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Ingrid von buchsichten.de
Wohnort: 
Erkelenz

Bewertungen

Insgesamt 324 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2019
Es wird Zeit
Kürthy, Ildikó von

Es wird Zeit


ausgezeichnet

In ihrem Roman „Es wird Zeit“ schreibt Ildikó von Kürthy darüber, dass es immer wieder Herausforderungen gibt, die das Leben mit sich bringt. Das bedeutet oft, dass man Bekanntes, vielleicht sogar Gewünschtes oder aber bequem Eingespieltes hinter sich gelassen werden will und die Entscheidung für einen Neuanfänge zu treffen ist. Die Rosen auf dem Buchumschlag stehen mit ihrer stolzen Pracht für glückliche Zeiten, zeigen aber auch durch ihre Dornen die Schattenseiten und Gefahren.

Für Judith Rogge, die Protagonistin des Romans, hat das Leben sich schon in vielen Höhen und Tiefen gezeigt. Sie ist fast fünfzig Jahre alt, wohnt seit fast zwanzig Jahren in Wedel bei Hamburg, wo sie seit genauso langer Zeit mit einem Zahnarzt verheiratet ist und mit ihm drei Kinder hat. Als ihre Mutter unerwartet stirbt, fährt sie zur Abklärung der Formalitäten und der anschließenden Beerdigung in ihre Heimat nach Jülich. Wider Erwarten trifft sie dort auf ihre frühere beste Freundin Anne. Erinnerungen an die alten Zeiten werden wach, aber das Erschrecken ist groß, als Anne von ihrer lebensbedrohlichen Krankheit erzählt. Dabei war sie es doch, die im Gegensatz zu Judith den perfekten Beruf und den besten Ehemann gefunden hatte. Judith stellen sich im Vergleich zu ihr viele Fragen, die dazu führen, dass sie überlegt, ob ein Neubeginn für sie nützlich und möglich ist, so wie sie ihn damals schon mal für angebracht gehalten hat ...

Bereits auf den ersten Seiten konfrontiert Ildikó von Kürthy mich mit dem Glück und Leid ihrer Hauptfigur, die ihre Geschichte in der Ich-Form erzählt. Der Umstand, dass ihre Ehe keine Liebesheirat war und ihre Freundschaft zu Anne zerbrochen ist, machte mich neugierig darauf, was vor vielen Jahren geschehen sein mag, bevor Judith ihr Leben in Wedel begonnen hat. Doch erst nach und nach setzte sich das Bild zusammen.

Judith ist ein Mensch, der sich immer geliebt fühlte und auch gerne geliebt hat. Doch jetzt sind ihre Kinder flügge geworden und mit dem Tod ihrer Mutter ist sie Vollwaise und verliert dadurch ihren Halt für seelische Tiefpunkte. Nicht nur Judith erlebt auf den Seiten des Romans ein Wechselbad an Gefühlen, sondern auch ich als Leser. Die Autorin lässt Judith häufiger innehalten, um die Gedanken schweifen zu lassen und eine innere Diskussion über alltägliche Dinge des Lebens zu führen, die ich sehr gut nachvollziehen konnte.

Ildikó von Kürthy schreibt mit einem Augenzwinkern über manche Ereignisse. Hier und da überspitzt sie Situationen, die auf diese Weise die darin enthaltene Aussage nur noch mehr vor Augen führen. Gleichzeitig schafft die Autorin es, mir die tiefe Traurigkeit von Judith über den Tod der Mutter und die Krankheit ihrer Freundin zu vermitteln. Die Autorin ist etwa im gleichen Alter wie ihre Hauptfigur und weiß genau worüber sie schreibt, denn vieles hat sie so oder ähnlich selbst. Die Widmung auf den ersten Seiten des Buchs richtet sie an einen lieben Menschen in ihrem Leben, die Zuneigung zu ihr glaubte ich in den Zwischenzeilen der Erzählung zu spüren.

„Es wird Zeit“ ist ein Roman über Freundschaft, Heimat, Wohlbefinden, Glück, Lebensträume, aber auch Traurigkeit über verpasste Chancen und Verlust geliebter Menschen. Jeder Leser wird sich in der ein oder anderen Situation wiederfinden, so wie ich. Dadurch stimmt die Erzählung stellenweise nachdenklich, obwohl der Grundton heiter ist. Der Prolog setzte von Anfang an eine gewisse Spannung, ob der zu klärenden offenen Fragen in der Vergangenheit der Hauptfigur. Zur Klärung flogen die Seiten dahin und unterhielten mich aufs Beste. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

Bewertung vom 14.08.2019
Die Leben der Elena Silber
Osang, Alexander

Die Leben der Elena Silber


ausgezeichnet

Mit dem Roman „Die Leben der Elena Silber“ von Alexander Osang näherte ich mich beim Lesen der möglichen Wahrheit über den Lebensweg der im russischen Gorbatow geborenen Jelena Viktorowna Krasnowa. Bereits der Umschlag deutet an, dass so ein erzähltes Leben sich aus vielen Bildern, die da im Kopf hängen bleiben, zusammensetzt. Jelena, Elena, Lena, je mehr Buchstaben ihr Vornamen verliert, desto mehr Menschen verliert sie, die ihr bisher Halt gegeben haben, denen sie vertraut hat und von denen sie hilfreich unterstützt wurde. Den Blick immer auf die Zukunft gerichtet, umschifft sie viele Hindernisse. Die Sorge um ihre Familie begleitet sie ständig, durch die politischen Wirrungen des letzten Jahrhunderts muss sie sich immer wieder anpassen. Dennoch ist sie nicht die einzige Protagonistin des Romans, ihr Enkel Konstantin ist eine weitere Hauptfigur.

