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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2020
Unter den Stollen der Strand
Cohn-Bendit, Daniel

Unter den Stollen der Strand


sehr gut

Als jemand, der 1977 geboren ist, war mir Daniel Cohn-Bendit als Grünen-Politiker und später als Europa-Abgeordneter ein Begriff. Wie Fußball-verrückt er ist, wusste ich nicht. Aber in „Unter den Stollen der Strand. Fußball und Politik – mein Leben“ tobt er sich zu diesem Thema aus. Gekonnt verknüpft er Episoden aus seinem Leben mit Anekdoten aus dem Fußball und Grundsätzen der Politik. Aber das Buch ist keine wirkliche Autobiografie, dafür sind Fußball und Politik zu dominant und sein Leben zu sehr im Hintergrund – und wenn es Geschichten aus seinem Leben gibt, dann haben sie meistens – richtig! – was mit Fußball oder Politik zu tun.
Ganz eindeutig: das eine geht für ihn nicht ohne das andere. Und so ist das Buch teilweise schwierig zu lesen und wirkt etwas konfus. Schwierig deshalb, da er sich nicht wirklich an ein Konzept hält, sondern, wie es manchmal scheint, „von Hölzchen auf Stöckchen“ kommt. Er rennt praktisch durch die Geschichte des Fußballs seit den 1950er Jahren, verknüpft sie mit politischen Ereignissen und ein paar privaten Erlebnissen. Damit schafft er ein sehr dichtes Werk, in dem jeder Satz passt, jedes Wort seine Daseinsberechtigung hat und ich musste es manchmal aus der Hand legen, um durchzuatmen.
Das Buch ist ein bisschen wie ein Fußballspiel: mal rasant, mal überhastet und manchmal muss man den Angriff noch einmal von vorn starten (in meinem Fall: zurückblättern und nachlesen). Nein, in der Hinsicht ist es definitiv keine leichte Lektüre. Und obwohl ich politisch mit Daniel Cohn-Bendit in vielem nicht konform gehe und auch seine Fußball-Leidenschaft bei weitem nicht teile – vieles, was er in seinem Buch an- und ausspricht, spricht mir aus der Seele. Sei es der falsch verstandene Nationalismus und Patriotismus von sogenannten Fußballfans, Korruption, Fanatismus und Faschismus und auch die zunehmende Wichtigkeit des Frauenfußballs – alles hat in dem Buch seinen Platz gefunden. Auch die Tatsache, dass er wegen Jair Bolsonaro mehr und mehr die Freude an Brasilien und dem brasilianischen Fußball verliert („Manchmal frage ich mich, ob »Brasilien, mon amour« für mich langsam zu »Brasilien, je t’aime … moi non plus« wird.“) fehlt nicht.
Sein Hass auf Deutschland scheint sich mit den Jahren abgeschliffen zu haben. Obwohl er seit vielen Jahren in Deutschland lebt, identifiziert er sich aber bis heute nicht mit dem Land. Schuld daran ist vermutlich die Frankfurter Eintracht. „Ich kann Ihnen nur sagen, ob Sie Franzose, Türke, Balkanbewohner, Araber, Afrikaner, Asiate oder sonst was sind – wenn Sie sich drei, vier Spiele in Folge in der Commerzbank-Arena ansehen würden, wären Sie danach für den Rest Ihres Lebens »Frankfurter«.“ Deshalb schlägt er für Sportveranstaltungen im Allgemeinen, Fußballspiele im Besonderen vor, erbitterten Nationalismus und Patriotismus außen vor zu lassen und sich auf eine Art „Fanismus“ zu einigen.
Alles in allem ist das Buch schwer einzuordnen. Es ist keine Autobiografie und kein Sportbuch. Es ist kein politisches Manifest und kein Roman. Es ist irgendwie eine Mischung aus allem möglichen, aber eine gelungene und auch für diejenigen ein Lesevergnügen, die keine Fußballfans oder Vollblutpolitiker sind. Mir persönlich hat das Buch mit seiner Begeisterung und auch seinen Ansichten einen neuen Zugang sowohl zum Fußball als auch zur Politik eröffnet. Sprachlich ist es, wie man es von Daniel Cohn-Bendit kennt: ausschweifend, manchmal ein bisschen hektisch, aber präzise und mit treffender Wortwahl formuliert („ Fundamentalismus ist, ob religiös, nationalistisch, laizistisch oder ökologisch, Quatsch mit Soße.“). Man könnte auch sagen, es ist manchmal so unbequem wie er selbst. Manche Wortwahl ist allerding sehr „gehoben“, wie zum Beispiel das Wort „nachgerade“, das ich in dem Zusammenhang noch nicht einmal kannte. Auch wenn der „Unterhaltungswert“ sich für mich teilweise wegen des vielen Hintergrundwissens zum Fußball in Grenzen hielt – für Sprache und Aussage von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 23.07.2020
Bornholmer Schatten / Sarah Pirohl ermittelt Bd.1
Peters, Katharina

