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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 24.05.2020
Error 404
Ernst, Michaela

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sehr gut

Jeder von uns betritt täglich die digitale Welt. Jetzt gerade, wo man sich je nach Alter im Home-Schooling, digitalen Semester oder im Home-Office befindet, merkt man es vielleicht besonders, aber auch wenn sich die Welt nicht um das Thema Corona dreht, gehört das Digitale zu unserem Alltag. Da machen wir Onlinebanking, shoppen, buchen Reisen und pflegen Freundschaften. Für die Generation, die damit aufwächst, ist das gewöhnlich kein Problem. Aber wie steht es um die etwas Älteren? Ist es nicht so, dass Menschen immer mehr durch Maschinen ersetzt werden? Sind nicht Arbeitsplätze bedroht, muss man sich nicht fürchten oder zumindest skeptisch sein?

Michaela Ernst ist Journalistin und Chefredakteurin eines Wirtschaftsmagazins. Vor einigen Jahren studierte sie berufsbegleitend, ihre Abschlussarbeit befasste sich mit den veränderten Arbeitsbedingungen durch Industrie-4.0-Prozesse, also mit sich selbst optimierenden Automatisierungsprozessen. Und sie gehört zu der Generation, die Commodore-Computer und Datasetten nicht nur aus dem Museum kennt, sondern vermutlich selbst noch damit arbeitete. In dieses Buch fließen sowohl die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit als auch persönliche Erlebnisse ein.

Der Untertitel „Wie man im digitalen Dschungel die Nerven behält“ trifft den Inhalt sehr gut. In 26 Kapiteln, von „A wie Amtswege“ bis „Z wie Zeitersparnis“ beschreibt, erklärt und analysiert Ernst unsere digitale Welt, unser „Digitalien“. Was versteht man beispielsweise unter Crowd Working oder Open Source? Was muss man bei Bankgeschäften im Netz beachten? Die Autorin gibt Tipps für den Umgang mit dem Beamten-Bot bei digitalen Behördengängen, diskutiert das Thema Überwachung oder setzt sich mit künstlichen Intelligenzen auseinander, die Bewerbungsschreiben „sichten“ und filtern.

Sie bemüht sich dabei um eine objektive Darstellung und ermutigt dazu, sich von der Digitalisierung nicht verunsichern zu lassen. Eine kritische, aber engagierte Auseinandersetzung ist gefragt, dazu gibt es am Ende jedes Kapitels eine Reihe von Tipps. Alles ist gut verständlich und unterhaltsam geschrieben, wirkt kein bisschen trocken und hat bei mir ein paar Wissenslücken gefüllt.

Emotionale Intelligenz, Greta Thunberg, Corona oder „O.k., Boomer“ - auch ganz aktuelle Themen finden ihren Platz. Ich fand den Gedanken hochinteressant, wie sich die Bedeutung von Industrie-4.0 wandeln könnte, wenn der Fokus auf die Schonung unserer Ressourcen statt auf die reine Produktivitätssteigerung gelegt würde.

Als unterhaltsames Bonbon gibt es einen Epilog mit „Geräten, Begriffen und seltsamen Verhaltensweisen aus unserer IT-Vergangenheit“. Ich habe sehr gelacht!

Fazit: Digitalien ist nun einmal da, weder Ignorieren noch Fürchten bringt uns weiter. Aber vielleicht der ein oder andere Tipp aus diesem gut verständlichen und unterhaltsamen Buch.

»Wenn wir schon Teil der Veränderung sind, sollten wir die Macht, diese mitzugestalten, nicht allein Datenexperten und 25-jährigen Programmierern von Algorithmen überlassen.«

Bewertung vom 20.05.2020
Geheimnisvolle Schönheiten
Friedrich, Tobias

Geheimnisvolle Schönheiten


ausgezeichnet

»Obwohl an der obersten Grenze der Ozeane, noch nahe am lauten Treiben, tauche ich bereits in eine Welt gedämpfter Geräusche ein. Und ohne die Last der Schwerkraft. In den Atempausen, zwischen den eigenen aufsteigenden Luftblasen, höre ich die Gespräche der Wale oder das Knistern und Knirschen fressender Papageienfische an Korallenriffen.«

Tobias Friedrich ist Unterwasserfotograf aus Leidenschaft. Sein Hobby hat er zum Beruf gemacht und mit seinen Bildern bereits mehrere Auszeichnungen errungen. Er hat in nahezu allen Gewässern der Erde getaucht, von Grönland bis zu den Tropen und sowohl winzig kleines Leben abgelichtet als auch die großen Bewohner, Wale und Haie. In dieses Buch fließen Ergebnisse aus mehr als 30 Reisen ein.

