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Elchi130
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Essen

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Insgesamt 423 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2021
Trust My Heart / Golden Campus Bd.1
Payne, Lyla

Trust My Heart / Golden Campus Bd.1


ausgezeichnet

Ganz nach meinem Geschmack

Die Zwillinge Felix und Noah James müssen sich, nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Eltern, um die jüngere Schwester Sophie kümmern. Da eine entfernte Tante gerne das Sorgerecht für Sophie hätte, engagieren sie May als Nanny, die sich nach der Schule und am Wochenende um die kleine Schwester kümmern soll. Doch nicht nur Sophie schließt May schnell in ihr Herz, auch Felix hält sich auffällig oft in der Nähe der beiden Mädchen auf...

Okay, ich muss gestehen, ich habe eine Schwäche für die Kombination aus dem privilegierten, reichen Jungen und der armen Außenseiterin. Immer wieder stelle ich fest, dass gerade diese Liebesgeschichten mir besonders viel Freude bereiten und ich sie sehr gerne lese.

Hier mag ich sehr, dass wir die Geschichte sowohl aus der Sicht von May als auch aus der von Felix lesen. Das macht mir Felix wesentlich schneller sympathisch als es sonst der Fall gewesen wäre. Nach dem Unfalltod der Eltern, lenkt Felix sich mit Hilfe von Alkohol und schnellem Sex von seiner Trauer ab. Ein Mädchen, wie die zwar hübsche, aber unprivilegierte May wäre ihm gar nicht aufgefallen, wenn sie ihn nicht aus einer schwierigen Situation mit seiner kleinen Schwester gerettet hätte. Und May hat viel größere Sorgen in ihrem Leben als den Bad Boy Felix James. Ihre Großmutter ist überraschend gestorben. Wenn sie nicht zurück zu ihrer drogenabhängigen Mutter und deren übergriffigen Partner will, muss sie sich vorzeitig für mündig erklären lassen. Doch wie soll das klappen, wenn sie kaum genügend Geld fürs Essen hat. Da kommt ihr das Angebot von Felix James gerade recht, auf seine Schwester Sophie aufzupassen. Zumal sie das trauernde Mädchen sofort ins Herz geschlossen hat.

Die Geschichte weist die typischen Unwägbarkeiten einer klassischen Märchen-Romanze zwischen Cinderella und dem Prinzen auf. Es gibt ein wenig Auf und Ab und natürlich auch die große Krise. Da ich die Figuren jedoch sehr mochte, haben mich die Klischees nicht gestört, sondern sie haben eher zu meinem Lesegenuss beigetragen. Nun freue ich mich schon auf die Geschichten von Felix Zwillingsbruder Noah, Jo, der besten Freundin von May, sowie von Riley, dem nettesten Mädchen aus der Clique von Felix und Noah.

Bewertung vom 08.05.2021
Zwischen zwei Herzschlägen
Carter, Eva

Zwischen zwei Herzschlägen


sehr gut

Kein Wohlfühl-Liebesroman

Kerry feiert Silvester 1999 mit ihrem besten Freund Tim am Strand von Brighton. Plötzlich bricht ihr - ebenfalls anwesender - Schwarm, der Fußballstar Joel zusammen. Sie leistet Erste Hilfe und rettet ihm so das Leben. Die Drei sind dadurch miteinander verbunden und ihre Leben und ihre Beziehungen zueinander habe sich für immer verändert…

Ich hatte mir unter dem Buch aufgrund des Covers und des Kurzinhalts etwas ganz anderes vorgestellt. Gerechnet hatte ich mit einer schönen Liebesgeschichte, einem Wohlfühlroman, mit dem ich ein paar schöne Stunden auf dem Sofa verbringe.

