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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3573 Bewertungen
Bewertung vom 02.07.2023
Imi Knoebel

Imi Knoebel


ausgezeichnet

Der deutsche Künstler Imi Knoebel (Pseudonym für Klaus Wolf Knoebel, geb. 1940 in Dessau) gehört seit mehr als einem halben Jahrhundert zu den herausragenden Vertretern einer radikal gegenstandslosen Malerei. Mit vierzig Werken aus nahezu allen Schaffensphasen ist er auch eine der zentralen Künstlerpersönlichkeiten im Bestand der Sammlung Goetz.

Vom 15. September 2022 bis zum 29. April 2023 ehrte die Sammlung mit einer retrospektiven Ausstellung den Künstler, der in seinem Werk eine eigene minimalistisch-konzeptuelle Formensprache entwickelte. Dafür wurden aus dem umfangreichen Bestand exemplarische Werke ausgesucht. Im Hirmer Verlag ist der zweisprachige (dt./engl.) Begleitkatalog zu dieser Ausstellung erschienen. Die Hartfaserwerke verweisen auf die konzeptuellen Anfänge im Werk des Künstlers. Die Schwarz-Weiß-Arbeiten zeigen eine Klarheit und Strenge, die an Kasimir Malewitsch erinnern. Erst ab Mitte der 1970er Jahre beschäftigte sich Knoebel mit Farbe. So zeigt die Ausstellung einige Beispiele von der Vielfalt unterschiedlicher Farbkombinationen. Der Katalog zeigt alle Ausstellungswerke in meist ganzseitigen Farbabbildungen, die auch ausführlich beschrieben werden. Drei Essays dokumentieren außerdem den künstlerischen Entwicklungsweg von Imi Knoebel.

Bewertung vom 02.07.2023
Kurzprosa um 1900

Kurzprosa um 1900


ausgezeichnet

Neben dem Auswahlband „50 Gedichte um 1900“ hat der Reclam Verlag noch einen Band mit kurzen Prosatexten um die Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert herausgebracht und präsentiert damit ein umfassendes Bild der Literaturepoche vor über hundert Jahren. Der Band versammelt Novelletten, Märchen, Prosagedichte und andere Kurzformen, die zwischen 1880 und 1914 entstanden und im Regelfall auch erschienen sind.

Die Bandbreite der AutorInnen reicht von Marie von Ebner-Eschenbach über Arthur Schnitzler, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Stefan Zweig, Franz Kafka oder Kurt Tucholsky bis zu Alfred Döblin und Henriette Hardenberg. Insgesamt 38 Texte präsentiert die Neuerscheinung. In dem umfangreichen Anhang gibt es dann einige biografische Informationen zu den AutorInnen mit einer Auswahl von zu Lebzeiten erschienenen Werken. In seinem Nachwort gibt der Herausgeber Michael Scheffel schließlich einen Überblick über den Aufbau der Anthologie und die deutsche Literatur zwischen den 1880er Jahren und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Dazu erläutert er Textformen und literarische Strömungen.

Bewertung vom 02.07.2023
50 Gedichte um 1900. Naturalismus - Fin de Siècle - Frühexpressionismus

50 Gedichte um 1900. Naturalismus - Fin de Siècle - Frühexpressionismus


ausgezeichnet

Die Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert war von den unterschiedlichsten literarischen Strömungen geprägt. In der sogenannten Literaturepoche der Moderne (1880-1920) überschnitten sich Naturalismus, Symbolismus, Impressionismus, Fin de Siècle, Jugendstil, Neoromantik, Expressionismus und Dadaismus. Vor allem in der Lyrik war diese stilistische Vielfalt ausgeprägt.

