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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 957 Bewertungen
Bewertung vom 22.04.2017
Tschick

Tschick


ausgezeichnet

"Tschick" ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Wolfgang Herrndorf aus dem Jahr 2010, der ein Jahr später mit dem Deutschen Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Leider habe ich das Buch bislang nicht gelesen, wobei mir dies sicher bei der Literaturverfilmung zu Gute kam, da ich so keine Vergleiche zum Buch ziehen konnte hinsichtlich ausgelassener Szenen oder Charaktere, die ich mir sonst möglicherweise anders vorgestellt hätte.

"Tschick" ist ein Road Movie und eine Coming of Age Geschichte, die vom Ich-Erzähler Maik erzählt wird. Der Film beginnt mit einer Szene kurz vor dem Ende, bevor die Kulisse in Maiks Schule wechselt, wo er vor seiner Klasse einen Aufsatz liest, der den Zuschauer mit seiner familiären Situation bekannt macht. Maiks Mutter liebt ihren Sohn, ist auf Grund ihrer Alkoholsucht jedoch häufiger in Erziehungskur, der Vater ist ständig mit seiner jüngeren Assistentin auf "Geschäftsreise". Maiks Zuhause wirkt steril und tatsächlich wie eine reine Filmkulisse, die Begegnung mit dem Außenseiter Tschick - eigentlich Andrej Tschichatschow - holt ihn aus seiner fassadenhaften Welt und beschert ihm seinen bislang besten Sommer, als die beiden in einem geklauten Lada auf einen Roadtrip in die Walachai aufbrechen. Auf diesem Weg begegnen sie teils skurrilen Charakteren, daneben ist es aber auch eine Reise zu sich selbst und zueinander, denn vor diesem Ausbruch konnte Maik Tschick überhaupt nicht leiden. Eine Schlüsselszene hierfür ist vielleicht die Plastiktüte, die Tschick mit sich führt, als er den ersten Tag in der Schule ist, in dem sich eine Flasche Alkohol befindet, was Maik sicherlich an die Probleme seiner Mutter erinnert. Neben den Hauptdarstellern sind es die außergewöhnlichen Nebenfiguren und einige Überraschungen auf der Reise, die den ganzen Film sehr kurzweilig gestalten und zu einem gelungenen Road Movie machen, bei dem keine Minute zu lang oder als Füllmaterial wirkt.

Neben der beeindruckenden Bildsprache, dem sterilen, fassadenhaften Zuhause Maiks im Gegensatz zu der Welt, die er gemeinsam mit Tschick entdeckt, hat mich vor allen Dingen der überraschend zusammengestellte Soundtrack vom Hocker gehauen, Richard Claydermans Ballade "Pour Adeline" erfüllt das Auto, bis die Kassette Opfer eines Bandsalates wird, während der Lada später im Sumpf bei den Klängen von "Hurra die Welt geht unter" von K.I.Z. feststeckt. Danach dauert es nicht mehr lange bis die Reise der beiden Jungs ein jähes Ende findet, welches den Bogen zur Anfangsszene des Films schlägt. Maik hat sich in diesem Sommer dank Tschick verändert und auch das schwierige Verhältnis zu seinen Eltern findet eine überraschende und abrupte Klärung: die Wendung schlägt in wahrsten Sinne des Wortes ein!

"Tschick" ist eine Geschichte über einen außergewöhnlichen Sommer und eine Freundschaft zwischen zwei Jungs, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen und doch zu einer großen Freundschaft finden. Fatih Akins Verfilmung des Romans von Wolfgang Herrndorf überzeugt mit starken Bildern, die jedoch die agierenden Haupt- und Nebencharaktere nicht überschatten.

Ich werde "Tschick" sicherlich noch öfter ansehen, und auch die Lektüre der Romanvorlage nachholen.