Jelena wird Anfang des vorigen Jahrhunderts geboren. Im Alter von zwei Jahren wird ihr erzählt, dass ihr Vater, Seiler von Beruf und Vertreter der Meinung der Landbevölkerung, von Beamten der Stadt hingerichtet wurde, weil er auf der Seite derjenigen stand, die über Anweisungen des Zaren gelästert hatten. Um weiteren Übergriffen zu entgehen, flieht die Mutter mit Jelena und ihrem Sohn nach Nischni Nowgorod.

Im Sommer des Jahres 2017 kehrt der Filmemacher Konstantin Silber von einer Reise in die Ukraine zurück. Von seiner Mutter Maria erfährt er, dass sein Vater aufgrund seiner Krankheit ins Heim ziehen wird, was für ihn eine wenig vorstellbare Situation ist, denn damit verbindet er die Endlichkeit des Lebens. Mit seiner beruflichen Karriere ist er unzufrieden und auf der Suche nach einem das Publikum ansprechenden Thema.

Ausgehend von den beiden obigen Anfängen des Romans ergänzen sich die Geschichten nun einerseits in der Gegenwart auf der Suche nach dem Wahrheitsgehalt, andererseits in kontinuierlich fortschreitenden Szenen aus der Vergangenheit. Eine Übersicht der wichtigsten Familienmitglieder auf den ersten Seites des Buchs half mir dabei, die Charaktere namentlich und zeitlich besser einzuordnen, auf den Innenseiten ist eine Landkarte mit den Handlungsorten gedruckt, die die Reisen der Familie nachvollziehen lassen.

Jelena ist beim Pogrom an ihrem Vater selbst nicht anwesend, aber sie spürt die Angst ihrer Mutter vor den Schergen, die größer ist als die vor einem Neuanfang. Für Jelena ist dieser Tag ein strenger Einschnitt in ihr Leben, dessen Bedeutung sie in ihrem kindlichen Alter noch nicht erfassen kann. Sie entwickelt sich zu einer starken Frau. Die häusliche Umgebung ändert sich örtlich für sie in den nächsten Jahren mehrfach. Durch ihren Beruf erlangt sie Unabhängigkeit vom Elternhaus. Schließlich heiratet sie einen deutschen Ingenieur, dem sie Mitte der 1930er Jahre nach Berlin folgt, als der Krieg bereits seine langen Schatten voraus wirft.

Dem Autor gelingt es, ein fiktives Frauenschicksal über Jahrzehnte hinweg ergreifend aufzuzeigen. Dabei ist seine Erzählung inspiriert von seiner eignen Familiengeschichte. Seine Schilderung ist bewegend, aber durch das Einflechten einiger heiterer Begebenheiten gelingt es ihm, seine Erzählung stellenweise aufzulockern. Seinen Fokus richtet er auf die Menschen, die das Schicksal tragen, dass ihnen durch die aktuelle politische Lage vorgegeben scheint. Seine Protagonistin Jelena bekennt sich nie bewusst für eine Richtung in der Politik, sie handelt, um sich selbst und ihre Liebsten zu schützen. An der Seite ihres Mannes führt sie ein wohlsituiertes Leben, doch auch hier stellt sie fest, dass sie durch Konventionen gebunden ist. Nichtwissen wird für sie zuweilen zur Überlebensfrage. Schon früh stellt sie fest, dass es häufig besser ist, Geheimnisse für sich zu behalten. In der Kommunikation mit ihren Töchtern verlässt sie ihr Mut, denn die Erinnerungen an bestimmte Dinge in ihrem Leben sind nahezu unbeschreiblich. Unzureichende Sprachkenntnisse und dadurch fehlende Übersetzungsmöglichkeiten ergänzen die mangelnde Kontin

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2019
Something in the Water - Im Sog des Verbrechens
Steadman , Catherine

Something in the Water - Im Sog des Verbrechens


sehr gut

Something in the water“ ist ein Thriller der Engländerin Catherine Steadman, der eine subtile Spannung aufbaut, die sich vor allem aus dem Umstand ergibt, dass die Protagonisten Erin und Mark in ihren Flitterwochen bei einem Ausflug eine Tasche aus dem Wasser fischen mit einem brisanten Inhalt. Schon der Untertitel des Buchs „Im Sog des Verbrechens“ deutet an, dass eine verwerfliche Tat weitreichende Konsequenzen haben wird.

Erin ist Dokumentarfilmerin, Mark ist Bankkaufmann. Sie sind schon seit einigen Jahren in einer festen Partnerschaft. Wenige Wochen vor der lang ersehnten, pompös geplanten Hochzeit wird Mark arbeitslos. Aus Furcht davor, dass die Kosten unbezahlbar werden, kürzt er sowohl das Budget für die Feierlichkeiten wie auch die Tage der Flitterwochen im Luxushotel auf Bora Bora. Erste Drehtage zu einem Film über drei Strafgefangenen, die vor ihrer Entlassung stehen, verlaufen für Erin nach Plan. Schließlich heiraten beide und begeben sich auf Hochzeitsreise. Der Fund der Tasche, verbunden mit einer grausamen Entdeckung im Wasser, bringt beide in eine emotional angespannte Ausnahmesituation.

