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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1368 Bewertungen
Bewertung vom 29.08.2021
Solange es Liebe gibt
Münzer, Hanni

Solange es Liebe gibt


ausgezeichnet

„Meistens belehrt uns erst der Verlust über den Wert der Dinge.“ (Arthur Schopenhauer)
2010 Berlin. Julie muss einen schrecklichen Schicksalsschlag verkraften, denn sie hat ihren Ehemann Jannick und ihre Zwillinge bei einem Unfall verloren. Doch neben der ganzen Trauer um ihre Lieben stirbt auch noch ihr Vater, was sie notgedrungen zu einer Reise in ihre bayrische Heimat Dinzing veranlasst, in die sie seit 11 Jahren nicht mehr zurückgekehrt ist. Als wäre das nicht genug, erbt sie neben der familieneigenen Kaffeemanufaktur auch noch die Verantwortung für alle dort beschäftigten Mitarbeiter. Julie ist mit allem völlig überfordert, muss sich sehr zusammenreißen, um nicht zusammenzubrechen. Zusätzlich muss sie sich mit ihrer unbarmherzigen Großmutter Klara einen ständigen Kampf liefern, denn der alten Dame kann sie es nie recht machen. Doch je länger Julie sich in ihrer alten Heimat aufhält, umso mehr erfährt sie von der Vergangenheit ihres Vaters und dessen Familie, auch über Klara…
Hanni Münzer hat mit „Solange es Liebe gibt“ einen anrührenden Roman vorgelegt, der sich über zwei Zeitebenen erstreckt und den Leser mit gutgehüteten Familiengeheimnissen sowie menschlichen Schicksalsschlägen zu fesseln weiß. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil transportiert den Leser sofort mitten hinein in Julies Leben, an dem er regen Anteil nimmt. Empathisch und behutsam schildert die Autorin Julies Verfassung nach den furchtbaren Schicksalsschlägen, so dass der Leser diese hautnah miterlebt und nachvollziehen kann. Julie hat alles verloren und fällt ins Bodenlose, sämtliche Kraft ist aus ihr entwichen, so atmet und existiert sie nur noch, kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Die Lage ist beklemmend und herzzerreißend, so dass der Leser sich in einer wahren Achterbahn der Gefühle wiederfindet und sich fragt, wie Julie jemals wieder aus diesem Loch herauskommen soll. Geschickt fädelt Münzer einen zweiten Handlungsstrang ein, der in die 1930er Jahre führt und das Leben von Julies Großmutter Klara wiederspiegelt, die als junge Frau ein hartes und einsames Leben fristete, bis sie ihr Herz an den reichen Erben Friedrich verlor. Die wechselnden Perspektiven gewähren einen tollen Lesefluss und schaffen gleichzeitig die benötigten Verschnaufpausen. Während man sich immer mehr von Julie und Klara vereinnahmen lässt und die Probleme in der Kaffeemanufaktur zu lösen versucht, deckt man gemeinsam mit Julie immer mehr von der Familienvergangenheit auf, die so allerlei Geheimnisvolles und Unerwartetes beinhaltet. Der Spannungsbogen hält sich auf einem guten Niveau und hält den Leser konstant in Atem.
Die Charaktere sind mit viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt worden und überzeugen mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften, die sie dem Leser ans Herz wachsen und ihn mitfiebern lassen. Julie war bis zum Tag X eine offene, lebenslustige und rundum glückliche Frau. Doch das Schicksal hat ihr fast die Luft zum Atmen genommen, verzweifelt, kraftlos und lebensmüde vegetiert sie vor sich hin. Es dauert, bis sie wieder zu Kräften kommt, Stärke und Mut entwickeln und sich wieder auf andere Menschen einlassen kann. Klara ist eine beinharte Frau, die ebenfalls schon einiges erleben musste. Doch sie ist eine Kämpfernatur, hat Entscheidungen getroffen, die vielleicht nicht immer richtig waren. Aber eigentlich ist sie sich treu geblieben und auch ihre Handlungsweisen sind nachvollziehbar. Ebenso wichtig für die Geschichte sind Jannick, Niki, Richard Lanz und Hündchen Charòu, die Licht und Strahlen in die teils doch recht traurige, emotionsgeladene Geschichte bringen.
„Solange es Liebe gibt“ ist eine Achterbahn der Gefühle über Liebe, Verlust, Familie und alte Geheimnisse, aber auch über neue Chancen und Lebensrichtungen. Empathisch und packend erzählt, wobei die Geschichte auch zum Nachdenken anregt. Absolute Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2021
Bella Musica
Gerstenberger, Stefanie