"Tschick" ist seit dem 09.03.17 auf DVD, BluRay und als Special Edition mit umfangreichem Bonusmaterial erhältlich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2017
Ein (fast) perfekter Hund / P.F.O.T.E. Bd.1
Obrecht, Bettina

Ein (fast) perfekter Hund / P.F.O.T.E. Bd.1


ausgezeichnet

Die Geschwister Janne und Flip wünschen sich nichts so sehr wie einen Hund. Kaum zu glauben läuft ihnen eines Tages nicht nur ein unglaublich süßer herrenloser Hund über den Weg, zu ihrer Überraschung kann dieser außerdem mit ihnen reden! Denn P.F.O.T.E. ist kein normaler Hund, sondern ein (fast) perfekter Hund, der von schlauen Forschern in einem Labor entwickelt wurde. Allerdings hat P.F.O.T.E. sich in dem Labor sehr einsam gefühlt, da ihm dort ein Rudel gefehlt hat. Als eines Tages die Tür nach draußen offen steht, nutzt er die Chance wegzulaufen, auch wenn das eigentlich nicht zum Verhalten eines perfekten Hundes passt. Außerhalb des Labors trifft er nicht nur auf Janne und Flip, sondern auch auf eine Katze und den Mops Tapferer einsamer Wolf, die ihm wichtige Dinge über das Leben in der Freiheit lehren, und so lernt P.F.O.T.E. nach und nach, dass es viel wichtigere Dinge im Leben gibt als perfekt zu sein und schon bald muss er eine Entscheidung treffen, ob er zurück ins Labor geht oder sich für ein Leben in einer Familie entscheiden möchte, denn die Forscher setzen alles daran, ihren fast perfekten Hund zurück zu erlangen, um ihn einem breiten Publikum zu präsentieren, denn eines Tages soll P.F.O.T.E. alle Hunderassen der Welt ersetzen, denn kann es etwas Besseres geben, als einen Hund der nahezu allen Befehlen gehorcht und nur einmal am Tag bellt?

Die Geschichte von P.F.O.T.E. behandelt ein tiefschürfendes Thema: wie wichtig ist Perfektion gegenüber Individualität? Sind es nicht die Eigenarten und Schwächen, die Tiere (oder auch Menschen) erst liebenswert machen? Zu Beginn ist P.F.O.T.E. ein süßer, wohlerzogener Hund, der im Laufe der Geschichte aber immer liebenswerter wird, wenn er nach und nach entdeckt, welche Freuden des Hundelebens im bislang durch sein Dasein im Labor entgangen sind. Sei es das Spielen mit einem Bällchen, Schwimmen im Fluss oder vor Freude mit dem Schwanz zu wedeln. Er lernt in der Freiheit, dass es nicht nur böses Bellen aus Schutz vor Einbrechern gibt, sondern auch Bellen, um seine Freude zu bekunden. Man kann sich als Leser einfach nur mitfreuen, wenn P.F.O.T.E. die unbekannten, schönen Seiten des Hundelebens entdeckt und zum ersten Mal erlebt.
Die Geschichte ist nicht zuletzt der hinreißenden Illustrationen von Barbara Scholz unheimlich liebenswert, sondern gerade für die Altersklasse auch sehr spannend, wenn die Labormitarbeiter versuchen P.F.O.T.E. einzufangen und zurück ins Labor zu bringen, zum Glück gibt es aber auch im Labor jemanden, dem P.F.O.T.E.s Glück am Herzen liegt und der der Überzeugung ist, dass Perfektion nicht auf Biegen und Brechen und zu Lasten der Vielfalt erstrebenswert ist.

"P.F.O.T.E. - Ein (fast) perfekter Hund" ist ein lustiger und spannender Lesespaß für Kinder, die Tiere lieben und die kleinen Leser lernen nebenher noch, dass mit einem Tier nicht nur Spaß im Leben einzieht, sondern viel Verantwortung einher geht.

Bewertung vom 22.04.2017
Bob, der Streuner Bd.1
Bowen, James

Bob, der Streuner Bd.1


ausgezeichnet

"Bob, der Streuner" kennt wohl fast jeder mittlerweile zumindest dem Namen nach. Im Frühjahr 2007 treffen der Straßenmusiker James Bowen, der zu diesem Zeitpunkt in einer Sozialwohnung im nördlichen London lebt und sich einem Drogenentzugsprogramm unterzieht, und ein roter Streuner aufeinander. Dieses zufällige Aufeinandertreffen ist der Beginn einer einzigartigen Freundschaft, die bis zum heutigen Tag dank der Buchveröffentlichungen und der Verfilmung von James' und Bobs erster Geschichte Millionen Menschen rund um den ganzen Globus bekannt ist.