Aus dem Prolog wusste ich, dass Erin ein Grab für ihren verstorbenen Ehemann schaufelt. Meine Neugier war dadurch natürlich geweckt, um zu erfahren, was in der Zeit zwischen dem Fund und dem Schaufeln mit dem verliebten Paar geschehen ist. Erin erzählt die Geschichte als Ich-Erzählerin, so war ich als Leserin immer an ihrer Seite. Sie liebt ihren Beruf, obwohl der Verdienst eher bescheiden ausfällt. Dank der Einkünfte von Mark kann sich das Paar einen gewissen Wohlstand leisten. Erin reagiert zunächst recht naiv auf die Bedenken von Mark in Bezug auf zukünftige Ausgabenbeschränkungen.

Bei einigen ihrer Gedankengänge, wie beispielsweise zur weiteren Verwendung des Inhalts der gefundenen Tasche, wendet die Protagonisten sich direkt an den Leser, besorgt um dessen Verständnis. Oft konnte ich ihre Handlungen gut nachvollziehen, aber manchmal erschienen mir die Entscheidungen dieser intelligenten Frau unlogisch. Allerdings muss man berücksichtigen, dass Erin in kurzer Zeit viele, mehr oder weniger schnelle Entscheidungen zu treffen hat, die sie gefühlsmäßig stark mitnehmen. Auf die große Freude über ihre Heirat folgt die Enttäuschung durch die Entlassung ihres Manns, bald darauf ist sie Stolz über den Fortschritt ihrer Arbeit verbunden mit Nervosität vor den ersten Interviews mit den Straftätern. In den Flitterwochen versucht sie ihre Tiefenangst zu überwinden und genießt in vollen Zügen die bevorzugte Behandlung im Hotel und die Idylle. Ihre Gefühle fahren also Achterbahn.

Die Autorin verliert sich bei ihren Schilderungen in vielen Einzelheiten, die gelegentlich die Handlung ausbremsen, manchmal aber, wie im Fall des Aufenthalts auf Bora Bora, zum Träumen einladen oder, wie bei den Schilderungen der Dreharbeiten, inhaltlich interessant waren. Die Geschichte verläuft weitestgehend unblutig. Dem Ende fehlte ein wenig die Würze, weil es vorhersehbar ist.

Catherine Steadman ist ein gut konstruierter Thriller mit unterschwelliger Spannung über ein Beziehungs-Drama gelungen. Das Buch ist unterhaltsam und lesenswert trotz kleinerer Schwächen, darum spreche ich gerne eine Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 14.09.2018
Guten Morgen, Genosse Elefant
Wilson, Christopher

Guten Morgen, Genosse Elefant


ausgezeichnet

Der Engländer Christopher Wilson nimmt den Leser in seinem Roman „Guten Morgen, Genosse Elefant“ mit in die Sowjetunion ins Jahr 1953. Es ist das Ende der Stalinzeit und der Protagonist Juri erlebt diesen Zeitraum aus einer ganz besonderen persönlichen Sicht. So schmückt denn auch ein fünfzackiger roter Stern das Cover des Buchs, hier als Symbol für eine kommunistische beziehungsweise sozialistische Weltanschauung. Unterbrochen wird der Stern durch einen Löffel. Er steht für den Job des Vorkosters, den Juri einnehmen wird. Die Elefanten im oberen Bereich sowie der Titel beziehen sich auf den Tarnnamen, den der damalige Diktator der Sowjetunion von einem Mitarbeiter erhält und damit dessen Gewichtigkeit betont.

Juri Romanowitsch Zipit ist Halbwaise. Mit seinem Vater, dem Hauptveterinär des Zoos, wohnt er in einer Dienstwohnung neben den Tiergehegen. Er ist zwölf Jahre alt als er durch Zufall zum Vorkoster des „Stählernen“, der sich gerne Wodsch nennen ließ, wird. Eine gewisse geistige Beschränkheit, hervorgerufen durch einen Unfall als Kind, kombiniert sich bei Juri mit Intelligenz und Gerissenheit. Sein Gesicht wirkt auf Betrachter vertrauenserweckend und auch der Wodsch ist von ihm stark eingenommen. Welche Vorzüge und Nachteile die ihm übertragene Aufgabe hat, kann er sich bei Arbeitsaufnahme noch nicht vorstellen.

Juri erzählt seine Geschichte mit Blick auf die ein Jahr zurückliegenden Ereignisse. Auf diese Weise konnte ich mich als Leser im Laufe der Schilderung, die zunehmend bedrückender wird und ihm Vieles abverlangt, immer wieder seines Überlebens der Ereignisse versichern.

Christopher Wilson gelang es mit seinem Roman mich gleichzeitig zu erheitern und tieftraurig zu stimmen. Juri hat eine unvoreingenommene gar naive Art seine Umwelt wahrzunehmen. Er weiß, dass er oft zu viel redet und Menschen dazu bringt, ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Schon zu Beginn gibt er einen kurzen Einblick in die Möglichkeit der Instrumentalisierung seiner Altersklasse im sozialistischen Staat durch die Lehrer. Der Autor wählt seinen Protagonisten bewusst jung um uns als Leser aufzuzeigen, dass uns niemand, auch nicht die Eltern, schützen können, wenn man in das Blickfeld der Mächtigen gerät, so unschuldig und unerfahren auch unser Geist noch sein mag. Den einzigen Schutz bieten Machtträger mit konträren Ansichten, die sich gegenseitig ausspielen. Gesprochene oder geschriebene Worte können große Freude oder verheerenden Schaden anrichten. Ohne zu hinterfragen oder weitere Einblicke zu gewinnen schildert Juri das feine Ränkespiel um die, im übertragenen Sinne, Plätze in der ersten Reihe beim nahenden Abgang des Generalsekretärs des Zentralkomitees. Hass, Neid und Rache sind dabei die Triebfedern. Den Leser beschwört Juri zu seinem Mitwisser, was der Erzählung von Anfang an etwas Geheimnisvolles gibt.