Bella Musica


ausgezeichnet

Das Glück spielt immer die erste Geige...
Die 33-jährige Halbitalienerin Luna betreibt mit ihrem Bruder Lorenzo in München ein gut frequentiertes italienisches Restaurant. Obwohl schwanger und verlobt mit Chefkoch Diamantino, ist Luna nicht glücklich. Als sie eine Fehlgeburt erleidet, reist Luna gemeinsam mit ihrer Freundin Gitta und einer sehr alten Geige im Gepäck ins italienische Cremona. Dort möchte sie nicht nur Abstand bekommen, sondern vor allem mehr über ihren Vater Daniele herausfinden, der die Familie vor 27 Jahren verlassen hat, als Luna noch ein 6-jähriges Kind war. Seitdem hat sie ihn nie wiedergesehen, alles, was ihr von ihm blieb, ist die alte von ihrer Großmutter Anna Battisti gefertigte Geige. Gemeinsam mit Gitta macht sich Luna auf Spurensuche und deckt nach und nach Teile ihrer Familiengeschichte auf, wobei sie auch ein altes Geheimnis an die Oberfläche holt…
Stefanie Gerstenberger hat mit „Bella Musica“ einen wunderschönen, gefühlvollen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der zwei Zeitebenen in sich vereint und von einer alten Familiengeschichte erzählt. Der flüssige, bildhafte und anrührende Erzählstil lässt den Leser schnell an die Seite von Luna gleiten, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt zu erkunden und auch ihr Leben kennenzulernen. Durch die empathische und feine Zeichnung der Autorin merkt der Leser schnell, dass Luna unzufrieden und auf der Suche ist. Während man mit der Hauptprotagonistin nebst Freundin nach Italien reist, erlebt man Luna immer wieder zweifelnd, wankend, aber auch empfindsam, neugierig und voller Erwartungen. Gerstenbergers Liebe zu Italien blitzt aus jedem Wort der Geschichte hervor, während sie den Leser an der Seite von Luna langsam die alte Familiengeschichte entdecken lässt. Während dieser sich mit Luna in der Gegenwart auf die Suche macht, erlebt er gleichzeitig die Vergangenheit von Lunas Großmutter Anna Battisti, die von ihrem Vater das Geigenbauerhandwerk gelernt und die kleine Geige „La Piccola“ gefertigt hat. Anna durfte zur damaligen Zeit als Frau die Werkstatt ihres Vaters nicht übernehmen, es waren andere Zeiten und den Frauen wurde vieles verwehrt. Das einzige, was sie ihrem ältesten Sohn vermacht, ist die von ihr gefertigte Geige, die Lunas Vater Daniele an seine Tochter weitergab, bevor er verschwand. Nach und nach werden immer mehr Hinweise gestreut, so dass sich das Puzzle für den Leser zusammensetzt und dieser gemeinsam mit Luna den alten Geheimnissen auf die Spur kommt. Ob Cremona oder Sizilien, Gerstenbergers Schilderungen sind so farbenfroh und nahbar, dass der Leser den Duft von Kräutern, Meer und Zitronen regelrecht in der Nase trägt, während er mit Luna und Gitta auf Reisen ist. Sehr anschaulich, geradezu virtuos hat die Autorin zudem das Geigenbauerhandwerk dargestellt, was vor allem in Cremona eine lange Tradition hegt und viel Geschick und künstlerisches Talent erfordert, bis dieses Instrument seinen einzigartigen Klang erhält.
Die Charaktere sind lebensnah und mit menschlichen Eigenschaften authentisch ausgestattet, sie machen es dem Leser leicht, sich ihnen nahe zu fühlen und ihnen auf Schritt und Tritt zu folgen. Luna ist eine Frau auf der Suche nach ihren Wurzeln. Sie fühlt sich verloren, verlassen, verzweifelt und nicht wirklich angekommen. Erst bei ihrer Spurensuche in Italien lebt sie auf, wird aufgeschlossener, unternehmungslustiger und vor allem immer lebendiger. Man merkt richtig, wie bei ihr der Lebensmut zurückkehrt. Gitta ist eine tolle Freundin, die Luna beisteht und mit dem nötigen Humor vielen Situationen die Strenge nimmt. Anna war eine Kämpfernatur mit genügend Kraft für Widerstand. Sie liebte ihr Handwerk und hat sich mit ihren Kindern in einer schweren Zeit nicht unterkriegen lassen.
„Bella Musica“ ist von Anfang bis Ende ein absolutes Highlight: italienisches Flair, Musik, Liebe, alten Familiengeheimnisse und starke Protagonisten geben hier ein Stell-dich-ein. Wunderbar berührend erzählt! Absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2021
Der große Aufbruch
Carsta, Ellin