Friedrich hat sich auf die „Blackwater Photography“ spezialisiert. Dabei taucht er meist entweder in tiefster Nacht oder in der Abenddämmerung. Seine Motive in dunkler Umgebung zeigen dadurch besonders intensive und prächtig leuchtende Farben. Wichtig ist, möglichst nah an das Motiv heranzukommen, denn schon bei wenigen Metern Abstand verlieren sich die Farbtöne im Wasser.

Die Aufnahmen im Buch sind nach Wassertiefen geordnet, beginnend an der Oberfläche geht es immer weiter runter. Jedes neue Kapitel startet mit einem einleitenden Text. Der gesamte Textanteil im Buch ist gering, das Wichtigste sind nun mal die atemberaubenden Fotos. Allerdings habe ich die Texte als sehr ausdrucksstark empfunden, dem Autor gelingt es, zu den intensiven Bildern die passenden Worte zu finden. So vergleicht er beispielsweise Korallenbänke mit blühenden Gärten – ein Eindruck, den ich beim Betrachten der Fotos sofort unterschreiben würde. Und indem er die Korallenbänke ferner als „fragiles Bild der Harmonie“ beschreibt, drückt er zugleich die Verletzlichkeit und große Bedrohung dieses einmaligen Lebensraums aus.

Natürlich liegt ihm der Schutz der Meeresbewohner und der Erhalt ihrer Lebensräume am Herzen, entsprechend werden Themen wie Klimawandel, Plastikmüll und drohende Ausrottung von Haien zumindest kurz angerissen. Sehr interessant fand ich auch Friedrichs Ausführungen zu den besonderen Herausforderungen, die diese spezielle Art der Fotografie mit sich bringt.

Und dann die Fotos! So lebendig, so intensiv! Ich habe viele Jahre nicht mehr getaucht, aber wenn ich die Bilder betrachte, fühle ich mich wieder mittendrin und das Blättern im Buch wird zum Erlebnis.

Fazit: Ein wundervolles Buch! Wer sich für Fotografie und/oder die Unterwasserwelt interessiert, kann sich hier ein wahres Schmuckstück ins Regal stellen.

»In dieser fast vollständigen Dunkelheit merke ich besonders, dass der Mensch im Wasser frei und schwerelos ist. Es ist eine faszinierende, spannende, immer wieder neue Welt unter der Oberfläche. Und wir können sie betreten. Sie zu schützen, sie zu bewahren muss unsere Aufgabe sein. Klimawandel, Müll oder auch Tiefseebohrungen bedrohen diese Wunder der Ozeane. Die größte Gefahr in den Meeren bleibt immer noch der Mensch.«

Bewertung vom 17.05.2020
Der zweite Reiter / August Emmerich Bd.1
Beer, Alex

Der zweite Reiter / August Emmerich Bd.1


ausgezeichnet

»Ich will ganz sicher sein, dass es kein Selbstmord war. … Dietrich Jost hat für Gott, Kaiser und Vaterland gekämpft und einen hohen Preis bezahlt. Niemand tötet einen Kriegsveteranen und kommt ungestraft davon. Nicht in meiner Stadt.«

Wien, 1919. Rayonsinspektor August Emmerich kämpft auch nach Ende des Krieges täglich an zwei Fronten. Die eine Front ist seine Jagd auf Kriminelle und die andere Front die des schlichten Überlebens. Eine Kriegsverletzung erschwert beides. Sein Mitgefühl mit dem toten Veteranen ist daher groß und Emmerich stürzt sich in die Arbeit. Da ihm sein Vorgesetzter die Mordthese nicht glaubt ermittelt er heimlich, nur unterstützt von seinem Assistenten Ferdinand Winter, einem noch gänzlich unerfahrenen, jungen Mann. Die beiden stoßen bald an ihre Belastungsgrenze, denn bei dem einen Toten bleibt es nicht und plötzlich scheint es auch jemand auf Emmerich selbst abgesehen zu haben…

Dieser Kriminalroman hat mich wirklich begeistert! Die Autorin versteht es, die Atmosphäre der Nachkriegszeit lebendig werden zu lassen. Gemeinsam mit den Protagonisten ist man als Leser in einer Stadt unterwegs, die an allen Ecken von Spuren des Kriegs gezeichnet ist.
Bevölkert wird sie von körperlich und seelisch Versehrten, von desillusionierten Menschen, die täglich gegen Hunger, Not und Obdachlosigkeit kämpfen. Viele hängen einem Traum vom Auswandern nach, so manche fliehen in Alkohol und Drogen. Und wer gerade noch glaubt, eine gesicherte Existenz zu haben, kann durch einen Tritt des Schicksals plötzlich ganz am Boden sein. Daneben gibt es aber auch die, die immer noch im Luxus leben und natürlich die, die aus der allgemeinen Notlage Profit ziehen.

