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Sago

Bewertungen

Insgesamt 525 Bewertungen
Bewertung vom 28.02.2021
Sommer der Träumer
Samson, Polly

Sommer der Träumer


sehr gut

Ich bin keine großer Klappentext-Leserin, da dieser häufig zu viel verrät. Hier wünsche ich mir ausnahmsweise einmal, an dieser Stelle aufmerksamer gewesen zu sein. Für mich war die Geschichte einer Gruppe Bohemiens aus aller Welt, die 1960 einen flirrend heißen Sommer auf der griechischen Insel Hydra verbringen, ein rein fiktives Werk. Dass es sich bei dem Protagonisten Leonard um den berühmten Musiker Cohen handelt, habe ich daher erst begriffen, als ziemlich gegen Ende sein Nachnahme genannt wurde. Die übrigen tatsächlich existierenden Autorinnen und Autoren wie Marianne Ihlen oder Axel Jensen waren mir schlichtweg nicht bekannt, so dass ich sie nicht als real existent einordnen konnte. Das finde ich im Nachhinein etwas schade. Auch ein erklärendes Nachwort, welche Protagonisten und Ereignisse rein fiktiv sind, hätte ich mir gewünscht.

So habe ich also den überwiegenden Teil des Romans als eine Geschichte über die Ich-Erzählerin Erica, eine 18jährige Londonerin, gelesen, die nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater bricht und mit Bruder Bobby und erstem Freund Jimmy nach Hydra reist, um Charmian, einer früheren Nachbarin und Freundin ihrer Mutter nahe zu sein. Charmian ist für die orientierungslose Erica eine Art Mutterersatz, die auf Hydra wie eine Inselkönigin residiert, aber mit Kindern, ihrem schwierigen Mann George, einem Schriftsteller, und ihrem eigenem Schreiben jede Menge zu tun hat.

Eigentlich scheint jeder in ihrer großen Truppe eine Art von Kunst auszuüben, und sei es nur die Lebenskunst. Zwischen Hitze, Affären und Dramen scheint Erica stets lediglich eine Art Beobachterin zu bleiben, die selbst das Rampenlicht scheut und gerade die wichtigsten Dinge übersieht.

Trotz atmosphärischer Dichte und steter Faszination durch diesen griechischen Sommer blieb daher gerade Erica für mich manchmal seltsam schemenhaft. Verstrickt in ihre Selbstverliebtheit, plätschern die Dialoge der Künstlerkolonie dahin wie die Wellen vor Hydra. Am Schluss bin ich daher aufgetaucht und habe mir gewünscht, die Autorin hätte mich etwas tiefer eintauchen lassen.

Bewertung vom 21.02.2021
Die Mitternachtsbibliothek
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


ausgezeichnet

Matt Haigs Bücher gehen mir jedesmal nahe, aber für die Mitternachtsbibliothek trifft das in besonderem Maße zu. Da ich dem Autor auf Facebook folge, ist mir bekannt, dass er selbst in seinem Leben schwer unter Depressionen gelitten hat. Er weiß also wirklich, wovon er schreibt, als er seine Protagonistin Nora Seed sich das Leben nehmen lässt.

Nora hat das Gefühl, dass ihr Leben nur aus Bereuen besteht. Trotz all ihrer Chancen als Musikerin, Leistungssportlerin, Verlobte usw. hat sie es ihrer Meinung nach nicht geschafft, etwas aus ihrem Leben zu machen. Ihr Bruder kann sie nicht leiden, ihre Verlobung hat sie beendet, sie verliert ihren Job, und als dann auch noch ihr geliebter Kater stirbt, ist es genug. Doch Nora stirbt nicht. Gefangen zwischen Leben und Tod, findet sie sich in der geheimnisvollen Mitternachtsbibliothek wieder. Und jedes Buch bietet die Chance, einen anderem Lebensweg auszuprobieren, zu erfahren, was geschehen wäre, wenn sie damals nicht aus ihrer Band ausgestiegen wäre, ihre Beziehung aufrecht erhalten hätte oder tatsächlich ihrem Traum gefolgt wäre, olympische Schwimmerin zu werden. Für ein perfektes Leben soll sie sich sogar entscheiden können. Aber kann ein Leben tatsächlich perfekt sein, wenn man sich nur zu Gast fühlt? Denn zunächst muss Nora sich zurecht finden, ohne die jeweilige Vergangenheit zu kennen. "Jeder Satz war wie ein Tier, das einem vors Auto lief."
Matt Haig gelingt es, zahlreiche Lebensausflüge ohne jede Längen zu schildern. Mein Buch wimmelt vor Klebezettelchen, denn immer wieder bin ich auf Sätze gestoßen, die mich wirklich berührt haben. "Was ich sagen will, es wäre alles viel einfacher, wenn wir begreifen würden, dass es keine Lebensweise gibt, die gegen Traurigkeit immun macht. Und dass Traurigkeit untrennbar mit Glück verwoben ist. Man kann das eine nicht ohne das andere haben..." Weise Worte, die dennoch fast federleicht daherkommen. Dieses gelungene Mischung aus Leichtigkeit und Tiefe beherrscht Matt Haig wahrlich virtuos.