Der große Aufbruch


sehr gut

Abschied von den Hansens
1897. Seit ihre 2-jährige Tochter Viktoria ums Leben kam, besteht Luises Leben nur noch aus einer unbändigen Trauer. In ihrer Verzweiflung reist sie nach Kamerun, um möglichst viel Abstand zwischen sich und Hamburg zu bringen, aber auch, um dort ihrer Seele die Möglichkeit zu geben zu gesunden. Nach und nach erholt sie sich etwas von den hinter ihr liegenden Ereignissen und auch das Zusammentreffen mit ihrer ehemals großen Liebe Hamza trägt einiges dazu bei. Eigentlich wollte Luise Hamburg und das Kontor für immer hinter sich lassen, doch dann erfordern dringende Ereignisse ihre umgehende Rückkehr nach Deutschland. Ihr Ehemann Hans hat nicht nur die Scheidung verweigert, sondern ist im Begriff, sich Luises Besitz am Kontor anzueignen. Das kann Luise nicht zulassen und setzt alle Hebel in Bewegung, dies zu verhindern…
Ellin Carsta hat mit „Der große Aufbruch“ den achten Band ihrer historischen Hansen-Saga vorgelegt, in dem sie den Leser in ein spannendes Finale über das familiengeführte Kaffeeunternehmen führt, an dessen Ende er endgültig Abschied nehmen muss von liebgewordenen Charakteren und einer spannenden und unterhaltsamen Geschichte. Der flüssig-leichte, farbenfrohe und gefühlsbetonte Erzählstil lädt ein letztes Mal zu einer Reise in die Vergangenheit ein, wo der Leser sich sofort an Luises Fersen heftet und ihre überstürzte Abreise nach Afrika miterlebt. Luises Verzweiflung und ihr Schmerz über den großen Verlust ist spürbar und lässt auch den Leser nicht kalt. Die Autorin zeichnet die Zeit in Kamerun lebendig nach, mal als Ruhepol und Rückzugsort für Luise, aber auch die Gefahr, der Luisa als weiße Frau in dem Land ausgesetzt ist. Während Luise trauert, spinnt ihr Noch-Ehemann eine böse Intrige und zeigt sein wahres Gesicht einmal mehr ganz deutlich. Nebenbei erlaubt die Autorin dem Leser erneut Einblicke in den Familienableger in Wien, was zur Auflockerung beiträgt, während sich in Hamburg die Lage mehr und mehr zuspitzt. Luises Gedanken- und Gefühlswelt ist gut nachvollziehbar, ihre Trauer, aber auch Zerrissenheit gegenüber ihrer Heimat dabei durchgängig spürbar. Der Spannungsbogen wird immer wieder angefacht und strebt während des Finales noch einmal zum Höhepunkt.
Die Charaktere wurden erneut weiterentwickelt und nehmen den Leser mit ihren realistischen menschlichen Eigenschaften sofort in Beschlag. Luisa muss einen furchtbaren Schicksalsschlag verkraften. Sie, die sonst durch Stärke und Lebendigkeit glänzt, ist kraftlos und am Boden. Doch mit Hilfe lieber Menschen erholt sie sich und findet ihren alten Kampfgeist wieder. Robert Hansen ist ein integrer Mann mit Einfühlungsvermögen und Empathie. Luises Schwester Margarete ist eine arrogante und verwöhnte Egoistin, deren Welt sich nur um sie selbst dreht. Aber auch Hans, Florentinus und Hamza haben wichtige Rollen besetzt, denen die Handlung die eine oder andere spannenden Wendung verdankt.
„Der große Aufbruch“ ist ein gelungener Abschluss der fesselnden historischen Familiensaga. Liebe, Verlust, Trauer, Intrigen, interessante Charaktere und deren Entwicklungen sowie ein gut präsentierter historischer Hintergrund sorgen für kurzweilige und unterhaltsame Lektüre. Verdiente Leseempfehlung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.08.2021
Die Ärztin - Der Weg einer unerschrockenen Frau / Amelie von Liebwitz Bd.2
Fisch, Sabine

Die Ärztin - Der Weg einer unerschrockenen Frau / Amelie von Liebwitz Bd.2


ausgezeichnet

Amelies harter Kampf
1914 Berlin. Amelie von Liebwitz hat sich gegen alle Widrigkeiten zur Wehr gesetzt und ist nun Doktorin am Berliner Curias-Klinik, wo sie als Chirurgin tätig ist. Dort muss sie sich immer noch gegen ihre männlichen Kollegen durchsetzen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bietet Amelie nach einem Behandlungsfehler die Möglichkeit sich als Frau beim Militär zu melden. Sie wird als Ärztin in Bosnien eingesetzt, wo sie sich um die Versorgung der Frauen eines Bordells kümmert. Während der Krieg tobt, begegnet sie ihrer früheren großen Liebe Ernst Szabo wieder. Doch auch ein Geheimnis aus der Vergangenheit holt Dr. Amelie von Liebwitz wieder ein…
Sabine Fisch hat mit „Der Weg einer unerschrockenen Frau“ den zweiten Band ihrer historischen Reihe um die Ärztin Dr. Amelie von Liebwitz vorgelegt, der dem Vorgänger an Unterhaltungswert in nichts nachsteht. Auch hier besticht die Autorin mit akribischer Recherche und lässt die damalige Rolle der Frau wieder lebendig werden. Der flüssige, farbenfrohe, fesselnde und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser ins vergangene Jahrhundert eintauchen, wo er sich an der Seite von Amelie wiederfindet und sie auf ihrem harten Weg begleitet. Amelie ist eine Kämpfernatur, die sich in einer männerdominierten Welt zu behaupten weiß, wenn sie auch weiterhin der Missgunst und den Anfeindungen ihrer männlichen Kollegen gegenübersteht. Doch sie gibt den äußeren Anschein, dass alles an ihr abprallt, wenn es sie auch innerlich beschäftigt, und bleibt souverän. Der Einsatz in Bosnien ist für die Autorin der richtige Ansatzpunkt, um auf die Frauen aufmerksam zu machen, die während des Krieges unter Zwang dazu gedrängt wurden, ihren Körper zur Verfügung zu stellen, um ihre Familien zu ernähren. Die Schilderungen jagen den Leser durch eine Achterbahn der Gefühle und zeigen einmal mehr auf, dass Männer zu allen Zeiten Frauen für ihre Belange missbraucht haben. Überraschende Wendungen sowie die Begegnung mit einer alten Liebe lassen die Spannung immer wieder ansteigen und vor allem das Geheimnis aus der Vergangenheit lässt den Leser mitfiebern und unterstreicht Amelies großen Familiensinn.
Die Charaktere sind authentisch und lebensnah gestaltet, sie lassen mit ihren menschlichen Ecken und Kanten keine Wünsche offen. Der Leser verschmilzt mit Amelie und folgt ihr als unauffälliger Schatten. Amelie ist eine starke, selbstbewusste Frau, die ihren Beruf liebt und sich von niemandem beirren lässt. Sie ist hilfsbereit, mutig und vor allem kämpferisch, wenn es um die Dinge geht, die ihr am Herzen liegen. Ihre Intelligenz, Neugier sowie ihr Können bringt ihre männlichen Kollegen gegen sie auf, die mit Misstrauen und Neid reagieren, während einige wenige sie ohne Vorbehalte bewundern.
Mit „Die Ärztin-Der Weg einer unerschrockenen Frau“ ist der Autorin erneut ein sehr unterhaltsamer historischer Roman gelungen, der durch die akribische Recherche die damalige Zeit wunderbar wiederspiegelt und den Leser auf eine spannende Reise mitnimmt. Absolute Leseempfehlung!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.08.2021
Die Dorfärztin - Wege der Veränderung / Eine Frau geht ihren Weg Bd.2
Peters, Julie

