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liesmal
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Wilhelmshaven

Bewertungen

Insgesamt 439 Bewertungen
Bewertung vom 17.08.2020
Wortgefecht und Zahlenzauber
Kahl, Doris

Wortgefecht und Zahlenzauber


ausgezeichnet

„Wortgefecht und Zahlenzauber“ aus dem Verlag Jens Korch ist mein erstes Wannenbuch für Erwachsene. Mehr Spaß in der Wanne wird versprochen und: Das Buch ist gelesen, bevor das Wasser kalt ist. Bleibt nur die Frage: Was tun, wenn ich keine Wanne habe? Auch das ist kein Problem, denn ich kann das Buch auch mitnehmen an den See, an den Strand und ans Meer, in den Pool…
Mal abgesehen davon, dass die Lern- und Gedächtnistrainerin Doris Kahl knifflige Aufgaben fürs Gehirnjogging zusammengestellt hat, ist die Idee eines Wannenbuchs für Erwachsene total witzig und originell. Verpackt ist das Buch in einem hübschen Karton.
DAS WASSERBESTE, äh… ich meine DAS WASSERFESTE BUCH bietet sich auch sehr gut an als Mitbringsel oder als eines der kleinen Geschenke, die ja bekanntlich die Freundschaft erhalten.
Ich find’s lustig!

Bewertung vom 17.08.2020
Das zweitbeste Leben
Jones, Tayari

Das zweitbeste Leben


ausgezeichnet

„Das zweitbeste Leben“ von Tayari Jones ist erschienen im Verlag Arche und erzählt die Geschichte von James Witherspoon, der in Atlanta lebt und nicht nur mit zwei Frauen verheiratet ist, sondern mit beiden Frauen eine fast gleichaltrige Tochter hat. Zur „offiziellen“ Familie gehören Laverne und Tochter Chaurisse, die „geheime“ Familie sind Gwendolyn und Tochter Dana.

Als sie mit James eine Beziehung eingegangen ist, wusste Gwen, dass er bereits verheiratet ist, dennoch hat sie sich ganz auf ihn eingelassen. Dana hingegen konnte sich nicht frei entscheiden, sondern hat schon als kleines Mädchen erfahren müssen, dass sie ein „Geheimnis“ ist, und sie musste damit leben, auch damit, keinen wirklichen Vater zu haben. Jetzt, wo ich meine Rezension zu diesem Buch schreibe, spüre ich noch einmal ganz intensiv den seelischen Schmerz, den Dana ertragen musste.

Es ist das erste Buch, das ich zum Thema Bigamie gelesen habe. Tayari Jones hat darin sehr eindrücklich, berührend und ausdrucksstark geschildert, mit welchen Lügen, Ängsten, seelischen Grausamkeiten und auch Verzichten Kinder wie Dana klarkommen müssen. Man denke beispielsweise nur daran, dass sie nicht einmal ihre Großeltern kennenlernen durfte.

Im ersten Teil erzählt Dana von ihren Gefühlen und davon, wie es sich anfühlt, wenn man immer und bei jeder Gelegenheit nur die Nummer zwei ist, ein Geheimnis, minderwertig und weniger geliebt als die andere. Wie der Fußballspieler, der ein Spiel nur auf der Ersatzbank verbringen darf ... - nur schlimmer.

Dana weiß, dass ihr Vater James, den sie mit „Sir“ anspricht, eine „echte“ Familie hat, Chaurisse und ihre Mutter hingegen haben von seinem Zweitleben keine Ahnung. Wie der Alltag in ihrer Familie aussieht, erfahren wir im zweiten Teil des Buches von Chaurisse. Es ist interessant und spannend, dieselbe „Sache“ aus zwei verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dabei kommen sowohl im ersten als auch im zweiten Teil Hintergründe aus der Vergangenheit ans Licht, die mich manches besser verstehen lassen, so auch die Beweggründe, die zur „Zweitfamilie“ geführt haben. Dennoch kann ich James‘ Tun auf keinen Fall gutheißen.