Der Autor vermag es mit der Kunst der Übertreibung seinem Roman einen humorvollen Anstrich zu geben, doch als ich mit Juri tiefer in die Schmiede der Macht eindrang wurde mit Angst und Bange. Hier ist nur noch widerspruchslose Pflichterfüllung angesagt, nach Belieben besteht die Möglichkeit Unerwünschte auszusortieren. An dieser Stelle möchte ich dem Übersetzer Bernhard Robben ein Lob aussprechen, der es geschafft hat, den speziellen Humor und die Feinsinnigkeiten des Romans ins Deutsche zu transportieren. Bei näherem Hinsehen verschmelzen Fiktion und gelebte Vergangenheit der Erzählung. Dieser Umstand brachte mich ins Grübeln darüber, dass es auch heute noch vergleichbare Regierungssysteme wie das geschilderte gibt. Juris unbedarfte Art zeigte mir die Hilflosigkeit des gewöhnlichen Einzelnen in einem solchen Staat. „Guten Morgen, Genosse Elefant“ stimmt nachdenklich, bleibt noch lange in Erinnerung und daher empfehle ich es gerne weiter.

Bewertung vom 25.09.2017
Das erste Opfer / Oxen Bd.1
Jensen, Jens Henrik

Das erste Opfer / Oxen Bd.1


ausgezeichnet

„Oxen – Das erste Opfer“ ist der erste Band einer Thriller-Trilogie des Dänen Jens Henrik Jensen. Oxen ist ein eher ungewöhnlicher dänischer Nachname und entspricht dem deutschen „Ochse“. Titelgebend ist der Protagonist Niels Oxen, Anfang 40, Kriegsveteran und früher als Elitesoldat bei den Jägern. Eingesetzt wurde er unter anderem auf dem Balkan und in Afghanistan. Dafür wurde er mit höchsten Ehren ausgezeichnet. Aber seine Einsätze sind nicht spurlos an ihm vorbei gegangen und er ist tief traumatisiert.

Oxen’s Neugier bringt ihn eines Tages bei einem Streifzug durch die Gegend in die Nähe von Schloss Norlund. Er beobachtet seltsame Vorkommnisse auf dem Schlossgelände und schafft es nicht mehr rechtzeitig sich spurlos zurückzuziehen. Daher wundert er sich nicht, dass er einige Tage später von einem Trupp Polizisten in seinem Lager im Wald aufgestöbert wird. Widerwillig folgt er Kommissar Grube aufs Polizeirevier und erfährt hier vom Tod des Schlossbesitzers. Einer der Verdächtigen ist er selbst. Verwunderlich ist, dass sowohl der Polizeipräsident als auch die Spitze des Inlandsnachrichtendienstes PET beim Verhör anwesend sind. Sonderbarerweise erhält er vom Chef des Geheimdienstes ein Jobangebot, welches er nach einigem Zögern annimmt, auch weil das Gehalt ungewöhnlich hoch ist. Unterstützt wird er von Margrethe Franck, einer Mitarbeiterin des PET.

Oxen beginnt auf seine Art mit der Recherche. Obwohl er und Franck sich anfangs wenig mögen, bringt ihre Arbeit sie allmählich dazu, Vertrauen zueinander aufzubauen. Beide erhalten sich aber eine gewisse Skepsis dem anderen gegenüber. Der Fall stellt sich als zunehmend verzwickter dar. Delikte geschehen und werden verschleiert, doch die beiden geben nicht auf. Ihre Ermittlungen führen sie schließlich zu einem alten Geheimbund.

Mit Niels Oxen und Margrethe Franck hat der Autor zwei interessante Charaktere geschaffen. Nicht nur Oxen plagen Alpträume, sondern auch Franck, die zudem ein körperliches Handicap trägt. Bei Oxen hatte ich das Gefühl, dass er weiß, worauf er sich bei dem neuen Job einlässt. Anhand der Erfahrungen in der Vergangenheit als Soldat und einer kurzen Zeit als Polizeischüler versucht er mit seinem Verhalten, der jeweiligen Situation entsprechend zu handeln ohne anzuecken. Laufende brenzlige Situationen lassen sich dadurch natürlich nicht vermeiden.

Bereits der Text auf der Buchrückseite ließ mich als Leser wissen, dass Oxen von „sieben Dämonen“ heimgesucht wird. Jens Henrik Jensen zeigt mir damit eine hässliche Seite des Krieges auf. Auch mehr oder weniger unversehrte Kriegsheimkehrer haben meistens mit ihren Erinnerungen an all die Greuel zu kämpfen, die sie erlebt haben, viele ein Leben lang. Ganz nebenbei lernte ich außerdem mit dem Danehof ein Kapitel dänischer Geschichte kennen, dass mir bisher unbekannt war.

Der Autor baut den Thriller komplex auf. Es gibt mehrere Todesfälle, die miteinander verbunden werden wollen. Die Suche nach dem Motiv gestaltet sich schwierig. Für die Fallermittlungen entscheidend sind sowohl bei Oxen wie auch bei Franck Seilschaften auf die sie im Bedarfsfall zurückgreifen können. Gemeinsam ziehen sie Verbindungen die sie der Lösung über viele Umwege näher bringen. Einige mitwirkende Charaktere blieben bis zum Schluss undurchsichtig, auch der Zweifel an der Integrität der Figuren untereinander steigerte die durchgehende Spannung. Das Ganze endet in einem furiosen Finale.