Neben der einzigartigen und bedingungslosen Freundschaft zwischen Mensch und Tier ist das Buch vor allen Dingen wegen James' Lebensgeschichte lesens- und empfehlenswert. Man erfährt sehr viel über seine Vergangenheit, wie es dazu kam, dass er als Jugendlicher und junger Erwachsener in der Drogensucht und auf der Straße landete, und verfolgt seinen tagtäglichen Lebenskampf zunächst als Straßenmusiker und später als Verkäufer der Obdachlosenzeitschrift Big Issue. So viele Freunde James durch seinen neuen Begleiter Bob gewinnt, so viele Neider hat er jedoch unter seinen Kollegen, denn die Touristen in London umschwärmen den Mann, der eine ungewöhnliche Freundschaft zu einem roten Straßenkater pflegt und wollen ihm seine Zeitschriften auch außerhalb seines Verkaufsbezirks abkaufen. Der Leser gewinnt hier Einblicke in das Leben eines Außenseiters, die ihm normalerweise verborgen bleiben. Die Geschichte ist oftmals anrührend, zum Beispiel, als James sein letztes Geld in Medikamente für Bob investiert, aber niemals kitschig oder verklärend. In mir hat das ungewöhnliche Gespann einen weiteren Fan gefunden und ich möchte nun auch die weiteren Bücher um James und Bob lesen, denn auch wenn die beiden am Ende ihrer ersten Geschichte bereits eine gewisse Berühmtheit erlangt haben, so leben sie immer noch auf der Straße und müssen sich ihren Lebensunterhalt hart erarbeiten.

Selbst für Kenner der Bob-Bücher ist die Neuauflage zum Film empfehlenswert, da die Geschichte zwar die gleiche ist, das Buch aber um etliche Szenenfotos aus der Verfilmung erweitert wurde. In den Umschlagklappen kann man zudem auf einem Stadtplan und der U-Bahn-Karte Londons James' und Bobs Wege durch die Stadt verfolgen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2017
Company Town - Niemand ist mehr sicher
Ashby, Madeline

Company Town - Niemand ist mehr sicher


gut

New Arcadia ist eine Company Town vor der kanadischen Küste. Dort ist Hwa als Leibwächterin für den jüngsten Spross der Familie Lynch eingestellt, der die Bohrinselstadt gehört.
Als letzte Bewohnerin, deren Körper ohne künstliche Bauteile auskommt, und deshalb nicht gehackt werden kann, soll Hwa Joel Lynch vor Bedrohungen schützen. Schon bald wird Hwa jedoch in andere Vorkommnisse verwickelt. Eine mysteriöse Mordserie an Frauen, die allesamt mit Hwa bekannt waren, erschüttert die einstige Ölplattform und auch Hwas Leben wird bedroht.

Madeline Ashbys Debütroman "Company Town" ist eine hochtechnitisierte Zukunftsvision, die die volle Aufmerksamkeit des Lesers beansprucht. In meinem Fall muss ich zugeben, dass ich mit der Storyline stellenweise hoffnungslos überfordert war. Schon der Einstieg in den Roman gestaltete sich als recht schwierig, da der Leser ins kalte Wasser geworfen wird und die Bedeutung spezieller Begriffe erst nach und nach aus dem Kontext der Geschichte erfährt. Hier hätte ich mir weit mehr als einmal ein Glossar gewünscht. Nachdem der erste Mordfall eintrat, hat mich die Spannung einigermaßen gepackt, aber völlig versinken konnte ich in der Geschichte trotz allem nicht. Die von Madeline Ashbys heraufbeschworenen Zukunftsvisionen sind stimmig und basieren teilweise auf bereits heute existierender Technologie, so dass man sich gut vorstellen kann, dass ihre Ideen eines Tages Wirklichkeit werden. Doch wie eingangs erwähnt, muss man dem Storyplot zu jeder Zeit mit voller Aufmerksamkeit folgen, sonst verliert man den roten Faden.
Insgesamt hat mich die Geschichte an sich leider nicht richtig packen können, da ich zu keinem Zeitpunkt voll eingestiegen bin, aber einzelne Szenen und Ideen konnten mich überzeugen, so dass ich Madeline Ashbys düstere Zukunftsvision zwar interessant zu lesen fand, aber sich bei mir einfach kein Kopfkino einstellen wollte und mir so das komplette Szenario und auch die agierenden Protagonisten fast durchgehend fremd geblieben sind.

Vielleicht muss man als Leser einfach noch mehr im Kopf haben, um "Company Town" komplett zu verfallen, wer Interesse an modernen Technologien in einer zukünftigen Welt hat, findet hier einen höchst komplexen dystopischen Roman für erwachsene Leser. Ich kann jedoch jedem nur empfehlen sich mit einer Leseprobe in den Roman einzulesen, ob einem sein Stil und die Ausführung der Handlung liegt und die Geschichte einen einfängt oder ob er wie mir "zu hoch" ist.