Egal wie die Geschichte ausgeht: Ich bin mir nicht sicher, ob es am Ende jemanden gibt, der „Das zweitbeste Leben“ hat, sondern denke, dass keiner wirklich glücklich sein kann. Vielleicht ist es für alle dasselbe.

Bewertung vom 13.08.2020
Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling / In tiefen Wäldern Träumen lauschen Bd.2
Zhang, Jing

Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling / In tiefen Wäldern Träumen lauschen Bd.2


gut

Zhang Jing, Autorin und Malerin der Comic-Geschichte „In tiefen Wäldern Träumen lauschen“ – Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling – hat auch für den 2. Band ein farbenfrohes Cover gezaubert, diesmal in rosaroten Farbtönen.

Draußen herrscht immer noch das Unwetter. So lauscht die junge Malerin in dem verlassenen Tempel weiterhin gebannt dem Märchen, das der Mann mit der Affenmaske ihr erzählt. Wer ist er? Warum trägt er die Maske? Meine Fragen finden (noch) keine Antwort. Die junge Frau scheint sich daran aber nicht zu stören.

In der Geschichte um die Prinzessin, die mit dem stummen Jüngling verheiratet ist, geht es nicht wirklich voran. Für meinen Geschmack nimmt das Entzücken der Prinzessin, auch der Hofdamen und anderer Frauen, über die Schönheit des stummen Jünglings, der durch die Heirat zum Prinzen wurde, einen zu großen Raum ein. Dabei wundert mich, dass zwar alle immer wieder sehen, wie schön er ist, aber niemand erkennt scheinbar seinen traurigen und in sich gekehrten Blick. Viel Neues erfährt man nicht zu ihm und seinem doch sehr eigenartigen Verhalten.

Ein Halbbruder der Prinzessin Yuji rückt in den Fokus. In diesem Teil der Geschichte geht es um Missgunst und Neid. Kangtai benimmt sich grausam und gemein und ich musste an das Sprichwort denken: „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.“ Bei dieser Szene kochte es in mir, aber ich weiß, dass auch in einem Märchen nicht alles nur schön ist. Auf jeden Fall hat Zhang Jing die Bilder wieder in ihrer gewohnten Art zum Leben erweckt und alle Gefühle – hier vor allem auch Traurigkeit und Entsetzen - sichtbar gemacht.

Bewertung vom 13.08.2020
Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling / In tiefen Wäldern Träumen lauschen Bd.1
Zhang, Jing

Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling / In tiefen Wäldern Träumen lauschen Bd.1


sehr gut

Mich haben der Titel „In tiefen Wäldern Träumen lauschen“, die Farben des Covers und das Bild des jungen Mannes angezogen. Es wirkt melancholisch, geheimnisvoll. Der Mann scheint ruhig und zurückhaltend zu sein. Seine Hände sind sehr schön und wirken wie Künstlerhände.

Das Buch ist der 1. Band von insgesamt 4 Teilen. Es erzählt „Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling“. Das Besondere daran ist: Die Autorin Zhang Jing „erzählt“ nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit ihren einzigartigen Zeichnungen. Sie ist eine sehr talentierte Comic-Künstlerin. In ihren Bildern kann ich lesen. Bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, werden nicht nur Äußerlichkeiten, sondern auch Gefühle und Emotionen in ihren Zeichnungen sichtbar.

Die Begeisterung, die ich empfinde, liegt darum auch nicht in dem Text, sondern in erster Linie in den Bildern.

In der Geschichte von Zhang Jing hat eine junge Frau einen alten Tempel für sich entdeckt, in den sie sich zurückgezogen hat um zu malen, bis plötzlich ein Mann mit einer Affenmaske auftaucht, um vor dem starken Regen Schutz zu suchen. Die beiden kommen ins Gespräch und die junge Malerin bittet den „Affenmann“, ihr eine Geschichte zu erzählen. So beginnt die Geschichte in der Geschichte und damit „Die Geschichte von der Prinzessin und dem stummen Jüngling“. Da taucht er wieder auf, der junge geheimnisvolle Mann, der auf dem Cover zu sehen ist.