Doch genau das ist dieses Buch nicht. Daher habe ich mich sehr lange beim Lesen damit schwergetan. „Zwischen zwei Herzschlägen“ von Eva Carter ist ein ernstes Buch, das das Leben sehr realistisch abbildet. Zudem geht es um ernste Themen. Es geht um Drogensucht, Krankheit, Tod, um gescheiterte Beziehungen.

Zu Beginn war ich ziemlich begeistert von dem Buch. Kerry ist eine ziemlich nüchterne Person, die weiß, was sie will und versucht, das auch zu bekommen. Wenn das Leben etwas Anderes mit ihr vor hat, passt sie sich an und macht das Beste aus ihrer Situation.

Die Beziehungen der Personen wirkten auf mich sehr lange oberflächlich, weil wir immer nur kurze Einblicke erhalten und das Ganze oft mehr aus der Ferne betrachten. Insgesamt fühlte ich mich während der ersten Hälfte der Erzählung sehr distanziert vom Geschehen. Ich bin davon ausgegangen, in viel intensivere Szenen geführt zu werden und die Emotionen der Menschen nachempfinden zu können. Doch das war oft leider nicht der Fall.

Zudem hätte ich gerne gewusst, dass das Thema Drogensucht einen großen Raum im Roman einnimmt. Das Thema finde ich, genauso wie Alkoholismus, schwer zu verdauen und lese nicht sonderlich gerne in Büchern darüber.

Sehr gut gefallen hat mir, dass wir das Geschehen aus der Sicht von allen drei Figuren erzählt bekommen. So erhalten wir nach und nach einen Einblick, wo Kerry, Tim und Joel in ihrem Leben stehen. Auch haben wir dadurch oft Wissen, welches die anderen Personen nicht haben. Das hat dann leider auch dazu geführt, dass ich besonders Kerry ab und an gerne geschüttelt hätte. Sie ist oft verbohrt und stur. Damit steht sie sich und ihrem eigenen Glück immer wieder im Weg.

Je weiter ich in die Geschichte eingetaucht bin, desto mehr habe ich mich mit der Story ausgesöhnt, bis sie mir schließlich gut gefallen hat. Wahrscheinlich hätte ich das gesamte Buch freudiger gelesen, wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich einlasse. Insgesamt bin ich froh, dass ich den Roman gelesen habe.

Bewertung vom 02.05.2021
Fly & Forget / Soho-Love Bd.1
Tramountani, Nena

Fly & Forget / Soho-Love Bd.1


sehr gut

Die Figuren waren mir oft zu sprunghaft

Olivia und Noah sind schon ewig beste Freunde. Doch in der Nacht des Abschlussballs passiert etwas, was Noah dazu veranlasst, den Kontakt zu Olivia abzubrechen. Für Liv bricht eine Welt zusammen. Doch drei Jahre später, als Olivia nach einem WG-Zimmer sucht, steht Noah plötzlich wieder vor ihr…

Die Geschichte von Olivia und Noah war zum Teil süß, witzig, gefühlvoll und schön zu lesen. Doch insgesamt sind die beiden von einem Drama ins nächste geschliddert. Dabei haben mich besonders die ausgeprägten Stimmungsschwankungen von Noah gestört. Aber auch Livs Art, jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen, wichtige Dinge zu verschweigen oder bewusst zu lügen, war sehr anstrengend. Die Handlungen der beiden wirkten daher oft sprunghaft und nicht nachvollziehbar. Schade, denn dadurch wurde einem schönen Liebesroman viel Potential genommen.