Bornholmer Schatten / Sarah Pirohl ermittelt Bd.1


sehr gut

Als ausgerechnet ihr erster Fall in Rostock schiefgeht, zieht sich Kommissarin Sarah Pirohl auf die dänische Insel Bornholm zurück. Aber der Fall ist noch nicht aufgeklärt, denn obwohl ihr damaliger Hauptverdächtiger tot ist, passiert ein sehr ähnlicher Mord, weitere folgen. Und so holen Sarah auch in der Insel-Idylle die Geschehnisse wieder ein, nicht zuletzt, weil ihr ehemaliger Kollege Henrik Buchner und die BKA-Ermittlerin Hannah Jakob überzeugt sind, dass die Taten etwas mit ihr zu tun haben. Nach und nach stellt sich heraus: das zwischen Sarah und dem Täter ist etwas Persönliches. Und was haben ihr Vater, seine Anwaltskanzlei und die Staatsanwältin Yvonne Beyer mit alldem zu tun?
„Bornholmer Schatten“ ist der Auftakt zu einer „Sara Pirohl ermittelt“-Serie von Katharina Peters. Und dieser Auftakt ist ihr meiner Meinung nach durchaus gelungen. Nachdem ich von der Autorin bereits „Fischermord“ gelesen habe (die Hauptfigur ist da die Kommissarin Romy Beccare), hatte ich eine Ahnung, was mich mit dem Buch erwartete. Hintergründige Spannung, gut ausgearbeitete Charaktere und ein Hauch Liebe – also schlicht ein handwerklich guter Krimi. Dass die Autorin zum Beispiel mit Hannah Jakob Figuren aus anderen Serien in diesem Krimi übernommen hat, ist für Kenner sicher ein interessanter Aspekt, für mich als Neuling spielt das kaum eine Rolle. Alles nötige Hintergrundwissen wird vermittelt, Verständnisprobleme gibt es keine.
Die Autorin verknüpft mehrere Elemente sehr gekonnt miteinander: Rechtsextremismus, Parteispenden, Morde, Familie und natürlich darf eine Liebesgeschichte nicht fehlen. Alles in allem ist das Buch eher hintergründig spannend, es gibt einige Leichen und viel Gewalt. Die Charaktere sind bodenständig beschrieben, vor allem der dänische Journalist Frederik Thomsen, Sarahs Kollege Henrik und die Ermittlerin Hannah Jakob konnten meine Sympathie sehr schnell gewinnen. Sarah selbst kommt eher ein bisschen spröde daher, voller Selbstzweifel und Unsicherheit – nicht unsympathisch, aber ich brauchte eine Weile, um mit ihr warm zu werden.
Sprachlich ist das Buch gewohnt flüssig geschrieben und flott zu lesen. Der einzige wirklich auffällige Fehler ist die Tatsache, dass in der Buchbeschreibung Sara ohne „h“ geschrieben wurde, das ganze Buch über dann aber mit. Dankenswerterweise verzichtet die Autorin auf übermäßige Kraftausdrücke und Schimpfwörter. Manchmal hatte ich allerdings das Gefühl, die Autorin verzettelt sich ein bisschen zwischen den Schauplätzen und den Charakteren, gegen Ende schafft sie es aber, alle losen Enden zu verknüpfen und alles nach einigen Irrwegen und falschen Fährten schlüssig und zufriedenstellend aufzulösen. Vor allem gegen Ende nimmt das Buch enorm Fahrt auf, wird so spannend, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen konnte, bis ich endlich wusste, was tatsächlich hinter allem steckt.
Zufriedenstellend ist daher auch mein Gesamturteil für das Buch, solide 4 Sterne für einen soliden, gut konzipierten Krimi mit sehr guten Ideen zu einem (leider) sehr aktuellen Thema. Macht Spaß zu lesen und Lust auf mehr.

Bewertung vom 20.07.2020
Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945

Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945


ausgezeichnet

Mit „Die Organisation des Terrors - Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943-1945“ hat der Historiker Dr. Matthias Uhl zusammen mit seinen Kollegen Thomas Pruschwitz, Martin Holler, Jean-Luc Leleu und Dieter Pohl unglaubliches geschafft. Er hat den lange verschollen geglaubten Terminkalender von SS-Chef Heinrich Himmler aufbereitet, „entschlüsselt“ und der Leserschaft zugänglich gemacht. Grundlage für die Edition bilden die überlieferten Terminblätter des Dienstkalenders aus dem Zentralarchiv des russischen Verteidigungsministeriums, dazu kamen sein Tischkalender und seine handschriftlichen Telefonnotizen. Das war in mehrerlei Hinsicht kein einfaches Unterfangen, denn zum einen schrieb Himmler in einer Art „Geheimschrift“, einer Mischung aus Sütterlin und lateinischer Schreibschrift, zudem galt es Abkürzungen und Zeichen zu entschlüsseln. Und dazu dann noch der Inhalt der Kalender aus der Zeit zwischen dem 1.1.1943 und dem 15.3.1945. Absolut keine leichte Kost.
Denn in diesen 26,5 Monaten skizziert Himmler nahezu lückenlos überliefert und in mageren Worten Triviales aus seinem Leben neben Aufzeichnungen zu Krieg und Holocaust. Nur für sechs Tage gibt es in dieser Zeit keine Einträge. „Telefonat mit Mami und Püppi“ (mit seiner Frau und seiner Tochter) finden sich da neben Frisör- und Massageterminen und Ausflügen zu seiner „Zweitfamilie“ nach Mecklenburg (er hatte mit seiner ehemaligen Sekretärin zwei uneheliche Kinder) auch Besprechungen zur Vernichtung der Juden und Termine zu Besuchen in Konzentrationslagern (wie beispielsweise am 12. Februar 1942 in Sobibor) sind vermerkt. Wie penibel der Kalender geführt wurde, zeigt, wie pedantisch Himmler als Mensch war. Und ebenso akkurat durchgeplant wie seine Tage, so sollte auch Völkermord vonstattengehen. Er war einerseits der große Strippenzieher hinter dem Schreibtisch, besuchte und besichtigte aber auch die Stätten der Gräueltaten.
Die Aufarbeitung der Kalender war eine enorme wissenschaftliche Leistung. Dass dabei kein Roman herauskommen kann, war von vornherein klar. Das Buch ist ein verstörendes Dokument. So viel Gewalt, Leid und Menschenverachtung in so mageren Worten. Dazwischen die Einordnung der Autoren/Herausgeber. Das Buch kann man nicht einfach so lesen. Man muss immer wieder Pausen machen, eventuell das eine oder andere auch selbst noch recherchieren, um die politisch-zeitliche Einordnung nachzuvollziehen. Damit wird es zu einer gelungenen Mischung aus Sach-, Fach- und Geschichtsbuch und eine Grundlage für weiterführende Lektüre. Ein Buch, das betroffen, nachdenklich, vielleicht auch wütend macht. Von mir eine ganz klare Lese-Empfehlung für historisch interessierte Leser, die sich eventuell für besseres Verständnis gerne auch über das vorliegende Buch hinaus weiter in das Thema einarbeiten wollen. 5 Sterne.

Bewertung vom 20.07.2020
Beute / Bennie Griessel Bd.7
Meyer, Deon

Beute / Bennie Griessel Bd.7


ausgezeichnet

Eines vorweg: bei dem Buch "Beute" von Deon Meyer handelt es sich bereits um den 6. Teil einer Reihe. Ich habe die vorherigen Bände nicht gelesen, hatte aber in der Beziehung mit dem Buch keine Verständnisprobleme, alles wirklich Wichtige wird dem Leser im Lauf der Geschichte erklärt.
In anderer Beziehung hatte ich mit dem Buch allerdings sehr große Probleme. Ich fand schlicht keinen Zugang dazu. Allerdings lese ich Bücher normalerweise immer bis zum Ende, also auch dieses. Ich muss aber sagen, dass es sich insofern gelohnt hat, als dass die Handlung gegen Schluss Fahrt aufnimmt und die Geschichte dann tatsächlich spannend wird.
Erzählt wird die Geschichte in zwei Handlungssträngen: der 34jährige ehemalige Polizist Johnson Johnson kommt in einem Luxuszug zu Tode, als er als Personenschützer eine 90jährige Niederländerin auf der Reise von Kapstadt nach Pretoria begleitet. Verdächtig schnell wird sein Tod als Selbstmord deklariert. Der zweite Handlungsstrang spielt in Frankreich. Hier lebt der gebürtige Südafrikaner Daniel Darret unter falschem Namen ein unauffälliges Leben. Aber auf ihn wartet eine große Aufgabe: er soll den südafrikanischen Präsidenten töten.
Ich muss sagen, dieser zweite Handlungsstrang konnte mich wirklich fesseln, er verwandelt sich sehr schnell in einen packenden (Agenten-) Thriller. Die Handlung in Südafrika plätschert dürftig vor sich hin und ist in der Hauptsache durch verworrene Strukturen innerhalb der Ermittlungsbehörden, ein bisschen Politisches, Privates der Ermittler Vaughn Cupido und Bennie Griessel und etwas tatsächlicher Ermittlungsarbeit geprägt. Durch die Wechsel zwischen den beiden Strängen verlor ich hier aber immer mal wieder den Faden. Deshalb war das Buch in sich für mich wie eine Achterbahnfahrt aus einer sehr spannenden, und schlüssigen Geschichte, die immer wieder durch „Ausflüge“ nach Südafrika unterbrochen wurde. Dieser Handlungsstrang nimmt erst gegen Ende ebenfalls Fahrt auf, alles gipfelt dann in einem fast überstürzt anmutenden Schluss, als hätte der Autor dann selbst schnell zum Ende kommen und alle losen Enden verknüpfen wollen, was ihm nur bedingt gelingt.
Sprachlich war das Buch für mich ebenfalls nicht unbedingt angenehm zu lesen. Das lag nicht an den vielen aus dem Afrikaans übernommenen Begriffen, die kursiv abgesetzt waren, vielmehr störten die zum Teil sehr holprig konstruierten Sätze meinen Lesefluss enorm. („Das docket besteht aus dünner, billiger Pappe in einem hellbraunen Farbton, der oft verächtlich mit dem übel riechenden Nebenprodukt von Babys verglichen wird.“ – ich gehe hier davon aus, dass der Autor den Inhalt einer vollen Windel meint, das ist aber ganz sicher kein Nebenprodukt eines Babys.). Außerdem häufen sich Fehler in Logik, Rechtschreibung und Zeichensetzung.
Die Vielzahl an Charakteren machte das Buch für mich ziemlich unübersichtlich, da sie mit Ausnahme von Daniel mich zu platt und ungreifbar sind. Er ist sehr deutlich beschrieben und daher bekam ich zu ihm am meisten Zugang und konnte ich mit ihm mitfiebern. Über die beiden Ermittler in Südafrika erfährt man das zwar Notwendigste, zu ihnen bekam ich aber trotzdem keinerlei Zugang und der komplette Handlungsstrang war für mich das ganz Buch über nur (zum Teil störendes) Beiwerk.
Alles in allem fand ich das Buch sehr enttäuschend, phasenweise musste ich mich durchquälen und im Endeffekt war ich froh, am Schluss angekommen zu sein. Sowohl die politische Landschaft, als auch die geografische und die beiden eher untypischen Ermittler hätten im „Südafrika-Strang“ wesentlich mehr hergegeben. Der „Frankreich-Strang“ war hingegen hervorragend, bot alles, was ein Thriller haben muss. Stünde er alleine, hätte das Buch von mir 5 Sterne bekommen, dafür hat es sich nämlich gelohnt, das Buch zu lesen. So bekommt es leider nur 3 und ist allerhöchstens für Fans empfehlenswert oder für Leute, die grundsätzlich alle Teile einer Serie lesen.