Bewertung vom 17.01.2017
Stormglass. Das Tesla-Beben
Deemer, Andy

Stormglass. Das Tesla-Beben


sehr gut

Nach dem "Angriff der Killerbienen" hält das "Tesla-Beben" für Jake den zweiten Einsatz als Stormglass-Agent bereit. Zu Beginn lernt der Leser Jake in seinem normalen Umfeld etwas besser kennen. Wir begleiten ihn in seinem Schulalltag, wo es für ihn immer schwieriger wird sein Doppelleben als normaler Teenager und Agent geheim zu halten. Seine Agententätigkeit führt dazu, dass er in der Schule einige Strafen aufgehalst bekommt, wer glaubt denn schon, dass ein normaler Schüler einen Lehrer beim Lügen entlarven oder Schlösser knacken kann? Wie soll man so etwas im Alltag erlernen ohne kriminelle Hintergedanken zu haben? Das dicke Ende kommt für Jake dann bei einer Versteigerung, bei der ein alter Koffer des Erfinders Tesla unter den Hammer kommt: der Koffer wird entwendet, Jake verfolgt den Dieb und wird dabei selbst von Sicherheitskräften gestellt und der Tat beschuldigt! Dafür soll Jake nun in eine Erziehungsanstalt. Zum Glück kann Stormglass dies unter Einsatz seiner beiden Freunde Filby und Lizzie abwenden und die drei begeben sich nun auf Mission den wahren Täter zu stellen und den Inhalt des Koffers wieder zu finden, bei dem es sich unter anderem um eine gefährliche Erdbebenkanone handelt. Ob es den drei gelingen wird den Täter aufzuspüren und die Welt zu retten?

"Angriff der Killerbienen" hatte mich in einigen Punkten enttäuscht, auch das "Tesla-Beben" konnte nicht voll bei mir punkten, dafür verschenkt der Autor zum wiederholten Mal Potential bei dem an sich grandios erdachten Fall. Immerhin schafft er es jedoch seine Protagonisten dem Leser näherzubringen, unter anderem deshalb, weil man Jake diesesmal länger in seinem alltäglichen Umfeld begleitet und dort auch seine Eltern besser kennenlernt.

Am Ende gibt es wie schon beim Auftaktband einige Wendungen, die offenbaren, dass nicht jede Figur in der Geschichte das darstellt, was sie zu sein vorgibt. Allein um dieses Geheimnis zu lüften, werde ich wohl auch zum dritten Abenteuer von Jake und seinen Freunden greifen, auch wenn die ersten beiden Fälle mich nicht in allen Punkten überzeugen konnten.