Bewertung vom 11.08.2020
Eine Liebe zwischen den Fronten
Peter, Maria W.

Eine Liebe zwischen den Fronten


ausgezeichnet

„Eine Liebe zwischen den Fronten“ ist ein historischer Roman der Autorin Maria W. Peter, erschienen im Lübbe Verlag.
Niemand versteht es besser, historische Ereignisse so gut und gründlich recherchiert, mit unendlich vielen interessanten Informationen angereichert zu präsentieren, ohne dass auch nur ein Hauch von Langeweile beim Lesen aufkommt, als Maria W. Peter. Gerade in diesem Roman spüre ich die Freude der Autorin am Schreiben und ihren Herzschlag, was dem Buch eine ganz besondere und persönliche Note gibt.
Gegenstand der Geschichte ist der Deutsch-Französische Krieg, der vor genau 150 Jahren begann. Es sollte der Verlobungsabend des deutschen Arztes Paul und der Französin Madeleine werden, als während der Feierlichkeiten in Berlin der Krieg zwischen Preußen und dem Französischen Kaiserreich ausbricht. So werden aus zwei sich liebenden Menschen plötzlich politische Feinde. Viel Zeit für einen Abschied bleibt nicht und so versuchen Madeleine und ihr Vater noch rechtzeitig wieder in ihre französische Heimat nach Metz zu gelangen, während Paul, der viel lieber als Arzt in seiner eigenen Praxis arbeiten würde, als Militärarzt zurück zu seinem Regiment nach Coblenz muss.
Djamila und Kalim sind Geschwister mit algerischen Wurzeln, die nach dem Tod ihrer Eltern nach Frankreich gekommen sind. Djamila arbeitet im Haus von Madeleines Eltern, Kalim gehört als Tirailleur zu einer Einheit des französischen Heeres.
Die Schicksale dieser drei Familien sind Gegenstand der Geschichte, die die Leser an verschiedene Schauplätze führt, vorwiegend in Frankreich.
Die Schrecken und Grausamkeiten des Krieges werden schonungslos, realistisch und in all seiner Grausamkeit dargestellt. Am Anfang des Buches gibt es eine Landkarte aus der damaligen Zeit, die es mir sehr erleichtert hat, auf einen Blick zu erkennen, auf welchen Wegen und an welchen Orten sich die Protagonisten gerade befinden, von denen abwechselnd berichtet wird.
Ein umfangreicher Epilog hat noch offene Fragen geklärt, das Nachwort bietet weitere ausführliche historische Informationen und das Glossar eine gute Übersicht.

Bewertung vom 09.08.2020
Ratten am Bullenhuser Damm
Ehlers, Jürgen

Ratten am Bullenhuser Damm


ausgezeichnet

Jürgen Ehlers erzählt – laut Buchbeschreibung – mit „Ratten am Bullenhuser Damm“ beispielhaft eine Geschichte darüber, wozu Menschen fähig sind. Ganz gewöhnliche Menschen… Weiter heißt es in der Beschreibung, dass Kinder in der Geschichte vorkommen: „Die Kinder sind am 20. April 1945 am Bullenhuser Damm in Hamburg ermordet worden.“

Ich habe schon viele Bücher gelesen, in denen von den Gräueltaten eines Krieges berichtet wird. Doch nie, niemals ist mir ein Buch so nahe gegangen und hat mich so bewegt wie diese Geschichte. Ich fühle mich hilflos, unsagbar traurig und verletzt. Ich schäme mich für das, was geschehen ist und kann es immer noch nicht fassen! Es ist unbegreiflich, wie ein Mensch so gewissenlos sein kann.

Es sind nicht nur die Texte, die heftige Emotionen in mir ausgelöst haben, sondern auch die eindrucksvollen Illustrationen, die einen großen Beitrag dazu geleistet haben.

