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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 1031 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2021
Hauptstadt der Tiere
Maier-Wolthausen, Clemens

Hauptstadt der Tiere


ausgezeichnet

Es ist schon eine ganz besondere Beziehung, die die Berliner mit ihrem Zoo verbindet. Aber es ist auch ein ganz besonderer Zoo! Eröffnet wurde er am 1. August 1844, das Buch hier erschien zum 175. Jubiläum im Jahr 2019. Der Berliner Zoo ist damit einer der weltweit ältesten Zoos, zieht jährlich Millionen von Besuchern an und brachte eine Reihe überregional berühmter Tierpersönlichkeiten hervor, z.B. Flusspferd Knautschke oder Eisbär Knut.
Ich lernte den Zoo als junges Mädchen kennen. Mit der Familie war ich für eine Woche nach Berlin gereist, aber während die anderen eine Sehenswürdigkeit nach der anderen besichtigten, war ich drei Tage hintereinander in Zoo und Aquarium. Noch heute kann ich mich an einige besonders eindrucksvolle Tierbegegnungen erinnern!

Mit diesem Buch reist der Leser durch 175 Jahre Zoogeschichte, was zugleich auch eine Reise durch die deutsche Geschichte bedeutet. Gestartet im Kaiserreich geht es durch die Weimarer Republik, zwei Weltkriege, die Nazizeit, kalten Krieg und Wende bis zum Jahr 2019. Immer gab es enge Verflechtungen zwischen Zoo und Politik, das wird hier deutlich. Ein Zeitstrahl zieht sich durch das Buch und zeigt damit zusätzlich auf einen Blick wichtige Ereignisse der deutschen und der Stadtgeschichte Berlins an.
Sehr beeindruckend und wichtig fand ich, dass bei keinem der dunklen Kapitel (Völkerschauen, Nazizeit) mit deutlichen und kritischen Worten gespart wird. So wird beispielsweise sehr detailliert das Verhalten gegenüber den jüdischen Aktionären und Aufsichtsratsmitgliedern beschrieben.

Während der Teilung wurde 1955 im Ostteil der Stadt der Tierpark eröffnet, lange waren die beiden Zoos Konkurrenten, heute gehören sie zusammen, arbeiten miteinander und ergänzen sich. Der ebenfalls sehr sehenswerte Tierpark ist der größte Landschaftstiergarten Europas, der Berliner Zoo der artenreichste der Welt. Dazu kommt noch das beeindruckende Aquarium! Der Schwerpunkt des Buchs liegt sicherlich beim Zoo, aber immer wieder wird auch über den Tierpark berichtet, wichtige Ereignisse geschildert. Auch hier fehlen traurige Kapitel, wie beispielsweise Stasi-Aktivitäten, nicht.

Die Lektüre fesselte mich wirklich. Der Stil ist kein bisschen trocken, auf den meisten Seiten finden sich tolle Fotos und Zeichnungen, viele historische Aufnahmen, Abdrucke sehenswerter Dokumente und immer wieder zur jeweiligen Zeit passende Zoopläne. Jedes Kapitel startet mit einer ausführlichen Infoseite zu einzelnen Tieren, z.B. Gorilla, Elefant, Giraffe, Flusspferd, Plumplori oder Panda. Ich lese über die erste Freianlage mit natürlich gestaltetem Lebensraum aus dem Jahr 1903, über Katharina Heinroth, die 1. Zoodirektorin Deutschlands, die ab August 1945 die wichtige Aufbauarbeit des größtenteils zerstörten Zoos betrieb und über mein persönliches Zoo-Highlight, das Nachttierhaus. Wie gerne würde ich jetzt auf der Stelle dorthin fahren!

Den Leser erwarten ferner viele Infos zur Architektur der Tierhäuser und interessante Exkurse, wie z.B. „Vom kolonialen Selbstbedienungsladen zu internationalen Zuchtprogrammen“. Immer wieder im Blick ist die Entwicklung in der Tierhaltung, die sich durch stetige Verbesserungen der Haltungsbedingungen auszeichnet und einen großen Schwerpunkt auf den Artenschutz legt. Auch der Berliner Zoo ist höchst engagiert in verschiedenen Artenschutzprogrammen, unterstützt allein 21 Projekte in 15 Ländern. Ein Blick auf die Zukunftsplanung rundet alles perfekt ab.