Der Reclam-Band präsentiert mit seinen fünfzig Gedichten die unterschiedlichsten ästhetischen Formen und Stoffe in der Lyrik in dieser Literaturepoche. Die Herausgeberin Gabriele Sander hat die Auswahl dabei in elf verschiedene Themenkapitel (mit jeweils vier bis fünf Gedichtbeispielen) unterteilt – z.B. „Lyrische Positionsbestimmungen“, „Provokationen und Tabubrüche“, „Weibliches (Auf-)Begehren“ oder Großstadtimpressionen. Die Bandbreite der vorgestellten LyrikerInnen reicht dabei von Christian Morgenstern über Else Lasker-Schüler, Stefan George, Frank Wedekind, Isolde Kurz bis zu Ernst Stadler. Neben bekannten Gedichten gibt es auch weniger Bekanntes zu entdecken.

Im umfangreichen Anhang der Neuerscheinung gibt es zu jedem Gedicht ausführliche Erläuterungen, Kommentare und Drucknachweise sowie biografische (recht detaillierte) Informationen zu den LyrikerInnen. Außerdem wird der Band durch ein Nachwort der Herausgeberin ergänzt, in dem sie einen Überblick über die spannende Literaturepoche gibt.

Bewertung vom 01.07.2023
Der Moment der Schönheit
Fitzgerald, Francis Scott

Der Moment der Schönheit


ausgezeichnet

Der US-amerikanische Schriftsteller Francis Scott Fitzgerald (1896-1940) gilt als einer der bekanntesten Autoren des goldenen Jazz Age, als gefeierter Romancier der swingenden 1920er Jahre. Sein wichtigstes Werk war der Roman „Der große Gatsby“. Aber auch seine Romane „Diesseits vom Paradies“ und „Die Schönen und Verdammten“ sowie seine Erzählungen werden heute immer noch verlegt.

Nun erschienen in der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung zum ersten Mal in deutscher Übersetzung seine „Notebooks“. Hier sammelte Fitzgerald seine Einfälle, Ideen und erste Entwürfe für Erzählungen und Romane. In diesen Notebooks hielt er Beobachtungen, Erlebnisse und kreative Momente fest. Fitzgerald begann Anfang der 1930er Jahre, seine Aufzeichnungen unter alphabetischen Überschriften wie „Anecdotes (Anekdoten)“ … „Conversations and Things Overheard (Gespräche und Aufgeschnapptes)“ … „Literara (Literarisches)“ … „Observations (Beobachtungen)“ oder „Vernacular (Mundartliches)“ anzuordnen und auf der Schreibmaschine abtippen zu lassen. Bis zu seinem Tode führte er die „Notebooks“ weiter. Eine vollständige Ausgabe erschien 1972. Die vorliegende deutsche Neuerscheinung ist eine Auswahl.

Die Vorratskammer an Ideen ist eine spannende und aufschlussreiche Lektüre, denn sie gewährt nicht nur einen Blick in die Schriftsteller-Werkstatt von Fitzgerald, sie zeigt auch einen detailfreudigen Beobachter, der es meisterhaft verstand, hinter die Kulissen der Menschen zu schauen, der Ereignisse und Lebensläufe zu kondensieren verstand.

Bewertung vom 26.06.2023
Hermann Stenner
Heuwinkel, Christiane;Wagner, Christoph

Hermann Stenner


ausgezeichnet

Der deutsche Maler und Grafiker Hermann Stenner (1891-1914) fiel jung im Ersten Weltkrieg und konnte als Künstler nur fünf kurze Jahre wirken. Trotzdem gehört sein umfassendes Oeuvre zu den bedeutendsten Werken des frühen 20. Jahrhunderts. Als hätte es Stenner gewusst, dass ihm nur wenig Zeit blieb, legte er eine geradezu unbändige Produktivität an den Tag. Immerhin hinterließ er ein umfangreiches Werk von fast 300 Gemälden, über 1.500 Aquarellen und Zeichnungen sowie einigen druckgraphischen Arbeiten. Außerdem nahm er an verschiedenen Ausstellungen teil, darunter 1913 an der ersten deutschen Expressionisten-Ausstellung in Dresden.