Obwohl der Fall letztlich als aufgeklärt gilt, bleiben einige Dinge fragwürdig, so dass ich als Leser auf Antworten in den nächsten beiden Bänden hoffe. In verschiedenen Szenen werden Gewaltanwendungen beschrieben, das Buch ist also nichts für sensible Leser. „Oxen“ ist meiner Meinung nach zurecht ein Bestseller unter den Thrillern Dänemarks, darum erhält der Kriminalroman von mir eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 21.08.2017
Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow Roman
Rowell, Rainbow

Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow Roman


sehr gut

Auf dem Cover des Jugendbuchs „Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow“ von Rainbow Rowell sitzt der Titelheld lässig und cool lächelnd auf einem thronartigen Sessel. Doch allzu viel hat er nicht zu lachen, denn ein Krieg bahnt sich an in der magischen Welt und bei Anwendung seiner Zauberkräfte ist er alles andere als entspannt.

Simon Snow ist Schüler des Internats Watford School of Magicks. Der aktuelle Leiter der Schule, kurz Magier genannt, hat ihn mit 11 Jahren im Kinderheim der gewöhnlichen Menschen besucht und ihn darüber aufgeklärt, dass er zaubern kann. Mit seiner Mitschülerin Agatha ist er seit langer Zeit liiert und mit seiner Klassenkameradin Penelope, die kurz Penny genannt wird und deren Freund in Amerika lebt, ist er sehr eng befreundet. Zu Beginn seiner Schulzeit hat er in einem Ritual seinen Zimmergefährten Baz zugeteilt bekommen. Baz ist nicht nur ein Zauberer, sondern Simon vermutet auch, dass er ein Vampir ist. Die beiden verstehen sich nicht besonders gut, doch meistens akzeptieren sie die Eigenarten des anderen. Simon und seine Freunde sind ungefähr 18 Jahre alt und kommen ins letzte Schuljahr. Ein Schatten bedroht ihr Dasein, der nach seiner Anwesenheit große Löcher auf der Erde hinterlässt. Aber Baz kehrt nach den Ferien nicht an die Schule zurück und sein Fernbleiben wirft bei Simon Fragen auf. So stellt das finale Schuljahr ihn nicht nur vor die Aufgabe, seine Zauberkraft endlich zu kanalisieren, sondern auch nach dem Verbleib von Baz zu suchen. Ein Glück für ihn, dass er Penny und Agatha an seiner Seite hat.

Das Buch beginnt mit deutlichen Ähnlichkeiten zu der Serie um Zaubererlehrling Harry Potter, daher war ich zunächst etwas enttäuscht beim Lesen, zumal sich die Geschichte auch eher langsam aufbaute. Doch dann wurde alles ganz anders und turbulent. Zwar reicht auch hier der Erzählzeitraum über ein Schuljahr, doch weil dies bisher ein Einzelband ist, wird die Vergangenheit in Rückblicken erzählt und ergänzt auf diese Weise die Ereignisse in der Gegenwart. Dadurch passiert ständig etwas Neues. Um einige Geschehnisse aus der Vergangenheit darzustellen, die die heute lebenden Charaktere wissensmäßig weiter voran bringen können, hat sich die Autorin einen interessanten Trick ausgedacht.

Die Schilderungen erfolgen immer in der Ich-Form und wechseln auf die unterschiedlichen Charaktere der erwähnten Freunde und diverse andere Randfiguren. Jede Szene wird zwar nur einmal beschrieben, jedoch konnte man auf diese Weise auch schon mal in der Erinnerung eine andere Ansicht erfahren. Die nummerierten Kapitel, die immer auf einer neuen Seite beginnen, sind mit dem Namen desjenigen betitelt, der gerade erzählt. Grundsätzlich ist das nur eine Figur. In Ausnahmen, wenn die Spannung oder die Emotionen steigen, wechselt die Perspektive nach kürzeren Abschnitten noch innerhalb des Kapitels, was mich als Leser noch intensiver in das Geschehen einbezog. Rainbow Rowell lässt mit ganz einfachen, klaren Sprüchen zaubern. Das ist so genial, dass ich entgegen der Vernunft versucht war, mein eigenes Glück damit zu probieren.

Worüber andere Autoren eine mehrbändige Serie schreiben, dass schafft Rainbow Rowell in einem einzigen Buch. Sie beeindruckt mit Charakteren, die zwar nicht alle ganz ausformuliert sind, aber in ihrem Wesen doch ganz eigen. Sie lässt Gefühle ihrer Figuren zu, die darüber auch offen reden. Keiner ist perfekt, doch jedem wird Raum und Zeit eingeräumt, Mankos zu korrigieren, sich zu verbessern oder einfach zu akzeptieren wie man ist. Dadurch entsteht eine zwar zunächst gemächliche, doch dann immer abwechslungsreichere und unterhaltsame Geschichte mit unvorhersehbarem Ende. Mir hat das gut gefallen und daher empfehle ich den Roman gerne an Jugendliche ab 13 Jahren, aber auch an alle erwachsenen Fantasyfans weiter.