Bewertung vom 13.01.2021
Prost, auf die Wirtin
Kalpenstein, Friedrich

Prost, auf die Wirtin


sehr gut

»Und woher weiß du das? Bist du oft im Wirtshaus?«
»Nein. Die Schneider Heidi hat’s meiner Mama erzählt. Und die weiß es von der Grießbacher Gudrun, weil der ihr Mann im Schützenverein ist. Der war aber an dem Abend nicht da, aber der Kleinschmidt Kurti hat’s ihm erzählt. Kurti ist der zweite Vorstand vom Schützenverein und amtierender Schützenkönig.«

In Brunngries, einem kleinen Ort in den Chiemgauer Alpen, gehen die Uhren noch etwas anders. Hauptkommissar Constantin Tischler, frisch aus München dorthin versetzt, fühlt sich an seinem neuen Einsatzort aber sofort rundum wohl. Was auch gut ist, denn er hat noch nicht einmal seine Umzugskisten ausgepackt, als er zur Leiche der Wirtin Franziska Leidinger gerufen wird. Wer erschoss die beliebte Franziska in einem Waldstück? Der ganze Ort steht vor einem Rätsel. Aber natürlich gibt es Gerüchte und schon bald die ersten Verdächtigen. Tischler nimmt seine Arbeit auf, mal unterstützt und mal leicht ausgebremst von dem höchst eifrigen Polizeiobermeister Felix Fink.

Ich gebe zu, als ich das Cover sah, fürchtete ich, dass der Krimi albern und/oder soft wäre. Schon bald konnte ich jedoch erleichtert aufatmen. Das Cover steht für die Art, in der ganz wunderbar mit bayerischen Klischees gespielt wird. Das ist sehr unterhaltsam und ließ mich immer wieder schmunzeln. Darüber hinaus präsentiert sich hier ein schöner, runder Krimi mit einer im Grunde klassischen Story und einem gelungenen Schluss. Bei den Ermittlungen nutzen Tischler und Fink die örtlichen Besonderheiten (siehe Eingangszitat). Sehr effektiv, obwohl vor allem bei Fink der Schuss auch schon mal nach hinten losgeht ;-)

Damit wären wir bei den Charakteren. Fink ist ein richtig netter, auch wenn er vor lauter Eifer nicht selten von einem Fettnapf in den nächsten fällt. Der junge Polizist ist manchmal noch etwas naiv, hat aber ordentlich Potential. Tischler hat ein paar Macho-Eigenschaften, die ich nicht so mag und einige Punkte seiner Vergangenheit kann ich bislang (weil nur angedeutet) noch nicht richtig einordnen. Vermutlich klärt sich das bei weiteren Fällen.

Fazit: Schöner, runder Krimi. Unterhaltsam durch das Spiel mit den Klischees. Mir hat das gut gefallen und beim nächsten Fall für Tischler (erscheint im März 2021), bin ich gerne wieder dabei.

Bewertung vom 08.01.2021
Nordsee-Nacht
Häffner, Hannah

Nordsee-Nacht


gut

»Friederike.« Sie flüsterte erst, dann rief sie lauter: »Friederike.« Ihre Kehle war so furchtbar eng. Sie bekam keine Luft, und in ihrem Kopf summte es wie verrückt, aber sie musste rufen. »Friederike!« Sie schrie jetzt.

Wenn ein Kind verschwindet, dann ist das ein furchtbares Unglück und so mancher, der einen solchen Verlust erlebte, wird nie wieder froh. Genau darum dreht sich das zentrale Thema des Buchs.

Im Jahr 1987 verschwindet die sechsjährige Friederike, ein ruhiges und ernsthaftes Kind, aus einem Zeltlager. Obwohl Kommissar Ulrich Wedeland und sein Team sich in die Suche richtig hineinknien, können sie das Mädchen nicht finden. Irgendwann wird die Akte geschlossen. Viele der Beteiligten können damit jedoch nicht leben. Die Betreuerin Sascha, eine junge Frau, leidet besonders, da Friederike während ihrer Nachtwache verschwand. Der Leser verfolgt intensiv Selbstvorwürfe, Phasen der Depression und des Versagensgefühls, die Ermittler, Betreuer und Mitglieder der Suchtrupps quälen.
Dieser Abschnitt des Buchs ist thematisch interessant und, wie erwähnt, intensiv geschildert. Allerdings zieht er sich über mehr als 160 Seiten – und das empfand ich als deutlich zu lang und die Lektüre wurde trotz aller Dramatik zeitweise ermüdend.