Direkt zu Beginn des Buches lernt Olivia zwei tolle junge Frauen kennen, die schnell ihre besten Freundinnen werden. Briony und Matilda wohnen in der WG, in die Liv einzieht, zusammen mit Livs Kindheitsfreund Noah. Die beiden Mädels sind einfach toll. Schräg, humorvoll, empathisch, immer da, wenn Liv eine Freundin braucht. Und genau diese Dreierfreundschaft hat das Buch auch immer wieder gerettet. Die drei Frauen miteinander zu erleben, hat einfach Spaß gemacht. Das waren für mich die schönsten Momente des Buches.
Die Autorin Nena Tramountani hat in dem Buch ein paar gute Ideen. Die Umsetzung erschien mir jedoch teilweise halbherzig. So soll Liv für die Unizeitung einen Artikel mit dem Thema „Wie bekehre ich einen Bad Boy“ schreiben. Die Idee hat mir gefallen, sie ist jedoch immer wieder in den Hintergrund getreten, weil die Autorin den Fokus auf andere Details der Geschichte gelegt hat. Das fand ich sehr schade, denn dadurch hatte ich mehrfach den Eindruck, die Story ist nicht ganz Fleisch und nicht ganz Fisch.

Mittlerweile bin ich keine Freundin detaillierter Sexszenen mehr. Hier gibt es zum Glück wenige, die sich auch von der Länge her im Rahmen halten. Die erste ist zudem für die Dynamik des Buches wichtig. Daher konnte ich mit diesen Szenen leben.

Trotz meiner Kritikpunkte, hat mir das Lesen von „Fly & Forget“ Spaß gemacht. Der Schreibstil ist gut und flott. Das Buch hat keine Längen. Die WG, ihre Bewohnerinnen und die Dynamik untereinander waren so toll, dass man richtig Lust bekommt, selbst in eine WG zu ziehen. Und ich muss nun unbedingt wissen, wie es im nächsten Teil mit Olivia, Briony, Matilda, Noah und Anthony weitergeht…

Bewertung vom 28.04.2021
Der Verdacht
Audrain, Ashley

Der Verdacht


gut

Den Inhalt konnte ich oft nur schwer ertragen.

Blythe stammt von einer Linie ab, die von schwierigen Mutter-Tochter-Beziehungen geprägt ist. Und auch als Blythe Mutter wird, ist die Beziehung zwischen ihr und ihrer Tochter Violet alles andere als unkompliziert. Blythe fragt sich, ob sie nicht zur Mutter taugt, da dies bei ihrer Mutter und Großmutter auch schon der Fall war. Oder liegt es an ihrer Tochter, die sie nicht leiden kann oder die sogar von Grund auf böse ist?

Die Grundstimmung des Buches „Der Verdacht“ ist so niederdrückend, dass ich oft Atembeklemmungen hatte. Die Situation, in der Blythe steckt, scheint so ausweglos und deprimierend, dass ich als Leserin das oft kaum ertragen konnte. Die Autorin Ashley Audrain erzählt das Leben von Blythe aus deren Sicht in der Vergangenheitsform. Blythe schreibt ein Buch an ihren Mann Fox, welches die Ereignisse aus ihrer Sicht schildert. Dadurch entsteht oft eine sehr bedrohliche und beklemmende Atmosphäre und es lauert oft das Gefühl von Gefahr und Angst im Hintergrund. Zumal wir als Leser wissen, dass die Familiengeschichte keine Story mit Happy End bietet, in der Mutter, Vater und Kind glücklich gemeinsam in den Sonnenuntergang gehen werden.

Während des Lesens von „Der Verdacht“ fragte ich mich immer wieder, wer das eigentliche Problem in der Familie hat bzw. ist. Liegt es an Blythe? Hat sie eine Störung? Ist sie als Mutter tatsächlich ungeeignet? Liegt es an ihrer Tochter Violet? Stimmt mit ihr etwas nicht? Ist sie tatsächlich böse? Und welchen Anteil hat Fox, der Ehemann von Blythe und Vater von Violet, am Geschehen?

Das Ende fand ich enttäuschend. Ich habe mit einem großen, lauten Knall gerechnet. Denn darauf lief es für mich hinaus. Doch der ist ausgeblieben. So hat mich die Geschichte unzufrieden zurückgelassen.