Im Band 32 der gefragten Kunstreihe „Junge Kunst“ stellen die beiden renommierten KunsthistorikerInnen Christiane Heuwinkel und Christoph Wagner Stenners Biografie und sein vielseitiges Werk vor. Sie beleuchten seine rasante künstlerische Entwicklung und die eigenständige Bildsprache in den nur fünf Schaffensjahren – von der Grafik bis zu den aussagestarken expressionistischen Gemälden. Dieses Kapitel wird sehr umfangreich mit Reproduktionen (teilweise ganz- bzw. beidseitig) dieser Werke illustriert. Das biografische Kapitel macht mit Stenners Lebensstationen vertraut und wird durch zahlreiche historische Abbildungen ergänzt. Fazit: Eine wichtige Publikation, die ein „schwarzes Loch“ in der deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts erhellt.

Bewertung vom 25.06.2023
Johannes Itten
Wagner, Christoph

Johannes Itten


ausgezeichnet

Der Schweizer Künstler und Kunstpädagoge Johannes Itten (1888–1967) prägte die Kunstrichtung in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich mit. Er gilt als der Begründer der Farbtypenlehre.

Nach ersten künstlerischen Schritten in Stuttgart und Wien wechselte Itten 1919 in die experimentelle Künstlergemeinschaft der Bauhäusler in Weimar. Dort war er von 1919 bis 1923 als „Lehrender Meister“ tätig. Von 1926 bis 1934 führte Itten dann eine eigene Schule in Berlin. 1937 wurden in der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ Ittens Werke aus deutschen Museen und öffentlichen Sammlungen entfernt. Zunächst ging er in die Niederlande und wurde dann aber bis 1954 Direktor an der Kunstgewerbeschule Zürich. Johannes Itten starb 1967 in Zürich.

In Band 28 der beliebten Reihe „Junge Kunst“ stellt der renommierte Kunsthistoriker Christoph Wagner den Schweizer Künstler mit seiner faszinierenden stilistischen Bandbreite vor. Neben der künstlerischen Karriere geht der Autor auch ausführlich auf Ittens pädagogische Laufbahn ein, die beide eng miteinander verknüpft waren. Dieses Kapitel wird mit zahlreichen Werksabbildungen (teilweise ganz- und beidseitig) illustriert. Das anschließende biografische Kapitel wird mit einigen historischen Fotografien ergänzt. In dem abschließenden Abschnitt „Archiv“ werden besondere Fundstücke und Dokumente vorgestellt. Fazit: ein kompakter und informativer Zugang zu Johannes Itten.

Bewertung vom 25.06.2023
Alfons Mucha
Rogasch, Wilfried

Alfons Mucha


ausgezeichnet

Der tschechische Künstler Alfons Mucha (1860-1939) war einer der bekanntesten Maler, Plakatkünstler, Grafiker und Illustratoren um die Jahrhundertwende 1900 und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Der künstlerische Durchbruch gelang ihm 1895 mit einem Sarah Bernhardt-Theaterplakat. Danach wurde Mucha zu einem Hauptvertreter des „Art Nouveau“ (Jugendstil).

In der beliebten Reihe „Junge Kunst“ (Band 33) stellt der Historiker und Ausstellungskurator Wilfried Rogasch den „größten dekorativen Künstler der Welt“ ausführlich mit seiner Biografie und den vielfältigen künstlerischen Betätigungsfeldern (Maler, Buchillustrator, Designer und Fotograf) vor. Mucha entwickelte dabei seinen eigenen unverwechselbaren Stil („Mucha-Stil“) mit Jugendstil-Symbolen, zarten Farben und dekorativen Elementen aus dem Byzanthinismus. Zwischen 1904 und 1921 reiste er häufig in die Vereinigten Staaten. Er nahm dort Aufträge an und lehrte an Kunstakademien in New York und Chicago. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei im Jahr 1939 durch die deutschen Nationalisten wurde Mucha verhaftet, verhört und wieder freigelassen. Wenige Tage später, am 14. Juli 1939 starb Mucha in Prag.

Der Kunstband ist mit zahlreichen farbigen Abbildungen der Kunstwerke (teilweise beidseitig) opulent ausgestattet; dazu einige historische Fotografien, die den biografischen Teil ergänzen. Fazit: eine wunderbare und äußerst informative Einführung zu Alfons Mucha und seinem Werk.