Der zweite Teil des Buchs spielt im Jahr 2012. Eine unbekannte Frau mit Gedächtnisverlust wird genau an dem Strandabschnitt, an dem 25 Jahre zuvor das kleine Mädchen verschwand, bewusstlos aufgefunden. Natürlich werden gleich Überlegungen laut, ob die Unbekannte vielleicht Friederike sein könnte. Das Alter würde passen. Wedeland und Sascha, die beide nie zur Ruhe kommen konnten, hoffen nun endlich mit dem Fall abschließen zu können.
Dieser zweite Teil fesselte mich wesentlich mehr. Zwar wird zunächst die deprimierte Stimmung der Charaktere fortgeführt und deutlich gezeigt, wie sich Friederikes Verschwinden auf ihr ganzes Leben ausgewirkt hat, doch als ich schon fürchtete, dass sich dies bis zum Ende durchziehen würde, kam plötzlich Spannung auf. Am Ende stand dann eine interessante und gut gemachte Auflösung, die mich ein wenig versöhnte.

Fazit: Eine dramatische Ausgangslage wird leider zu langatmig ausgewalzt. Da braucht man Geduld, wird dafür mit einer spannenden und gelungenen Auflösung belohnt.

Bewertung vom 08.01.2021
Halligmord / Minke-van-Hoorn Bd.1
Henning, Greta

Halligmord / Minke-van-Hoorn Bd.1


gut

»Ich weiß nicht…«, begann Jörg umständlich. »Ich bin hier auf Nekpen, habe gerade den Johannsens die Post gebracht und wollte dann von dort hinüber zu den Holts gehen. Jedenfalls, während ich so gehe – gestern Nacht war ja ganz schön Wind und die Flut war hoch… Jedenfalls hat die Flut hier wohl was freigespült.«
»Aha. Und was?« Eine Flaschenpost, eine Coladose, einen Badeschlappen? Auf Nekpen passierte nie etwas, es gab keinen verschlafeneren Ort an der ganzen nordfriesischen Küste.
»Einen Schädel. Von einem Menschen, falls ich das richtig beurteilen kann.«

Die kleine Hallig Nekpen mit ganzen zwei Warften und Höfen und bewohnt von lediglich einer Handvoll Menschen wurde zum Schauplatz eines Kapitalverbrechens. Das ist ja immer schlimm, aber an einem Ort, an dem wirklich jeder jeden kennt, noch beängstigender.
Der Ermittlerin Minke van Hoorn ist das bewusst. Aufgewachsen ist sie auf der Nachbarhallig Midsand, jahrelang war sie dann als Meeresbiologin unterwegs, bevor sie ihr Leben umkrempelte und zur Polizei ging. Ihren ersten Tag als Kommissarin hatte sie sich anders vorgestellt, vielleicht mit einem gestohlenen Fahrrad gerechnet oder einer kleinen Schlägerei zwischen Kneipenbesuchern, ganz sicher aber nicht mit einem Mord. Und als wenn das noch nicht reichen würde, wird kurz danach der Sohn des letzten Deichgrafens entführt.

Auf dieses Buch war ich sehr neugierig gewesen. Ich habe eine Schwäche für Küstenkrimis und ich mag ungewöhnliche Charaktere. Eine Meeresbiologin, die auf Kommissarin umschwenkte, passte da perfekt.
Minke wirkte auch sympathisch und die Küstenatmosphäre gefiel mir (trotz Schietwetter) sehr. Die Anlage des Krimis war ebenfalls reizvoll und geradezu klassisch. Ein Mord an einem Ort, wo es fast nie einen Fremden gibt, das versprach eine richtig nette Detektivgeschichte. Speziell zum Ende hin wurde das auch gelungen umgesetzt.