Man liest ja häufig von Ermittlern mit persönlichen und privaten Problemen, aber so dick wie bei Emmerich kommt es selten. Ich kann nicht sagen, dass er mir immer sympathisch war, aber ich fand ihn sehr authentisch und menschlich. Er ist ein guter und motivierter Polizist, aber die Frage nach Recht und Gerechtigkeit treibt ihn um und beeinflusst seine Aktionen. Zudem hat er Schwächen und macht Fehler, aber er entwickelt sich auch, wie man beispielsweise daran sehen kann, wie er mit seinem jungen Kollegen umgeht. Ich bin wirklich gespannt, wie es mit ihm weitergehen wird!

Den aktuellen Fall löst er jedenfalls. Nicht allein, er muss teilweise auf recht unkonventionelle Unterstützung zurückgreifen. Und er, der glaubt, schon alles gesehen zu haben, wird nicht nur in große Gefahr geraten, sondern zutiefst erschüttert werden. Die Autorin fährt so ziemlich alles auf, was man sich zu dieser Zeit an menschlichen Abgründen vorstellen kann. Das Schlimme ist: Es wirkt nicht übertrieben, sondern leider völlig stimmig. Im interessanten Anhang geht sie auf den historischen Rahmen ein und liefert Infos zu Schauplätzen und realen Personen.

Fazit: Großartiger Reihenauftakt! Ein spannender Kriminalfall vor einer intensiv-beklemmenden Kulisse. Hier lese ich auf jeden Fall weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.05.2020
Jack the Ripper
Püstow, Hendrik;Schachner, Thomas

Jack the Ripper


ausgezeichnet

Wenige Verbrechen haben es geschafft, so ins kollektive Gedächtnis zu gelangen, wie die Mordserie, die im Herbst 1888 das Londoner Armenviertel Whitechapel in Angst und Schrecken versetzte. Der Ripper, wie er bald genannt wurde, war nicht der erste Serienmörder und andere Serien forderten sogar noch weitaus mehr Opfer, doch der Ripper war der erste, der es zu weltweiter Bekanntheit schaffte. Die Grausamkeit der Taten löste das aus, was man gern als „Faszination des Schreckens“ bezeichnet und das abrupte Ende der Serie und die Tatsache, dass der Täter nicht ermittelt werden konnte, hält die Faszination bis heute wach. Die offiziellen Untersuchungen der Londoner Polizei endeten im Jahr 1892, aber immer noch versuchen Hobby- und Profifahnder (sogenannte Ripperologen) die Identität des Mörders herauszufinden.

Dieses Buch trägt alles zusammen, was es an Forschungsergebnissen gibt. Den Leser erwartet eine detaillierte Darstellung der Mordserie, die fast komplett auf der Basis von historischen Polizeidokumenten und Zeitungsartikeln rekonstruiert wurde. Dabei wird für das Verständnis des historischen Hintergrunds das Leben im Armenviertel beschrieben, das hier als „Schmelztiegel gescheiterter Existenzen“ bezeichnet wird. Wer sich schon mal gefragt hat, warum immer wieder Frauen mitten in der Nacht allein durch die Gegend liefen, obwohl sie sich der Gefahr genau bewusst waren, erhält hier Antworten. Natürlich werden die Mordopfer vorgestellt, die Schilderung der Taten selbst aber fehlt – wir haben es schließlich nicht mit einem Thriller zu tun und Zeugen für die Morde gab es (soweit man weiß) keine. Trotzdem wird es sehr blutig und schaurig, dafür sorgen Polizei- und Autopsieberichte. Auch einige der Fotos kann man trotz ihres Alters und der schwarzweißkörnigen Undeutlichkeit nur als schockierend bezeichnen.

Im Anschluss werden dann die zwanzig wichtigsten Verdächtigen ausführlich vorgestellt. Es musste natürlich eine Vorauswahl getroffen werden, denn die Liste umfasst mittlerweile über 150 Namen. Die Autoren beschränkten sich daher auf die „allgemein anerkannten heißesten Kandidaten“. Der Leser erfährt, was man zu ihren persönlichen Daten ermitteln konnte, er erhält Auskunft zu den möglichen Motiven, Tathintergründen und zu vorhandenen Untersuchungsergebnissen (Spurenauswertung). All diese Daten werden jeweils abschließend in einer Pro & Contra Auflistung gegenübergestellt. In der Summe ergibt das eine recht nüchterne Betrachtung, nur gelegentlich fließen persönliche Meinungen der Autoren ein und man ist als Leser in der Lage, sich selbst eine Meinung zu Schuld oder Unschuld zu bilden.