Bewertung vom 20.07.2020
Eiskalte Augenblicke / Thomas Andreasson Bd.10
Sten, Viveca

Eiskalte Augenblicke / Thomas Andreasson Bd.10


ausgezeichnet

Ein bunter Strauß Kurzgeschichten aus der gar nicht so harmonischen Schwedischen Provinz.
Wer die Geschichten aus Sandhamn kennt, dem sind die Charaktere der Kurzgeschichten, die Viveca Sten in „Eiskalte Augenblicke“ zusammengestellt hat, nicht fremd. Die zehn kurzen Krimis bringen dem Leser die Personen näher, da sie eine Reise durch die Zeit sind. Die Geschichten beginnen 1981, als sich die spätere Juristin Nora Cedergren (später Nora Linde) den künftigen Polizisten Thomas Andreasson im Konfirmandenunterricht kennenlernt. Später kann man das Leben der beiden, ihre unterschiedlichen privaten und beruflichen Werdegänge und Lebenswege weiterverfolgen, die sich immer wieder kreuzen.
Der Leser erfährt sehr viel Neues, was manche unterschwellige Frage aus den Sandhamn-Krimis beantwortet. So klärt die Autorin viele Zusammenhänge auf und Kenner der Reihe treffen auf einige alte Bekannte. Wie traf Nora Henrik? Was tat sich später im Privatleben von Thomas? Und ist Noras zickige Schwiegermutter Monica so untadelig, wie sie sich immer darstellt? Nur so viel: es gibt in den Kurzgeschichten Tote, Dramen und ein paar Liebesgeschichten. Dazu dürfen natürlich die Beschreibungen der (scheinbar) idyllischen Insel nicht fehlen. Die Aufklärung der Fälle passiert sehr subtil, manchmal sogar nebenher – und oft wird die wahre Erklärung für die eine oder andere Tat erst irgendwo ganz anders im Buch geliefert. Und ganz anders sind oft auch die Lösungen. Ebenso wie in den „normalen“ Krimis ist auch in den Kurzgeschichten wenig so, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Sprachlich ist das Buch flott und leicht zu lesen, allerdings ohne seicht oder trivial zu sein. Alles in allem für mich eine gelungene Zusammenstellung. Die Geschichten haben genau die richtige Länge und vermitteln eine Mischung aus Urlaubsgefühl und Krimi-Atmosphäre. Sie sind alle zusammenhängend aber dennoch eigenständig, so, wie Kurzgeschichten sein sollen. Allerdings denke ich, so wirklich interessant ist das Buch für alle, die die Sandhamn-Krimis kennen und mehr Hintergrundwissen über die Charaktere vermisst haben (laut Aussage der Autorin wollte sie mit den Geschichten oft gestellte Fragen von Lesern zum Privatleben von Thomas und Nora beantworten). Trotzdem aber auch ohne Vorkenntnisse super zu lesen und für mich eine gelungene Urlaubs-Lektüre. 5 Sterne.
PS. Für mich ein lustiger Fun-Fact am Rande: der Schauspieler, der Thomas Andreasson in der Verfilmung spielt heißt Jakob Cedergren und hat damit denselben Nachnamen wie Noras Mädchenname. Thomas‘ Ehefrau im Buch heißt Pernille, die Lebensgefährtin seines Darstellers Pernilla.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.07.2020
Der Tag, an dem Theo starb (eBook, ePUB)
Uhlen, Mara

