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Havers
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Bewertungen

Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 28.05.2021
Die Kobra von Kreuzberg
Decar, Michel

Die Kobra von Kreuzberg


ausgezeichnet

Wenn man Beverly Kaczmarek nach ihrem Beruf fragen würde, käme als Antwort wahrscheinlich Meisterdiebin, obwohl sie sich dessen nach ihrem letzten Coup nicht mehr so sicher ist. Ist ja auch schwierig, in einer Familie zu reüssieren, in der sie immer mit ihren weitaus erfolgreicheren Brüdern konkurrieren muss. Die haben es drauf, klauen so hochpreisige Objekte wie Fabergé-Eier aus der Eremitage in St. Petersburg und machen sich dann noch lustig über ihre kleine Schwester, die es noch nicht einmal schafft, ihre Beute verlustfrei zu transportieren. Hat sie doch eine der beiden erbeuteten Wegwood-Vasen ihres letzten Bruchs fallen lassen. Jetzt will sie es sich und den anderen beweisen und plant den Supercoup. Die Quadriga vom Brandenburger Tor, die soll es sein.

Michel Decar war für mich ein unbekannter Autor, und so wusste nicht, worauf ich mich mit seinem neuen Roman einlassen würde. Und der Start war in der Tat holprig. Ich habe mich zu Beginn mehrmals gefragt, ob ich wirklich die Story einer durchgeknallten Räuberschwester lesen will, die einen unmöglichen Coup plant. Aber je weiter die Story fortschritt, umso mehr war ich von dem ungewöhnlichen Stil und der rotzigen Sprache angetan.

Wir finden hier Versatzstücke unterschiedlicher Genre: Ein guter Schuss Pulp und Trash, eine Prise Familiengeschichte, etwas Krimi, jede Menge Situationskomik, Ironie und schräge Kommentare über Gott und die Welt, aber auch verborgene Anspielungen auf den Status Quo der Gesellschaft. Hier werden gekonnt Klischees eingesetzt und ausgehebelt und jede Menge Typen aufgefahren, die im Gedächtnis bleiben werden. Ob das nun Dragan, der anarchistische Wetterterrorist oder die neben der Spur laufende Museumsdirektorin ist, jede/r ist für sich ein Unikat und passt wie die Faust auf’s Auge zu dieser Story, die einfach nur gute Laune macht. Lesen!

Bewertung vom 24.05.2021
Klippentod / Simon Jenkins Bd.1
Bray, Ian

Klippentod / Simon Jenkins Bd.1


gut

Simon Jenkins hat seine Arbeit als Polizist hinter sich gelassen und lebt nun ein Künstlerleben in Cadgwith, einem Fischerdorf im Süden Cornwalls. Aber er muss bald feststellen, dass es nicht so einfach wie gedacht ist, die Verbindungen zu seinem früheren Ich zu kappen. Als ihn spät in der Nacht der Anruf einer verzweifelten jungen Frau erreicht, die um Hilfe bittet, weist er sie ab. Ein fataler Fehler, wie er sich am nächsten Tag eingestehen muss, als ihre Leiche gefunden wird. Offenbar hat sie sich von der Klippe in den Tod gestürzt. So jedenfalls die Einschätzung der Polizei, für die der Fall damit geklärt ist. Ihre Freundin ist davon überzeugt, dass sie gestoßen, ermordet wurde und bittet Jenkins um Hilfe. Und es scheint, als läge sie mit ihrer Vermutung richtig, denn es taucht eine weitere Leiche auf, was die Alarmglocken des Ex-Polizisten schrillen und dessen Nachforschungen in Gang setzt.

Sehnsucht nach Meer? Nach felsgesäumten Wanderwegen und üppigem Grün? Reetgedeckten Cottages mit bunter Rosenpracht im Vorgarten? Wer in grandiosen Naturbeschreibungen, atmosphärischen Schilderungen des englischen Dorflebens samt Besuchen im Pub schwelgen möchte, wird in „Klippentod“ bestens bedient. Aber was die Stärke des Buches ausmacht, ist gleichzeitig auch seine Schwäche, denn als spannender Kriminalroman funktioniert es nur bedingt.