Eine nüchterne Betrachtung wird auch den berühmten Briefen zuteil. „From Hell“ oder nur Fake? Was man weiß, wird detailliert zusammengetragen, einschließlich Fotos und Texten. Interessant fand ich auch die Vorstellung der „Themse-Torso-Morde“, einer weiteren ungelösten Mordserie, die London zwischen 1887 und 1889 beschäftigte. Ist ein Zusammenhang möglich? Und wie viele Morde hat der Ripper nun eigentlich begangen? „Nur“ die „Kanonischen Fünf“, auf die sich die Forschung heute meist beschränkt, oder waren es doch mehr? Zu diesen potentiellen Opfern finden sich ebenfalls Informationen. Fotos, Illustrationen, Tatortskizzen und eine Übersichtskarte von Whitechapel ergänzen alles perfekt.

Das Buch erschien erstmals 2006. In meine Ausgabe (Update 2017) wurden die neuesten Ergebnisse der Forschung eingearbeitet. Tatsächlich hat es wohl in den letzten 25 Jahren diverse neue Infos zu den Morden gegeben. Immer wieder tauchen lang verschollene Unterlagen auf, im Jahr 1987 z.B. der Autopsiebericht von Mary Kelly. Zwei wichtige Quellen sind bis heute verschwunden. Sollten sie mal auf irgendeinem Dachboden in irgendeinem Nachlass gefunden werden, würden sich auf der ganzen Welt Ripperologen begeistert in die Arbeit stürzen.

Bewertung vom 04.05.2020
Älter wirst du sowieso
Ekmekcioglu, Cem

Älter wirst du sowieso


ausgezeichnet

»Sie finden in diesem Buch die wichtigsten Erkenntnisse für ein gutes und gesundes Leben. Mit etwas Engagement und einer »Investition« in Ihren eigenen Körper werden Sie davon langfristig profitieren können.«

Jeder kennt wohl den Spruch, dass man zwar gerne älter werden, aber nicht alt sein will. Dahinter steckt der Gedanke, dass das Alter nicht selten mit gesundheitlichen Problemen und sonstigen Beeinträchtigungen verbunden ist. Aber muss das zwingend so sein?

Cem Ekmekcioglu ist Facharzt für Physiologie und Ernährungsmediziner. Er beschäftigt sich in diesem Buch mit der Frage, wie lange und wie gut wir leben. Stichwort: „Gesundes Altern“. Im Kern geht es darum, nicht nur alt zu werden, sondern dabei möglichst wenige Einschränkungen durch Krankheiten und körperlichen Abbau ertragen zu müssen. Ein höchst erstrebenswertes Ziel, denn abgesehen vom Wohlbefinden bleibt ein Mensch, der gesund gealtert ist, länger autonom und unabhängig, wovon nicht nur der Einzelne profitiert, sondern auch die Gesellschaft.

Und wie bekommt man es nun hin mit dem gesunden Altern? Neben zweifelsfrei wichtigen Punkten wie Hygiene und medizinischer Versorgung kann man grob Faktoren, die man nicht beeinflussen kann (z.B. familiäre/genetische Belastung) und solche, die man beeinflussen kann, unterscheiden. Diese Letzteren, zu denen Lebensstil, Lebenseinstellung und Umgebung gehören, bilden den Schwerpunkt des Buchs.

Ausführlich wird jeder einzelne Punkt behandelt. Zum Bereich „Lebensstil“ gibt es detaillierte Abschnitte über Rauchen, Ernährung, Bewegung, Übergewicht, Schlaf, Demenz und die Bedeutung des Gesundheits-Check-ups. Wer sich noch nicht intensiv mit diesen Punkten beschäftigt hat, bekommt einen guten Überblick. Für mich gab es hier an reinen Fakten nichts Neues zu erfahren.

Es folgen die sozialen Faktoren, wie soziale Isolation, Einsamkeit und Partnerschaft, Ehrenamtliches Engagement und ökonomische Faktoren. Einige Punkte leuchten hier gleich ein. Dass Einsamkeit krank machen kann, ist nicht neu, aber dass man sich mit ehrenamtlicher Arbeit sogar selber einen Gefallen tun kann, fand ich sehr interessant.
Besonders fesselnd empfand ich dann den Abschnitt über psychologische Faktoren, Glück und positive Lebenseinstellung, Sinn, Lebensziele und Dankbarkeit. Positives Denken ist also nicht nur eine angenehme Sache, sondern überaus gut für die Gesundheit, ein Lächeln steigert das Wohlbefinden und über gute Dinge im Leben nachzusinnen, kann so einiges zurechtrücken. Ich muss sagen, ich habe hier einige für mich wirklich wichtige Gedanken mitgenommen.