Aber! In der Danksagung erklärt die Autorin, dass sie sich in Fragen der Polizeiarbeit »an der ein oder anderen Stelle … nicht strikt an die realen Vorschriften gehalten habe«. Das erscheint mir wie die Untertreibung des Jahres. Ich weiß, vielen anderen Lesern ist Realismus nicht so wichtig. Und natürlich gibt es schriftstellerische Freiheit. Aber bei mir platzten in einer Tour Logikwölkchen. Zwei Beispiele: Der Mord plus die Entführung werden nur durch eine einzige Ermittlerin (Minke) bearbeitet. Ohne Unterstützung bzw. Leitung einer größeren Dienststelle. Und als Rechtsmediziner wird mal eben der Bruder außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs dazu gerufen, sein Untersuchungstempo ist enorm. Ich ertappte mich bei dem Wunschgedanken, dass Minke Meeresbiologin geblieben wäre und einfach neben dem Retten von Heulern (was sie hier auch tut) privat ermitteln würde. Die Vorgehensweise wäre die gleiche gewesen und ich hätte mich weniger geärgert.
Dazu kommen Fehler im Text, die dem Lektorat entgangen sind. Zum Beispiel geschah der Mord mehrfach erwähnt im Jahr 1987, die alten Kriminalakten verlegen ihn aber nach 1989. Ein Ehepaar ist gerade übers Wochenende an die Ostsee gefahren und wenige Seiten später erfährt man, dass es auf Sylt ist.

Das Ende erschlug mich dann noch mit einer Wolke von heiler Welt und rosa Zuckerguss. Ich bin sicher, auch das findet viele Freunde. Aber ich werde die Reihe wohl nicht weiterverfolgen.

Fazit: Tolle Atmosphäre und Potential in der Handlung, aber zu viele Logik- und Realismuslöcher.

Bewertung vom 05.01.2021
Zahltag / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.10
Ludwig, Stephan

Zahltag / Hauptkommissar Claudius Zorn Bd.10


sehr gut

»Du sollst nachdenken, Schröder. Und kein dummes Zeug labern.«
»Gib’s ruhig zu, Chef.«
»Was?«
»Du bist ein guter Polizist.«
»Bullshit.«
»Ich weiß, die Erkenntnis ist furchtbar für dich, aber…«
»Bullshit!«

Der zehnte Fall für Zorn und Schröder, ich habe sie alle gelesen und freue mich auf jeden neuen Fall für dieses kultige Ermittlergespann. Dass sie überhaupt einen Fall haben, erstaunt die Kommissare anfangs, denn die tote Frau auf der Toilette im Gerichtsgebäude starb doch offensichtlich eines natürlichen Todes. Die nächste Tote beging Selbstmord. Und der dritte Tote hatte einen Herzanfall. Oder etwa nicht? Als die beiden Ermittler endgültig merken, dass da etwas nicht stimmt, rollt eine Menge Arbeit auf sie zu. Und als wenn das nicht schlimm genug wäre, bricht Zorn plötzlich im Büro zusammen und kämpft anschließend im Krankenhaus um sein Leben…

Die Zorn-und-Schröder-Reihe ist für mich eine der wenigen, bei denen ich nicht nur akzeptiere, sondern sogar erwarte, dass der Fokus nicht nur auf dem Fall, sondern auch auf dem Verhältnis zwischen den beiden liegt. Sie würden es beide nicht hören wollen, aber eigentlich lieben sie sich heiß und innig. Ihre ständigen Wortgefechte gehören zu ihnen, sie könnten gar nicht ohne, würden vermutlich platzen, wenn sie sich nicht streiten und gegenseitig aufziehen könnten. Und ich freue mich über jeden dieser Dialoge, sie machen einfach Spaß. Allein schon, wie sie sich ständig darüber streiten, wer von beiden der Chef sein muss! Daneben ist es schön zu sehen, wie sich die Charaktere entwickeln. Vor allem Zorn hat da noch Potential, denn er ist ein (vorsichtig ausgedrückt) etwas schwieriger Charakter. Hochsensibel, ein richtiges Seelchen, aber auch schwierig. Hat er zu Beginn der Reihe noch einen richtigen Egozentriker gegeben, entwickelt er nun mehr und mehr auch positive Seiten. Ich bin wirklich gespannt, wie es mit den beiden weitergehen wird!

