und eifert ihrer Mutter mit einer Ausbildung zur Krankenschwester nach. Rudi hat sich zu einem Filou und Lebemann entwickelt, der sich immer wieder in Schwierigkeiten bringt und dann auch noch die Familie mit hineinzieht. Fredi hat sich bei der Polizei in die Mordkommission hochgearbeitet. Und während die Nazis Deutschland erobern, steht er schon bald vor der schwierigen Entscheidung, seinem Bruder Rudi aus der Patsche zu helfen, wobei er sich in brandgefährliche Situationen begibt…
Melanie Metzenthin hat mit „Als wir an die Zukunft glaubten“ den finalen Band ihrer „Hafenschwester“-Trilogie vorgelegt, der wie seine Vorgänger erneut mit viel Spannung, Familiengeschichte und exzellent recherchiertem historischem Hintergrund überzeugen kann. Der flüssige, farbenprächtige und gefühlvolle Erzählstil katapultiert den Leser in die Zeit zurück ins letzte Jahrhundert, wo er sich zum letzten Mal in Marthas Familie einnistet, um dort die Entwicklungen in einem Zeitrahmen von der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mitzuerleben. So findet man sich mal mitten in der Hyperinflation wieder, in der viel alles verlieren, die Arbeitslosigkeit wächst und das Leid der Hamburger Bürger immer unerträglicher wird. Aber auch die Machtgewinnung der Nazis, die Bombardierung Hamburgs und daraus resultierende Feuersbrunst werden von der Autorin hautnah zum Leser transportiert, während sie ihre Geschichte rund um Martha und ihre Familie spannend ausformt. Martha und Paul überlassen ihren Kindern die Hauptbühne, die sich alle in unterschiedliche Richtungen entwickeln, gleichzeitig aber auch den Zeitgeist wiederspiegeln. Ella muss als junge Frau hinter ihrem älteren Bruder Rudi zurückstecken und eine Ausbildung machen, obwohl sie lieber studiert hätte. Rudi jedoch weiß das Opfer wenig zu schätzen, treibt sich lieber rum statt zu studieren und bringt seine Familie aufgrund seiner Nichtsnutzigkeit in große Schwierigkeiten, die sein Bruder durch gewagtes Eigenengagement abzuwenden versucht. Metzenthins Erzählkunst ist fabulös, nicht nur der wunderbar mit der Handlung verwebte historische Hintergrund überzeugt, sondern auch die Familiengeschichte in all ihren Facetten. Der Spannungslevel ist deshalb durchweg auf hohem Niveau und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben.
Liebevoll und detailliert gestaltete Charaktere schleichen sich sofort ins Leserherz, denn sie wirken mit ihren menschlichen Eigenschaften sehr glaubwürdig und überzeugend. Martha ist der Fels in der Brandung: stark, mutig, fleißig und mit einem Kämpferherz ausgestattet, die alles für ihre Lieben tut. Mit Ehemann Paul geht sie durch dick und dünn. Elli ist eine sympathische junge Frau, die ihren Traum erst einmal begraben muss, aber ihn nicht vergisst, denn sie hat den Kampfgeist ihrer Mutter geerbt. Rudi ist ein Tunichtgut, der es sich auf Kosten der Familie gutgehen lässt. Er gerät immer wieder in Schwierigkeiten, für die andere die Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Fredi ist ein cleverer und zuverlässiger junger Mann, der für seine Familie einiges auf sich nimmt.
Mit „Als wir an die Zukunft glaubten“ ist Metzenthin ein wunderbares Finale ihrer Trilogie gelungen, dass sich durch eine wunderbare historische Hintergrundrecherche sowie einer mit viel Gefühl und Spannung gespickten Familiengeschichte auszeichnet. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner de

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.09.2021
Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein ewiger Traum / Die Polizeiärztin Bd.1