Für seine Ausführungen hat der Autor übrigens zahlreiche wissenschaftliche Studien ausgewertet. (Es gibt im Buch auch einen Exkurs über solche Studien.) Diese Ergebnisse werden sehr ausführlich dargestellt, das wird zum Teil recht wissenschaftlich. Ein Fazit am Ende der Abschnitte fasst jeweils in einfachen Worten das Wichtigste zusammen. Dazu gibt es Tipps und Hilfen bei der Umsetzung, damit ein leichtes Einbauen in den Alltag möglich ist.

Der letzte Teil des Buchs befasst sich mit Aspekten, die im Alter eine Rolle spielen. Hier gehören zum Beispiel die Erinnerungen hin und der Wert, den sie für die Gesundheit haben können. Grund genug, sich frühzeitig einen ordentlichen Vorrat angenehmer Erinnerungen zuzulegen! Eine gelungene Zusammenfassung mit Minimalvorschlägen zum Einstieg für jeden Bereich rundet alles ab.

Fazit: Hier findet sich so ziemlich alles, was man zu den Punkten Gesundheit und Freude im Alter und auf dem Weg dahin, sagen kann. Sehr ausführlich, manchmal vielleicht etwas zu wissenschaftlich-korrekt, dafür aber mit vielen hilfreichen Tipps.

Bewertung vom 01.05.2020
Die Tote von Charlottenburg / Leo Wechsler Bd.3
Goga, Susanne

Die Tote von Charlottenburg / Leo Wechsler Bd.3


sehr gut

»Kurz gesagt, Sie wollen andeuten, dass die Kollegin keines natürlichen Todes gestorben ist?«

Berlin 1923. Die Inflation macht vielen Menschen das Überleben schwer. Eine Schwangerschaft gibt da nicht immer Grund zur Freude, muss Frau sich doch fragen, wie sie noch ein weiteres Kind ernähren kann. Und ist sie gar ledig, wird es noch schwerer. Dr. Henriette Strauss, eine sehr engagierte Ärztin und Frauenrechtlerin, hat sich mit einer Beratungsstelle für Frauen in Notlagen nicht nur Freunde gemacht. Aber ist eine solche Tätigkeit Grund genug, sie zu ermorden? Als sie tot in ihrer Wohnung gefunden wird, will ihr Neffe jedenfalls nicht an einen natürlichen Tod glauben. Kommissar Leo Wechsler ist schnell überzeugt und nimmt die Ermittlungen auf…

Dieser dritte Fall für Leo Wechsler und sein Team hat mich hervorragend unterhalten! Susanne Goga versteht es, den zeitlichen Hintergrund so einfließen zu lassen, dass zusammen mit der Krimihandlung eine lebendige und spannende Geschichte entsteht. Inflation, aufkommender Nationalsozialismus, Judenhass, Frauenrechte – all diese Themen bilden den Rahmen für den Krimi, sind dabei aber nicht so dominant, dass sie die Spannung mindern würden. Das gilt im gleichen Maße für Leos Privatleben, auch dieser Handlungsstrang fügt sich harmonisch ein und nimmt nicht überhand.

Der Krimi selbst ist ruhig angelegt, große Action findet nicht statt. Ich habe ihn so als sehr realistisch empfunden, sowohl was die Hintergründe als auch was die Ermittlungsarbeit angeht. Sehr gut gefiel mir, wie im Rahmen der Ermittlungen neue Ansatzpunkte herausgearbeitet wurden, denen das Team akribisch nachging. Manche Fährte wird sich als Sackgasse erweisen und obwohl ich recht früh die richtige Vermutung hatte, machte das Mitermitteln Spaß.
Für das Verständnis ist die Kenntnis der beiden Vorgängerbände nicht notwendig.

Fazit: Realistisch, schlüssig und mit gut angelegtem Hintergrund. So mag ich Krimis!

Bewertung vom 29.04.2020
Pompeji
Angela, Alberto

Pompeji


ausgezeichnet

Im Jahr 79 n. Chr. zerstörte ein gewaltiger Ausbruch des Vesuvs die Städte Pompeji, Herculaneum, Oplontis, Boscoreale, Terzigno und Stabiae und tötete ca. 5.000 Menschen. Praktisch jeden, der es nicht geschafft hatte, frühzeitig zu fliehen.