Trotz meiner Fassungslosigkeit und des Entsetzens bin ich froh, dieses Buch gelesen zu haben. Und ich wünsche mir, dass noch ganz viele Menschen ebenfalls Zugang dazu finden. Es gibt Dinge, die man einfach nicht vergessen darf und an die immer wieder erinnert werden muss, damit allen klar wird, dass so etwas nie wieder geschehen darf!

Bewertung vom 20.07.2020
Gott suchen in der Krise
Ulrich Eggers

Gott suchen in der Krise


sehr gut

Zweifel, Hoffnung, Glauben
Der Titel „Gott suchen in der Krise“ und dazu der Teaser „Glaube und Corona“ haben mich neugierig gemacht darauf zu erfahren, was andere Menschen in Zeiten von Corona erlebt haben.

Verschiedene Autorinnen und Autoren berichten in ganz persönlichen Beiträgen, wie sie mit den Glaubensfragen, die in der „Zeit mit Corona“ entstehen, umgehen und wie ihre Beziehung zu Gott in Krisenzeiten belastbar und offen bleibt.

Das Buch hat großen Eindruck auf mich gemacht. Die Geschichten konnte ich nicht einfach hintereinander weg lesen, sondern einige haben mich nicht nur zum Nachdenken angeregt, sondern auch inspiriert, sie mit anderen Menschen zu teilen und - wenn es die Zeit wieder erlaubt - in einem kleinen Kreis zu besprechen und mich auszutauschen.

Bereits das Vorwort des Herausgebers, Ulrich Eggers, hat mich stark beeindruckt. Es heißt dort, dass Corona gar nicht die Krise ist, sondern dass die Krise doch immer präsent ist, in Form von Leid, Schmerz Verlust immer da – nur eben nicht hier…

…und jetzt mit Corona doch hier – so wie überall. Alle sind gleich betroffen.

Mich hat es fasziniert, wie die ganze Situation mit wenigen Worten genau auf den Punkt gebracht werden kann.

Ich bin froh und dankbar, dass ich dieses Buch gefunden habe. Es ist wunderbar, wie offen in den Geschichten über den Glauben, aber auch über die Ängste und Hoffnungen gesprochen wird. Vielen Dank dafür.

Jede der einzelnen Erzählungen hat mir etwas (mit-)gegeben, ganz viele Markierungen „schmücken“ jetzt mein Buch – Zettel an Stellen, die mir wichtig sind, mit denen ich mich noch lange weiter beschäftigen möchte.

Geschichten, die Mut machen und mich spüren lassen, dass niemand ganz allein ist. Sehr gern gebe ich meine Empfehlung für das krisenfeste Buch.

Bewertung vom 20.07.2020
Auf das Leben!
Tschage, Tina

Auf das Leben!


ausgezeichnet

Feiere das Leben - mal laut und mal ganz leise
„Auf das Leben! – Die großen und kleinen Meilensteine des Lebens feiern“ so Titel und Untertitel des Buches von Tina Tschage aus dem Verlag adeo.

Das Buch bietet viele Ideen, die verschiedenen Stationen auf dem Lebensweg zu feiern. Feiern – das hört sich zunächst mal fröhlich an, doch es gibt auch Feiern zu traurigen Anlässen, die hier ihren Raum finden.

Direkt nach dem Vorwort wird das Leben mit einer Achterbahnfahrt verglichen und am Beispiel eines EKG sieht man, dass die Kurve im Leben eines Menschen nicht immer nur hoch hinaus geht und von Glücksgefühlen bestimmt ist, sondern es gibt Schwankungen und manchmal geht es auch tief runter und die Traurigkeit hat ihre Zeit. Zu all den Anlässen gibt es Angebote, wie man die Tage feiern kann.

Es ist inhaltlich nicht das Buch, das ich erwartet hatte, denn es ist weit mehr und ich wurde mit vielen positiven Überraschungen belohnt.