ausgezeichnet

"Berlin schmeckt nach Zukunft, dafür nimmt man den Dreck und die Kälte gern in Kauf." (C. Zuckmayer)
1920 Berlin. Die 30-Jährige Ärztin Magda Fuchs lässt nach dem tragischen Tod ihres Mannes alles hinter sich und tauscht das eher piefige Hildesheim gegen die Spreemetropole, um dort eine Anstellung als Polizeiärztin anzutreten. Berlin bemüht sich zwar, den Regelbetrieb als schillernde Großstadt wieder aufzunehmen, doch überall sind noch die Spuren des Krieges sichtbar, vor allem bei den Menschen. Schon bald lernt Magda nicht nur die Schattenseiten Berlins kennen in Form von alltäglicher Gewalt, Hunger und Armut, sondern hat auch bei einem Mordfall ihren ersten Einsatz. Die Konfrontation mit den Schicksalen vernachlässigter und verwahrloster Kinder, die schutzlos teils missbraucht und verkauft werden sowie deren Mangelernährung und die prekären Lebensverhältnisse der armen Familien, mit denen Magda tagtäglich zu tun hat, treibt sie um. Durch ihre Arbeit lernt Magda die Fürsorgerin Ina kennen, die sich mit unermüdlichem Einsatz für die Kinder einsetzt und findet in ihr schon bald eine gute Freundin. Aber auch Frauen wie Celia von Liebenau, Doris Kaufmann und Ruth Jessen kreuzen Magdas Weg…
Das Autorenduo Helene Sommerfeld hat mit „Das Leben, ein ewiger Traum“ den Auftakt für ihre neue historische Trilogie um die Polizeiärztin Magda Fuchs vorgelegt, der mit einer akribischen Recherche und einer spannenden Handlung ausgezeichnet zu unterhalten weiß. Der flüssige, bildgewaltige, gefühlvolle und teils dialektgefärbte Erzählstil lässt den Leser schnell in die Seiten abtauchen, wo er sich im Berlin der Goldenen Zwanziger wiederfindet und nicht nur Magdas Fußstapfen folgt. Den Autoren gelingt es wunderbar, das Aufstreben der Stadt lebendig werden zu lassen und die Gegensätze zwischen Arm und Reich besonders hervorzuheben. Während die reichen Bonzen sich schon wieder herausputzen und in den Lokalen auf den Tischen tanzen, darbt die restliche Bevölkerung vor sich hin, leidet Hunger und ums Überleben kämpfen. Gerade das Schicksal der Kinder geht bei der Lektüre besonders an die Nieren und als Leser durchläuft man dabei so manche Achterbahn der Gefühle. Über wechselnde Perspektiven erhält der Leser nicht nur Einblick in die Welt von Magda, sondern darf auch Celia näher kennenlernen, die in einer arrangierten Ehe ausharren muss, während sie lieber Medizin studiert hätte. Die Autoren bilden das damalige Rollenbild der Frau der unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten sehr gut ab, wobei gerade ihre Protagonistinnen für einen neuen Zeitgeist stehen, denn sie wirken selbstbewusst, kämpferisch, mutig, stark und lassen sich nicht unterkriegen.
Eine ausgewogene Vielfalt an Charakteren macht die Handlung vielschichtig, alle sind mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften ausgestattet, die es dem Leser leicht machen, sich an ihre Fersen zu heften. Magda lässt sich auf das Abenteuer ein, für ihren Neuanfang den Kleinstadtmief gegen die Großstadt einzutauschen. Sie ist mutig, hilfsbereit, stark und hat das Herz am rechten Fleck. Auch Ina besitzt ein mitfühlendes und fürsorgliches Herz, kümmert sich aufopfernd um die ihre Schutzbefohlenen. Celia ist noch sehr jung und naiv, doch ihre Träume musste sie schon früh begraben. Sie sitzt in einem goldenen Käfig und sehnt sich danach, diesem zu entkommen. Aber auch Doris, Ruth und Kuno Mehring haben wichtige Rollen in dieser vielseitigen Handlung.
„Das Leben, ein ewiger Traum“ ist ein gelungener Auftakt, der mit einer spannenden Geschichte, starken Frauen und deren Lebenswege sowie mit seinem verwebten farbenprächtigen historischen Hintergrund überzeugt. Absolute Leseempfehlung für einen wahren Pageturner!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2021
Freiheit im Angebot / Wunderfrauen-Trilogie Bd.3
Schuster, Stephanie

Freiheit im Angebot / Wunderfrauen-Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Back to the 70's - Flowerpower mit den Powerfrauen
1972. Während in München die Olympischen Spiele stattfinden, hat Luise Dahlmann alle Hände voll zu tun, um ihren kleinen Lebensmittelladen in Starnberg über Wasser zu halten, denn die Konkurrenz durch die immer mehr verbreiteten Supermärkte nimmt ihr immer mehr Kunden weg. Auch in ihrer Ehe mit Hans steht es nicht zum Besten, denn zu oft schon ist er ihr in den Rücken gefallen. Freundin Helga Löw steht als Ärztin ihre Frau und schlägt ein gutes Klinikangebot aus, weil sie mit einer eigenen Praxis liebäugelt. Zudem tauchen auf einmal ihre Eltern bei ihr auf und beanspruchen Platz in ihrem Leben. Zusätzlich hütet sie ein Geheimnis, das sie nicht einmal mit ihren Freundinnen teilt, vielleicht aus Angst? Marie Brandstetter trauert noch sehr immer um ihren verstorbenen Mann, hält die Familie zusammen und mobilisiert all ihre Kräfte, um einen Reiterhof mit Leben zu füllen. Annabel von Thaler entwickelt sich zur Spürnase und fördert alte Verbrechen aus der Vergangenheit zutage. Gleichzeitig erdrückt sie ihre behinderte Tochter Marlene mit ihrer Liebe und sieht gar nicht, was diese eigentlich will. Jede Menge Baustellen bei den Wunderfrauen, wie wird sich ihr Leben in den 70ern entwickeln?
Stephanie Schuster hat mit „Freiheit im Angebot“ den dritten Teil ihrer historischen „Wunderfrauen“-Trilogie rund um die vier Freundinnen Luise, Helga, Marie und Annabel vorgelegt. Der locker-flüssige, farbenfrohe und packende Erzählstil lädt den Leser ein, sich wieder unter das Damen-Quartett zu mischen und die neuesten Entwicklungen hautnah mitzuerleben. Ein rätselhafter Prolog gibt vorab schon Rätsel auf, für dessen Lösung der Leser sich aber etwas gedulden muss. Erst einmal taucht man über wechselnde Perspektiven ein in das Leben der vier Frauen, macht sich ein Bild über die momentane Lebens, Gedanken- und Gefühlslage, die offen vor ihm liegt. Gleichzeitig erlebt der Leser die engen Bindungen zwischen den Freundinnen mit, die sich jederzeit unterstützen und Hilfestellung geben. Die Autorin färbt ihre Geschichte im Stil der damals bekannten Pril-Blumen kunterbunt ein, lässt den Leser an Luises „Ladenkunde-Album“ regen Anteil nehmen, da es immer wieder wie ein Pop-Up zwischen den Seiten hervorblitzt und allerlei Ratschläge, Lebenshilfe und Bayrisch für Anfänger im Angebot hat. Gleichzeitig lässt Schuster nicht nur den damaligen Zeitgeist, sondern auch historische Fakten wie den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen, aber auch Alltägliches miteinfließen, das einem als älterer Leser so bekannt vorkommt. Zudem hat sie auch noch mit Annabel eine Protagonistin, die in der Vergangenheit herumstochert und abscheuliche Dinge ans Tageslicht bringt, die während des Zweiten Weltkriegs im nächsten Umfeld stattgefunden haben. Durch die vielen farbenfroh und gut geschilderten Ereignisse, die Schlag auf Schlag erfolgen, ist der Spannungslevel durchgehend hoch und lässt den Leser regelrecht an den Seiten kleben, fühlt man sich doch so sehr in die Zeit zurückversetzt.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, haben sich glaubwürdig weiterentwickelt und nehmen den Leser sofort für sich ein, der ihnen auf Schritt und Tritt folgt. Luise ist eine Perle, die sich warmherzig um alle kümmert. Auch Marie vergisst bei ihrer Fürsorge für die Familie fast sich selbst. Annabel ist selbstbewusster geworden, weiß sich zu behaupten und lässt sich nichts mehr vormachen. Helga ist intelligent, selbstsicher und weiß, was sie will. Dabei müsste sie sich gerade jetzt erst einmal um sich selbst kümmern.
„Freiheit im Angebot“ ist nicht nur großartige Unterhaltung vor historischem Hintergrund der 70er Jahre, sondern lässt den Leser miterleben, mitfiebern, mithoffen und mitbangen. Er wird ein Teil der Wunderfrauen und mag sich gar nicht von ihnen trennen. Eine herrliche Zeitreise mit tollen Charakteren, die einem noch lange in Erinnerung bleiben werden. Absolute Leseempfehlung!