Als Leserin sollte man sich bewusst sein, dass dieses Buch jede Menge schwierige Gefühle bietet und diese durchaus auch in einem selbst entstehen lässt. Es ist kein Buch, mit dem man ein paar schöne Stunden auf dem Sofa verbringen kann. Für mich war das beklemmende Gefühl, das ich oft kaum ertragen konnte, fast allzeit präsent.

Bewertung vom 25.04.2021
Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2
Kellerhoff, Lutz W.;Kellerhoff, Lutz Wilhelm

Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2


gut

Hat mich nur zum Teil überzeugt

1969, Westberlin: Die Frau eines jüdischen Richters wird ermordet. Das Fatale daran ist, dass sie unter Polizeischutz stand. Doch Kommissar Wolf Heller war 17 Minuten lang abgelenkt, entscheidende 17 Minuten…

Die Autoren Lutz, Wilhelm und Kellerhoff schaffen es in ihrem Kriminalroman „Teufelsberg“ sehr gut, die Stimmung der damaligen Zeit einzufangen. Linksradikale Studenten, Drogen, freie Liebe haben sie ebenso lebensecht vermittelt, wie die Obrigkeitshörigkeit der Behörden, die Spionage und den Kalten Krieg. Super herausgearbeitet haben sie dabei das Frauenbild der damaligen Linken, den politisch bestehenden Judenhass und die Ablehnung jeglicher Polizei. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, in die damalige Zeit einzutauchen und die Ideen, Konflikte und das Weltbild mitzuerleben.

Die Ermittlungen im Kriminalfall konnten mich jedoch nicht ganz überzeugen. Zu sprunghaft ist mir hier das Geschehen. Steht zu Beginn des Buches der Mord an der Frau eines jüdischen Richters, sieht sich die Polizei bald einem Frauenmörder gegenüber, der jeden 20. eines Monats eine Frau sexuell nötigt und umbringt. Von diesem Tatbestand aus machen die Autoren einen Spagat zum Bau einer Bombe, Linksradikalen und Spionen. Das war mir einfach zu viel. Ein klassischer Kriminalfall wäre hier mehr gewesen. Doch stattdessen hüpfen wir von Thema zu Thema. Die Übergänge werden alle logisch erklärt und sind auch schlüssig, lassen mich jedoch unzufrieden zurück. Durch die Verschiebung einer Mordermittlung zu einer Terrorermittlung ist für mich sehr viel Spannung verloren gegangen.

Die Figuren wurden sehr unterschiedlich gezeichnet. Der Spion und die Halbschwester von Kommissar Heller habe ich als sehr sprunghaft und wankelmütig empfunden. Als Leserin wusste ich nie, was ich als nächstes von ihnen erwarten darf. Heller war für mich ein Lichtblick. Er nimmt seine Arbeit sehr ernst, hält sich nicht an Anordnungen, wenn er diese als Obrigkeitshörigkeit empfindet und diese seine Arbeit behindern. Er ist ein liebevoller Ehemann, der seiner krebskranken Frau beisteht. Paula, Hellers Ehefrau, habe ich ebenso als positive Figur wahrgenommen. Sie versucht das Beste aus ihrer Erkrankung zu machen und verbreitet immer wieder Optimismus. Dabei sieht sie der Krankheit jedoch immer ins Gesicht und versucht sich auf alle Eventualitäten einzustellen. Ein starker Charakter, der Mut macht!

Das Buch bietet sowohl Stärken als auch Schwächen auf. Da es mir sehr gut gefallen hat, wie das Flair der damaligen Zeit atmosphärisch dicht vermittelt wurde, bin ich gespannt auf die weitere Entwicklung der Reihe.