Die Dorfärztin - Wege der Veränderung / Eine Frau geht ihren Weg Bd.2


gut

Familie und andere Schwierigkeiten
1928. Endlich verläuft in Helene „Lenis“ Leben alles so, wie sie es sich gewünscht hat. Als Landärztin wird sie im westfälischen Dorf Bockhurst endlich respektiert. Die Patienten geben sich die Klinke in die Hand und wollen sich von ihr behandeln lassen. Und mit ihrer Jugendliebe Matthias ist sie verheiratet, so dass die gemeinsame Tochter Marie endlich in geordneten Familienverhältnissen aufwächst. Aber dennoch gibt es wieder Probleme, denn Matthias findet einfach keine Anstellung, und Lenis Mutter meint immer noch, allen Familienmitgliedern in ihr Leben hineinpfuschen zu können…
Julie Peters hat mit „Wege der Veränderung“ den zweiten Teil ihrer unterhaltsamen historischen Dorfärztin-Dilogie vorgelegt. Der flüssige Erzählstil lässt den Leser ins Westfalen des vergangenen Jahrhunderts reisen, um dort erneut auf Leni Wittmann zu stoßen, die sich inzwischen im dörflichen Bockhurst als Landärztin etabliert hat. Nachdem sie anfänglich unter Misstrauen und dem Mangel an Patienten zu leiden hatte, hat sich die Situation nun ins Gegenteil verkehrt. Die Menschen kommen gern zu ihr und vertrauen ihrer Heilkunst. Die Beziehung zu Matthias scheint sich gefestigt zu haben, doch bleibt beim Leser immer ein gewisses Zweifeln, ob dieser sich nicht im nächsten Moment wieder auf und davon macht, sobald es Schwierigkeiten gibt. Über unterschiedliche Zeitebenen werden dem Leser immer wieder Perspektivwechsel angeboten, so dass er nicht nur die Beziehung zwischen Leni und Matthias besser verstehen lernt, sondern auch Lenis Beziehung zu ihrer eigenen Familie. Ihre Mutter hat ein sehr einnehmendes Wesen, muss sich in alles einmischen und meint, allen ihr Leben diktieren zu müssen. Da verwundert es nicht, dass Leni sich freigeschwommen und eine völlig andere Richtung eingeschlagen hat, um Abstand zu ihrer Mutter zu bekommen, wenn es auch nicht einfach war. Leni hat sich trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigung niemals klein kriegen lassen und ihre Ziele fokussiert. Der Spannungslevel ist auch in diesem Band recht niedrig, die Geschichte plätschert so vor sich hin, bleibt dabei aber unterhaltsam.
Die Charaktere sind einfach gehalten, aber mit den nötigen menschlichen Eigenschaften ausgestattet. Der Leser steht an ihrer Seite, ist aber mehr Beobachter als Teilhaber. Leni ist eine patente, mutige und kämpferische Frau, die sich nicht unterkriegen lässt und sich Widerständen in den Weg stellt. Sie hat sich den Respekt der Menschen hart verdient, gerade weil sie sich auf Gebiete vorwagt, die zu jener Zeit sonst nur Männern vorbehalten sind. Matthias ist zwar ein gutmütiger Mann, aber ein wankelmütiger Zeitgenosse, auf den man sich nicht verlassen kann. Dies trägt nicht gerade dazu bei, dass Leni sich bei ihm sicher fühlt und ihm vertrauen kann. Lenis Mutter ist eine wahre Pestbeule, die sich überall hineindrängt und die Menschen zu manipulieren versucht, während der Vater farblos und blass bleibt, um nur ja nicht aufzufallen.
„Wege der Veränderung“ ist eine kurzweilige Reise ins vergangene Jahrhundert. Familiengeschichte, Liebe und das Leben auf dem Land vor geschichtlichem Hintergrund ist unterhaltsam zu lesen, wenn auch ohne große Spannung. Eingeschränkte Leseempfehlung!