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2021
Frühlingsfunkeln am Liliensee
Büchle, Elisabeth

Frühlingsfunkeln am Liliensee


ausgezeichnet

„Wer mit sich selbst in Frieden leben will, muss sich so akzeptieren, wie er ist.“ (Selma Lagerlöf)
1966 Schwarzwald. Zimmermann Georg Vogel hat am Liliensee seine Heimat gefunden, wo er neben dem eigenen Campingplatz auch Erlebnis- und Wandertouren für Touristen ausrichtet. Mit der 25-jährigen Marlies findet sich auf einer seiner Touren eine abenteuerliche Frau ein. Marlies hat einen Aushilfsjob im Ort und braucht den ständigen Adrenalinschub, deshalb fordert sie die Gefahr regelrecht heraus. Das ist Georg eindeutig zu viel und wäscht Marlies gehörig den Kopf, die sich davon allerdings nicht viel annimmt. Das Leben ist zu spannend und wenn es das nicht ist, muss es spannend gemacht werden. Georg will sie auf keinen Fall wieder auf eine seiner Touren mitnehmen, doch Marlies gelingt es, einen Platz bei einer 3-Tage-Wanderung zu ergattern. Diese Wanderung wird sowohl für Georg als auch für Marlies zu einem echten Ereignis…
Elisabeth Büchle hat mit „Frühlingsfunkeln am Liliensee“ einen wunderbar gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser gedanklich erneut an den idyllischen Liliensee im Schwarzwald reisen lässt, um dort die Erlebnisse von Georg und Marlies hautnah mitzuerleben. Der flüssige, farbenfrohe, teils humorige, aber auch anrührende Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Geschichte hinein, wo er schon bald auf Georg und Marlies trifft. Georg ist ein Mann, der seine Berufung gefunden hat und dies mit großer Zufriedenheit ausführt. Das Aufeinandertreffen mit der doch sehr rebellischen Marlies wirbelt sein leben gehörig durcheinander, was schnell zu hitzigen Dialogen führt, die dem Leser so manche Lachträne in die Augen treibt, aber auch nachdenklich stimmt. Dass Marlies immer wieder ihre Grenzen austesten will und dabei die Gefahr sucht, ist schon ein Warnsignal für etwas, dass bei ihr im Argen liegt. Während die Autorin den Leser mit wunderschönen Landschaftsbeschreibungen becirct und ihn davon träumen lässt, dort ebenfalls eine von Georgs Wanderungen begleiten zu dürfen, eröffnet sie ihm gleichzeitig nach und nach, warum Marlies sich so verhält. Unvorhergesehene Wendungen schüren die Spannung, die Geschichte entwickelt eine Sogwirkung, der sich der Leser kaum entziehen kann. Der christliche Aspekt wurde sehr schön mit der Handlung verknüpft. Es geht um Vertrauen, Hoffnung, Nächsten- und vor allem Selbstliebe sowie -erkenntnis. Auch die Romantik kommt in der Geschichte nicht zu kurz und bietet einige sehr emotionale Momente, die den Leser zu berühren wissen.
Die Charaktere sind sehr liebevoll und lebendig in Szene gesetzt. Mit ihrem authentischen Auftreten schleichen sie sich schnell ins Herz des Lesers, der sich als unsichtbarer Dritte in ihre Mitte schleicht, um keinen Augenblick zu verpassen. Georg ruht in sich selbst, er fühlt sich mit der Natur verbunden und möchte deren Reichtum mit anderen teilen. Er ist ein genügsamer, ruhiger Mann, der das Leben in all seiner Vielfalt schätzt. Marlies ist eine Kratzbürste, rebellisch, stur, leichtsinnig sucht sie die Gefahr, um sich auszutesten und bei anderen aufzufallen. Nach außen tritt sie selbstbewusst und schlagfertig auf, doch eigentlich ist sie zutiefst unsicher und fühlt sich unzulänglich. Es wirkt fast so, als müsse sie anderen beweisen, dass auch sie liebens- und beachtenswert ist. Aber auch die weiteren Protagonisten, allen voran Georgs Familie, tragen zum Wohlfühlfaktor dieser Geschichte bei.
„Frühlingsfunkeln am Liliensee“ ist ein wunderbar spannender, romantischer und aufregender Roman vor malerischer Naturkulisse, dessen Geschichte neben Urlaubsfeeling auch zum Nachdenken anregt und sich damit so richtig ins Herz stiehlt. Wunderschön – absolute Leseempfehlung!!