Bewertung vom 18.04.2021
Jaffa Road
Speck, Daniel

Jaffa Road


ausgezeichnet

Ein großer Roman, der ein wenig Zeit braucht, bis er einen packt

Der Autor, Daniel Speck, schildert die Entstehung des Staats Israel aus der Sicht zweier Parteien. Da ist Joelle, sie ist mit Moritz und ihrer Mutter übers Meer gekommen, um hier in dem neu zu gründenden Staat eine Heimat zu finden. Es soll ein Ort entstehen, der den Juden in aller Welt ein Zuhause bietet. Und dann ist da Amal, sie wird die dritte Liebe von Moritz. Sie ist christliche Palästinenserin und wird aus ihrer Heimat Jaffa vertrieben. Sie wird heimatlos, damit dieser neue Staat entstehen kann.

Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich in die Geschichte eingelesen hatte. Das lag vor allem daran, dass mir die Figuren so fremd geblieben sind. Ich konnte einfach keine Nähe bzw. kein Gefühl zu ihnen aufbauen. Doch nach etwa 200 Seiten hatte mich der Konflikt der Erzählung gefangen. Die Errichtung des Staates Israel aus der Sicht von Juden, die hoffen, hier endlich in Sicherheit und Frieden leben zu können und eine Heimat zu finden. Und dann das Geschehen aus der Sicht der Vertriebenen, der Palästinenser, die durch einen Eroberungskrieg ihre Heimat verlieren und kein Zuhause mehr haben. Sie können nirgendwo hin und verstehen nicht, warum ihr Staat plötzlich nicht mehr existiert. Dazu kommt, dass ich als Deutsche zwischen den Stühlen sitze und mich immer wieder gefragt habe, inwieweit ich mir ein Urteil erlauben darf, wer hier der Gute und wer der Böse ist. Denn hat Deutschland nicht einen großen Anteil daran, dass es zu dieser Situation gekommen ist?

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Da ist die Erzählung in der Vergangenheit. Hier wird die Geschichte von Moritz, Yasmina und Amal erzählt. Doch ein Strang spielt in der Gegenwart. Moritz ist gestorben und seine Nachkommen treffen aufeinander. Da ist Nina, seine Enkelin aus der Beziehung zu einer deutschen Frau. Dann Joelle, aus der Ehe mit seiner jüdischen Frau Yasmina. Und Elias, sein Sohn mit Amal. Diese drei treffen aufeinander, wollen teilweise verstehen, was Moritz bewegt hat. Doch da steht auch die Unversöhnbarkeit zwischen Juden und Palästinensern im Raum. Dazu gesellt sich Eifersucht und Unverständnis, warum der Großvater bzw. Vater gegangen ist. Diese Konstellation treibt das Geschehen immer wieder voran, vor allem getrieben von Nina, die die beiden Geschwister nach dem Leben ihrer Eltern fragt und sich die Geschichten aus der Vergangenheit erzählen lässt. Zudem strebt Nina die Versöhnung der drei Nachkommen an.

Ist mir die Hauptfigur, Moritz Reincke alias Maurice Sarfati, zu Beginn des Buches fremd und erscheint er mir distanziert, so schleicht er sich im Laufe des Buches, Seite um Seite in mein Herz. Dieser warmherzige, fürsorgliche, hilfsbereite, treue Mann, der stets den tragischen Helden zu verkörpern scheint. So gerne würde ich ihm beistehen, ihn an die Hand nehmen, um ihm den richtigen Weg zu weisen.

Der Autor hat die Gabe, uns mit jeder Seite der Geschichte mitfühlen zu lassen. Es gibt nicht die Guten oder die Bösen. Jede Gruppe hat ihre guten und ihre bösen Facetten. Ich konnte die Handlungen und Motive von allen Gruppierungen gut nachvollziehen, ihre Gefühle, Träume, Wünsche und doch konnte bzw. musste ich mich für keine Seite entscheiden. Es gibt nicht viele Autoren, die das so gut hinbekommen.

Ein toller Roman, der mit jeder Seite süchtiger macht und deshalb eine klare Leseempfehlung von meiner Seite erhält.