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.08.2021
Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18
Storks, Bettina

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18


ausgezeichnet

Die weinende Frau - Picassos Muse Dora Maar
Henriette Theodora Markovitch, Tochter eines kroatischen Architekten und einer französischen Mutter in Paris geboren und in Buenos Aires aufgewachsen, kehrt 1926 nach Paris zurück. Seit ihrem 12. Lebensjahr liebt sie die Fotografie und die Malerei und hofft, dies eines Tages studieren zu können, obwohl Frauen an den Universitäten nicht zugelassen sind. Dora konzentriert sich deshalb auf die Fotografie und perfektioniert ihre Fertigkeiten hier meisterlich, so dass ihr Werk „Pére Ubu“ große Aufmerksamkeit erhält. Das bleibt auch dem bereits bekannten Maler Pablo Picasso nicht verborgen, dem Dora 1936 in Paris vorgestellt wird und den sie heimlich schon lange verehrt. Während Picasso von ihrer dunklen geheimnisvollen Schönheit magisch angezogen ist und Dora schnell zu seiner Muse und seinem Modell kürt, gibt sie die Fotografie auf und sich einem Mann hin, der sie nicht liebt und schon bald egoistisch durch eine neue Frau ersetzt…
Bettina Storks hat mit „Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe“ einen wunderbaren biografischen Roman vorgelegt, der nicht nur fesselnd zu unterhalten weiß und den Leser durch so manche Gefühlsachterbahn schickt, sondern ebenso einer schillernden Frau ein Denkmal setzt. Der flüssige, atmosphärisch-dichte und farbenfrohe Erzählstil lädt den Leser ein, Dora Maar von Grund auf kennenzulernen. Die akribische Recherche der Autorin zahlt sich in jeder Hinsicht aus, denn Realität und Fiktion verschmilzen zu einer wunderbaren Einheit. Der Leser erlebt Dora mit ihren Eltern, ihr Leben mit dem Maler Pablo Picasso, taucht aber auch in ihr eigenes Wirken ein und darf sich ganz in das Wesen der Künstlerin hineinzuversetzen, um ihre Gefühle und ihre Handlungsweisen nachvollziehen zu können. Die Verbindung ihrer Eltern hatte schon etwas von einer toxischen Beziehung, die Mutter ewig unzufrieden, der Vater am liebsten nie zuhause. Dora wurde schon von ihnen eine Zerrissenheit vorgelebt, die sie dann selbst mit Pablo Picasso erleben sollte bis zur Selbstaufgabe. Dora trifft auf Picasso, als sie sich selbst aus eigener Kraft einen Namen gemacht hat und der Maler mitten in einer Schaffenskrise steckt. Der verheiratete Picasso, als Frauenheld verschrien, macht auch vor Dora nicht Halt, die schon lange heimlich für ihn schwärmte und macht sie zu seiner Geliebten und Muse. Dora bringt ihn wieder zum Malen, während sie ihre eigene künstlerische Laufbahn auf seinen Wunsch hin auf Eis legt. Sie steht ihm rund um die Uhr zur Verfügung, ist ihm regelrecht hörig. Am Ende muss Dora feststellen, dass sie austauschbar ist, dass all ihre Gefühle und all ihre Entbehrungen im Dienst der Liebe umsonst waren. Die Verbindung zwischen ihnen war hochexplosiv und doch war es ausgerechnet Dora, die immer wieder einlenkte, so sehr liebte sie ihn. Als Picasso die Beziehung beendete, zog es Dora den Boden unter den Füssen weg, sie stand vor dem Nichts, sowohl was ihre Gefühle anbelangte als auch als Künstlerin. Eindrucksvoll macht Storks die ungesunde Verbindung zwischen den beiden deutlich, während sie den Leser gleichzeitig durch die spannende Welt der Kunstszene schleust.
Die Charaktere sind hervorragend herausgearbeitet, sprühen vor Lebendigkeit und überzeugen mit glaubwürdigen Eigenschaften, so dass der Leser sie sehr genau kennenlernen darf. Dora ist eine Frau, die weiß, was sie will und ihre Ziele verfolgt. Sie ist geheimnisvoll, kreativ, temperamentvoll und vor allem sehr feinsinnig, was ihr viele schmerzvolle Erfahrungen einbringt. Picasso ist ein Egomane, selbstverliebt, anstrengend, verletzend und unsensibel. Er kennt nur sein eigenes Wohlergehen.
„Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe“ ist ein außergewöhnlicher historisch-biografischer Roman, der keine Wünsche offen lässt und eine ungewöhnliche Frau wieder zum Leben erweckt. Spät kommt der Ruhm, aber er kommt, zumindest mit diesem Roman, der Dora Maar ein Denkmal setzt. Absolute Leseempfehlung für ein Ausnahmewerk, Chapeau!!!