Bewertung vom 08.03.2016
Mein Herz wird dich finden
Kirby, Jessi

Mein Herz wird dich finden


ausgezeichnet

Mia hat ihren Freund Jacob durch einen Verkehrsunfall verloren. Noch heute, 400 Tage später, erinnert sie sich nur mit Grauen an diesen Tag zurück. So beginnt der Roman „Mein Herz wird dich finden“ von Jessi Kirby. Auf dem Cover des Buchs ist ein verschlungenes Herz in rot-goldener Farbe das im Licht glänzt. Nichts weist auf eine bedrückende Geschichte hin und so hellt sich nach einem beklemmend wirkenden Beginn das Geschehen auf und nimmt den Leser mit hinein in eine der bewegensten Liebesgeschichten, die ich kenne.

Jacob fehlt Mia sehr. Die beiden hatten gemeinsame Pläne für ihre Zukunft. Zum Glück gibt ihre Familie ihr Zeit über den Verlust hinweg zu finden. Eines Tages macht sie sich auf die Suche nach einer bestimmten Person. Bei der Fahrt ans naheliegende Meer lernt sie Noah kennen. Beide fühlen sich gleich auf einer Wellenlänge. Und doch ist es so, dass Mia Noah gar nicht hätte kennenlernen dürfen. Sie sehnt eine Aussprache mit Noah herbei, aber der geeignete Moment will zunächst einfach nicht kommen. Und dann ist es beinahe zu spät, um auf Verständnis zu hoffen …

Gerade einen jungen Menschen zu verlieren, egal ob als Familienmitglied oder Freund, ist furchtbar. Alles bricht ab. Begegnungen, gemeinsame Träume und Worte sind nicht mehr möglich. Die Lebenden sind gefangen im hier und jetzt. Keiner weiß wo der Geist und die Seele des Verstorbenen nun sind. Unser Verstand kommt an seine Grenze.

Vielleicht ist die Geschichte, die die Autorin hier erzählt, auch so mitnehmend weil sie sich mit einem der großen Themen unserer heutigen Zeit beschäftigt, der Organspende. Auf eine ganz besondere Weise verarbeitet sie in ihrer Erzählung einige Aspekte, keine ausführende Diskussion, jedoch ausreichend für die vorliegende Liebesgeschichte, um das Für und Wider des Spenders zu erkennen. Sie zeigt außerdem auf, dass es auch für den Empfänger eine Herausforderung sowohl physisch wie auch psychisch ist, mit dem fremden Organ zu leben.

Für Mia kommen zu den sehr emotionalen Geschehnissen noch das Wissen um den Gesundheitszustand ihres Vaters hinzu. Ihre Eltern bieten ihr Rückhalt und stärken sie bei ihren Handlungen. Doch der berufliche Stress macht ihrem Vater zu schaffen. Die Besorgnis ihrer Mutter um ihren Mann bedrückt auch Mia. Vor dem Hintergrund eines Sommers am Meer mit seiner Leichtigkeit, dem Vergnügen und Spaß wird der Protagonisten bewusst, dass immer wieder in einem geregelten, erfüllten Alltagsleben plötzliche Gefahren lauern, die der Gesundheit abträglich sind.
Mia ist eine liebenswerte Person, ebenso wie Noah. Beide sind rücksichtsvoll und doch haben sie auch ihre Ecken und Kanten. Ohne zu wissen warum, vertraut Mia ihrem neuen Freund, obwohl ihr manche Situation in die er sie bringt riskant erscheint.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr gefühlsbetont. Sie schafft es mit ihren Worten die Wärme des Sommers einzufangen. Ich konnte mir die einzigartige Landschaft und die Naturphänomene, die Noah Mia zeigt, sehr gut vorstellen. Die Story wird von Mia in der Ich-Form erzählt, so dass ich an den Gedanken und inneren Auseinandersetzungen der Protagonistin teilhaben konnte. Vor jedem Kapitel hat Jessi Kirby eine Tatsache oder einen Spruch über das Herz gestellt, der im Laufe des Buchs Wissen vermittelt, aber auch den Leser zwischen den teils atemlos stimmenden Kapiteln kurz aufatmen lässt. Denn über der romantischen Geschichte liegt stets die Angst von Mia, dass eine Aussprache mit Noah kein Verständnis von ihm bringt und ihre noch junge Liebe einer solchen Probe nicht standhalten wird.

Mich hat dieses Buch tief berührt und ich habe mich sehr über den versöhnlich stimmenden Abschluss gefreut. „Mein Herz wird dich finden“ ist definitiv ein Buch das ich sehr gerne weiterempfehle, nicht nur an Jugendliche ab 14 Jahren sondern auch an junge Erwachsene und interessierte ältere Leser.

Bewertung vom 22.08.2014
Die Hexe und der Leichendieb
Glaesener, Helga

Die Hexe und der Leichendieb


sehr gut

Der historische Roman „Die Hexe und der Leichendieb“ von Helga Glaesener ist als Hardcover im List Verlag erschienen und umfasst 413 Seiten mit 39 Kapiteln. Die Erzählung spielt im Jahr 1632 auf der Wildenburg in der Eifel. Dementsprechend zeigt das Cover die stilisierte Kulisse der Burg, eingebettet in die Landschaft, im Vordergrund steht allerdings ein zeitgenössisch gekleidetes Paar.