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2021
Wellenflug
Neumann, Constanze

Wellenflug


ausgezeichnet

"Das Herz kennt Gründe, die der Verstand nicht begreift." (Blaise Pascal)
Anna wächst behütet in einer jüdischen Familie auf und wurde dem damaligen Rollenbild entsprechend so erzogen, dass sie ihre Bestimmung als Ehefrau und Mutter sieht. Sie heiratet betuchten Adolph Reichenheim, der allerdings früh verstirbt und Anna als junge Witwe mit einer kleinen Tochter zurücklässt. Als ihr Adolphs Bruder Julius einen Antrag macht, stimmt sie zu und gründet mit ihm eine große Familie. Ihr ältester Sohn Heinrich, 1881 geboren, ist Annas Sorgenkind, denn er schert sich weder um jüdische Traditionen noch Standesdünkel, sondern erforscht lieber das Berliner Nachtleben und ehelicht dann auch noch mit Marie eine Frau, die Anna von vornherein ablehnt, da sie der unteren Gesellschaftsschicht entstammt. Heinrich ist in der Familie nicht länger willkommen und wandert mit Marie in die USA aus. Doch der Erste Weltkrieg bringt sie zurück nach Deutschland, wenn auch nicht zurück in die Familie. Bis zu Annas Tod 1932 gibt es keine Aussöhnung mit ihrem Sohn. Als die Nationalsozialisten immer mehr an Macht gewinnen, versuchen Heinrichs Geschwister ihre Familien und ihr Leben zu retten, während Heinrich selbst mit Marie in Deutschland bleibt…
Constanze Neumann hat mit „Wellenflug“ einen berührenden und spannenden Roman vorgelegt, der nicht nur auf realen Personen und Ereignissen beruht, sondern auch zwei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten gegenüberstellt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil stellt den Leser sowohl an die Seite von Anna als auch an die von Marie, um das Leben beider Frauen genau kennenzulernen. Gleichzeitig lässt die Autorin mit ihrer akribischen Recherche aus alten Briefen, Dokumenten und der eigenen Familienchronik den historischen Hintergrund der Vergangenheit wunderbar miteinfließen, so dass die Geschichte wie ein wahres Zeitdokument der damaligen Ereignisse wirkt. Anna entstammt einer gutsituierten Familie, hat ein enges Verhältnis zum Vater, während die Mutter eher streng ist. Erst mit dem einen, dann mit dem anderen Sohn der Reichenbachs verheiratet, ist es Anna vor allem wichtig, jenes von der Gesellschaft von ihr erwartete Bild zu erfüllen. Sie muss einige Schicksalsschläge verkraften, verliert aber mit ihnen auch ihre Leichtigkeit, während die Härte wächst. Marie dagegen stammt aus ärmlichen Verhältnissen, musste sich immer durchkämpfen und so einiges durchleben. Heinrich, der sich als Lebemann und Filou entpuppt, hat gerade mit Marie eine wunderbare Wahl getroffen, denn sie unterstützt ihn in jeder Weise, liebt ihn und gibt ihm vor allem immer Kraft. In der Beziehung ist sie der Fels in der Brandung. Der Autorin ist die Darstellung der Gegensätze zwischen den beiden Frauen hervorragend gelungen. Beide lieben den gleichen Mann, die eine als Mutter, die andere als Ehefrau, doch ist die Mutter so sehr im gesellschaftlichen Denken verhaftet, dass sie mit dem Sohn bricht, weil er ihren Wünschen nicht nachkommt und dieser Bruch niemals gekittet wird, bevor die Mutter stirbt. Die historischen Ereignisse wie Weltwirtschaftskrise, vor allem aber der Nationalsozialismus mit seiner Judenfeindlichkeit und den immer schärferen Restriktionen und Bestrafungen, geben der Handlung einen Rahmen, der sowohl düster als auch atmosphärisch dicht ist.
Die Charaktere sind authentisch und lebendig gezeichnet, geben dem Leser das Gefühl, sie zu kennen, der unsichtbar in ihren Spuren wandelt, um die Ereignisse aus erster Hand mitzuerleben. Als junge Frau ist Anna fröhlich und unbeschwert, doch je älter sie wird, umso unterkühlter, herrischer und unnachgiebiger wirkt sie. Marie ist trotz vieler Schicksalsschläge eine mutige, starke und kämpferische Frau, die nie aufgibt und alle Kräfte mobilisiert, die sie hat.
„Wellenflug“ ist ein tiefgründiger Roman, der die Familiengeschichte der Autorin auf eindrucksvolle Weise abbildet und gleichzeitig eine Gesellschaftsstudie vor historischen Hintergrund präsentiert. Absolute Le