Bewertung vom 14.02.2021
Her wish so dark / Das Reich der Schatten Bd.1
Benkau, Jennifer

Her wish so dark / Das Reich der Schatten Bd.1


ausgezeichnet

Mit diesem Buch hat es Jennifer Benkau endgültig geschafft, zu meinen liebsten Fantasy-Autorinnen zu gehören. Die One True Queen-Dilogie hatte mir bereits gefallen. Hier kehren wir nun in die Welt von Nemija zurück. Gleichzeitig ist es der Autorin gelungen, sich nach meinem Gefühl noch weiter zu steigern. Schon lange habe ich bei keinem Buch mehr derartig mitgefiebert wie mit der verstoßenen Königstochter Laire und ihrem früheren Geliebten Alaric. Begeistert hat mich auch das Daemareich, ein äußerst düsterer Teil von Nemija, bevölkert von dämonenartigen Wesen, den Daema, Verfluchten und dem dunklen Daema-Lord. Hier landen Menschen, wenn sie von anderen verflucht werden. Werden sie nicht erlöst, werden sie selbst zu Daema. Doch es gibt noch eine Chance, sie vom Daema-Lord zurückzuverlangen, allerdings unter märchenhaft strengen Regeln. Wer sich auf diese Reise macht, riskiert sein eigenen Schicksal.

Dennoch macht sich Laire auf, ihren Verlobten Desmond aus den Fängen des Daema-Lord zu befreien. Wer Desmond verflucht hat und warum, bleibt lange ein Rätsel und hat mich schließlich einmal wirklich überrascht. Laire und ihren Freunden Vika und Jero schließt sich ausgerechnet Alaric an, der einst Laire unter mysteriösen Umständen das Herz gebrochen hat. Alaric trägt schwer an eigenen Plänen und Zaubern. Kann Laire ihm dennoch trauen? Und das im Daemareich, in dem Wünsche Wirklichkeit werden können und Fluch oder Wunsch manchmal kaum zu unterscheiden sind...

"Sorg dich nicht", sagte Jero schlicht. "Achte auf deine Ängste, damit sie nicht wie Wünsche klingen."

Ich gehöre nicht zu den euphorischen Rezensenten, die das inflatiönär schreiben, aber hier muss ich es auch einmal tun: Ich liebe das Buch! Alaric und Laire sind mir ans Herz gewachsen und ich kann den zweiten Teil kaum erwartet. Das Ende, das natürlich mit einem atemberaubenden Cliffhanger aufwartet, habe ich ausnahmsweise einmal nicht voraussehen können. Dass Jennifer Benkau auch düstere Welten und gebrochene Helden so wunderbar atmosphärisch dicht zu schildern vermag, hätte ich nicht vermutet. Bitte viel mehr davon!