8 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2021
Wildtriebe
Mank, Ute

Wildtriebe


sehr gut

Nichts ist lauter, als der Schrei der Stille
Seit ihre Brüder im Krieg gefallen sind, hat die alte Lisbeth Bethches ihr ganzes Leben auf dem Großbauernhof verbracht, ihn erhalten und mit harter Arbeit gehegt und gepflegt, ist es doch das Familienerbe, das von Generation zu Generation getragen wird. Als Sohn Konrad mit seiner Ehefrau Marlies eine neue Frau auf den Hof bringt, geht Lisbeth natürlich davon aus, dass Marlies bei der Arbeit mit anpackt. Marlies jedoch hat ganz andere Pläne und denkt gar nicht daran, Lisbeth entgegen zu kommen, was schon bald zu größeren Konflikten führt. Dann wird Marlies ungewollt schwanger und mit Enkelin Joanna zieht die dritte Generation auf den Bethches-Hof. Die Konflikte zwischen den Frauen und der heranwachsenden Joanna verschärfen sich, denn sowohl Lisbeth als auch Marlies wollen diese auf ihre Seite ziehen. Aber Joanna hat eigene Pläne…
Ute Mank hat mit „Wildtriebe“ ein tiefgründiges Romandebüt vorgelegt, das nicht nur den Generationenkonflikt eindrucksvoll herausstellt, sondern auch die Protagonistinnen mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen wunderbar in den Fokus stellt. Der flüssige und atmosphärische Erzählstil lässt den Leser auf den Bethches-Hof einziehen, um dort durch wechselnde Perspektiven mal Lisbeths Gedanken- und Gefühlswelt, mal die von Marlies präsentiert zu bekommen. Die beiden Frauen sind so verschieden wie Tag und Nacht, sie stammen nicht nur aus unterschiedlichen Generationen, sie haben auch völlig verschiedene Ansichten. Lisbeth, durch den Krieg und den Verlust der Brüder geprägt und mit viel Verantwortungsgefühl ausgestattet, ist es nie in den Sinn gekommen, den Hof hinter sich zu lassen. Der Hof musste weitergeführt werden, was sie mit Ehemann Karl über Jahrzehnte klaglos gemacht hat, sie kennt es gar nicht anders. Marlies entstammt der Nachkriegsgeneration, ihr Einzug auf den Hof lässt sie in die zweite Reihe rutschen, denn dort hat Lisbeth das Sagen, alles soll so bleiben, wie es immer schon war und Marlies soll sich fügen bzw. einordnen in das Hofleben. Doch Marlies hat eigene Träume, eine Stelle als Verkäuferin in einem Kaufhaus, ein Führerschein und ein Jagdschein stehen an oberster Stelle. Die Schwierigkeiten sind vorprogrammiert, denn Lisbeth kann nicht aus ihrer Haut und Marlies will nicht in solch eine gesteckt werden. Joanna ist das Bindeglied zwischen Mutter und Oma, obwohl sie für ihr eigenes Leben sehr moderne und unangepasste Entscheidungen trifft. Gekonnt bringt die Autorin die unterschiedlichsten Frauensichtweisen an den Leser, der sowohl die eine als auch die andere Weise ohne Wertung nachvollziehen kann.
Die Charaktere der Frauen sind lebendig gezeichnet, die menschlichen Ecken und Kanten sehr gut eingefangen, so dass der Leser ihren Spuren folgt und jede Sichtweise nachvollziehen kann. Lisbeth ist verantwortungsvoll und fleißig, allerdings wirkt sie hart und belehrend, man kann es ihr nicht recht machen. Marlies wird von Lisbeth regelrecht erdrückt, doch das will sie nicht zulassen. Sie hat Träume, einige verwirklicht sie. Sie sieht sich immer in Konkurrenz zu Lisbeth, stellt sich ihr entgegen, doch richtig gelingen will es ihr nie. Joanna ist tierlieb, abenteuerlustig und will sich und die Welt ausprobieren. Sie hat ihren ganz eigenen Kopf, setzt sich durch. Karl und Konrad sind nur Randfiguren, die neben den drei Frauen regelrecht verblassen.
„Wildtriebe“ ist eine tiefgründige Geschichte über unterschiedliche Lebensentwürfe, Generationenkonflikte und die durch das Schweigen herrschende Stille innerhalb einer Familie, die dem Leser an manchen Stellen regelrecht in die Ohren schreit. Verdiente Empfehlung!

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2021
Der Himmel ist hier weiter als anderswo
Pauling, Valerie

Der Himmel ist hier weiter als anderswo


schlecht

Mit dem Kopf in den Wolken
Der Tod ihres Mannes wirft Geigenlehrerin Felicitas völlig aus der Bahn. Doch ein Unglück kommt bekanntlich nicht allein. So verliert sie binnen kurzer Zeit auch noch ihren Job und die Wohnung, in der sie mit ihren vier Kindern lebt. Mutig kratzt sie alles zusammen, was sie besitzt und kauft dafür einen renovierungsbedürftigen Gasthof, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Von Hannover geht es mit Sack und Pack ins Alte Land, denn ein Neuanfang ist bitter nötig für die ganze Familie, denn bisher war zum Trauern nicht viel Zeit. Aber die Eingewöhnung wird ihnen allen nicht leicht gemacht, der Gasthof muss erst einmal hergerichtet werden, was ohne Geld Wunschdenken gleicht. Der attraktive Nachbar von nebenan greift Felicitas oft und gern unter die Arme, doch immer wieder sieht es so aus, als wenn das Familienleben erneut gebeutelt wird…
Valerie Pauling hat mit „Der Himmel ist hier weiter als anderswo“ ihren Debütroman vorgelegt, der mit viel Dramatik und Tragik beginnt, was sich dann als ein Zuviel von Plattitüden und Effekthascherei herausstellt und nicht zuende geführt wird. Der flüssige Erzählstil macht den Einstieg in die Geschichte zwar leicht, doch verliert die Autorin sich im Verlauf ihrer Handlung von Hölzchen aufs Stöckchen und springt mal hierhin, mal dorthin, ohne ihre Gedankengänge zuende zu führen. Was leichtfüßig beginnt, wird mit fortgeschrittener Geschichte immer anstrengender und nicht mehr nachvollziehbar. Der Leser, der zu Beginn der armen Felicitas nebst ihren Kindern mitleidig zur Seite steht, kann viele ihrer Gedankengänge und Handlungsweisen kaum nachvollziehen, bleibt aber weiterhin tapfer bei der Stange daumendrückend, dass sie irgendwie die Kurve kriegt, da Trauer ja auch einen lähmenden Effekt hat. Aber trotz vieler Wendungen, einem attraktiven Nachbarn sowie der einzelnen Kinderschicksale verliert die Handlung irgendwie ihren Faden, da hilft auch die farbenfrohe Hintergrundkulisse des Alten Lands mit seinen Bewohnern nicht mehr viel. Die Geschichte driftet aufgrund einer überforderten, egoistischen Mutter und den langatmigen, nicht zuende gedachten Episoden immer mehr in die Bedeutungslosigkeit ab, zumal es zusätzlich an Spannungsmomenten fehlt.
Mit ihren Charakteren hat die Autorin ebenfalls kein besonders glückliches Händchen bewiesen, denn vor allem ihre Hauptprotagonistin, mit der der Leser eigentlich Mitleid haben möchte, ist manchmal nahezu unerträglich. Felicitas wirkt nicht nur irgendwie entrückt und abgehoben, sondern zudem egoistisch und überfordert. Sie kommt einem vor wie jemand, der sich in allen Punkten selbst beweisen will, aber sämtliche Dinge nur halb zustande bringt oder wie hier mehr schlecht als recht. Sie denkt zu wenig nach, suhlt sich im Unglück und stürzt sich kopfüber ins Chaos, ohne darüber nachzudenken, dass ihre Kinder auch trauern und Hilfe brauchen. Der Leser fragt sich immer wieder, warum diese Frau überhaupt Kinder in die Welt gesetzt hat, wenn sie diese wie einen Klotz am Bein behandelt und betrachtet. Auch die weiteren Protagonisten wie Jesko, Katharina, und Swen bleiben mehr als farblos und blass, während gerade die Kinder Rieke, Martha, Rasmus und der kleine Golo die Geschichte interessanter werden lassen.
„Der Himmel ist hier weiter als anderswo“ ist leider nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Geschichte verliert sich in Nebensächlichkeiten, vieles wird nicht zuende gedacht. Das Schlimmste allerdings ist die völlig unfähige und unsympathisch wirkende Hauptprotagonistin, die man am liebsten immer wieder schütteln möchte, damit sie mal mit den Füßen auf dem Boden landet. Was für eine Zeitverschwendung – keine Empfehlung!