Bewertung vom 13.01.2017
Depression abzugeben
Hauck, Uwe

Depression abzugeben


ausgezeichnet

Hauck ist erfolgreich im Beruf und hat eine wundervolle Familie, trotzdem führt ein Vorfall auf der Arbeit dazu, dass er eines Tages einen Suizidversuch unternimmt, den er nur dank eines vergessenen Abschiedsbriefes an seine Familie überlebt. Im Delirium verabschiedet er sich per Whats App von seiner Frau und dank ihr wird er in letzter Minute gerettet.
Damit beginnt seine Reise #ausderklapse, in die er nach dem missglückten Selbstmordversuch eingewiesen wird. Schon immer ein Kind der sozialen Medien sucht Hauck über Twitter den Kontakt zur Außenwelt und lässt sie unter dem genannten Hashtag an seinen Erfahrungen teilhaben.
Tatsächlich dauerte es nur wenige Seiten bis ich mich zum ersten Mal in seiner Geschichte selbst wiedererkannt habe. Einerseits erschreckend, andererseits wunderbar tröstlich, dass man mit seiner Erkrankung nicht alleine ist. Dies erwähnt auch Hauck in seiner Geschichte ein um das andere Mal, dass der Austausch mit anderen Betroffenen manchmal eine erfolgreichere Therapie für ihn war als das Gespräch mit seinen Psychologen und Therapeuten.
Trotz des ernsten Hintergrundes und seiner nicht immer einfachen Lebensgeschichte, die unter anderem auf Probleme in seiner Kindheit und Jugend basiert, hat sich Hauck eine humorvolle Art bewahrt, vielleicht eine Art Galgenhumor, mit der nicht jedermann zurechtkommt, aber außerhalb der Klapse ist es nicht anders, und irgendwann muss er wieder zurück in die eigentlich kranke Welt unter Menschen, die nicht wissen, wie sie mit Depressionen umgehen sollen. Uwe Hauck hat es über die Jahre nicht geholfen, dass er seine Krankheit vor sich und anderen totgeschwiegen hat, nun sucht er mit voller Absicht den Austausch und erfährt dabei mehr Rückhalt als er gedacht hätte. Des Weiteren liest sich seine Biographie auf Grund seines Humors trotz des ernsten Themas sehr leichtfüßig.
Besonders interessant und lesenswert wird sein Buch, sowohl für Betroffene als auch Außenstehende, durch Haucks zahlreiche Schilderungen von Begegnungen mit anderen Erkrankten. So trifft man auf verschiedene Facetten und Auslöser von Depressionen und lernt nicht nur die Depressionskranken kennen, die einen Suizid überlebt haben, sondern auch betroffene Angehörige wie seine Familie, oder eine Frau, die er in der Klinik kennenlernt, deren Mann es nicht geschafft hat, wobei es eigentlich heißen müsste: der es geschafft hat :( Depressionen treffen nicht nur schwache Personen und ein Suizidversuch ist keine Tat eines Feiglings, es ist eine Kurzschlusshandlung. Wenn man Uwe Hauck in seiner Geschichte kennenlernt, öffnet das hoffentlich dem einen oder anderen Leser die Augen und räumt mit vielen Vorurteilen gegenüber Depressionen auf.
Uwe Hauck teilt so viel mit seinen Lesern, trotzdem habe ich das Gefühl hier nur die Spitze des Eisbergs gezeigt bekommen zu haben. Dies wird zum einen sehr deutlich, dass selbst Hauck noch nicht alle Ursachen aufgearbeitet hat, die möglicherweise zu seiner Depression geführt haben, zum anderen endet "Depression abzugeben" mit der Rückkehr in die "normale Welt" und einem nicht näher spezifizierten Ausblick darauf, dass Hauck die Wiedereingliederung in seinen Alltag nicht gelingt.
Hauck konnte seine Depression nicht abgeben, aber er kämpft immer noch gegen sie an und schreibt an der Fortsetzung, die nicht mehr #ausderklapse berichtet, sondern von der schwierigen Zeit danach.
Leider kann man Depressionen nicht abgeben, aber man kann dafür sorgen, dass dieses Thema nicht länger totgeschwiegen wird. Hauck leistet mit seinem Buch Aufklärungsarbeit und hilft Betroffenen. Für mich hat der Ausspruch "geteiltes Leid ist halbes Leid" noch nie so gut gepasst wie bei seiner Geschichte, denn tatsächlich ist sie nicht nur ein Trost, sondern bereits eine erste Hilfe aus dem Dunkel: das Wissen erlangt zu haben, dass man nicht alleine mit seinen Problemen ist, dass es viele andere Menschen gibt, die das gleiche oder ein ähnliches Schicksal teilen und dass man sich Hilfe holen kann und muss.

Bewertung vom 10.01.2017
Stormglass
Pratt, Tim; Deemer, Andy

Stormglass


sehr gut

In den Ferien wird Jake von den beiden Jugendlichen Lizzie und Filby als jugendlicher Agent für die Organisation Stormglass rekrutiert. Damit er während der restlichen Ferien seine Ausbildung als Agent beginnen kann, stellt er seinen Eltern die beiden neuen Freunde als Begleitung für ein gemeinsames Zeltlager vor.
Lange kann er im Stormglass-Stützpunkt jedoch nicht der Agentenausbildung nachgehen, denn fast vom Fleck weg wird Jake zu seinem ersten Auftrag abberufen: ein großer Konzern hat eine heimtückische Art Killerbienen erschaffen, das Überleben der ganzen Menschheit ist in Gefahr, wenn Stormglass diesem Konzern nicht das Handwerk legen kann!