Die Vermutung liegt nahe, dass es als Einstieg in eine Reihe gedacht ist. Eine Location mit Atmosphäre, eine sympathische Hauptfigur mit traumatischer Vergangenheit, die Fischer, die um ihre Existenz fürchten plus das Alltagsleben im Dorf. All das wird in epischer Breite auf 560 Seiten geschildert, plätschert langsam dahin und stellt die Geduld auf eine harte Probe. Mir fehlt das Tempo, die Spannung, die immer wieder abflacht und das Ganze zu einer ziemlich langatmigen und zähen Geschichte macht und das Interesse an der Auflösung killt.

Bewertung vom 18.05.2021
Mado
Franßen, Wolfgang

Mado


sehr gut

Mado möchte mehr. Sie will Freiheit, Leben, Spaß, weg von der nörgelnden Mutter, raus aus der bretonischen Provinz. Paris lockt mit Freiheit, aber das ist nur ein leeres Versprechen. Daran ändern auch die Partys und Drogen nichts. Der Kerl, mit dem sie lebt, ist keine Alternative. Dumm und brutal. Sie muss sich von ihm befreien, die einzige Möglichkeit, die sie kennt, ist Gewalt. Ein Schlag auf den Schädel. Ende.

Weg aus Paris, heim in die Bretagne. Oma wird’s schon richten, die kennt sich damit aus. Zu dumm, dass da keine Leiche zum Entsorgen ist. Offenbar hat er den Schlag überlebt. Einen Boxer haut so leicht nichts um. Aber wenn der Stolz angekratzt ist, folgen die Rachegedanken auf den Fuß.

Zurück in der Provinz, wo sich nichts geändert hat. Die Mutter hinter der Theke der verratzten Dorfkneipe, die angepasste Schwester, die sich in ihr Schicksal fügt und damit zufrieden ist. Mado, die noch immer hofft und sich in der Zwischenzeit die derben Bemerkungen der Männer gefallen lässt. Lähmende Langeweile, aufkeimende Wut.

Thierry? Kann der einen Ausweg bieten? Geld, das ist es, was zählt, das verspricht Freiheit, lässt hoffen. Aber woher nehmen auf die Schnelle? Zumindest hat er einen Plan, und wer nichts wagt, kann auch nichts gewinnen.

Der Roman erzählt von den starken Frauen der Familie Kaaris, die dennoch am Leben scheitern und resigniert ihren vorbestimmten Platz einnehmen. Nicht so Mado, die Wütende, Verzweifelte. Von dem Milieu, in das sie hineingeboren wurde, in Geiselhaft genommen. Die dennoch für ihr selbstbestimmtes Leben kämpft, den Mut und die Hoffnung nicht verliert. Nicht müde wird, ihren Weg trotz aller Widrigkeiten zu gehen und dafür auch Grenzen überschreitet.

Kurze Kapitel und wechselnde Perspektiven generieren Tempo. Die Umsetzung des Themas ist gelungen, auch wenn sie den Klischees des Genres entspricht. Keine Feelgood-Lektüre und nichts für Harmoniesüchtige, die zwingend ein Happy-End erwarten. Oder etwa doch?

Bewertung vom 17.05.2021
Der Polizist
Grisham, John

Der Polizist


sehr gut

Häusliche Gewalt ist immer ein Thema, das unter die Haut geht, und die Zahlen für den amerikanischen Bundesstaat Mississippi, in dem der neue Justizthriller von John Grisham verortet ist, sind erschreckend: Jede dritte Frau wird wird im Lauf ihres Lebens ein Opfer häuslicher Gewalt, pro Tag gehen ca. 21.000 Hilferufe bei der Notrufzentrale ein. Wenn es Schußwaffen im Haus gibt, sind 94 % der Opfer weiblich. Und das sind nur die dokumentierten Fälle.

Jack Brigance, Anwalt in Clanton, Mississippi, hat es allerdings mit einem männlichen Opfer zu tun. Stu Kofer ist gut angesehen in Clanton. Army-Veteran, zuverlässiger Deputy, der immer einspringt, wenn Not am Mann ist. Aber er hat auch eine dunkle Seite, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn er sich betrinkt, denn dann kann er seine Aggressionen nicht mehr kontrollieren und und prügelt im Rausch auf seine Freundin ein. So auch an dem Tatabend, an dem er sie im Vollrausch bewußtlos schlägt. Aber diesmal ist genug wirklich genug, und so schnappt sich ihr Sohn, der 16jährige Drew seine Dienstwaffe und erschießt ihn.