11 von 17 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.08.2021
Die Zeit der Kirschen
Barreau, Nicolas

Die Zeit der Kirschen


sehr gut

"Die Kirschen in Nachbars Garten, die waren so süß und so rot" (Peter Alexander)
Seit einem Jahr sind Köchin Aurélie und Bestsellerautor André ein Paar, der Valentinstag soll nun die Krönung sein, denn André plant, seiner Herzdame endlich einen Heiratsantrag zu machen. Doch dann kommt alles völlig anders, als geplant. Aurélies Restaurant „Le Temps des Cerises“ ist nicht nur extem gut besucht, sondern bekommt ausgerechnet an dem Tag einen Michelin-Stern verliehen, was sich kurze Zeit später als Verwechslung herausstellt und den eigentlichen Gewinner Jean-Marie Marronnier auf den Plan ruft, der Aurélie anruft und diskreditiert. Bei einem gemeinsamen Fototermin mit Marronnier muss Aurélie sich eingestehen, dass der Mann gar nicht so übel ist. André kann seine Eifersucht kaum zügeln und sieht seine Felle davon schwimmen…
Jeder, der sich damals in die Geschichte von André und Aurélie verliebte, hat sich bestimmt oftmals die Frage gestellt, wie es mit den beiden wohl weiterging. Nun hat Nicolas Barreau mit „Zeit der Kirschen“ die Geschichte seines romantischen Bestsellers „Das Lächeln der Frauen“ fortgeschrieben und als Leser darf man erneut in die Stadt der Liebe reisen, um den weiteren Verlauf der Liebesgeschichte hautnah mitzuverfolgen. Flüssig, farbenfroh, charmant und mit viel französischem Flair bestellt der Autor seine Leserschar in Paris ein, um dort in Aurélies Restaurant den besten Platz zu ergattern und von dort die Geschicke der Protagonisten zu verfolgen. Durch wechselnde Perspektiven steckt man mal im Kopf von André, mal in dem von Aurélie, verfolgt ihre Gedankengänge und erlebt so auch die Missverständnisse, die bei den beiden immer wieder zu Irritationen führen. Aus dem Off wird mit einigem Witz kommentiert, was die Handlung noch lebendiger und nahbarer macht. Gekonnt verwebt Barreau Romantik mit Problematik, facht dabei das Gefühlsbarometer des Lesers an, der sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite schlägt und dem Ausgang regelrecht entgegenfiebert, während er sich vom Pariser Flair vereinnahmen lässt und allerlei Köstlichkeiten Nase und Gaumen in Entzücken versetzen. Die Fortsetzung ist zwar gelungen, doch es fehlt ihr an dem Überraschungseffekt und dem Bittersüßen, das der erste Band durch und durch verkörperte. Diese Geschichte ist zwar romantisch, kurzweilig und unterhaltsam, doch kann sie nicht ganz an „Das Lächeln der Frauen“ heranreichen.
Die Charaktere sind lebendig und authentisch in Szene gesetzt, ihre glaubwürdigen Ecken und Kanten nehmen den Leser sofort für sich ein, der sie auf Schritt und Tritt beobachtet. André ist beruflich erfolgreich, aber ohne richtiges Durchsetzungsvermögen und bei all seiner Schüchternheit ein Genießer. Aber er ist auch seiner bei Aurélie nicht sicher, was ihm so allerlei Kopfschmerzen bereitet und ihn oftmals wie einen Chaoten dastehen lässt. Zu lange hat er ihre Beziehung als selbstverständlich hingenommen und es im Alltag schleifen lassen. Aurélie ist eine wunderbare, liebenswerte Frau, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Sie hat ein großes Herz, das sie gern mit allen teilt. Jean-Marie versteckt hinter seiner arroganten Manier ein ganz annehmbares Wesen, doch sollte man immer genauer hinschauen.
Keine Frage: „Zeit der Kirschen“ ist romantisch, konfliktbeladen und durchaus lesenswert, beschert es dem Leser nicht nur eine wunderbare unterhaltsame Geschichte, bei der die Zeit dahinfliegt und man sich gedanklich ins zauberhafte Paris träumt. Doch diesem Roman fehlt das Bittersüße und die Magie von „Das Lächeln der Frauen“, deshalb nur eine verdiente Leseempfehlung!