Alberto Angela studierte Naturwissenschaften und nahm als Paläontologe an zahlreichen Ausgrabungsprojekten teil. In diesem Buch erzählt er auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse von den letzten Tagen von Pompeji und den anderen Städten. Die Fakten werden dabei in eine lebendige Schilderung, wie eine Geschichte, eingebettet. Es gab einige wenige Überlebende, von denen man heute sicher weiß und auch zu einigen Opfern gibt es mittlerweile Erkenntnisse. Diese historisch belegten Personen begleitet man als Leser durch die Tage und Stunden vor und während des Ausbruchs.
Was ist damals genau geschehen? Wie haben die Bewohner der Stadt die letzten Tage und die Katastrophe erlebt? Wie lebten und arbeiteten sie überhaupt? Wie sahen ihre Häuser aus, wie waren sie eingerichtet? Wie verlief ein ganz normaler Tag? Wie arbeiteten Handwerker? Welche Vorzeichen kündigten den Ausbruch an und wie verlief er? Alberto Angela bezeichnet dies als „faktenorientierte Rekonstruktion“.

Die Schilderung beginnt wie ein Countdown 53 Stunden vor dem Ausbruch und endet einige Tage danach. Die einzelnen Stunden des Ausbruchs werden detailliert beschrieben.
Gerade dieser Countdown macht alles sehr spannend und dramatisch. Als Leser weiß man natürlich, was passieren wird und erkennt die Vorzeichen für das nahende Unglück. Und nun begleitet man auch noch bestimmte Personen durch diese Stunden! Ständig fragte ich mich, ob diese spezielle Frau, dieser Mann oder diese Familie überleben werden. Warum überhaupt sind nur so wenige geflohen?

Zahlreiche Erdstöße, ein kochender See, der nach Schwefel und faulen Eiern stinkt, verstummte Vögel, eine ganze Weide voller verendeter Schafe… Wir zählen da heute ganz schnell eins und eins zusammen. Die Menschen damals jedoch lebten ihren Alltag weiter. Sie waren vielleicht beunruhigt, befürchteten aber „höchstens“ Erdbeben, von denen es ja viele gab und an die sie in gewisser Weise gewöhnt waren. Hinzu kommt, dass der Vesuv, wie wir ihn heute kennen, nicht viel mit dem Berg gemein hatte, den die Bewohner damals sahen und kannten. Die meisten hielten ihn für einen ganz normalen Berg mit einer fruchtbaren Umgebung. Der Autor fordert nicht zu Unrecht den Leser auf, mal darüber nachzudenken, was man selber tun würde. Flucht bedeutet schließlich, viel oder gar alles zurückzulassen: Besitztümer, das Haus/Geschäft, das man sich erarbeitet hat, seine Tiere, nicht so mobile Angehörige… Und alles wegen einer nicht einschätzbaren Bedrohung? Vielleicht würde ja gar nichts wirklich Schlimmes passieren?

Dem Autor gelingt hier der perfekte Mix. Er vermittelt zahlreiche hochinteressante Fakten und Infos, erklärt auch Fachliches sehr gut verständlich und schafft es gleichzeitig, dass man sich mitten im Geschehen fühlt. Dadurch entsteht zwangsläufig Betroffenheit und Mitgefühl mit den Menschen, einige Schilderungen gingen mir sehr nah. Angelo kritisiert das Verhalten vieler Besucher der heutigen Ausgrabungsstätten und fordert dazu auf, den Opfern dort Respekt entgegenzubringen. Sollte ich irgendwann einmal dorthin kommen, werde ich vermutlich ständig einen Kloß im Hals haben, weil ich an das denken werde, was ich hier gelesen habe.

Neben zwei großen Karten der Ausgrabungsstätte von Pompeji und der ganzen Region finden sich im Buch weitere Karten und erläuternde Skizzen. Außerdem gibt es zwei beeindruckende Bildteile mit farbigen und großformatigen Abbildungen und Fotos. Im Anhang setzt sich Angela noch detailliert mit der „Sommer- bzw. Herbstthese“ auseinander, präzise mit der Frage, ob der Ausbruch im August oder im Oktober stattfand.

Fazit: Hier wird Geschichte lebendig. Hochdramatisch, mitreißend und informativ zugleich.

Bewertung vom 19.04.2020
Todeshaus am Deich
Nygaard, Hannes

Todeshaus am Deich


gut

»Nur schwach war das Röcheln zu vernehmen, das aus der Kehle drang. Der magere Oberkörper bäumte sich mit der Kraft auf, die dem alten Menschen verblieben war, und die dürren Arme griffen panisch zum Hals.«

In der Hauke-Haien-Seniorenresidenz geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Natürlich muss man dort immer mit dem Ableben eines Bewohners rechnen, aber eine Häufung und unklare Begleitumstände machen dann doch stutzig. Grund genug für das Team der Kripo Husum, sich das Heim mal genauer vorzunehmen.