Einschub: Wenn ein Bundesstaat die Zahl seiner Hinrichtungen nach oben schrauben will, erlässt er kurzerhand Gesetze. Beispielweise, dass die Tötung eines Polizisten, auch wenn dies nicht im Dienst geschieht, IMMER die Todesstrafe nach sich zieht. Dass ein sechzehnjähriger Straftäter wie ein Erwachsener zu behandeln und auch nach Erwachsenenrecht zu verurteilen ist. So geschehen in Mississippi.

Auf Wunsch von Richter Noose übernimmt Brigance den Fall als Pflichtverteidiger und wird in kürzester Zeit zum meistgehassten Einwohner in Clanton. Aber er wäre nicht der engagierte Anwalt, den wir bereits in „Die Jury“ und „Die Erbin“ kennengelernt haben, wenn er sich ungeachtet der Tatsache, dass ihn dieses Mandat an den Rand des finanziellen Ruins treiben wird, in die Verteidigung verbeißen und gegen alle Widerstände für den jugendlichen Straftäter kämpfen würde.

Grisham ist ein Meister seines Fachs, schreibt über das, was er kennt. Zeigt die Bigotterie des „Bible Belt“ auf, spart auch den Rassismus nicht aus, ebenso die Verachtung, mit der der „White Trash“ behandelt wird. Er wählt die Themen aus, die ihm am Herzen liegen. Das gerät manchmal etwas zu ausführlich, zu langatmig. So auch hier, denn der Prozess gegen Drew nimmt nur ca. ein Viertel des knapp 670 seitigen Romans ein. Die restlichen Dreiviertel lernen wir gefühlt jeden Einwohner von Ford County, jeden Sachverständigen, Anwaltskollegen etc. kennen. Erfahren, welche Hürden im Prozesswesen zu nehmen sind und gewinnen tiefe Einblick in die widersprüchlichen Gefühle der Verteidigung, wenn es um die moralische und ethische Frage geht, ob ein Mord gerechtfertigt sein kann und ein Täter straffrei ausgehen darf. Eine Frage, die nicht beantwortet wird, aber über die es sich lohnt, nachzudenken.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2021
Tote ohne Namen / Alice Vega Bd.1
Luna, Louisa

Tote ohne Namen / Alice Vega Bd.1


gut

Von Autorenkollegen auf dem Cover als „sensationell“ und „atemberaubend“ beschrieben, weckt dieser Thriller hohen Erwartungen, zumal der Klappentext äußerst interessant klingt. Handlungsort Südkalifornien an der Grenze zu Mexiko. Zwei namenlose Minderjährige werden tot aufgefunden, übersät mit zahllosen Schnittwunden, die Obduktion ergibt, dass sie offenbar zur Prostitution gezwungen wurden. Ein Ermittlerduo, bei dem die Ex-Kopfgeldjägerin Alice Vega, die erst zuschlägt und dann fragt, das Sagen hat, unterstützt von Ex-Cop Max Caplan. Kann man daraus folgern, dass dies ein Thriller ist, der Geschlechterstereotypen aushebelt, sich mit der Migrationsproblematik auseinandersetzt und die Machenschaften der mexikanischen Drogenkartelle thematisiert? Ich denke schon, aber leider werden diese Versprechen nicht eingelöst.

Die Story ist weitgehend nach Schema F mit sämtlichen Zutaten geplottet, die man bei diesen Eckpunkten von Anfang an erwarten kann: Korrupte Behördenvertreter, Kompetenzgerangel zwischen DEA und Polizei ebenfalls, ebenso die Schmiergeldzahlungen der Kartelle. Keine Überraschung, alles vorhersehbar. Und auch die beiden Ermittler bewegen sich auf ausgetretenen Pfaden, wobei allerdings in puncto Aggressivität die Rollen getauscht wurden. Vega ist diejenige mit der tief sitzenden ungezügelten Wut, und Cap ist eher der Zögernde, hat offensichtlich noch immer mit einer traumatisierenden Erfahrung aus einem früheren Fall zu kämpfen, der wohl in Band 1 abgehandelt wurde.