Bewertung vom 15.04.2021
Der ehemalige Sohn
Filipenko, Sasha

Der ehemalige Sohn


gut

Ein wichtiges Buch, das mich nicht immer erreichen konnte

Franzisk, kurz Zisk genannt, wächst in Belarus auf. Als Teenager hat er einen schweren Unfall und liegt für fast 10 Jahre im Koma. Während dieser Zeit kümmert seine Großmutter liebevoll um ihn und versucht alles, um ihn aus dem Koma zu erwecken. Als er schließlich aufwacht, hat sich sein privates Umfeld natürlich gewandelt, doch im Land gibt es kaum Änderungen…

Sasha Filipenko lässt uns an einer Geschichte, die in seiner Heimat spielt, teilhaben. Zu dieser grauen, tristen und gefühlskalten Welt habe ich beim Lesen leider kaum Zugang gefunden. Ich kam mir vor, als ob ich das Geschehen durch eine Plexiglasscheibe beobachte. Zu sehr unterscheidet sich diese Welt von meiner Wirklichkeit.

Die Figuren, wie z.B. die Ärzte, sind in ihrer schonungslosen Offenheit sehr grausam. Ich merkte, wie ich vor Empörung und Entsetzen beim Lesen nach Luft geschnappt habe, weil ich gerne eingeschritten wäre. Vielen Figuren fehlte es an Mitgefühl und Sensibilität. Vielmehr waren sie abgestumpft und stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht.

Das Unglück, welches dazu führt, dass die Hauptfigur Franzisk, kurz Zisk, ins Koma fällt, hat der Autor sehr eindrücklich geschildert. Sowohl die Grausamkeit des Geschehens, aber auch die Dynamik und Arglosigkeit der Menge, werden sehr plastisch geschildert. Eine tolle Szene!

Sehr eindrucksvoll führt uns der Autor die politischen Verhältnisse des Landes vor Augen. Dazu bedient er sich häufig der Ironie oder wird sarkastisch. Doch zum Teil lässt er uns auch schonungslos an der Machtausübung des Diktators teilhaben. Dies waren für mich neben der Schilderung des Unglücks die stärksten Szenen des Buches.

Der Autor Sasha Filipenko und seine Bücher sind für sein Land sicherlich sehr wichtig. Ich bewundere seinen Mut, mit dem er die Zustände in Belarus anprangert. Leider konnte mich die Geschichte jedoch oft nicht überzeugen, da ich die Distanz zu den Figuren und ihrem Handeln nicht überbrücken konnte. Dadurch stand ich den Figuren und ihrem Schicksal letztendlich gleichgültig gegenüber. Doch genau dieses Miterleben, Mitleiden und Mitfiebern macht einen guten Roman für mich aus.

Bewertung vom 04.04.2021
Die Mitternachtsbibliothek
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


ausgezeichnet

Inspirierendes Buch

Nach einem schrecklichen Tag will sich die depressive Nora Seed das Leben nehmen. Zu ihrem Erstaunen befindet sie sich kurz darauf in der Mitternachtsbibliothek. Hier gibt es eine Unmenge an Büchern, die alle ihr Leben zum Inhalt haben. Jedes Buch beinhaltet ein Alternativleben. Irgendwann in der Vergangenheit wurde eine Entscheidung getroffen, die zu diesem Leben in einem Paralleluniversum geführt hat. Und sie kann sie nun alle besuchen, um das perfekte Leben zu finden.

Schon alleine die Idee, dass ich mir alle meine Parallelleben ansehen kann, finde ich toll. Wie gerne würde ich manchmal wissen, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich an einem bestimmten Punkt eine andere Entscheidung getroffen hätte. Wäre ich glücklicher? Wäre ich im Chaos gelandet? Hätte ich ein erfolgreicheres Leben geführt? Oder hätte ich eine Katastrophe ausgelöst? Genau diese Möglichkeiten hat Nora Seed in dem Buch „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig.