Bewertung vom 07.02.2021
Geheimnis in der Tiefe / Meeresglühen Bd.1
Fleck, Anna

Geheimnis in der Tiefe / Meeresglühen Bd.1


sehr gut

Die junge Berlinerin Ella Keane macht Ferien in Cornwall, als sie einen jungen Mann, der fast ertrunken auf seinem Surfbrett zu treiben scheint, aus dem Meer rettet. Dieser erweist sich als ebenso außerordentlich attraktiv, wie auch als wirklich fremdartig. Nicht nur seine Kleidung ist ungewöhnlich, sondern auch seine Reaktionen auf die Umgebung, die ihm nicht vertraut zu sein scheint. Ella hält diesen Aris zunächst für einen Geflüchteten von sehr weit her. Während die beiden sich immer näher kommen, ahnt Ella jedoch nicht, wie weit entfernt Aris' Heimat tatsächlich ist, denn dieser kommt aus einer mystischen Welt...

Dieser erste Teil des Buches hat mir am meisten Spaß gemacht. Die Dialoge zwischen Ella und Aris sind streckenweise wirklich witzig und Aris' Versuche, sich in unserer Welt zurechtzufinden, unterhaltsam geschildert. Nach dem ersten Drittel verschlägt es die beiden aber in Aris' Welt. Auch wenn sie recht farbig geschildert wird, bleibt sie doch vor allem Kulisse für die sich anbahnende Liebesgeschichte, für die sich zwangsläufig jede Menge Hindernisse auftun. Hier hätte nach meinem Geschmack das Worldbuildung deutlich schärfer herausgearbeitet werden müssen, vieles blieb im Ungefähren. Aber im Laufe der Geschichte verstärkt sich eben der Romantasy-Anteil. Außerdem glitten mir die Protagonisten etwas zu sehr in Schwarz-Weiß-Malerei ab und Ellas und Aris' Gegenspieler wirkte streckenweise überzeichnet. Aber immerhin hat die Darstellung der gesellschaftlichen Konflikte in diese Welt der Story etwas Tiefe verliehen.

Doch schließlich möchte das Buch ja Romantasy sein und keine herkömmliche Fantasy, die ich eigentlich bevorzuge. Romantasy-Fans werden daher sicherlich restlos begeistert sein, denn aus den mir bekannten Romantasysagas ragt das Buch deutlich positiv heraus und stellt zudem noch eine echte Versuchung für jede Cover-Käuferin dar. Mir sind Ella und Aris so ans Herz gewachsen, dass ich ihrer Geschichte natürlich weiter folge. Allerdings würde ich mir wünschen, dass Ellas unglaublich nervige innere Stimme, die sie laufend belehrt, nicht den Weg in den nächsten Band findet.

Bewertung vom 31.01.2021
Der Ruf der freien Pferde / Nordstern Bd.1
Müller, Karin

Der Ruf der freien Pferde / Nordstern Bd.1


sehr gut

Als Fan der "Nordlicht"-Reihe darf ich mir die Rückkehr in Karin Müllers magisches Island natürlich nicht entgehen lassen.
Zunächst war ich dann aber sehr wehmütig, weil die Geschichte nicht mit Elin und Kári zu tun hat, sondern wir hier vielmehr in Jorunns Vergangenheit reisen. Diese war damals noch keine mächtige Heilerin, sondern ein vaterloses deutsches Mädchen namens Erla, einige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, das mit seiner Mutter nach Island auswandert, auf der Suche nach Arbeit. Unvermutet wird Erla aber auf einem anderen Hof untergebracht als ihre Mutter, wo sie die einheimische Familie nicht sehr gastfreudlich aufnimmt. Einzige Freuden Erlas sind die Islandpferde und das geheimnisvolle, versteckt lebende Hulduvolk, das Erla fast als einzige sehen kann. Besonders der freundliche Andri hat es Erla angetan...

Stärken des Buches sind wieder der Mix aus Realität und magisch anmutenden Szenen um das wunderbare Hulduvolk, die verschrobenen, wahrscheinlich authentisch dargestellten Einheimischen, die Islandpferde und die herrliche isländische Natur. Auch fand ich es durchaus interessant, etwas über Jorunns Geschichte zu erfahren. Trotzdem hat mich das Buch um einen Stern weniger begeistert als die Nordlichtreihe. Das Jahr 1950, in dem das Buch spielt, hat mich einfach nicht so packen können wie die in der Gegenwart angesiedelte Serie. Erla wirkt absolut nicht wie ein vor dem zweiten Weltkrieg geborenes Kind, was auch ihre Sprache widerspiegelt.
Den dramatischen Cliffhanger am Ende hätte ich mir ein wenig sanfter gewünscht, da man doch etwas auf den nächsten Teil warten muss. Verwirrt hat mich wieder, dass das Hulduvolk im Buch nicht als Elfen gesehen wurde, sondern als etwas daneben Vorkommendes. Soweit mir bekannt, werden die Huldu häufig als eine Unterart der Elfen beschrieben. Hier hätte ich mir ein paar erklärende Worte gewünscht.
Trotzdem freue ich mich auf den nächsten Band, ach was, auf noch einige Bücher aus diesem zauberhaften Island.