Tatsächlich bin ich erst richtig auf die Stormglass-Reihe gestoßen, nachdem ich erfahren habe, dass der zweite Band sich um niemand geringeren als den Erfinder Nikola Tesla dreht, über den ich bereits einige fiktive Geschichten im Jugendbuchbereich verschlungen habe. Da in dem Band jedoch die Protagonisten aus "Angriff der Killerbienen" wiederum die Hauptrolle spielen, habe ich kurzerhand als erstes zum Auftaktband der Reihe gegriffen.
Das Thema, dass mit dem Aussterben der Bienen auch die Menschheit aussterben würde, finde ich zudem nicht weniger interessant, allerdings hätten die Autoren wesentlich mehr aus dem Thema machen können. Der Kern des Themas sowie die Figurenzeichnung gehen stark zu Lasten etlicher Gadgets und diversen anderen technischen Spielereien, so dass mir die Geschichte streckenweise zu oberflächlich war. Zum Glück steigt jedoch in der zweiten Hälfte der Spannungsbogen an, als verstärkt deutlich wird, dass in der Handlung auch Doppelagenten ihre Finger im Spiel haben und man als Leser bald nicht mehr weiß, welcher Konzern die gute und welcher die böse Seite verkörpert. Dies hat mich etwas über die schwach ausgearbeiteten Charaktere hinweg getröstet, ich hoffe allerdings, dass der zweite Teil mit dem Titel "Das Tesla-Beben" nicht ein weiteres Mal mit dieser Schwäche aufwartet.

"Angriff der Killerbienen" ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, welches ich vor allen Dingen technisch interessanten Jungs empfehlen würde, denen die technischen Spielereien in einer Story wichtiger sind als die agierenden Figuren.
Da mich die Thematik des zweiten Bandes besonders interessiert verfolge ich die Reihe weiter, hoffe aber stark, dass ich mich dort besser mit den Figuren identifizieren und tiefer in der Geschichte versinken kann.

Bewertung vom 03.01.2017
Joscha und Mischa, diese zwei
Gärtner, Hans;Kaspar, Christel

Joscha und Mischa, diese zwei


ausgezeichnet

"Joscha und Mischa" greift ein wichtiges Thema auf, welches gerade in der Kinderliteratur leider noch viel zu kurz kommt.

"Was also ist an ihnen auszusetzen?"
"Ganz einfach:
Dass sie nicht sind wie alle anderen."

In Kukuschkan sind alle Bären braun, grau oder schwarz, nur Joscha und Mischa fallen aus dem Schema heraus. Joscha hat strohblondes Fell und Mischa rotbraunes. Beide sind sehr hübsche Bären, denen junge Bärinnen heimliche Blicke zuwerfen und die anderen Bären den Kopf verdrehen. Doch die beiden fühlen sich zueinander hingezogen und zeigen dies auch in der Öffentlichkeit. Dadurch fühlen sich der Bärenfrisör, der Bärenlehrer und der Bärenpfarrer auf den Plan gerufen, denen Joscha und Mischa durch ihr andersfarbiges Fell bereits ein Dorn im Auge waren. Und genauso verhält es sich mit deren Liebe zueinander: die drei alten Bären können dies nicht akzeptieren, weil sie anders sind als alle anderen, weil so etwas noch nie vorgekommen ist, weil... irgendwann gehen ihnen ihre hanebüchenen Argumente aus.

"Joscha und Mischa, diese zwei" ist ein Bilderbuch, welches das Thema der Homosexualität bereits Kindern im Kindergartenalter vermittelt. Das dieses Thema Inhalt von Kinderbüchern ist, finde ich gut und wichtig, da aus Kindern, die kein Verständnis für das Anderssein ihrer Mitmenschen entwickeln, zu Erwachsenen wie dem Bärenfrisör, dem Bärenlehrer und dem Bärenpfarrer heranwachsen. Denn leider nehmen Kinder Vorurteile oft einfach auf, ohne einen konkreten Grund für eine Ablehnung zu haben, wie die drei benannten Bären, die nur gegen Homosexualität sind, weil es etwas anderes ist als die Norm.

Das Anderssein wird über die Fellfarben von Joscha und Mischa visualisiert und so verständlicher für jüngere Kinder. Die Namen der beiden sind im Text in ihrer Fellfarbe gedruckt: Joscha in gelb, Mischa in rotbraun. Besonders schön ist es, dass der Text orange gehalten ist, wenn Joscha und Mischa gemeinsam auftreten. Sie bringen Farbe in eine Gesellschaft, die ansonsten eher dunkel und trist wirkt. Es mag sich etwas klischeehaft anhören, aber mir gefällt dieses Bild sehr gut, dass vermittelt, dass Anderssein Farbe und Abwechslung in den Alltag bringt und Joscha und Mischa durch die Farbgebung automatisch zu Sympathieträgern der Geschichte werden.