Bewertung vom 21.06.2023
Der Snob
Edel, Edmund

Der Snob


ausgezeichnet

Edmund Edel (1863-1934) war nicht nur als deutsch-jüdischer Schriftsteller tätig, er gehörte auch zu den wichtigsten Illustratoren und Karikaturisten seiner Zeit. Der Quintus Verlag widmet sich seinem literarischem Werk. Nach dem schriftstellerischen Debüt, der Gesellschaftssatire „Berlin W.“, die 1906 erschien, führt der Roman „Der Snob“ (1907) erneut in die besseren Kreise der Berliner Gesellschaft.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Willy Lehmann, der titelgebende Snob, der stets nach Eleganz und Stil strebt. Seine einfache Herkunft aus einer Charlottenburger Gärtnerfamilie hat er längst abgestreift. Er beherrscht die kultivierten Umgangsformen und nennt eine luxuriöse Wohnung nahe dem Kurfürstendamm sein Eigen. Aufenthalte in St. Moritz und Monte Carlo sind selbstverständlich. Die Noblesse geht sogar soweit, dass er seine Garderobe in London waschen lässt, weil das Spreewasser zu hart ist. Als Willy die Textilfabrikantentochter Trude Blachstein kennenlernt, ist sie für ihn der wohltuende Gegensatz zu der „hohlen“ Gesellschaft, die ihn umgibt. Außerdem begeistert er sich für ein avantgardistisches Theaterprojekt und wird dessen Hauptinvestor. Die Liebe und sein kulturelles „Engagement“ verunsichern ihn allerdings … und so kehrt er Berlin für unbestimmte Zeit den Rücken.

Fazit: Der Roman zeichnet ein authentisches Bild von Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Man darf auf die Fortsetzung der Edmund Edel-Werkausgabe gespannt sein.

Bewertung vom 20.06.2023
Stephan Hermlin
Schütt, Hans-Dieter

Stephan Hermlin


ausgezeichnet

Stephan Hermlin (1915 - 1997) war einer der bedeutendsten und zugleich widersprüchlichsten Schriftsteller in der DDR, zwischen Loyalität und Kritik. Doch als Antifaschist und Jude schien er unangreifbar zu sein: ein „sozialistischer Grandseigneur“. Nach der politischen Wende 1989/90 kam jedoch der Vorwurf auf, seine Biografie basiere auf Unwahrheiten und Fälschungen.

Der Journalist Hans-Dieter Schütt hat nun unter dem Titel „Entlang eines Dichters“ einen biografischen Essay über Hermlin vorgelegt. Doch Schütt betont, dass es sich um keine Biografie handelt. „Kein Hinterunterstieg in Archive. Keine Chronik, kein detailsammelndes Eintauchen ins Familiäre. Kein Nachforschen.“

Schütt hat gelesen, was Hermlin geschrieben. Dabei waren alle seine Texte für Schütt ein einziger Text. Er kannte auch die Vorwürfe und Ablehnungen. Für Schütt war Hermlin ein Schriftsteller, der zwischen den Fronten lebte. Er bezeichnete sich selbst einmal als „spätbürgerlicher Schriftsteller“, der einerseits vom Staat protegiert wurde, sich in anderen Fällen aber auch deutlich von der Politik der DDR distanzierte – z.B. als er 1976 eine Petition gegen die Ausweisung Wolf Biermanns verfasste. Fortan setzte sich Hermlin für Autoren wie Sarah Kirsch oder Wolfgang Hilbig ein, die die DDR verlassen hatten.

Wesentliche Neuigkeiten bietet die Neuerscheinung nicht, doch Schütt setzt sich kritisch mit Unwahrheiten, aber auch mit der Legendenbildung auseinander. Der biografische Essay ist ein Versuch, Hermlins Wandlung vom „gläubigen Stalinisten“ zum „kritischen Intellektuellen“ anschaulich und nachvollziehbar darzustellen. Außerdem erinnert Schütt auch an Hermlins bedeutendes literarisches Werk, in dem der autobiografisch grundierte Roman „Abendlicht“ (1979) heraussticht und der auch in der Bundesrepublik viel gelesen