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.08.2021
Drei Frauen und ein Sommer
Hutzenlaub, Lucinde

Drei Frauen und ein Sommer


sehr gut

"Schicksal ist nie eine Frage der Chance, sondern eine Frage der Wahl." (Isaac Newton)
Schon wieder hat die knapp 40-jährige Architektin Kiki kein glückliches Händchen, was Männer betrifft, denn für den Letzten war sie eine Affäre, bevor es zum Traualtar geht. Um ihr Mütchen zu kühlen, lässt sie sich von ihrer herrischen Mutter Helga zu einer Reise in die Schwäbische Alb überreden, um dort ihrer 91-jährigen Tante Elsie einen Besuch in der Rehaklinik abzustatten. Doch schon die Fahrt wird zum Albtraum aufgrund der Fahrkünste von Helga, die den Wagen mitten in der Pampa zum Streiken bringen. Auf der Suche nach Hilfe stranden die beiden Frauen in dem kleinen Dörfchen Ehrenweiler, wo Schreiner Jakob bald Kikis Herz höher schlagen lässt. Überhaupt strahlt der Ort was Magisches aus und Kiki das Gefühl gibt, schon einmal dort gewesen zu sein. Aber erst nach und nach offenbart sich Kiki, was es mit Tante Elsies Verbindung zu Ehrenweiler auf sich hat…
Lucinde Hutzenlaub hat mit „Drei Frauen und ein Sommer“ einen witzig-unterhaltsamen Roman mit tiefgründiger Note vorgelegt, in den sich der Leser erst einleben muss, um dann gern zu verweilen und sich als Teil der illustren Protagonistenrunde zu betrachten. Der locker-flockige, bildreiche und warmherzige Erzählstil lädt dazu ein, sich Kiki, Helga und Elsie anzuschließen auf eine Reise, die sowohl in die Vergangenheit als auch in die Gegenwart und am Ende in die Zukunft führt. Schon der Prolog, der von der Trennung von Elsie und Kurt im Zweiten Weltkrieg 1944 erzählt, die sich inniglich lieben, macht neugierig auf die Handlung, die nun folgt. Während Elsie sich in der Gegenwart von einem Bruch in einer Klinik erholt und das dortige Personal auf Trab bringt mit ihren Eigenheiten, ist das gegensätzliche Mutter-Tochter-Paar auf dem Weg zu ihr und landen ungewollt in dem Örtchen Ehrenweiler, das so viel mit Elsies Vergangenheit zu tun hat, was die beiden allerdings noch nicht ahnen. Die illustre Dorfbewohnerschar mit ihrer lebhaften Warmherzigkeit lässt Helga auftauen und in ihrem Element sein, derweil Kiki ihr Leben reflektiert und sich Hals über Kopf genau dem Mannsbild gegenüber sieht, der eigentlich der Richtige wäre, wäre er nicht der Falsche. Verrückte Welt, doch nach und nach lässt die Autorin den Leser Einzelheiten entdecken, bringt Elsies Vergangenheit mit ins Spiel und lüftet so alte Geschichten und Geheimnisse, die für alle nicht nur eine Überraschung, sondern vor allem auch für deren eigenes Seelenwohl von Bedeutung sind.
Die lebendig gestalteten Charaktere überzeugen durch glaubhafte menschliche Eigenheiten, die dem Leser das Gefühl geben, sie schon lange zu kennen und so mit ihnen eine Einheit zu bilden, die mitfiebern sehr einfach macht. Elsie ist eine spannende Frau, die schon als junges Mädchen so einiges erlebt hat, ein interessantes Leben führte und nun im Alter erkennen lässt, dass es immer nur den einen gegeben hat, dem ihr Herz gehört. Kiki wirkt für ihr Alter zu Beginn eher nervtötend naiv und ohne Antrieb. Sie ist unzufrieden mit ihrem Leben, benötigt aber noch den nötigen Schubs in die richtige Richtung, um endlich etwas zu ändern. Helga lernt man mit Haaren auf den Zähnen kennen, nur um dann festzustellen, dass die Frau nur resolut und lebenserfahren ist, sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen lässt und ein Herz besitzt, das weicher ist, als ihr niederstarrender Blick vermuten lässt. Jakob und Tochter Mia sind ein eingespieltes Team, zu dem auch „Little Richard“ gehört. Roswitha ist der Knaller, die ihren Theo voll im Griff hat. Überhaupt sind die Dorfbewohner das Tüpfelchen auf dem i.
„Drei Frauen und ein Sommer“ ist spritzig und voller Witz, warmherzig, lebendig und gefühlvoll, mitten aus dem Leben und doch irgendwie magisch. Und wer wünscht sich nicht ein wenig Magie gerade in diesem Sommer? Verdiente Empfehlung!

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