Die Illustrationen finde ich sehr besonders, ansprechend für junge wie erwachsene Leser gleichermaßen. Der Strich ist teilweise eher grob, Joscha und Mischa leuchten durch ihre kräftige Fellfarbe regelrecht aus den Bildern heraus.

Der Bärenfrisör, der Bärenlehrer und der Bärenpfarrer sind am Ende der Geschichte immer noch uneinsichtig und bleiben stur bei ihrer vorgefestigten Meinung, aber es tut sich was in Kukuschkan... Und genau so kann "Joscha und Mischa" im kleinen etwas bewirken, wann man über Homosexualität mit Kindern spricht, als etwas Normales, auch wenn es nicht der gängigen Norm entspricht, mit der Kinder in der Regel aufwachsen.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.01.2017
Ich gebe dir die Sonne
Nelson, Jandy

Ich gebe dir die Sonne


ausgezeichnet

"Ich gebe dir die Sonne" ist nach "Über mir der Himmel" der zweite Roman von Jandy Nelson. Hauptcharaktere sind die Zwillinge Noah und Jude - NoahundJude - die im Alter von 13 Jahren unzertrennlich sind, obwohl sie kaum unterschiedlicher sein könnten. Drei Jahre später sind die beiden jedoch entzweit, in der Zwischenzeit ist etwas passiert, dass das Leben der beiden zerstört hat, sie sprechen kaum noch ein Wort miteinander und es scheint, als hätten die beiden die Rollen getauscht. Wo Noah im Alter von 13 Jahren der kreativere und introvertiertere der beiden Zwillinge war und Jude die draufgängerische, so ist es heute genau umgekehrt. Jude studiert an der Kunsthochschule, von der Noah immer geträumt hatte, Noah hingegen malt seit dem Zwischenfall, der die beiden entzweit hat, gar nicht mehr. Die Geschichte wird im Wechsel erzählt von Noahs dreizehnjährigem und Judes sechzehnjährigem Ich.

Mir erging es so, dass ich jeweils dem Ich-Erzähler und introvertierterem Part der beiden näher war, also dem 13 Jahre alten Noah und der 16 Jahre alten Jude. Der jeweils draufgängerische Zwilling blieb für mich unnahbar und unverständlich in seinem Verhalten. Zueinander - und damit für den Leser zugänglich - finden die unterschiedlichen Zwillingshälften erst im Laufe der Geschichte und mit dem Offenbaren des Familiengeheimnisses, welches zum Bruch zwischen den beiden geführt hatte. Jandy Nelson schafft es dieses bis zum Ende hin im Dunklen zu lassen. Bis dahin erschafft sie eine emotionale Achterbahnfahrt mit interessanten Haupt- und Nebenfiguren und einigen übersinnlichen Phänomenen, die das Ganze jedoch nicht ins Fantastische abtriften lassen, vielmehr ist es so, dass Jude einen Draht zu ihren verstorbenen Familienmitgliedern hat. Ihre Mutter zerstört scheinbar aus Zorn ihre Töpferarbeiten an der Kunsthochschule, Aberglauben und Weisheiten ihrer Großmutter begleiten ihre täglichen Gedanken.

'Wie können Leute sterben, obwohl man gerade Streit mit ihnen hat? Obwohl absolut nichts geklärt ist?

Willst du dich mit einem Familienmitglied aussöhnen, so halte eine Schüssel in den Regen, bis sie sich füllt, dann trinke das Wasser beim ersten Sonnenstrahl nach dem Regen.'
(S.221)

"Ich gebe dir die Sonne" liest sich nicht einfach so weg... Noah und Jude sind manchmal anstrengende Charaktere, die es dem Leser nicht einfach machen sie zu mögen oder wenigstens zu verstehen. Daneben wird die Aufmerksamkeit auch gefordert durch die verschiedenen Nebencharaktere, die eine wichtige Rolle in Noahs und Judes Leben spielen. Hier liegt das Augenmerk vor allem auf dem Jungen, in den Noah sich mit dreizehn verliebt, und einem Bildhauer und seinem Modell, auf die Jude im Alter von sechzehn trifft. Nicht nur die Schicksale der Zwillinge sind miteinander untrennbar verwoben, auch die anderen Charaktere sind auf die eine oder andere Art miteinander verbunden, doch wie das Geheimnis, welches die Zwillinge entzweit hat, werden die Fäden, die die anderen Charaktere miteinander verbinden, erst am Ende der Geschichte entwirrt.