Marsilius, der Herr der Wildenburg, möchte einen Mann, Marx von Mengersen, hinrichten lassen, den er für den Tod von Heinrich, einem jungen Herrn von Herbede verantwortlich macht. Marx stand in den Diensten des jungen Manns. Doch Marx verleugnet die Tat und es gelingt ihm die Flucht auf seinem Pferd aus der Burganlage bei der ihm die erst 17 Jahre alten Burgherrin Sophie unbewusst zu Hilfe kommt. Sie ist unglücklich mit Marsilius verheiratet, weil dieser nicht nur gewalttätig ist, sondern sich mit Edith noch eine weitere Frau an seine Seite geholt hat. Edith hat aber nicht nur Marsilius für sich gewonnen, sondern sie spielt die ihr stillschweigend zugebilligte Macht auch über das Personal der Burg aus. Auf der Suche nach einem dubiosen Brief den Heinrich überbringen sollte und der der Auslöser für seine Ermordung sein könnte, wird Marx sogar zum Dieb seiner Leiche. Sophie ist inzwischen schwanger und entdeckt, dass Edith eine praktizierende Hexe ist. Doch an wen, soll sie sich mit ihrem Wissen wenden? Sie sieht ihr Leben durch Edith bedroht und flieht von der Burg. Auf ihrer Flucht begegnet sie Marx und dem Advokaten Julius, die sie beide um Hilfe bittet.

Helga Glaesener schafft es rund um die historisch verbürgte Gestalt des Marsilius Pallandt mit viel Fantasie die Wildenburg mit Leben zu füllen. Der Schreibstil ist flüssig zu lesen. Die Charaktere sind detailliert beschrieben. Marx scheint zunächst der gewaltsame Mörder zu sein, dem nicht zu trauen ist. Dagegen wirkt Julius als dienstbeflissener Hauslehrer des Guts Herbede als guter Mensch. Doch die Autorin versteht es Situationen und Handlungen so miteinander zu verstricken, dass der Leser ins Grüben kommt, auf welche Seite er sich stellen soll. Unzweifelhaft nicht auf die Seite der Hexe Edith, die nicht nur eine von dem Menschen der Umgebung benannte Hexe ist, sondern und das ist das Besondere an diesem Roman eine Hexe, die als solche agiert. Frau Glaesener lässt den Leser teilnehmen an Beschwörungen, Salbungen und andere Rituale die Edith ausführt. Der Charakter der Sophie bleibt dagegen eher blass. Dies ist vielleicht auch ihrem jugendlichen Alter geschuldet. Doch ihre Handlungen und Entscheidungen bleiben für den Leser schwer einschätzbar bis zum Schluss. Diesen Roman, der durchgehend spannend ist, kann ich allen Lesern des historischen Genres zum Lesen empfehlen.

Bewertung vom 20.06.2014
Tanz auf Glas
Hancock, Ka

Tanz auf Glas


ausgezeichnet

„Tanz auf Glas“ ist der sehr gefühlvoll geschriebene Debütroman der US-amerikanerin Ka Hancock. Die Übersetzung des Originaltitels ins Deutsche „Tanz auf gebrochenem Glas“ gibt noch besser wieder als das, was auch der deutsche Titel bereits auszudrücken versucht. Für beide Protagonisten droht das Leben sozusagen unter ihren Füßen wegzubrechen und sie in den Abgrund zu ziehen bis zur Selbstaufgabe. Dementsprechend hat sich das Pärchen auf dem Cover eng aneinandergeschmiegt, seine Hände halten seine Partnerin umschlungen, in der Hoffnung gemeinsam allen Schicksalsschlägen trotzen zu können.

Die angehende Lehrerin Lucy hat noch während ihres Studiums auf einer Party Mickey kennengelernt. Sie hat schon früh ihre Eltern verloren, ihre zwei älteren Schwestern sind ihr Halt im Leben. Mickey gehören zusammen mit einem Geschäftspartner mehrere Clubs und selbst betätigt er sich gerne als Comedian zur Unterhaltung seiner Gäste. Lucy gelingt es bei ihrem ersten Aufeinandertreffen in seinen Augen einen Blick auf den Mensch hinter dem Künstler und Manager zu werfen und auch Mickey ist von Beginn an fasziniert von ihrer Persönlichkeit. Doch bereits bei ihrer zweiten Begegnung, die in der Cafeteria eines Krankenhauses stattfindet, erzählt Mickey ihr von seiner manisch-depressiven Erkrankung. Bereits seine Mutter hat daran gelitten. Seine Offenbarung macht er zu einem Zeitpunkt, an dem eine von Lucys Schwestern aufgrund einer Krebserkrankung operiert wird. Auch diese Krankheit scheint in der Familie zu liegen, denn Lucys Mutter ist daran gestorben. Die beiden geben sich gegenseitig Halt und Stärke und heiraten trotz aller Bedenken zwei Jahre später. Das Schicksal hat noch einiges für die Liebenden vorbereitet.

Von Beginn an macht die Autorin dem Leser klar, dass das Buch keinen heiteren Hintergrund aufweist. Bereits auf den ersten Seiten informiert sie über die aktuelle Situation von Mickey und Lucy und blättert so nach und nach die schicksalhaften vergangenen Jahre auf. Obwohl beide mit ihrem Schicksal hadern und dies auch schon Mal von Mickey unwirsch zur Kenntnis gegeben wird, fangen sie die Sympathie des Lesers ein. Mit dem Paar geht der Leser dann in eine hoffnungsvolle Zukunft, die jedoch auf der breiten Linie nicht immer einen guten Ausgang findet. Der Roman wird aus der Sicht von Mickey und Lucy erzählt. Mickeys Erzählung ist kursiv gedruckt und steht grundsätzlich am Anfang eines jeden Kapitels. Der Leser sollte also nicht ans Ende des Buchs schauen, welche Schrift dort überwiegt, um daraus nicht vorschnell seine Schlüsse zu ziehen. Durch die gewählte Erzählform erfährt der Leser vieles über die inneren Auseinandersetzungen der Protagonisten, nicht nur mit Krankheit, sondern auch im Verständnis untereinander und innerhalb der Familie.