Den eigentlichen Fall fand ich hier nicht sooo spektakulär. Leicht überzogen und nicht sehr spannend. Das habe ich von dem Autor schon ganz anders erlebt! Ich will keine Details verraten, aber ich wusste sehr früh, was da läuft und warum, solcherart motivierte Täter sind nicht selten. Ich vermute aber, dass es viele Leser sehr mögen, wenn solche Psychopathen agieren. Bei mir ist das anders, ich würde einen etwas normaler gestrickten Täter als realistischer und damit als weitaus grauslicher empfinden. Fasse ich meine gesamten Eindrücke zusammen, lande ich bei 3,5 Sternen, die ich allerdings aufrunde. Wegen Zorn und Schröder halt ;-)

Fazit: Ich freu mich schon auf den nächsten Band. Und bin sehr optimistisch, dass mich da der Fall auch wieder mehr begeistert. Die beiden Ermittler sind nun mal einfach Kult!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.01.2021
Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1


ausgezeichnet

»Er griff nach einem der roten Aktenordner und schlug ihn an einer zufälligen Stelle auf. Eine Zeugenaussage. Das Papier war dünn und die Schrift ausgeblichen. Wisting fing an einer Stelle mitten im Text an zu lesen und wusste, wie der Satz endete, bevor er fertig gelesen hatte.«

Kommissar William Wisting hat ein Ritual. Jedes Jahr am 10. Oktober nimmt er sich drei Kartons voller Akten vor, 24 Jahre alter Akten. Denn an diesem 10. Oktober vor 24 Jahren verschwand Katharina Haugen spurlos, ein Zustand, der dem norwegischen Ermittler einfach keine Ruhe lässt. Vielleicht entdeckt er ja diesmal irgendeine Kleinigkeit, die er bislang überlesen oder anders interpretiert hat? Oder vielleicht fällt in diesem Jahr endlich der Groschen und er schafft es, den rätselhaften Code auf einer gefundenen Nachricht zu entschlüsseln?
Dieser 10. Oktober hat auf jeden Fall schon mal zwei Besonderheiten. Plötzlich ist der Ehemann von Katharina Haugen verschwunden. Und Adrian Stiller, Ermittler einer Cold-Case-Abteilung aus Oslo, nimmt Kontakt zu Wisting auf. Er sucht nach einer anderen, ebenfalls vor langer Zeit verschwundenen jungen Frau – und sieht Zusammenhänge zu Wistings Fall…

Wow, das war ein Krimi für mich! Ich habe einfach eine Schwäche für Cold Cases, auch in der Realität freu ich mich jedes Mal riesig, wenn ich höre, dass ein lang zurückliegendes Verbrechen aufgeklärt und der Täter möglichst noch zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Das hat schlicht was mit Gerechtigkeit zu tun. Und ein Ermittler, der so hartnäckig an einem Fall bleibt, bekommt bei mir gleich einige Sympathiepunkte.

Man kann sich natürlich leicht vorstellen, dass sich Wisting in diesem Jahr nicht auf das bloße Studium der Akten beschränken wird. Trotzdem ist das, was dann abläuft, ruhige, geplante und akribische Polizeiarbeit. Stiller bringt mit der Nutzung moderner Technik und der Einschaltung der Medien neue Ansätze hinzu. Parallel ermittelt auch noch Line, Wistings Tochter. Die Journalistin erhofft sich, mit der Aufarbeitung des alten Falls nach der Elternzeit wieder ins Berufsleben starten zu können.

Was man nicht erwarten darf, ist großartige Action. Die Opfer sind bereits tot, die Ermittlungen verlaufen ruhig. Aber, ein großes Plus, sie wirken sehr realistisch. Der Autor hat selber als Kriminalhauptkommissar gearbeitet, das trägt sicher dazu bei. Den Stil mochte ich ebenfalls sehr, fand ihn auch nicht nüchtern. Ich habe wunderbar mitgerätselt, fand das sehr spannend und werde diese Reihe auf jeden Fall weiterverfolgen.

Fazit: Spannender Cold Case mit viel Realismus und akribischer Polizeiarbeit. So etwas mag ich!