Bewertung vom 29.01.2021
Das Verschwinden der Erde
Phillips, Julia

Das Verschwinden der Erde


sehr gut

Lange habe ich überlegt, ob ich diesem faszinierendem Werk vier oder fünf Sterne gebe. Die Art und Weise, wie der Stoff konstruiert wurde, ist wirklich außergewöhnlich. Ein bisschen fühlte ich mich an Episodenfilme erinnert. Hier steht jedes Kapitel für einen Monat des Jahres. Eigentlich ist jedes Kapitel auch eine kleine Kurzgeschichte, die überwiegend für sich allein stehen kann, und mich jedes Mal schnell in den Bann gezogen hat. Das muss der Autorin erstmal jemand nachmachen.

Aber Moment mal - eigentlich bin ich doch kein Fan von Episodenfilmen. Und dies ist es auch, warum ich mich letztendlich für vier Sterne entschieden habe, obwohl nur wenige meiner Bücher ebenso viele Klebezettelchen mit zitierwürdigen Sätzen enthalten. Hauptfiguren der einzelnen Kapitel tauchen durchaus in späteren Kapitel noch als Nebenfiguren auf. Da mich einige aber wirklich sehr interessierten, blieb ich an der einen oder anderen Stelle seltsam unbefriedigt, weil ich ihrer Geschichte gar nicht oder kaum weiter folgen durfte. Also etwa so, als hätte man einem Esel die Möhre vor die Nase gehalten und weggezogen.

Auslöser der Handlung ist die rätselhafte Entführung zweier Mädchen auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka, die das Leben der Protagonisten auf die eine oder andere Weise beeinflusst. Hier von einem literarischen Thriller zu sprechen, wie die Los Angeles Review of Books, wird dem außergewöhnlichen Roman aber nicht gerecht und weckt falsche Erwartungen. Die Autorin selbst spricht in einem Interview davon, es ginge hier vorwiegend um einen Roman um Gewalt gegen Frauen. Diese Einschätzung teile ich nicht völlig, denn glücklicherweile ist diese Gewalt sehr subtil und eher in der Rolle der Frau in einer noch immer männerdominierten Gesellschaft zu finden. Aber ein Roman der Frauen ist es gewiss. Außerdem habe ich einiges über die indigene Bevölkerung Sibierens erfahren, was mich gleichfalls fasziniert hat.

Ein vielschichtiger Roman, an den ich mich noch lange erinnern werde.

Bewertung vom 24.01.2021
Orangen für Dostojewskij
Dangl, Michael

Orangen für Dostojewskij


gut

Selten kommt es vor, dass ich mich auf das Weiterlesen eines Buches nicht freue. Hier war es leider so. Mit Wissbegier bin ich eingestiegen. Ich war gespannt, etwas über die Menschen Dostojewskij und Rossini zu erfahren, vor den Kulissen meiner Lieblingsstadt Venedig. Das fiktive Aufeinandertreffen der beiden so gegensätzlichen Künstler erschien mir als interessantes Grundkonzept. Für mich ging es allerdings nicht auf.
Der Roman rankt sich um nur eine Handvoll Begegnungen zwischen Genussmensch Rossini und Dostojewskij. Vor allem das erste zufällige Zusammentreffen wirkte auf mich fast märchenhaft konstruiert und nicht raffiniert herbeigeführt. Überhaupt findet sich Dostojewskij hier in einem merkwürdigen Venedig, in dem ein vollkommen Fremder, mit dem Rücken zu unserem Protagonisten in einem Café sitzend, diesen als Russen erkennt und munter drauflos monologisiert. Dostojewskij selbst blieb mir fremd und farblos, obwohl ich ein Faible für leicht skurrile Personen habe. Während seiner Unternehmungen mit Rossini wird denn überbordend viel parliert, philosphiert und gegessen, so dass die Erzählung dahinplätschert wie Lagunenwasser. Das Angebot, das Rossini dem Schriftsteller macht, erzeugt keine Spannung, da ein entsprechendes literarisches Werk eben nicht existiert. Dieser Handlungsstrang, eigentlich Dreh- und Angelpunkt, versickert denn auch auf äußerst unspektakuläre Weise.