Von der Komplexität der Charaktere und der Entwicklung der Figuren ist Jandy Nelsons Roman sehr anspruchsvoll, die eigentliche Handlung - soweit man bei diesem Buch überhaupt von einer tatsächlichen Handlung sprechen kann - wird dabei fast zur Nebensache. Allzu viel kann und mag ich darüber in der Rezension deshalb nicht erzählen, das Buch lebt von seinen Figuren, die jeder Leser selbst kennen- und liebenlernen muss. Der Roman ist somit in erster Linie Lesern zu empfehlen, die ihr Augenmerk auf ausgefeilte Charakterstudien legen. Diese werden dafür von Noah und Jude umgehauen, zudem Jandy Nelsons Roman so sprachgewaltig daherkommt, wie man es selten in der Jugendliteratur erlebt.

Bewertung vom 01.01.2017
Die Entflammten / Secret Fire Bd.1
Daugherty, C. J.;Rozenfeld, Carina

Die Entflammten / Secret Fire Bd.1


sehr gut

Zu Beginn des Buches lernt der Leser den siebzehnjährigen Sacha bei einer scheinbar sehr waghalsigen und lebensbedrohlichen Aktion kennen. Doch schon bald erfährt man, dass er sein Leben gar nicht riskiert, denn vor seinem achtzehnten Geburtstag kann er nicht sterben.
Das Buch wird aus zwei Sichtweisen erzählt: zum einen von dem draufgängerischen Sacha aus Frankreich, dem das Geheimnis der Unsterblichkeit umgibt, und der gleichaltrigen Taylor, einer langweiligen Musterschülerin aus England. Obwohl in zwei Ländern lebend und grundverschieden, treffen sich die Lebenswege der beiden auf Grund einer Vermittlung der Lehrer der beiden. Taylor soll Sacha Nachhilfe in Englisch erteilen.

Was - bis auf den Umstand der zunächst unerklärlichen Unsterblichkeit Sachas - wie eine normale, aus dem Leben gegriffene Teenagergeschichte beginnt, wandelt sich bald in eine rasante Story mit fantastischen Hintergründen, von der ich aber nichts weiter verraten will, außer, dass Taylors und Sachas Geschichte auf Grund eines Familienfluchs bereits seit mehreren Generationen miteinander verbunden ist.
Durch die Erzählweise aus zwei unterschiedlichen Perspektiven lernt der Leser sowohl Sacha als auch Taylor gut kennen, bevor die beiden aufeinander treffen und die Handlung des Buches gemeinsam bestreiten. Die beiden unterschiedlichen Charaktere machen die Storyline interessant und abwechslungsreich, auch wenn es eine Weile dauert, bis der Geheimnis der beiden sich in diesem Buch offenbart, der der erste Teil einer Dilogie ist. Kein Wunder also, dass die Autorin einen Großteil der zu erzählenden Geschichte für den zweiten Band zurückhält, und der erste Teil mehr eine Ouvertüre darstellt, in der die Figuren und die fantastischen Hintergründe vorgestellt werden. Obwohl kurzweilig und unterhaltsam geschrieben, entwickelt sich so der Sog der fantastischen Elemente jedoch leider erst recht spät und in dem Moment, wo die Autorin richtig loslegt, ist der erste Band auch schon zu Ende und lässt den Leser mit einem Cliffhanger voller Neugierde auf die Fortsetzung zurück.

C. J. Daugherty schafft es mit ihrem Auftakt der zweiteiligen Secret-Fire-Dilogie nicht das Rad neu zu erfinden, aber sie hat mit Sacha und Taylor zwei erfrischende und authentische Charaktere ins Leben gerufen, welche die Geschichte tragen, auch wenn es seine Zeit dauert, bis die Handlung auf vollen Touren läuft.
Für Leser von Young Adult Literatur, für die die Charaktere mindestens so wichtig wie die eigentliche Handlung sind, empfehle ich diesen Zweiteilerauftakt sehr gerne weiter, alle anderen brauchen wohl etwas Durchhaltevermögen bis die Story ihren vollen Sog entwickelt.

Reiheninfo:
Band 1: Die Entflammten
Band 2: Die Entfesselten (Erscheinungsdatum 20. Februar 2017)