Der Tag, an dem Theo starb (eBook, ePUB)


weniger gut

„Der Tag, an dem Theo starb“ von Mara Uhlen war für mich ein sehr schwieriges Buch. Nicht der Geschichte an sich wegen. Die ist seicht, simpel und eher stupide. Schwierig fand ich eher, dass mir die Hauptfigur Tilda und ihre Art von der ersten Seite an so unsympathisch waren, dass ich mich nur schwer auf die Handlung einlassen konnte. Zum Glück gibt es davon nicht allzu viel.
Aber von vorn. Tilda lebt eigentlich in Berlin und erbt von ihrer Tante ein Haus auf dem Land samt Hündin Susi. Schon am zweiten Tag nach ihrem Umzug in die „Walachei“, findet sie einen an einem Baum erhängten Dackel. Der Rest des Buchs dreht sich einerseits um die Aufklärung des Falls, andererseits aber um Tilda als Person.
Und darin liegt mein Hauptproblem. Tilda hält sich für etwas Besseres, schließlich kommt sie aus der Großstadt. Ihr Leben dreht sich um Schuhe, ihr Dasein als Journalistin (das gelinde gesagt nicht über die Klatschspalte der Zeitung hinausgeht) und den Veganismus, was sie auch immer wieder betont, auch wenn sie es selbst damit nur dann 100% genau nimmt, wenn es ihr passt. „Vegetarische Küche war in diesem Kaff offenbar ein Fremdwort. Ganz zu schweigen von Veganismus. Dabei hätte es seiner Figur bestimmt nicht geschadet, wenn er mal auf Bratwurst und Speck verzichtet hätte.“ „Der Darjeeling im Regal roch noch ganz appetitlich, das Knäckebrot war gerade erst abgelaufen, und im Kühlschrank fand Tilda sogar noch Margarine und ein ungeöffnetes Glas Marmelade mit der Aufschrift Erdbeere 2017. Augenscheinlich ohne Gelatine. Also durchaus essbar.“ Ich weiß nicht, ob die Autorin ihren Fruchtaufstrich oder ihre Marmelade selbst kocht, aber ich mache das seit Jahren und grundsätzlich ohne Gelatine (in handelsüblichem Gelierzucker ist Pektin).
Weniger genau mit dem Veganismus nimmt sie es dann, als sie sich „unter die frisch bezogene Federdecke“ kuschelt, Cappuccino trinkt und (aus Mangel an Alternativen und weil sie Lust drauf hat) ein Stück Himbeer-Sahnetorte isst. Und sie, die beim Anblick von geshredderten Küken und gequälten Tieren anfängt zu weinen, schaut zu, als Kinder Enten und Schwäne füttern, „die sich laut schnatternd um die Brotstückchen stritten“, dabei weiß doch inzwischen jeder, dass Brot für die Tiere tödlich ist.
Mir sind teilweise zu viele Marken- und Firmennamen erwähnt und manche der Beschreibungen sind holprig und mit der Realität nicht vereinbar („Die Arme und den Nacken auf den Beckenrand gestützt, ließ sie die Beine im Wasser kreisen.“). Außerdem sind einige Dinge, die sie so arrogant betont, schlicht falsch. Zum Beispiel ist noch keiner nur dadurch erschlankt, weil er zum Veganer wurde (Stichwort: Puddingveganer. Und sie kann ja auch gerne mal ausrechnen, wie viele Kalorien Tildas Ayurvedische Gemüsepfanne mit Reis und Kokosmilch hat.). Und ein Kassenband (oder Warentransportband) ist kein „Laufband“! Sie wertet oberflächlich so gut wie alles ab („Hinterwäldler“, „die dicke Frau“, vieles ist aus dem letzten oder gar vorletzten Jahrhundert) – ja, sie findet sich einfach toll und unfehlbar, ob sie nun in fremden Gärten „ermittelt“ oder andere schulmeistert. Ich fand sie besserwisserisch, überheblich und nervig, ohne sie wäre es eventuell ein ganz brauchbares Buch geworden, obwohl ich den Schluss sehr vorhersehbar fand und den Weg zur Aufklärung des Falls nicht wirklich spannend.
Der Begriff Cozy-Krimi ist eigentlich ein Oxymoron, weshalb ich ihn auch nicht mag. Das vorliegende Buch ist für mich ein sogar unterdurchschnittlicher Frauenkrimi, geeignet, um ihn bei einer Tasse Tee an einem verregneten Nachmittag zu lesen. Mehr nicht. Von mir für den rudimentären Unterhaltungswert 2 Sterne.

Bewertung vom 09.07.2020
Wenn das Schicksal anklopft, mach auf
Roger, Marie-Sabine