Bei einem solchen Szenario denkt man natürlich sofort an einen Todesengel, der sein Unwesen treibt. Für Hauptkommissar Christoph Johannes und seine Kollegen gibt es aber bald noch weitere mögliche Ansatzpunkte. Warum benimmt sich der Heimleiter so eigenartig? Wieso ist eine nahe Angehörige eine Woche lang verschwunden? Und auch bei ein paar Heimbewohnern machen die Ermittler ungewöhnliche Beobachtungen. Ein verzwickter Fall!

Dieses Buch hat mich zum Ende hin geärgert. Ich mag die Reihe, habe mit diesem Band hier nun die ersten fünf gelesen. Was immer stimmt, ist die gut dargestellte Küstenatmosphäre und die unterhaltsamen Frotzeleien der doch sehr unterschiedlichen Ermittler. Vor allem Oberkommissar Große Jäger ist ein starker und ziemlich spezieller Charakter, ich freue mich immer über seine Auftritte. Außerdem finde ich es gut und deutlich beschrieben, dass hier keine spezialisierte Mordkommission am Werk ist, sondern dass man bei der Kripo Husum auch noch andere Aufgaben hat. Das wirkt sehr realistisch. Diesmal wird zum Beispiel ein junger Mann aufgrund eines Hilfeersuchens aus Münster gesucht. Eine interessante Nebenhandlung, die vom Team ebenfalls engagiert angegangen wird.

Über weite Strecken war daher für mich alles gut. Doch dann kamen die Auflösungen. Speziell der Hauptfall endet überstürzt und platt, das konnte mich so nicht überzeugen. Es ist einer dieser Fälle, wo sich mir das Gefühl aufdrängt, dass der Autor vier Seiten vor Schluss realisiert, dass er jetzt irgendwie zum Schluss kommen muss. Ein ähnliches Empfinden hatte ich bei der eigentlich guten Nebenhandlung, sie endete einfach zu abrupt.

Fazit: Interessanter Fall und sympathische Ermittler, aber diesmal schwächelt die Auflösung.

Bewertung vom 17.04.2020
Unerklärliche Beschwerden?
Pohl, Helga

Unerklärliche Beschwerden?


ausgezeichnet

Ihnen fehlt nichts. Freuen Sie sich, Sie sind gesund. Verspannungen hat jeder. Lassen Sie doch mal locker! So ganz jung sind Sie ja nicht mehr. Das ist vielleicht unangenehm, aber harmlos.
Wem von diesen Aussagen etwas bekannt vorkommt, für den wurde dieses Buch geschrieben. Ich hatte mich schon fast daran gewöhnt, dass am Ende eines Arztbesuchs für mich die Diagnose „psychosomatisch“ steht. Liebe Mediziner, bitte nicht falsch verstehen! Ich möchte nicht hören, dass ich krank bin. Aber ich möchte irgendeine Perspektive haben, meine Beschwerden loszuwerden.

Über eine Bekannte kam ich an dieses Buch. Ihr hatte die Therapie geholfen und auch der Bekannten, von der sie den Tipp erhielt. Was soll ich sagen? Ich begann zu lesen und fühlte mich sofort angesprochen.

Die Autorin wurde selber aus eigener Erfahrung heraus aktiv. Dr. Helga Pohl ist Psychologische Psychotherapeutin. Nach einer langen persönlichen Leidenszeit als Schmerzpatientin (sie galt als hoffnungsloser Fall) beschäftigte sie sich ab 1990 mit körpertherapeutischen Verfahren und entwickelte letztlich die „Sensomotorische Körpertherapie“. Die Methode zeigte sich als sehr erfolgreich und so orientierte sie sich beruflich um. Sie gründete das Körpertherapie-Zentrum in Starnberg bei München, gibt Seminare und bildet Therapeuten aus. Es gibt mittlerweile zahlreiche Therapeuten, die man über eine Therapeutenliste im Internet findet. Seit 2019 läuft ein Forschungsvorhaben über die Wirksamkeit der Therapie an der Universität Jena.

Das Buch stellt ausführlich die Therapie vor. Es ist umfangreich, liest sich aber sehr leicht. Im ersten Teil geht es zunächst darum, den eigenen Organismus und seine Beschwerden besser zu verstehen. Die medizinischen Grundlagen werden dabei gut verständlich erklärt. Hier dreht sich dann auch viel um den Bereich der psychosomatischen Beschwerden und um die Entstehung von Verspannungskrankheiten. Man lernt den eigenen Körper kennen und erfährt, was man selber tun kann.
Danach folgen einzelne Kapitel für „Beschwerden von Kopf bis Fuß“. Hier gibt es viele Beispiele, die ausführlich beschrieben werden, jeweils mit Abbildungen und Fotos. Es geht darum, Fehlhaltungen zu erkennen und zu verstehen, wie Probleme zusammenhängen. Was macht man falsch und wie lässt es sich verbessern? Gut erklärte Bewegungs- und Spürübungen am Ende der Kapitel helfen dabei.