Der Roman „Tanz auf Glas“ berührt den Leser tief und er sollte sich darauf einstellen, dass diese Geschichte nicht so endet wie er es sich sicher wünschen würde. Die Intention der Autorin, mit dem Schreiben dieses Buches beim Leser große Gefühle auszulösen, wurde von ihr erfolgreich umgesetzt.

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Bewertung vom 17.06.2014
Siebenschön / Emilia Capelli und Mai Zhou Bd.1
Winter, Judith

Siebenschön / Emilia Capelli und Mai Zhou Bd.1


ausgezeichnet

Mit „Siebenschön“ hat Judith Winter einen spannenden, wohldurchdachten Debütthriller geschrieben. Die Blutspritzer auf dem Cover geben dem Leser bereits einen Hinweis darauf, dass die Autorin in ihrer Szenenbeschreibung nicht zimperlich vorgeht. Das Wort für Schmetterling im Altgriechischen ist Psyche, so dass die Titelseite bereits als eine Anspielung darauf gesehen werden kann, dass das Buch auf eine gewisse Weise in die Gefühlswelt einer handelnden Person, sei es Ermittler, Opfer oder Mörder führen wird. Und schön ist er, dieser Schmetterling auf dem Cover, der damit in Bezug steht zum Titel, der sich aus der Nummerierung der Opfer herleitet.
Emilia Capelli ist Hauptkommissarin in der Abteilung für Kapitaldelikte in Frankfurt. Ihr Partner hat Vaterschaftsurlaub genommen. Sie kann es kaum glauben, ist doch ihre eigene Beziehung gerade erst in die Brüche gegangen. Doch aufgrund dessen erhält sie eine neue Partnerin, wobei sie eigentlich damit gerechnet hat, dass einer ihrer Bekannten diese Position einnehmen wird. Doch dann wird ihr Mai Zhou zugewiesen, die gerade erst von einer mehrmonatigen Fortbildung beim FBI in Quantico/USA zurück ist. Direkt an deren ersten Tag werden die beiden konfrontiert mit dem Mord an einer jungen Frau, die in einer nicht eingeschalteten Tiefkühltruhe in einer verlassenen Lagerhalle gefunden wird. Der Fund ist nur möglich, weil der Täter der Grafikerin Christina Höffgen einen Brief mit entsprechenden Hinweisen geschrieben hat, den diese beim Heimkommen auf ihrem Wohnzimmertisch bei der Tagespost vorfand. Doch dies ist nicht der einzige Mord. Schon bald ergibt sich aus den Tatorten, der Totdesart und den Hinweisen bei den Leichen die Ahnung auf ein bestimmtes Schema. Doch wenn Emilia und Mai nicht die richtigen Schlüsse ziehen, wird es bald wieder einen neuen Mord geben …
Judith Winter stellt in diesem Thriller ein eher ungewöhnliches Ermittlerduo vor. Emilia Capelli, 28 Jahre, wird gerne von ihrer aus Italien abstammenden Familie mit kleinen Hilfsdiensten beauftragt, was ihr gar nicht recht ist, da sie sich stark in ihrem Beruf engagiert. Mit Frauen arbeitet sie grundsätzlich nicht gerne zusammen. Ihr Eigensinn ist im Team bekannt, doch sie ist beliebt, auch weil ihre eigene Vorgehensweise oftmals zum Erfolg führt. Ihre neue Partnerin Mai Zhou wurde von ihrem aus Hongkong stammenden Vater zur Zurückhaltung und Höflichkeit erzogen. Mit diesen Charaktereigenschaften steht sie sich in ihrer Eigenschaft als Ermittlerin manches Mal selbst im Weg. Auch Emilia vermutet am Anfang, dass sie aufgrund ihrer Abstammung etwas anderes äußert als das, was sie denkt. Beide Frauen verbinden ihr scharfer Verstand und eine hohe Motivation für ihre Arbeit. Sie müssen eine gemeinsame Linie finden um die ihnen anvertrauten Fälle zu lösen. Im Laufe der Ermittlungen lernen sie die jeweilige Arbeitsweise der Partnerin besser kennen. Doch zum gegenseitigen Vertrauen ist es noch ein langer Weg.
Der Thriller startet gleich zu Beginn mit einem Mord. Doch noch kann der Leser diesen nicht in das Schema einordnen nach dem der Täter vorgeht. Für Emilia und Mai deutet die erste Nachricht, die Christina Höffgen erhält, darauf hin, dass die Tote bereits das siebte Opfer ist. Der Leser muss sich ebenso wie die Ermittlerinnen fragen, und wie viele es noch geben wird bis der Täter gefasst ist. Bald schon wird klar, dass alle Ermordeten mit einem Mann bekannt waren. Personen aus seinem Umfeld werden befragt. Für mich als Leser stand dabei immer die Frage im Raum, ob ich gerade dem Mörder begegne. So ist der Thriller von Beginn an spannend. Der Spannungsbogen bleibt aufgrund des klugen Aufbaus der Konstruktion hoch. Emilia scheint eine Lösung vor Augen zu haben, kann sie aber noch nicht fassen und trotz Mitdenkens kommt auch der Leser der Aufklärung nicht näher. Die Szenenbeschreibungen beim Auffinden der Leichen sind gut vorstellbar, aber blutig.