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2021
Frau von Goethe / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.6
Rygiert, Beate

Frau von Goethe / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.6


ausgezeichnet

Christiane von Goethe - eine liebende Frau
1788 Weimar. Die lebenslustige Christiane Vulpius stammt aus ärmlichen Verhältnissen und hat eine Anstellung als einfache Putzmacherin in einer Seidenblumenfabrik. Als ihr Bruder Christian sie um einen Botendienst bittet, lernt sie den bekannten Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe kennen, dem sie den Brief übermitteln soll. Zwischen Goethe und Christiane entwickeln sich schnell starke Gefühle, so dass sie bald zu einem Liebespaar werden. Einige Zeit gelingt es ihnen, ihr Verhältnis vor der Weimarer Gesellschaft zu verbergen, doch schon bald sorgt ihre Beziehung für einen Skandal, gilt Goethe doch als begehrter und angesehener Junggeselle, während Christiane aus der untersten Gesellschaftsschicht stammt. Obwohl nicht verheiratet, ist Christiane schon bald schwanger und schenkt Goethe das erste Kind. Entgegen aller Tuscheleien und Anfeindungen der Weimarer Gesellschaft, besonders durch Goethes ehemaliger engen Vertrauten Charlotte von Stein, bleibt das Liebesverhältnis zwischen Goethe und Christiane innig und stabil. Christiane erhält zwar nie Zugang zum erlauchten Kreis der oberen Gesellschaft, doch ist es ihr auch nicht so wichtig wie die Liebe zu ihrem Johann Wolfgang. Sie stärkt ihm den Rücken und ist es zufrieden, einfach bei ihm zu sein, auch ohne Trauschein, was sie in den Augen der Gesellschaft dem Pöbel gleich zu einer gefallenen Frau machte. Sie hat all die Demütigungen und Beschimpfungen klaglos hingenommen, bis Goethe sie 1806 dann doch endlich ehelichte und zur rechtmäßigen Frau an seiner Seite machte…
Beate Rygiert hat mit „Frau von Goethe“ einen sehr unterhaltsamen, exzellent recherchierten historischen Roman vorgelegt, dem sie wahre Persönlichkeiten zugrunde legte und mit viel Phantasie Fiktion und Tatsachen miteinander verwebte, um Christiane Vulpius post mortem eine Hommage zuteilwerden zu lassen, die ihr gebührt. Der flüssige, bildhafte und anrührende Erzählstil nimmt den Leser mit zurück ins 18. Jahrhundert nach Weimar, wo er die junge Christiane kennenlernt, die sich als Putzmacherin verdingt und den begehrtesten Junggesellen Weimars mit ihrer frischen unkonventionellen Art den Kopf verdreht. Sie lässt sich auf eine Beziehung ein, die ihr eigentlich nur Nachteile bringen kann, denn sie lebt unverheiratet mit Goethe zusammen, ist nicht von Stand, bekommt ein Kind und ist überhaupt nicht abgesichert. Ihre Ängste und Zweifel, aber auch ihre Zuversicht sind für den Leser immer spürbar, auch in ihrer Beziehung zu Johann. Doch sie erträgt alles mit einer Grandezza, lässt die offenen Beschimpfungen und Beleidigungen an sich abprallen, hegt und pflegt Goethes Mütchen, während sie die Familie zusammenhält und sich um alles kümmert, damit Goethe sich seinen Schriften widmen kann. Und während der Leser Christiane bei ihrem alltäglichen Spießrutenlauf wie ein Schatten folgt, wird die damalige Zeit von der Autorin wunderbar lebhaft in Szene gesetzt.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften versehen, sie wachsen dem Leser schnell ans Herz und lassen ihn mitfiebern. Christiane ist eine lebensfrohe, unprätentiöse Frau, tatkräftig, pragmatisch, hilfsbereit, aufopfernd, vor allem mutig, sich den Widerständen in den Weg zu stellen und Bosheiten an sich abprallen zu lassen. Sie geht für ihre Liebe ein großes Risiko ein und bereut doch nichts. Goethe selbst ist eine Künstlerseele, der allerdings Christianes Wesen überaus wertschätzt. Einzig seine Weigerung, sie zu heiraten, lässt ihn einige Punkte beim Leser verlieren, doch diesen Fehler korrigiert er ja am Ende doch noch.
„Frau von Goethe“ überzeugt mit wunderschönem Erzählstil, Einblick in eine interessante historische Epoche, akribischer Recherche und vor allem mit einer Frau, für die man nur Hochachtung empfinden kann. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau und Christiane Vulpius stand hinter Goethe. Ihr gebührt Respekt und Achtung! Wunderbar geschrieben,

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2021
Die Leuchtturmwärter
Stonex, Emma