Womit wir bei dem Punkt wären, der mich am meisten gestört hat und der mittlerweile bei vielen Verlagen Usus ist. Warum steigt man mit Band 2 in eine Reihe ein? Das Basiswissen zur Beziehung der beiden Hauptfiguren fehlt annähernd komplett, ihre Charakterisierung ist schwammig, kaum greifbar und hält dadurch den/die Leser/in auf Distanz. Und wenn dazu noch eine vorhersebare 08/15 Story kommt, killt das mein Interesse an weiteren Büchern der Reihe.

Bewertung vom 13.05.2021
Gennaros Pizza, Pane, Panettone
Contaldo, Gennaro

Gennaros Pizza, Pane, Panettone


gut

Gennaro Contaldo hätte ich nach seinen Auftritten in den Jamie Oliver Kochsendungen nur bedingt mit ambitioniertem Backen in Verbindung gebracht. Pizza, Foccacia und Brote, ja, das passt, aber raffinierte Kuchen oder Kleingebäck? Ist ja auch nichts, wofür die italienischen Bäcker und Konditoren bekannt wären. Beim ersten Durchblättern lassen die zahlreichen Fotos eher Rustikales erwarten, und dieser Eindruck bestätigt sich auch bei genauerem Hinsehen. Es sind, wie Gennaro in der Einleitung schreibt, seine Lieblingsrezepte, meist aus der traditionellen Ecke. Außergewöhnliches oder moderne Variationen habe ich leider kaum gefunden.

Zu Beginn listet er verschiedene Typenbezeichnungen auf, die sich auf die bekannten Ausmahlgrade des Weizenmehls beziehen und gibt Hinweise zu deren Verwendung. Zusätzlich erwähnt werden das kleberstarke Manitoba-Mehl sowie Semola di grano duro rimacinata (Hartweizengrieß), letzteres unverzichtbar für die rustikalen italienischen Brote aus Apulien, Pane Pugliese und Altamura. Als Triebmittel wird in den Rezepten ausschließlich Hefe aus der Packung eingesetzt, keine Erwähnung der italienischen Mutterhefe Lievito madre, was ich eigentlich erwartet hätte.

Die Aufteilung zwischen salzig und süß ist ca. halb/halb, wobei Pizzen zwar den Großteil des Buches ausmachen, sich aber nur durch die unterschiedlichen Beläge unterscheiden. Macht für mich wenig Sinn. Und auch wer außergewöhnliche Rezepte zu Kuchen, Kleingebäck oder Torten sucht, wird nur sehr eingeschränkt fündig. Pan dolci, Crostate, Biscotti, Torte – alles vertreten, aber wenig raffiniert, da überwiegend Mehl und Marmelade die Hauptzutaten sind.

Das Backbuch bietet mit seinen Rezepten einen interessanten Querschnitt durch die italienischen Provinzen. Allerdings ähneln sich diese dann doch sehr, zeichnen sich nicht durch besondere Vielfalt aus und sind meiner Meinung nach lediglich für den Alltag geeignet.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2021
Berlin Heat
Groschupf, Johannes

Berlin Heat


ausgezeichnet

Berlin im heißen Sommer 2022, die Pandemie Geschichte. Die Touristen bevölkern wieder die Metropole, gut für Tom, den Zocker, der den Partygängern alles besorgt, was sie brauchen, sei es ein Dach über dem Kopf, Zugang zu den angesagten Locations oder Drogen. Tom hat seine Kontakte im Milieu. Und die vergeben auch Kredite, wenn man knapp ist, oder, wie in Toms Fall, die Soforthilfe verzockt hat. Mit 12.000 € steht er mittlerweile bei einem Kredithai in der Kreide, der nun auf Rückzahlung besteht. Nachdrücklich, wie ihn dessen Schläger spüren lassen, da hilft selbst die fetteste Glückssträhne nicht. Und so lässt er sich, trotz schlechtem Bauchgefühl, auf zwei dubiose Typen ein, die ihm für eine Wohnungsmiete übertarifliche 2.000 € bieten. Hätte, wäre, wenn…woher hätte er auch wissen können, dass sie als Versteck für ein Entführungsopfer dienen soll?