Was mir gut gefallen hat:

das Buch selbst, Hardcover, quadratisch, tolles Layout mit vielen Illustrationen liebevoll gestaltet,
Zitate bekannter Persönlichkeiten und wunderbare Tipps sowie Buchempfehlungen, passend zu den Anlässen,
Erzählende mit persönlichen Geschichten „Aus der Erfahrungsschatzkiste“,
die Übersicht der Gedenk- und Jahrestage mit der Möglichkeit, auf einer Extraseite die eigenen besonderen Gedenk- und Feiertage einzutragen,
die religiösen Feste im Jahresverlauf mit vielen interessanten Informationen.

Nina Tschage ist Theologin, die sich mit diesem Buch an Menschen aller Glaubensrichtungen, aber auch an nicht religiöse Menschen richtet. Die Herzenswärme, mit der es geschrieben wurde, ist spürbar.

„Umarme das Leben mit allem, was es dir bietet“, empfiehlt Nina Tschage aus eigener Überzeugung.

Das Buch, das wie eine kleine Schatzkiste ist, empfehle ich aus vollem Herzen sehr gern weiter. Bei mir wird es einen Platz in greifbarer Nähe bekommen, denn es ist ein Buch nicht nur zum Einmallesen.

Bewertung vom 12.07.2020
Jeden Tag ein neuer Himmel
Thomas, Violet

Jeden Tag ein neuer Himmel


sehr gut

Große Gefühle mit Tiefengrund
„Jeden Tag ein neuer Himmel“ heißt das Buch von Violet Thomas aus dem Verlag Lübbe, in dem Charlotte und Sam abwechselnd aus ihrer Sicht erzählen. Dabei scheinen es zwei ganz unterschiedliche Menschen zu sein. Charlotte ist eine junge Krankenschwester, die im Begriff ist, ihre neue Stelle in einem Londoner Kinderhospiz anzutreten. Fast ein Jahr ist es her, dass ihre Tochter Daisy verstorben ist. In ihrer Trauer hat sie kaum jemanden an sich herangelassen und blieb am liebsten ganz allein. Sam ist ein Straßenmusikant, der seine ganze Liebe zur Musik in seine Lieder legt. Wichtiger als vor einem Riesenpublikum zu spielen ist ihm, die Menschen mit seiner Musik zu berühren. Das gelingt ihm bei Charlotte mit seinem Song „Daisy“, der sie an ganz intensiv und gefühlvoll an ihre Tochter denken lässt.
Der Schreibstil von Violet Thomas ist anrührend, emotional – ihre Geschichte neben der Frage, ob Charlotte und Sam eine Beziehung eingehen und die Liebe ihres Lebens finden, äußerst vielseitig und tiefgründig.
Charlotte betreut im Kinderhospiz den kleinen Hamish, einen liebenswerten Jungen, der kein leichtes, aber ein aufregendes Leben hinter sich hat, und weiß, dass er bald sterben muss. Spannend finde ich den Umgang mit Fragen nach dem Tod – was sagt man einem todkranken Menschen, was behält man lieber für sich? Hamish, dieser tapfere kleine Junge mit einem großen Herzen, wird von Charlotte liebevoll in seiner letzten Zeit begleitet und ist auch Charlotte in ihrer Trauer eine große Hilfe. Er ist eine große Bereicherung für dieses Buch.
Neben Hamish gibt es noch viele Figuren, die durch ihr ganz eigenes Wesen dem Buch eine besondere Note geben, zum Beispiel:
Charlottes Freundin Emily, die eine tolle Familie hat, und mich beeindruckt mit ihrer
Auffassung, dass man Emotionen auch in der Öffentlichkeit einfach rauslassen darf.
Marc, der an seinen Bruder Sam und dessen Träume glaubt und ihn selbstlos unterstützt.
Stella – für mich ein ganz wertvoller Mensch mit großen Gefühlen, auch wenn es anders scheinen mag.
Es gibt in diesem Buch viele herzerwärmende Zitate. Einer meiner Lieblingssätze ist dieser Wunsch: „Reise mit den Sternen und finde jeden Tag einen neuen Himmel, tapferer Junge.“
Nur ab und zu lese ich mal einen Liebesroman. Dieser hat mich angesprochen durch das Cover mit dem vielversprechenden Titel und durch die Buchbeschreibung, die die Verbindung zum Kinderhospiz herstellt. Große Gefühle, die eine große Wirkung auf mich hatten. Sehr gern gebe ich eine Empfehlung für dieses Buch.