Die Leuchtturmwärter


sehr gut

Sei ein Leuchtturm: strahle für andere, wenn sie in der Dunkelheit sind...
1972. Am letzten Tag des Jahres nimmt ein Boot Kurs auf den im Meer liegenden Leuchtturm „Maiden Rock“, um die drei dort tätigen Wärter abzulösen. Als sie eintreffen, ist der Leuchtturm nicht zugänglich, da von innen verriegelt, und vor allem verwaist, von den drei Wärtern fehlt jede Spur. Nicht nur ihr Arbeitgeber gibt all das Rätsel auf, vor allem die Familien der drei verschwundenen Männer schweben ständig zwischen Hoffen und Bangen. Die Zeit vergeht und um sich das Mysterium zu erklären, besetzt man einfach einen der drei mit der Rolle des Übertäters, ohne Beweise zu haben oder über die Folgen nachzudenken. 20 Jahre gehen ins Land, bis der Autor Dan Sharp sich näher mit dem Fall beschäftigt und den Ehefrauen der drei Vermissten Fragen stellt, womit er in ein Wespennest sticht. Denn die Frauen haben jede für sich harte Jahre hinter sich, sind dem ständigen Gerede und den Mutmaßungen ausgesetzt und können mit den Geschehnissen bis heute nicht abschließen. Wird die Wahrheit der Ereignisse endlich ans Licht kommen?
Emma Stonex hat mit „Die Leuchtturmwärter“ einen unterhaltsamen Debütroman vorgelegt, der dem Leser eine spannende und gut ausgeklügelte Geschichte mit viel psychologischer Finesse präsentiert. Der flüssige, bildgewaltige und doch eher ruhig gehaltene Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Handlung hinein, die auf einer tatsächlichen Begebenheit beruht und der Leser immer wieder rätselt, wie weit die künstlerische Freiheit der Autorin geht und wie es sich wohl wirklich zugetragen hat. Die Grenzen verschmilzen hier wunderbar zu einer Einheit und rufen gerade deshalb Gänsehaut und Nervenkitzel hervor. Sämtliche Protagonisten bekommen eine Bühne geboten, um ihre Sicht der Dinge zu erzählen, aber auch ihr Seelenleben und ihre Geheimnisse offenzulegen. Dabei offenbart sich so manches Drama, so mancher Abgrund, so manche Lüge, die man allzu gern über Jahre zu vertuschen suchte. Der Leser bekommt einen guten Einblick in harte und entbehrungsreiche Lebensgeschichten, während er gleichzeitig wie der Autor Dan Sharp versucht, die Wahrheit der Geschehnisse herauszufinden. Stonex enthüllt das (ihr) Geheimnis Stück für Stück gleich einem Puzzle, wobei sie dem Leser genügen Raum für eigene Spekulationen und Lösungsfindungen gibt, was auch erheblich zur Steigerung des Spannungslevels beiträgt.
Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt, überraschen mit detailliert ausgearbeiteten menschlichen Eigenschaften und lassen den Leser ganz nah an sich heran, der sich so einen guten Rundumblick verschaffen und mitfiebern kann. Die drei Leuchtturmwärter bilden durch die jahrelange Arbeit eine Einheit, die sich aufeinander verlassen kann. Vom Charakter her sind sie völlig gegensätzlich, was sich auch über die Zeit herausstellt. Sie sind eine Zweckgemeinschaft, aber keine Freunde fürs Leben. Ihre Ehefrauen Jenny, Michelle und Helen führen aufgrund des Berufes ihrer Männer ein ähnliches Leben voller Entbehrungen, doch mit dem Verschwinden der Ehemänner kommt es unter ihnen zu Schuldzuweisungen, Anfeindungen und Misstrauen. Auch das Umfeld sorgt immer wieder dafür, dass die Frauen nicht zur Ruhe kommen.
„Die Leuchtturmwärter“ ist eine spannende psychologische Studie über menschliche Abgründe, zu denen Vertrauensbruch, Verlust und Misstrauen gehören, dabei aber auch Lügen, Geheimnisse, Liebe und Hoffnungsschimmer zu finden sind. Klug und subtil konstruiert und tiefgründig erzählt. Verdiente Leseempfehlung!

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2021
Meine Freundin Lotte
Stern, Anne