Wenn das Schicksal anklopft, mach auf


gut

„Wenn das Schicksal anklopft, mach auf“ – und brich ihm auf keinen Fall den Arm. So könnte man den Anfang der Freundschaft zwischen der 76jährigen Fleur und der 50 Jahre jüngeren Harmonie beschreiben. Fleur sucht für ihren Mops Mylord einen Hundesitter, Harmonie bewirbt sich für die Stelle und bekommt sie. Eine ganz normale Frauenfreundschaft. Möchte man meinen.
Ist es aber nicht. Denn die beiden Frauen in Marie-Sabine Rogers Buch könnten verschiedener nicht sein. Fleur hat eine soziale Phobie und eine Form von Agoraphobie, daher verlässt sie ihre Wohnung nur sehr selten, hauptsächlich, um zur Therapie zu gehen. Harmonie hat das Tourette-Syndrom. Ihr erstes Zusammentreffen gipfelt darin, dass Fleur Harmonie aus Versehen den Arm bricht. Ab diesem Moment sind die beiden auf eine interessante Art und Weise miteinander verbunden und es entwickelt sich eine Freundschaft, die über das Hunde-Sitten hinausgeht. Nach und nach werden die beiden einander immer wichtiger, vor allem Fleur findet in ihrem Leben einen Inhalt, der über ihren Arzt und ihren Hund hinausgeht.
Das Buch hat mich zugegebermaßen anfangs etwas verwirrt. Es wird in zwei Handlungssträngen erzählt: aus der Sicht von Fleur und aus der von Harmonie. Die beiden sind optisch nicht voneinander abgesetzt, die Eindrücke von Fleur kann man in der Hauptsache daran erkennen, dass sie Tagebuch führt und die Einträge datiert. Wenn man sich aber an Stil und Ausdruck gewöhnt hat, kann man die beiden Stränge ganz gut unterscheiden.
Die Sprache ist bildhaft, manchmal fast poetisch, dann wieder sachlich und karg, passend zu den Charakteren. An sich ist das Buch sehr flüssig geschrieben, worunter allerdings meiner Meinung nach der Tiefgang leidet. Manche Situationen sind skurril und lustig, andere machen nachdenklich, letzteres aber für mich zu wenig. Manchmal hatte ich das Gefühl, die beiden unter so unterschiedlichen Störungen leidenden Frauen wie in einer Freak-Show vorgeführt zu bekommen. Vor allem das Tourette-Syndrom ist so viel mehr als bellende Laute und Schimpfwörter. Und auch die Sozialphobie/Agoraphobie wird zugunsten der Freundschaftsgeschichte zu oberflächlich abgehandelt und die wahren Schwierigkeiten werden bei beiden Frauen nur angekratzt und kaum vertieft.
Manchmal ist das Buch mir auch zu flott erzählt. Vor allem das Leben von Harmonie läuft manchmal, als stünde sie unter Strom und renne wie ein Duracell-Hase durch die Welt (weshalb bei ihr oft auch keine Kommas in den Sätzen sind), während das von Fleur sich eher sehr behäbig und in Zeitlupe abspielt.
Schade. Die Idee, die hinter dem Buch steckt, finde ich ganz fabelhaft. Die besondere Freundschaft zwischen diesen beiden auf unterschiedliche Art sehr speziellen Frauen ist auch sehr gut beschrieben. Ihre Annäherung, ihr Aufeinander-Eingehen, alles sehr warmherzig und fast romantisch. Die relative Unbeschwertheit, die Harmonie in Fleurs Leben bringt, fand ich rührend. Die beiden finden einander, zu sich selbst und ein Stückweit ihren Weg ins Leben.
„Ihr Leben besteht aus lauter Vorsichtsmaßnahmen: nicht rausgehen, niemandem begegnen, nicht auffallen. Madame Suzain ist ein Angsthase, der von Wagemut träumt“ - gemeinsam wagen die beiden Abenteuer. Aber die wirklichen Probleme, mit denen die beiden zu kämpfen haben, kommen mir zu kurz und sind zum Teil fast verklärt, auf jeden Fall zu oberflächlich beschrieben. Daher ist es zwar ein schöner Frauen-Freundschaftsroman, geeignet für die Lektüre zwischendurch, mehr aber auch nicht. Auch anhand des Klappentextes habe ich mir mehr erwartet, daher von mir 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.07.2020
Bis die Zeit verschwimmt
Buchner, Svenja K.