Dieses Buch ist das erste Buch, das ich von dem Autor lese. Und schon auf den ersten Seiten ist mir der tolle Schreibstil aufgefallen. Ein Schreibstil, der mich neugierig auf die Geschichte macht, der mich mitten ins Geschehen hineinzieht. Sofort habe ich Mitgefühl für Nora. Ich möchte sie trösten, ihr Hilfe anbieten und doch kann ich verstehen, dass sie immer weiter den Mut verliert; den Mut, dieses Leben weiterzuführen.

Und als Nora in der Mitternachtsbibliothek landet und ein Leben nach dem anderen ausprobiert, erlangt nicht nur sie Lebensweisheiten. Auch ich lerne mit ihr, was das Leben lebenswert macht. Ganz ehrlich, ich beneide sie um die Möglichkeit, sich diese verschiedenen Versionen ihres Lebens anzuschauen bzw. zu leben.

Im Laufe des Lesens konnte ich mir zwei mögliche Enden für das Buch vorstellen. Und Matt Haig hat eine davon wirklich umgesetzt. Er ist dabei einen anderen Weg gegangen, als ich es gemacht hätte. Doch ich finde das Ende des Buches logisch und gut und zudem folgerichtig. Für mich ein Buch, das Mut macht.

Also klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.03.2021
Gefangen und frei
Sheff, David

Gefangen und frei


sehr gut

Interessantes Buch

Das Leben von Jarvis Jay Masters ist geprägt von Armut und Gewalt. Im Alter von 19 Jahren wird er wegen 13-fachen bewaffneten Raubüberfalls zu 20 Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis San Quentin schließt er sich einer militanten Gang an. Als ein Mitglied der Gang einen Wärter ermordet, wird Jarvis der Mithilfe angeklagt und zum Tode verurteilt. Während dieser Zeit kommt er mit Meditation und dem Buddhismus in Berührung und folgt diesem Weg konsequent…

David Sheff beschreibt in seinem Buch „Gefangen und frei“ den buddhistischen Weg von Jarvis Jay Masters, der in der Todeszelle von San Quentin sitzt. Wir begegnen einem Mann, der seit seiner Geburt fast ausschließlich Gewalt und Verbrechen erfahren hat. Sein gewalttätiger Vater hat die Familie früh verlassen. Seine Mutter war drogensüchtig und hat die Sucht durch Prostitution finanziert. Auch die wechselnden Männerbekanntschaften der Mutter waren gewalttätig gegenüber der Mutter, Jarvis und seinen Geschwistern. Als Jarvis und seine Geschwister ins Heim und zu wechselnden Pflegefamilien kommen, erleben sie auch hier immer wieder Verrat und Gewalt. So gerät Jarvis in eine Spirale, die auch ihn zu einem gewalttätigen Mann und Verbrecher macht.

Erst im Gefängnis, als er Melody Ermachild, eine Kriminalistin, die von seiner Verteidigung beauftragt wurde, kennenlernt, kommt er mit Meditation und dem buddhistischen Glauben in Berührung. Zu Beginn wehrt er sich dagegen. Doch dann probiert er es aus und findet hier einen Weg, sich mit seiner Vergangenheit, seinen Zukunftsängsten und seinen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Im Laufe des Buches wird die Entwicklung sichtbar von Jarvis, dem harten, gefühllosen Gangster zu Jarvis, dem gefühlvollen, bewussten Menschen. Diese Fortentwicklung ist in dem Buch sehr gut und nachvollziehbar dargestellt. Wir erfahren, wie Jarvis Fortschritte macht. Doch wir sehen auch, wo er hadert, strauchelt, zweifelt. Doch immer wieder steht er auf und geht seinen Weg weiter.