Meine Freundin Lotte


ausgezeichnet

Seelenverwandtschaft
1921 Berlin. Die Jüdin Lotte Laserstein träumt von einer Karriere als Malerin, doch die Aufnahme für ein Studium an der Kunstakademie als Frau gleicht einem Sechser im Lotto. Doch Lottes Unbeirrbarkeit und ihr Durchsetzungsvermögen sowie ihre Sturheit machen es möglich. In der Fotografin Traute Rose findet sie schnell eine enge Vertraute und Seelenverwandte, denn auch sie ist eine emanzipierte Frau, die sich keinen Regeln unterwerfen will und die Lottes Liebe für die Kunst teilt. Schnell avanciert Traute zu Lottes Muse und Lieblingsmodell, die mit viel Talent sogar die Meisterklasse an der Kunstakademie absolviert. Die immer größere werdende politische Macht der Nazis sowie ihre antisemitische Haltung zwingen Lotte dazu, 1937 die Flucht nach Schweden zu suchen, während Traute in Berlin zurückbleibt. Die beiden Freundinnen sehen sich jahrelang nicht wieder. 1961 reist Traute mit ihrem Ehemann Ernst nach Schweden, um Lotte dort in ihrem Domizil zu besuchen. Doch die einstige Vertrautheit will sich nicht so recht einstellen…
Anne Stern hat mit „Meine Freundin Lotte“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der in einem wohldosierten Mix aus Fiktion, Teilbiografie und wahren Begebenheiten nicht nur die Freundschaft zwischen der Malerin Lotte Laserstein und Traute Rose thematisiert, sondern vor allem das Leben der Künstlerin Lotte näher in Augenschein nimmt. Der flüssige, farbenprächtige und teils poetische Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise antreten in die goldenen Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, um dort über wechselnde Perspektiven Lotte und Traute sowie ihre Lebensumstände, Träume, Gedanken- und Gefühlswelten kennenzulernen. Die akribische Recherche der Autorin macht sich in der Handlung bezahlt, denn Stern lässt den Leser nicht nur den gesellschaftlichen und politischen Hintergrund gemeinsam mit den Protagonistinnen erleben, sondern webt auch viele Informationen zur Künstlerin Laserstein selbst in die Geschichte mit ein, so dass Lotte mehr und mehr zu einer Frau wird, die man persönlich zu kennen glaubt. Gleichzeitig lässt Stern mit farbenfrohen Beschreibungen die Landschaft Schwedens vor dem inneren Auge des Lesers entstehen, setzt aber auch die Gemälde von Lotte Laserstein schön ins Bild. Die Differenzen zwischen den beiden Frauen offenbaren sich dem Leser erst nach und nach durch deren Unterhaltungen, die oftmals gleichzeitig auch wie eine Art Rückschau in die Vergangenheit fungieren.
Die Charaktere wurden von der Autorin liebevoll mit Leben gefüllt. Glaubwürdige menschliche Eigenschaften können den Leser von Beginn an überzeugen und lassen ihn an einer engen Freundschaft teilhaben, die vieles überdauert hat. Lotte ist eine Kämpferin, besitzt Stärke und Durchsetzungsvermögen. Sie hat ihren Traum genau vor Augen und setzt alles daran, diesen zu verwirklichen. Sie lässt sich keine Hindernisse in den Weg legen, folgt immer ihren Prinzipien. Traute ist Lotte gar nicht so unähnlich, auch sie ist eng mit der Kunst verbunden, hat in Lotte eine Seelenverwandte gefunden. Die beiden Frauen ergänzen und stützen sich über eine lange Zeit, bevor sich ihre Wege trennten.
Mit „Meine Freundin Lotte“ hat Anne Stern die Malerin Lotte Laserstein zum Leben erweckt. Die Mischung aus realen Fakten und Fiktion machen die Handlung zu einem Erlebnis der besonderen Art, denn genau so hätte es gewesen sein können. Der wunderschöne Erzählstil sowie die akribische Recherche der Autorin machen die Lektüre zu einem Erlebnis. Absolute Leseempfehlung!!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2021
Die Farbe des Meeres / Der Kaffeegarten Bd.2
Petersen, Anke

Die Farbe des Meeres / Der Kaffeegarten Bd.2


gut

Pulver mit Band 1 schon verschossen?
1920er Jahre. Endlich können Elin und Matei die Früchte ihrer harten Arbeit ernten, denn der Kaffeegarten im Sylter Keitum ist gut frequentiert durch einen steten Zustrom an Gästen, die dort gern ihre Zeit verbringen. Insgeheim aber hat Matei inzwischen festgestellt, dass sie ihre Zeit nicht nur mit dem Kaffeegarten verbringen, sondern sich lieber wieder der Malerei widmen möchte. Für ihre Bilder erntet sie viel Zuspruch, vor allem von Hannes von Bransbeck, der Matei nicht nur den Kopf verdreht und ihr den Himmel auf Erden verspricht, sondern sie auch dazu bringt, Sylt für ihn zu verlassen, um in Hamburg zu leben. Elin hat kein gutes Gefühl bei Hannes, dringt mit ihren Bedenken bei Matei allerdings nicht durch, so dass die Schwestern im Streit auseinander gehen. Werden Elin und Matei jeweils ohne die andere ihren Weg gehen, oder raufen sich die Schwestern doch wieder zusammen?
Anke Petersen hat mit „Die Farbe des Meeres“ den zweiten Teil ihrer historischen Kaffeegarten-Trilogie vorgelegt, der neben schönen Ortsbeschreibungen rund um die Insel Sylt und die Stadt Hamburg auch das Leben der beiden Schwestern wieder gut in Szene setzt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil nimmt den Leser mit in die 1920er Jahre auf die Insel Sylt, wo der sich einen präsentablen Platz in Kaffeegarten sucht, um von dort nicht nur das Treiben der Gäste, sondern vor allem die Unternehmungen der Schwestern genauestens unter die Lupe zu nehmen. War der erste Teil der Trilogie noch gefühlsbetont geprägt, fehlt es hier leider weitestgehend an Emotionen, so dass der Leser während der gesamten Handlung auf Distanz bleibt. Obwohl der Zwist zwischen den doch eng verbundenen Schwestern einiges in Bewegung bringt, wirkt alles eher unbeteiligt und nicht tiefgreifend. So bleibt die Elin auf Sylt und geht ihren Tätigkeiten im Kaffeegarten nicht ohne Schwierigkeiten nach, während Matei sich in die Großstadt Hamburg flüchtet, geblendet von einem Mann, der ihr viel verspricht, um dort als Malerin ihr Karriereglück zu versuchen. Die Handlung pendelt zwischen den beiden Schwestern hin und her, wobei es der Autorin nicht gelingt, den Leser dauerhaft zu fesseln. Zu sehr fehlt die emotionale Ebene, um den Leser mitfiebern und mitfühlen zu lassen, er bleibt leider außen vor und nur in der Rolle des Beobachters. Den historischen Hintergrund hat die Autorin gut mit ihrer Geschichte verwebt und gibt dem Leser einen Einblick in die damalige gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Lage.
Die Charaktere haben eine kleine Entwicklung erfahren, wirken glaubwürdig und authentisch, jedoch fehlt die gefühlsmäßige Bindung zum Leser, so dass dieser die Protagonisten nur aus der Distanz erlebt. Elin ist die Bodenständige, die anpackt und den Kopf nicht in den Wolken hat. Sie hat ein gutes Gespür für Menschen und sieht alles etwas positiver. Matei ist dagegen eine Träumerin, die ihrem Herzen folgt und dabei auch nicht davor zurückschreckt, Brücken hinter sich zu brechen. Sie wirkt diesmal recht naiv und blauäugig. Als Künstlerin möchte sie sich selbst verwirklichen und denkt nicht weiter als bis zum Tellerrand, wenn ihr jemand schöne Augen macht.
„Die Farbe des Meeres“ ist eine kurzweilige, wenn auch etwas langatmige historische Lektüre, die allerdings nicht an den Vorgängerband heranreicht. Hier fehlt es eindeutig an Spannung und mehr Gefühl, um den Leser konstant bei der Stange zu halten. Eingeschränkte Leseempfehlung!