Bewertung vom 03.01.2021
Die rote Frau / August Emmerich Bd.2
Beer, Alex

Die rote Frau / August Emmerich Bd.2


ausgezeichnet

»Irgendwas ist faul hier. Ich kann es nicht klar benennen, es ist nur so ein Gefühl. Du weißt schon … mein Bauch.«
»Und was sagt Ihr Verstand?«
»Auf den sollte man nicht immer hören.«

Wien im März 1920. Rayonsinspektor August Emmerich, ein Kriegsinvalide, und sein junger Assistent Ferdinand Winter waren froh, endlich in der Abteilung „Leib und Leben“ angekommen zu sein. Doch seit der Leiter der Abteilung wechselte, haben die beiden schlechte Karten, werden abfällig als Krüppelbrigade verunglimpft und müssen trotz früherer Ermittlungserfolge Hilfsarbeiten tun.
Während alle anderen Kollegen mit der Aufklärung des Mordes am Stadtrat befasst sind, soll Emmerich sich um eine überspannt wirkende Schauspielerin kümmern, die sich bedroht fühlt. Doch die zunächst anspruchslose Aufgabe wird sich als überraschend bedeutend erweisen und schon bald stoßen Emmerich und Winter auf ein schockierendes Mordkomplott. Sie müssen heimlich ermitteln und die Zeit läuft!

Bereits der erste Fall für Emmerich und Winter hatte mich begeistert, dieser hier steht ihm um nichts nach. Nach wenigen Seiten schon war ich so von der Handlung mitgerissen, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen mochte.

Da ist zunächst einmal die Atmosphäre. Die Situation im Wiener Nachkriegswinter ist so drastisch geschildert, dass man beim Lesen immer wieder die Luft anhält. Die Unterschiede bei den Lebensbedingungen zwischen Reich und Arm, die krassen Klassenunterschiede zwischen verschwenderischem Luxus auf der einen und bitterster Not auf der anderen Seite, machen einfach wütend. Leicht kann man sich vorstellen, welch hohes Ausmaß an Kriminalität zudem durch diese Ungerechtigkeiten hervorgerufen werden kann! Die ohnehin schon üble Situation wird durch eine Haltung in Teilen der Bevölkerung befeuert, die auf Vorurteilen und Diskriminierung beruht.

Emmerich selbst leidet auch persönlich unter unmenschlichen Lebensbedingungen, sein Schicksal ist schlicht tragisch und ruft bei mir großes Mitgefühl hervor. Andere würden vor einem solchen Hintergrund kapitulieren und sich aufgeben. Doch Emmerich ist ein Kämpfer. Als Typ ist er dabei nicht selten anstrengend. Er ist stur, zieht sein Ding durch und vernachlässigt zugunsten seines Bauchgefühls auch schon mal das Nachdenken. Wirklich kein einfacher Charakter, aber auch ungeheuer sympathisch.

Zum Krimi selbst möchte ich nicht mehr verraten, die Handlung ist geschickt aufgebaut, hat ein paar überraschende Entwicklungen und bleibt durchgehend spannend. So einige historische Hintergründe wurden zudem eingebaut, im Nachwort gibt es dazu eine interessante Ausführung.

Fazit: Spannender und intelligenter Krimi vor intensiv-bedrückender Atmosphäre. Der Folgeband steht bereits auf meiner Liste.

Bewertung vom 01.01.2021
Einstein / Mäuseabenteuer Bd.4
Kuhlmann, Torben

Einstein / Mäuseabenteuer Bd.4


ausgezeichnet

»Darf ich Sie vielleicht doch noch einmal fragen, was genau die Zeit ist? Ich bin nämlich einen Tag zu spät dran und suche nun einen Weg, die Zeit zurückzudrehen.«

Die arme kleine Maus! So sehr hatte sie sich auf das große Käsefest gefreut – und nun kommt sie einen Tag zu spät dort an und alles ist bereits vorbei. Wenn man doch bloß die Zeit zurückdrehen könnte! Aber vielleicht ist das ja möglich? Die kleine Maus beginnt nachzuforschen…

Ich liebe Torben Kuhlmanns Geschichten über die Abenteuer einer kleinen Maus, habe sie alle gelesen und genossen. Auch „Einstein“ ist ihm wieder wunderbar gelungen! Während die Bücher zu Lindbergh, Armstrong und Edison sich jedoch mehr auf die historischen Ereignisse konzentrieren, wird es hier auch fantastisch und geht mit dem Thema Zeitreise schon etwas in Richtung Science Fiction.