Im Laufe der Zeit findet Jarvis auf seinem Weg Lehrer, die ihn begleiten. Unter anderem die bekannte Buddhistin Pema Chödrön. Es bilden sich Gruppen, die für seine Freilassung kämpfen und erreichen wollen, dass das Gerichtsverfahren, welches ihm die Todesstrafe eingebracht hat, neu aufgerollt wird. Jarvis beteuert stets, dass er nichts mit der Ermordung des Wächters zu tun hatte und viele Menschen glauben ihm und kämpfen für ihn. Jarvis geht seinen buddhistischen Weg über mehr als 30 Jahre konsequent. Er baut sich einen großen Freundeskreis jenseits des Gefängnisses mit tiefen Freundschaften auf.

Aufgrund seines Glaubens findet Jarvis trotz seiner Gefangenschaft Erfüllung, Friede und Freiheit. Er führt ein erfüllteres Leben als so mancher Mensch, der in Freiheit den falschen Dingen hinterherjagt. Das Buch macht Mut, sich mit sich und seinem Leben auseinanderzusetzen, nicht vor seiner Vergangenheit und seinen Gefühlen zu fliehen.

Zum Schluss ist mir nicht ganz klar, ob der Autor David Sheff mit seinem Buch einen Menschen mit einem ungewöhnlichen Lebensweg darstellen wollte oder ob er hofft, dass er damit Jarvis und seinen Kampf für die Freiheit außerhalb der Gefängnismauern unterstützt. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. Nichtsdestotrotz ist „Gefangen und frei“ ein interessantes Buch über ein außergewöhnliches Leben.

Bewertung vom 27.03.2021
Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1
Jensen, Svea

Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1


sehr gut

Neue Krimireihe mit großem Potential

Nach dem Tod seiner Frau hat Hendrik Norberg sich von der Mordkommission als Dienststellenleiter zur Polizei nach St. Peter Ording versetzen lassen, um sich besser um seine beiden Söhne kümmern zu können. Doch schon am ersten Arbeitstag auf der neuen Dienststelle trifft er auf Kommissarin Anna Wagner und ihren neuen Fall. Sie ist von München nach Schleswig-Holstein gekommen, um hier eine Stelle aufzubauen, in der sie Fällen von vermissten Personen nachgeht. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach Nina Brechtmann, die aus einer Hoteliersfamilie aus St. Peter Ording stammt…

Zu Beginn des Buches war ich skeptisch, ob die Autorin Svea Jensen mich mit ihrem Krimi „Nordwesttod“ überzeugen kann. Doch je weiter ich in dem Buch las, desto mehr nahmen mich die Geschichte und die Figuren gefangen.

Mit Hendrik Norberg, seiner Familie und seinem Team bei der Arbeit, hat die Autorin Figuren geschaffen, die mir sehr gut gefallen, mein Interesse geweckt haben und über die ich noch über dieses Buch hinaus gerne etwas lesen und erfahren möchte. Ebenso gut gefällt mir die Kommissarin der Sonderstelle, Anna Wagner. Sie ist ehrgeizig, mutig, humorvoll und lässt sich nicht für dumm verkaufen, weder von Kollegen noch von Zeugen bzw. Verdächtigen.

Der Fall der Vermissten Nina Brechtmann hat ebenfalls schnell meine Neugier geweckt. Nina Brechtmann ist sehr eigenbrötlerisch und es fällt den Ermittlern schwer, überhaupt etwas über die Frau in Erfahrung zu bringen. Doch je mehr sie über das Leben der Vermissten erfahren, desto mehr Verdächtige tauchen auf. Das Rätseln, was mit der verschwundenen Frau passiert sein könnte und ob sie noch lebt oder nicht, hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Die Auflösung ist nicht sonderlich originell, aber dafür sehr glaubwürdig. Es wird nicht gebogen und konstruiert, um eine gekünstelte, außergewöhnliche Lösung zu konstruieren, sondern es wird eine Geschichte erzählt, die genau so passiert sein kann. Ich hoffe, dass die Autorin diesen Weg in den weiteren Fällen der Ermittler Norberg und Wagner beibehält und freue mich schon auf die nächste Ermittlung der beiden.