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2021
Ein Koffer voller Schönheit / Frauen, die die Welt schöner machen Bd.1
Engel, Kristina

Ein Koffer voller Schönheit / Frauen, die die Welt schöner machen Bd.1


sehr gut

Die Sehnsucht und der kleine Luxus aus dem Koffer
1960 Lüneburg. Mittdreißigerin Anne Jensen ist Hausfrau und Mutter von 13-jährigen Zwillingen. Der Krieg liegt hinter ihr und ihrem Ehemann, Tischler Benno, der mit einem Freund zusammen die Eröffnung eines Möbelhauses plant und deshalb kaum noch Zeit für seine Familie erübrigen kann, was letztendlich zur Entfremdung der Eheleute führt. Da die Zwillinge aus dem Gröbsten raus sind, langweilt sich Anne und wünscht sich eine Aufgabe, die sie erfüllt. Ihre Schwiegermutter Margarethe allerdings hat vorausschauend schon auf eine ausgeschriebene Anzeige eine Bewerbung für Anne an den amerikanischen Kosmetikkonzern Avon eingereicht, um als Kosmetikerin bei den Kundinnen zu Hause zu erscheinen und dort nicht nur die mitgebrachte Produktauswahl vorzuführen, sondern vor allem auch zu verkaufen. Obwohl ihr Ehemann der Sache skeptisch gegenüber steht, erhält Anne am Ende doch die Erlaubnis, die Stelle anzutreten. Schnell beginnt sich Annes Einsatz auszuzahlen…
Kristina Engel hat mit „Ein Koffer voller Schönheit“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Zeitgeist der späten 50er Jahre wunderbar wiederspiegelt und in die Vergangenheit eintauchen lässt. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser als unsichtbarer Gast in den Haushalt von Anne Jensen einziehen. Über wechselnde Perspektiven erhält man nicht nur Einblick in Annes, sondern auch in Bennos Seelenleben. Dass Anne sich nicht nur Anerkennung und eine ausfüllende Beschäftigung wünscht, wird schnell deutlich durch die Entfremdung der Eheleute und Annes Einsamkeit und Unzufriedenheit. Die neue Aufgabe, die sie vor allem ihrer Schwiegermutter Margarethe zu verdanken hat, bringt neuen Schwung in Annes Leben. Der Kontakt zu anderen Frauen sowie deren Sehnsucht nach etwas Luxus lassen sie aufblühen und ihr Selbstbewusstsein wachsen. Aus ihrem blauen Köfferchen verkauft sie das kleine Glück, welches sich jede Frau nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren endlich wieder leisten möchte, um sich schön und begehrenswert zu fühlen. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und verbindet den historischen Hintergrund hervorragend mit der Arbeit der ersten Avon-Beraterin Deutschlands, wobei sie auch auf die damalige Rolle der Frau hinweist. Der Leser erlebt während der Handlung eine Zeitreise der besonderen Art, denn er erlebt nicht nur den Kalten Krieg und den Bau der Berliner Mauer nebenbei mit, sondern ist auch Zeuge der Anfänge der Emanzipation der Frau. Sowohl historischer Hintergrund als auch die Geschichte rund um Anne und ihre Tätigkeit als Avon-Beraterin werden sehr gelungen miteinander verknüpft und geben ein gutes Bild der damaligen Zeit wieder, wo viele Familien immer noch unter den Kriegsfolgen zu leiden hatten und viele Dinge einfach unter den Teppich gekehrt wurden.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, sie überzeugen mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, die es dem Leser leicht machen, sich ihnen anzunähern und auf Schritt und Tritt ihre Unternehmungen zu verfolgen. Anne ist mit ihrem Dasein als Hausfrau und Mutter unzufrieden, sie langweilt sich, fühlt sich einsam und ungeliebt. Je länger sie ihre neue Tätigkeit als Avon-Beraterin ausübt, umso mehr wächst ihr Selbstbewusstsein, aber auch die Einsicht, dass es anderen Frauen ebenso geht wie ihr. Benno ist ein sturer Mann, der das Zepter in der Hand halten will. Bennos Mutter Margarethe ist eine kluge und vorausschauende Frau, die ihren Sohn gut kennt und ihrer Schwiegertochter ins Herz geschlossen hat. Sie hat das Herz am rechten Fleck und ist völlig unprätentiös, ganz bei sich und weiß, wie sie subtil ihre Schäfchen lenken muss.
„Ein Koffer voller Schönheit“ weiß mit einer realistischen Geschichte vor historischem Hintergrund und lebendigen Protagonisten abwechslungsreich und sehr kurzweilig zu unterhalten. Verdiente Leseempfehlung für alle, die gerne in alte Zeiten abtauchen.

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