Der Leser darf sich wieder darauf freuen, die Maus beim Anfertigen von Konstruktionszeichnungen und letztlich ihrer Zeitmaschine zu bewundern. Wie immer hat Torben Kuhlmann die Illustrationen mit großer Akribie und viel Liebe zum Detail ausgearbeitet. Die Maus wirkt absolut lebendig, wenn sie mich in „Großaufnahme“ anschaut, möchte ich sie am liebsten knuddeln, so niedlich ist sie. Und was sie draufhat, ist faszinierend! Sie studiert Fachliteratur, zeichnet, stellt Berechnungen an, bedient Computer, sammelt Bauteile und Werkzeuge zusammen, baut Maschinen – perfekt! Diesmal holt sie sich zudem noch Expertenrat, und zwar von Albert Einstein persönlich…

Die Geschichte ist richtig schön rund, hat spannende Momente und macht einfach Spaß! Im Anhang finden sich neben einer Kurzinfo zu Albert Einstein ein paar Ausführungen zu seinen Theorien. Leicht verständlich für schon etwas größere Kinder formuliert und ebenfalls mit Illustrationen (hier zur Veranschaulichung) versehen.

Fazit: Wieder ein wundervolles Mausbuch! Großartige Illustrationen, fantasievoll und detailreich. Dazu eine schöne, runde Geschichte – herrlich! Ich hoffe, der Autor arbeitet bereits an einem neuen Mausabenteuer.

Bewertung vom 01.01.2021
Enna Andersen und das verschwundene Mädchen / Enna Andersen Bd.1
Johannsen, Anna

Enna Andersen und das verschwundene Mädchen / Enna Andersen Bd.1


gut

»Ihr wollt mich abschieben! Warum sagst du nicht einfach, wie es ist?«

Hauptkommissarin Enna Andersen hatte sich nach dem Unfalltod ihres Mannes eine berufliche Auszeit genommen. Als sie nun wieder einsteigen möchte, überträgt man ihr die Leitung einer neu gegründeten Abteilung zur Aufklärung von Cold Cases. Eigentlich sehr interessant und auf ihre Bedürfnisse als alleinerziehende Mutter abgestimmt, doch Enna fühlt sich trotzdem abgeschoben. Auch die ihr zugeordneten Kollegen sind nicht begeistert. Jan Paulsen wurde gerade frisch zum Oberkommissar degradiert und die junge Pia Sims, ein Talent von der Polizeischule, hätte sich auch eher eine spannendere Abteilung gewünscht. Schon ihr erster Fall wird den Ermittlern jedoch vollen Einsatz abverlangen. Vor zehn Jahren verschwand die kleine Marie Hansen während einer Klassenfahrt spurlos – das Team macht sich an die Arbeit.

Die Ausgangslage fand ich sehr interessant. Ich mag Küstenkrimis, Cold Cases fesseln mich ohnehin, dazu drei Ermittler, die sich erst mal alle frustriert zusammenraufen müssen, das klang doch vielversprechend! Enna stößt beim Studium der Akten auch gleich auf mehrere Ungereimtheiten. Wieso werden einige wichtige Punkte dort nicht erwähnt? Und wo sind die Tonaufnahmen der damaligen Verhöre? Die Spannung stieg!

Sie hielt aber leider nicht an. Schon bald hatte ich das Gefühl, dass einfach zu dick aufgetragen wird. Man muss doch nicht immer ein wahnsinniges Konstrukt an Hintergründen entwerfen, das wirkt auf mich nur unglaubwürdig und unrealistisch, da wäre weniger eindeutig mehr.
Dazu kamen einige nicht stimmige Aktionen, so manches wirkte einfach nur konstruiert. Und warum tut sich bei einem 10 Jahre alten Fall jetzt plötzlich (Enna hatte aus allen Altfällen den ersten zur Ermittlung tatsächlich ausgelost) parallel zur Ermittlung etwas? Das ist mir ein bisschen zu viel Zufall!

Diese übertrieben konstruierte Handlung hat mich auch deshalb so geärgert, weil ich die Protagonisten und ihr Verhältnis zueinander sehr interessant fand. Ganz verschiedene Charaktere mit reichlich Reibungspunkten (die Fetzen fliegen häufiger), daraus kann man einen tollen Krimi basteln. Hoffentlich beim nächsten Mal mit mehr Bodenhaftung bei der Handlung.

Fazit: Reizvolle Charaktere, aber von der Handlung her zu konstruiert.