Bis die Zeit verschwimmt


sehr gut

„Wenn du erfährst, dass der Sinn deines Lebens nicht mehr existiert, spürst du erst einmal gar nichts.“ So geht es der 15jährigen Helene, denn ihre beste Freundin Cassie wurde bei einem Amoklauf getötet. Damit gerät Helenes komplettes Leben aus den Fugen und sie braucht lange, um sich mit Trauer, Verlust, Hass auf den Täter und ihren eigenen Schuldgefühlen auseinanderzusetzen und langsam wieder ins Leben zurück zu finden.
Erzählt wird die Geschichte in „Bis die Zeit verschwimmt“ von Svenja K. Buchner in Gegenwart und Vergangenheit aus Helenes Sicht. Sie nimmt den Leser mit auf ihre Entwicklungsreise, lässt ihn Trauer, Wut und Schmerz miterleben. Die Autorin ist Psychologin und geht mit den Themen Amoklauf, Trauer, Wut und Schuld sehr professionell um, schafft es aber, die Emotionen sehr klar zu zeigen. Die Charaktere sind kraftvoll und deutlich gezeichnet. Vor allem Cassie ist sehr präsent, sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart, die sie prägt, auch wenn sie physisch nicht mehr dabei ist.
Das Buch bietet inhaltlich keine leichte Lektüre, dazu ist das Thema „Amoklauf“ zu schwer und leider auch immer wieder zu aktuell. Die Masse an Gefühlen, die auf Helene einprasseln, sind mir zum Teil aber zu platt und zu plakativ aufgearbeitet. Insgesamt sind die Aktionen von Helene oft nicht rational nachvollziehbar – angesichts ihrer Situation vermutlich aber verständlich. Sie macht im Lauf der Geschichte sehr viel kaputt und tritt aus Egoismus reihum praktisch allen auf die Füße. Sie fordert ständig etwas ein. Rücksicht, Verständnis und Freundschaft – zu geben ist sie nicht wirklich bereit. Ich mag es, dass sie sich nicht um Konventionen schert, aber sie ist mir zu rücksichtslos. Daher konnte ich sie nicht sympathisch finden, auch wenn ich ihre Trauer verstehen kann. Mehr Mitgefühl hatte ich da mit ihrem Freund Erik und der Mutter von Cassie, die für mich wesentlich authentischer waren.
Ich finde es verständlich, dass sie versucht, sich an den Täter anzunähern, herauszufinden, warum er es getan hat. Aber sie trampelt auf den Gefühlen anderer (auch der Hinterbliebenen) herum und zum Teil konnte ich nur den Kopf schütteln. Nicht nur sie hat einen Verlust erlitten, sondern alle, mit denen sie zu tun hat – nicht zuletzt auch die Eltern des Amokläufers.
Dass sie die verwaiste Mutter einer Schülerin fragt, ob deren Vater eigentlich Unterhalt gezahlt hätte, fand ich nun doch zu taktlos und da es nichts mit der Tat zu tun hat, geht es geht sie schlicht nichts an und hat in der Geschichte konzeptionell auch nichts zu suchen. Seltsam ist auch ein Satz wie „»Was hast du so gemacht heute?«, frage ich und beiße in die Pizza, die unter Schinken und Käse vermutlich kaum noch atmen kann.“ – Pizza atmet nicht. An einer anderen Stelle verwechselt sie namentlich Jeremy (ein Opfer) und Peter (den Täter).
Die Handlung spielt sich auf mehreren Ebenen ab, in der Gegenwart und in der Vergangenheit, da sich Helene an gemeinsame Erlebnisse mit Cassie erinnert. Das Buch ist eine ganz guter Coming-of-Age-Roman. Sprachlich ist es gut zu lesen, der Stil ist flüssig und für die Zielgruppe angemessen, die stört sich vermutlich auch nicht an der plakativen Aufarbeitung und den Fehlern. Und wenn man eines aus dem Buch mitnehmen kann, dann, dass Trauern ein individueller Prozess ist und es kein „Richtig“ und kein „Falsch“ gibt. Er dauert Zeit und manchmal braucht man Hilfe. Tatsächlich kann ich auch den Wunsch „Auch wenn du es jetzt noch nicht glaubst – es wird ein gutes Jahr. Und es wird alles leichter“ so nicht unterschreiben. Es wird nicht leichter, es wird nur weniger schwer. Aber mit der Zeit haben auch diejenigen, die noch am Leben sind, ein Recht darauf, wieder glücklich zu sein, ohne die Verstorbenen „zu verraten“ oder „im Stich zu lassen“.
Aus Erwachsenensicht hätte ich wegen der Fehler für die gute Idee und die zum Teil sensible Umsetzung 3 Sterne gegeben, mein 15jähriges Ich hätte das Buch aber vermutlich besser gefunden, daher vergebe