Die Geschichte erleben wir ausschließlich durch Dostojewskijs missmutige Augen. Recht merkwürdig mutet es dann an, wenn behauptet wird, etwas liege ihm in den Genen, Jahrzehnte, bevor dieser Begriff überhaupt geprägt wurde.
Am wunderlichsten wirkten auf mich aber die Protagonistinnen. Frauen schienen für Dostojewskij nur als abwesende, problembehaftete Ehefrauen oder Geliebte zu existieren, zeternde Nachbarinnen, Prostituierte oder sinnenfrohe Naturgeschöpfe, die sich liebend gern doppelt so alten Misanthropen an den Hals werfen. Allesamt austauschbar und beliebig. Wenigstens Venedig konnte mein Interesse durchweg aufrecht erhalten.

Bewertung vom 17.01.2021
Elchtage
Klingenberg, Malin

Elchtage


ausgezeichnet

Was für eine wunderbare schwedische Coming-of-age Geschichte! Sie hat mir auch als Erwachsene großen Spaß gemacht. Hauptprotagonistin Johanna ist ein patentes tierliebes Mädchen, das ich von Anfang an gern hatte. Ihrer besten Freundin Sandra ist sie allerdings nach den Sommerferien plötzlich nicht mehr interessant genug. Sandra verbringt ihre Zeit jetzt lieber mit den beliebtesten Mädchen der Klasse, interessiert sich für Jungs und Klamotten. Johanna dagegen ist immer noch am liebsten in der gemeinsamen Hütte im Wald.
Als eines Tages dort zwei Hirschkühe auftauchen und eine der beiden, die Johanna wegen ihrer Zeichnung Wildstern nennt, sich als gar nicht so scheu erweist, beginnt sich Johanna für die Tiere zu interessieren. Kann man sie wirklich sogar reiten, wie es in einem Bibliotheksbuch abgebildet ist? Ehe Johanna sich versieht, ist sie mitten drin in einem Abenteuer um die Elche, Elchfänger und Jäger, Naturschutz und den geheimnisvollen Jungen Six. Seit sie ihn getroffen hat, beginnt Johanna auf einmal zu verstehen, warum sich die anderen Mädchen für einen Jungen interessieren. Und ist es manchmal vielleicht gar nicht so schlecht, wenn Dinge sich ändern?
Das Buch hat mich wirklich begeistert. Jeder, der sich noch gut an die Tücken der Schulzeit und der ersten Liebe erinnern kann oder Tiere mag, ist hier gut aufgehoben. Nicht nur Johanna, auch die Nebencharaktere sind plastisch ausgearbeitet. Auch der Herbstwald hat mir als Setting gut gefallen und wurde atmosphärisch geschildert. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 10.01.2021
Wonderlands

Wonderlands


sehr gut

In "Wonderlands" lässt die Herausgeberin ein wahres Feuerwerk der phantastischen Literatur der vorangegangenen Jahrtausenden zünden. In kurzen Essays beginnt es mit den alten Mythen und Legenden wie dem Gilgamesch-Epos, Tausendundeiner Nacht und König Arthur, führt weiter ins Zeitalter der Wissenschaft und Romantik, geht über ins Goldene Zeitalter der Fantasy und die neue Weltordnung im 20. Jahrhundert und schließt mit dem Computerzeitalter. Dabei werden nicht nur reine Fantasy-Schöpfungen vorgestellt, sondern auch dystopische und solche der Science Fiction.