Bewertung vom 12.07.2020
Das Fenster zum Himmel
Escher, Elisabeth

Das Fenster zum Himmel


sehr gut

Manchmal hilft ein Blick zum Himmel
Qualvolle Zeiten in Kinderheimen und auch in Pflegefamilien – das sind Erlebnisse, die schrecklich klingen und mich traurig machen. Wenn jedoch das Wissen darum einen Namen trägt, dann trifft es mich mit voller Kraft.

In „Das Fenster zum Himmel“ erzählt die Autorin Elisabeth Escher die Erlebnisse eines der Kinder, die in den 1960er und 1970er Jahren Schreckliches erlebt haben. Es ist die Geschichte der Marie Muth, deren Name zwar geändert wurde, deren Lebensgeschichte allerdings auf wahren Begebenheiten beruht.

Nachdem Marie die ersten vier Lebensjahre in einer Kellerwohnung scheinbar überwiegend sich selbst überlassen war, verbrachte sie drei Monate in einem Kinderheim, bevor sie in eine Pflegefamilie kam. Was Marie dort erlebt hat, hat mich zu Tränen gerührt und ich war vor Schreck wie gelähmt, als ich gelesen habe, zu welchen „Erziehungsmaßnahmen“ die Pflegeeltern gegriffen haben. Verbote, Warnungen, und Drohungen waren an der Tagesordnung und das, was Marie an Aufgaben bewältigen musste, hat schwere Narben an ihrer Seele hinterlassen.

Zum Glück musste sie nicht in der Familie bleiben. Als Siebenjährige wurde Marie, das „Zigeunermädchen“, im Pfarrhof aufgenommen, wo der Pfarrer Jakob Selinger und seine Haushälterin Anna wohnten. Als überdurchschnittlich intelligent empfinde ich Marie, und ihr Wissensdrang wurde durch den Pfarrer, den Marie „Onkel“ nannte, gesättigt. Wie ein eigenes Kind war Marie für Jakob Selinger und bald fühlte sich Marie väterlich behütet. Auch Anna hat sich fürsorglich und liebevoll um Marie gekümmert. Eine glückliche Kindheit und Jugend hätte es sein können, wenn Klatsch und Tratsch im Dorf nicht solche Ausmaße angenommen hätten, dass die Wahrheit einfach keine Chance hatte.

Schonunglos offen und realistisch ist der Schreibstil von Elisabeth Escher, die mit der Geschichte und treffenden Zitaten überzeugt.

„Der Neid ist die Tür, durch die der Teufel in die Welt getreten ist. Tratsch und Geschwätz – die Waffen des Teufels." Eine passgenaue Beschreibung liegt in den Worten des Pfarrers.

Egal, ob an einem weiteren Gerücht, der das „Verhältnis“ von Pfarrer und Haushälterin betrifft, etwas Wahres dran ist oder nicht, gefällt mir das Zitat bezüglich des Zölibats: „Es war ja auch nicht Gott oder Jesus, der den katholischen Priestern verbot, in Ehe zu leben, sondern Menschen, die vor Hunderten von Jahren dieses Kirchengesetz erlassen hatten. Aus welchen Gründen auch immer.“

Mich hat Maries Lebensgeschichte tief berührt und gezeigt, wie wichtig es ist, sich nicht durch falsche Schlüsse oder durch Gerüchte und üble Nachrede beeinflussen zu lassen.