Bewertung vom 06.07.2020
Dänische Schuld / Gitte Madsen Bd.2
Gronover, Frida

Dänische Schuld / Gitte Madsen Bd.2


weniger gut

„Dänische Schuld“ von Frida Gronover ist schon der zweite Band um die Bestatterin Gitte Madsen. Ich habe den ersten Teil nicht gelesen, hatte aber keinerlei Probleme, die Geschichte zu verstehen. Die wichtigsten Einzelheiten greift die Autorin noch einmal auf, da bleibt keiner im Regen stehen. Das Buch spielt in Dänemark, genauergesagt in Marielyst, einem Ferienort auf der Insel Falster. Ich mag Dänemark und die Dänen, ich kann leidlich gut Dänisch – für mich schien das Buch wie ein Volltreffer, stellte sich dann aber eher wie ein mittelguter Griff in die Kiste mittelmäßiger Krimis heraus.
Die Geschichte an sich klingt sehr spannend: Gitte Madsen sitzt in einem Restaurant, als neben ihr ein Mann stirbt. Schnell stellt sich heraus, dass es nicht das Pilzgericht war, sondern eine Zyankalivergiftung, also vermutlich Mord. Und das ist nicht das erste Mal, dass Gitte mit einem unnatürlichen Todesfall konfrontiert wird, auch im ersten Teil war sie Zeugin in einem Mordfall. Der Rest des Buchs plätschert zwischen Gittes Privatleben (aufgeteilt in eine Liebesgeschichte und ihre private Suche nach ihrem seit 18 Jahren verschwundenen Vater) und der Aufklärung des eigentlichen Falls dahin.
Die Personen in diesem Krimi sind, ebenso wie die Umgebung gut dargestellt. Gitte ist mir persönlich zu spontan, manchmal sogar sprunghaft. Aber sie ist eine mutige und beharrliche Frau, das imponierte mir dann doch. Ein paar Dänische Eigenheiten (oder das, was sie dafür hält), hat die Autorin mehr oder weniger gekonnt eingeflochten. Beispielsweise der Kampf der niederländischen Nachbarn mit der Tür zu ihrem Ferienhaus. Hierbei muss man die Türklinke nicht nach unten drücken, sondern nach oben – das ist nicht nur in Dänemark so, bei unserem Ferienhaus in Holland ist es genauso.
Und auch sonst zeichnet sich das Buch nicht durch übermäßig gründliche Recherche aus. Es sind schlich zu viele Fehler darin, um es als gut geschrieben bezeichnen zu können. Die Sprache an sich ist alltagsnah, keine Kraftausdrücke, keine Schimpfwörter – so weit so gut. Aber so ganz sattelfest scheint die Autorin weder in der deutschen noch in der dänischen Sprache zu sein und auch das Lektorat hätte hier etwas sorgfältiger sein können. „Tarteletter med höns og asparges“ ist beispielsweise falsch geschrieben: høns (also: das Huhn) schreibt man nicht mit „ö“, im Dänischen gibt es kein „ö“, sondern im Schwedischen. „Es gibt Spezialanfertigungen, bei denen du mit der Hand Gas gibst, bremst oder den Blinker setzt.“- in jedem Auto, das ich bislang gefahren habe, setzte man den Blinker mit der Hand. Und die Mehrzahl von „Schubladen“ ist ganz sicher nicht „Schubläden“ („Die Schubläden waren halb herausgezogen“). Biskuit („Jetzt stand sie auf und brachte die Biskuits in die Küche“) ist kein Gebäck, sondern eine Teig-Art. Es gibt Biskuit-Teilchen, Biskuittorten und –kuchen, Biskuitrollen und so weiter, und das englische „biscuit“, also den Keks. Was die Autorin genau meint, weiß ich nicht. Ebenso konnte ich in keinem meiner dänischen Kochbücher „Haselnussbrühe“ finden, höchstens für Haselnuss-Suppe („Sie wählten beide den frittierten Blumenkohl mit einer Haselnussbrühe und als Hauptgericht gegrilltes Schwein mit neuen Zwiebeln und Knoblauchpüree“).
Die Idee zur Geschichte an sich ist richtig gut, denn eine Bestatterin als Hobby-Detektivin gibt es nicht allzu oft. Die Umsetzung ist mir zu platt und zu Hobby-Autorenhaft aufgemacht. Der Schluss hat mich sehr überrascht, der ist der Autorin wirklich gelungen. Da der Rest des Buchs weniger gelungen ist, bekommt es von mir 2 Sterne.

Bewertung vom 06.07.2020
Bald sind wir wieder zu Hause
Bab Bonde, Jessica

Bald sind wir wieder zu Hause


ausgezeichnet

„Bald sind wir wieder zu Hause“ von Jessica Bab Bonde war die erste Graphic Novel, die ich jemals gelesen habe. Wobei – gelesen ist dabei fast der falsche Ausdruck. Die Qualität des Buchs besticht viel mehr durch die comicartigen Zeichnungen von Peter Bergting, als durch den Text, der eher Sprechblasen-ähnlich in die Bilder eingearbeitet ist. Anhand der Geschichten von sechs Jugendlichen beschreibt die Autorin die (zum Teil schleichenden) Veränderungen in der Zeit nach 1933.
Tobias, Livia, Selma, Susanna, Emerich und Elisabeth heißen die Protagonisten des Buchs. Hinter jedem Namen stehen eine Geschichte und ein Schicksal. „Sie alle haben Eltern, Geschwister, beste Freunde, Häuser, Kleidung und Lieblingssachen verloren. Mehr oder weniger ihr ganzes Leben. Wie konnte das passieren? Könnte uns das auch passieren? Dir und mir?“ Die Autorin glaubt, dass das „sogar ganz leicht geschehen könnte“. Und ich auch. Deshalb finde ich das Buch unglaublich wichtig. Nicht nur für Jugendliche, sondern für jeden.
So sammelt sie die Geschichten von Überlebenden, die als Kinder und Jugendliche Ghettos und verschiedene Lager überlebten und in Schweden eine neue Heimat fanden. Sie stammen aus Polen, Ungarn oder Rumänien, alle sind real, man kann sie im Internet finden. Inzwischen sind sie über 80 Jahre alt. Sie erzählen in knappen, nüchternen Worten von unbeschreiblicher Gewalt, geben den erschreckend düsteren Bildern einen noch erschreckenderen und düstereren Anstrich. Das Buch ist kurz, aber es hat es in sich.
Die sechs Personen stehen stellvertretend für die Überlebenden – sie haben bis auf ihr Leben so gut wie alles verloren. Einige von ihnen haben in den vergangenen Jahren Vorträge über ihre Erlebnisse gehalten, damit keiner den Holocaust leugnen kann – vergeblich. Holocaustleugner gibt es immer noch.
Das Buch ist in all seiner Grausamkeit ein gutes und wichtiges Buch, solche Bücher braucht es, um die Geschichte nicht zu wiederholen, denn leider sind wir (und nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen Europas) auf dem besten Weg dazu, dies zu tun. Ich könnte es mir als Klassenlektüre gut vorstellen, denn niemand sollte es alleine lesen. Das Buch bietet so unendlich viel Gesprächspotential und schafft so viel Gesprächsbedarf. Ich bin erwachsen und es hat mich tief aufgewühlt – wie geht es dann erst jugendlichen Lesern? Und dennoch: von mir eine ganz klare uneingeschränkte Lese-Empfehlung und 5 Sterne.

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