Tom ist ein Getriebener, zum einen verursacht durch seine Spielsucht, zum anderen durch die Gewissheit, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, wenn er seine Schulden nicht zurückzahlen kann. Mit ihm drücken wir uns in schmierigen Spielhallen herum, stehen in abgeranzten Kneipen am Tresen und sitzen im Plattenbau mit dessen Vater am Küchentisch. Diese Beschreibungen bekommt Groschupf klasse hin, auch wenn seine Schilderungen nicht frei von den gerne in der Pulp-Literatur verwendeten Klischees sind. Die Sprache passt, ist rotzig, derb und dreckig, manchmal von allem einen Tick zuviel, auch was die Gewaltszenen angeht. Allzu zimperlich sollte man nicht sein. Mit den üblichen Thriller-Maßstäben in puncto Spannung nicht zu messen, dafür bekommt man aber die schmerzhafte Bestandsaufnahme einer Gesellschaft zu lesen, die auf Messers Schneide balanciert. Lesen!

Bewertung vom 10.05.2021
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


sehr gut

Cooper’s Chase ist eine exklusive Wohnanlage für Senioren. Auf dem Gelände eines ehemaligen Klosters in der idyllischen Grafschaft Kent wirbt die Residenz mit geschmackvollen Wohneinheiten, exzellenter medizinischer Betreuung sowie zahlreichen hochklassigen Freizeiteinrichtungen. Ein Luxusresort im wahrsten Sinn des Wortes für all diejenigen, die ihren Lebensabend in angenehmer Atmosphäre verbringen möchten. Nett, aber langweilig.

Ungelöste Mordfälle versprechen Abwechslung, und so setzen sich deshalb jeden Donnerstag vier Bewohner zusammen, um der Polizei auf die Sprünge zu helfen. Sie sind zwar allesamt betagt, aber noch immer mit einem scharfen Verstand gesegnet: Elizabeth, Lehrerin (mit ev. Geheimdienst-Erfahrung?), Red Ron, Gewerkschaftsführer, Ibrahim, Psychiater, und Joyce, die Krankenschwester, die das Tagebuch der Gruppe führt und uns so an den kriminellen Ereignissen teilhaben lässt, die ihren Ausgangspunkt in den Expansionsplänen des Eigentümers haben. Zwei Morde und ein Knochenfund gilt es aufzuklären, wobei sie von der hiesigen Polizei, vertreten durch PC de Freitas und DCI Hudson, sowie Elizabeths zahlreichen Kontakten unterstützt werden.

Daraus entwickelt sich ein unterhaltsamer und humorvoller, aber weitgehend anspruchsloser Kriminalroman, dessen Handlung sich an den klassischen englischen Vorbildern des Genres orientiert und mit dessen Versatzstücken spielt. Der Bezug zur Gegenwart soll durch das Setting hergestellt werden, wobei aber genau das für mich der Knackpunkt ist, denn mit der Lebenswirklichkeit von Senioren, nicht nur in England, hat das nun mal überhaupt nichts gemein. Kann man zwischendurch zur Entspannung durchaus lesen, ist aber für mich kein „must read“.

Bewertung vom 09.05.2021
Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7 (eBook, ePUB)
Eyssen, Remy

Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7 (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine kurze Auszeit gefällig? Wie wäre es mit einem Abstecher in die Provence? Dann ab nach Le Lavandou, Heimat von Médecin Légiste Leon Ritter und seiner Lebensgefährtin Capitaine Isabelle Morell, die in ihrem neuen Fall eine Mordserie untersuchen müssen, deren Ursprung weit in die Vergangenheit zurückreicht.

Alles beginnt mit der Leiche eines Jungen in Mädchenkleidung, die in einem Müllsack verpackt am Stand gefunden wird. Niemand kennt ihn, hat ihn je gesehen, und auch die Polizei tappt im Dunkeln. Ritters nachfolgende Obduktion kann mit Ergebnissen aufwarten, denn diese lassen die Schlussfolgerung zu, dass das Kind maghrebinischer Herkunft und keines friedlichen Todes gestorben ist. Eine schockierende Erkenntnis, zumal es nicht bei dieser einen Leiche bleibt. In kurzen Abständen häufen sich rund um Le Lavandou mysteriöse Todesfälle, die auf den ersten Blick natürlichen Ursprungs sein könnten, bei genauerem Hinsehen sich aber als Morde entpuppen, die miteinander verbunden sind, da sämtliche Leichen eine Gemeinsamkeit aufweisen. Bei allen sind im Mundraum Reste von Mimosen zu finden, und es scheint, als ob ein Serienmörder zugange ist. Sowohl Ritter als auch Isabelle lassen nicht locker und finden eine Spur zu einem katholischen Internat, ein Verdacht, der sich dem Leser bereits recht früh aufdrängt.