Nach einer kurzen Einleitung geht es sofort in medias res. Eine Vielzahl an Professoren und Professorinnen, journalistisch Tätigen sowie Literaturkriterinnen und Literaturkritikern stellt die Werke vor, unter denen sich selbst für mich als Kennerin der Materie einige wenige unbekannte befanden. Jedes Essay wird abgerundet durch ein Foto der Originalausgabe, des Verfassers und Illustrationen aus dem jeweiligen Buch oder der späteren Verfilmung.

Trotz der ansonsten eng beschriebenen Seiten blieb das Buch für mich durchgängig faszinierend, was schon eine kleine Meisterleistung darstellt. Etwas schade fand ich aber, dass der Leser nicht erfährt, wonach entschieden wurde, welche Werke es ins Buch geschafft haben. Handelt es sich um solche, die die Herausgeberin für die mit dem meisten Einfluss hält oder für die literarisch wertvollsten? Jeder wird wohl zwangsläufig Bücher vermissen, die der eigenen Meinung nach dann zwingend hineingehört hätten. In meinem Fall wären das zweifellos die Michael Endes (wie man überhaupt deutschsprachige Autoren fast vergebens sucht) und die Wüstenplanet-Reihe. Dass Autorinnen in der absoluten Minderheit sind, versteht sich angesichts des geschichtlichen Hintergrundes leider von selbst. Gerade deswegen hätte man hier aber dann bei Darstellung der zeitgenössischen Literatur dort einen größeren Fokus hinlegen können.
Auch wenn die Werke nicht nur aufgezählt, sondern mit Verfasser, Inhalt und Einfluss dargestellt werden, fehlen mir außerdem zusammenfassende Erläuterungen über die Entwicklung der phantastischen Literatur durch Beschreibung etwa gemeinsamer Merkmale, Erläuterung der wirklich zahlreichen Subgenres usw. Dies tat dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch.

Bewertung vom 03.01.2021
Böses Blut / Cormoran Strike Bd.5
Galbraith, Robert

Böses Blut / Cormoran Strike Bd.5


ausgezeichnet

Spätestens seit Erscheinen der englischen Originalausgabe habe ich ungeduldig auf die deutsche Version gewartet. Meine hohen Erwartungen wurden in keiner Weise enttäuscht. Ganz im Gegenteil. Mit 1200 Seiten gibt es herrlich viel Robin und Strike, sowieso einen äußerst komplexen Cold Case, dessen Auflösung mir nicht gelungen wäre. Erst am Ende erschließt sich, wie geschickt die Autorin in diesem perfekt komponierten Krimi Hinweise versteckt hat, ohne je auch nur für einen Moment den Faden zu verlieren. Ich habe das Buch innerhalb weniger Tage gelesen und kann gar nicht sagen, ob mich der Fall oder die "Rahmenhandlung" mit den bekannten Protagonisten mehr begeistert hat.

Während Strike mit der Krankheit seiner Tante, den psychischen Problemen seiner Exfreundin, verblüffenden Kontaktversuchen seines bisher lieblosen, berühmten Vaters und seinen eigenen verdrängten Gefühlen für Robin zu kämpfen hat, wird er für einen Cold Case engagiert. Es geht um das Verschwinden einer Ärztin in den Siebziger Jahren, deren vermutlicher Tod einem überführten Serienkiller zugeschrieben wird. Doch dieser hat sich dazu nie geäußert. Die Tochter der verschwundenen Margot Bamborough möchte nun endlich Gewissheit haben. Mit wenig Hoffnung beginnen Strike und Robin zu recherchieren. Doch so sehr die Spuren auch erkaltet scheinen, finden sie sich bald in Ermittungen, in denen offenbar viele Beteiligte einiges zu verbergen haben...

Die feine psychologische Beobachtungsgabe der Autorin, die hier wieder auf ihr bekanntes Pseudonym zurückgreift, hat mich aufs Neue begeistert. Ich liebe Strikes grummelige, ehrlich-aneckende Art. Eigentlich macht mir überhaupt kein Ermittlerduo mehr Freude als dieses. Damit mir die Zeit bis zum nächsten Teil meiner Lieblingskrimi-Serie ncht ganz so lang wird, werde ich mich wohl an die BBC-Verfilmung der ersten drei Teile wagen.