Die Reihe lebt im Wesentlichen von ihren Charakteren, dem südfranzösischen Flair und den detaillierten Landschaftsbeschreibungen, die der Handlung den entsprechenden Rahmen verleiht. Diese birgt zwar selten Überraschungen, arbeitet aber dennoch, wie auch in diesem Fall, durchaus gesamtgesellschaftliche Probleme mit ein. Die unbegleiteten Flüchtlingskinder, die den Machenschaften der kirchlichen Institutionen und deren Vertretern hilflos ausgeliefert sind, während die Gesellschaft wegschaut. Die Prise Familienleben, hier verkörpert durch Isabelles Tochter, deren neuer Freund für innerfamiliäre Konflikte verantwortlich ist, sorgt für Auflockerung und gibt dem ganzen einen sympathischen Touch. Eine nette Lektüre für zwischendurch.

Bewertung vom 05.05.2021
Landnahme
Paretsky, Sara

Landnahme


ausgezeichnet

Die Warshawski-Reihe gibt es seit 1982. Zwanzig Bände liegen mittlerweile vor, von denen sechzehn ins Deutsche übersetzt wurde, und die Themen, die Sara Paretsky darin aufgreift, sind so aktuell wie eh und je. Sie lenkt den Blick auf gesellschaftliche Missstände, stellt die Politik an den Pranger und verpackt dies in eine fesselnde Story mit detailliert ausgearbeiteten, glaubwürdigen Charaktere. Dabei macht sie es dem/der Leser*in nicht immer leicht. Sie verzichtet auf tempogetriebene Aktionen, benötigt Zeit, denn oft wird die Handlung von scheinbaren Nebensächlichkeiten verzögert, deren Bedeutung für den Verlauf sich erst allmählich erschließt. Aber oft sind es gerade diese Kleinigkeiten, die die Lawine ins Rollen bringen, da ihre Wurzeln bis weit in die Vergangenheit, in diesem Fall in die Zeit der chilenischen Militärjunta, zurückreichen.

So auch im Fall der Obdachlosen, die in den Straßen Chicagos einem Spielzeugklavier virtuos Melodien entlockt. Es stellt sich heraus, dass es sich bei ihr um die ehemals bekannte Musikerin Lydia Zamir handelt, die nach dem gewaltsamen Tod ihres chilenischen Freundes Hector vor einigen Jahren die Bühne verlassen hat. V.I. möchte Lydia helfen, aber die Suche nach ihr läuft ins Leere. Sie ist wie vom Erdboden verschwunden.

Parallel dazu bekommt Warshawski Kenntnis von einem dubiosen Erschließungsprojekt, bei dem nicht eindeutig klar ist, was mit dem entsprechenden Land am Seeufer schlussendlich geschehen wird. Ist wirklich eine öffentliche Parklandschaft geplant oder geht es um ein lukratives Immobilienprojekt? Oder doch eher eine Mülldeponie? Als zwei Mitglieder der Bürgerbewegung gewaltsam zu Tode kommen und die Polizei sich bei den Ermittlungen vornehm zurückhält, nimmt V.I. die Sache in die Hand und deckt ein dicht verwobenes Netz aus Gier und Korruption, in dem sich neben Immobilienhaien auch Politiker und weitere Personen des öffentlichen Lebens verheddert haben.

Paretsky hält souverän die Fäden ihrer Story in der Hand und fügt diese zu einem stimmigen, vielschichtigen Roman zusammen. Die Handlung mag zwar fiktiv sein, hat allerdings – wie im ausführlichen Glossar nachzulesen - einen durchaus realpolitischen Hintergrund. Nachdrückliche Leseempfehlung!