Grundsätzlich besteht die Therapie aus fünf Verfahren:
1. Pandiculations nach Thomas Hanna
2. Triggerpunktbehandlung mit Bewegung
3. Manuelle Bindegewebsbehandlung der Haut und Unterhaut
4. Sensomotorische Übungen
5. Körperbewusstseinstraining (ganz wichtig für eine dauerhafte Heilung)

Ich habe ein paar wichtige Dinge realisiert. Zunächst einmal: Es gibt unwillkürliche Verspannungen. Die kann man willkürlich nicht mehr lösen, da gibt es kein bewusstes Lockerlassen mehr. Das erklärt so manches.
Dann: Der Mensch ist eine zusammenhängende Einheit. Jede Körperfehlhaltung führt automatisch zu einer Kopffehlhaltung. Jemand mit einer Körperfehlhaltung hat immer auch Nackenverspannungen. Verspannungen führen wieder zu Fehlhaltungen. Und die wieder zu Bewegungsstörungen. Übler Kreislauf. Mir wird klar, weshalb im Lauf der Zeit immer neue Problemstellen dazukommen.
Ich habe sehr viel über Muskulatur und Bindegewebe erfahren, über Überempfindlichkeiten und das Schmerzgedächtnis. Über sensomotorische Amnesie in verspannten Partien. Und nachdem mich die Lektüre überzeugt hatte, habe ich mir einen Therapeuten gesucht. Nach jetzt fünf Behandlungen habe ich das Gefühl, dass sich etwas ändert, bessert, in die richtige Richtung bewegt. Ich habe ein gutes Gefühl.

Fazit: Hilfe für Menschen mit funktionellen, „psychosomatischen“ Erkrankungen. Sehr informatives, gut strukturiertes und übersichtliches Buch.

Bewertung vom 11.04.2020
Eisiger Nebel / Theo Krumme Bd.6
Berg, Hendrik

Eisiger Nebel / Theo Krumme Bd.6


ausgezeichnet

»Irgendetwas hatte sich geändert. Das spürte sie beim Blick auf den Nebel, der in einer leichten Brise pulsierte wie ein lebendiges Tier. Ein Schauer kroch über ihren Rücken, als die unbestimmte Ahnung in ihrem Bewusstsein Konturen annahm.«

Etwas bedroht die Menschen an Nordfrieslands Küste. Wenn sie nur wüssten, was es ist! Der bösartige Wolf, von dem berichtet wird? Der Mörder, der für die schrecklich zugerichtete Leiche verantwortlich ist, die aus dem Hafenbecken gezogen wurde? Die heftige Kältewelle setzt selbst abgehärteten Friesen zu – und dann dieser Eisnebel, in dem sich irgendetwas Bedrohliches zu verbergen scheint…
Kommissar Krumme und seine Kollegin Pat verfolgen die Spur des Täters in ein winziges Dorf auf der Halbinsel Eiderstedt. Die Dorfgemeinschaft dort hält fest zusammen, hat aber keine Vorstellung davon, was auf sie zukommen wird.

Schon der sechste Band für Theo Krumme – und ich habe ihn wieder von der ersten bis zur letzten Seite genossen. Es stimmte wirklich alles. Die Ermittler haben einen verzwickten Fall zu lösen, was am Ende auch logisch stimmig geschieht. Dazwischen wechseln spannende Momente mit unterhaltsamen ab. Unterhaltsam wird es für mich immer, wenn Krumme sich selbst im Weg steht oder meine Lieblingscharaktere Harke und Watson auftauchen. Ich denke, Hendrik Berg weiß ganz gut, dass er auf die beiden in keinem der hoffentlich noch zahlreichen Folgebände verzichten darf ;-)

Was dem Autor immer (und auch hier) hervorragend gelingt, ist die Schaffung dieser ganz besonderen Atmosphäre. Ich lese gern Küstenkrimis, aber hier sehe ich mich in Gedanken besonders oft durch die einmalige Landschaft laufen. Ich rieche das Meer, höre seine Geräusche, den Wind, die Schafe, bekomme Appetit auf Tee… kurz: ich würde am liebsten sofort meinen Koffer packen. Außerdem ist da diese leicht unheimliche Stimmung, dieses unbestimmt gruselige Gefühl, das man zum Beispiel von Nachtwanderungen im Wald kennt. Der Verstand weiß eigentlich, dass nichts Bedrohliches im Dunkel lauert, trotzdem macht sich ein mulmiges Gefühl im Magen breit.
Ist da was mit diesem Nebel? In diesem Nebel? Einfach toll geschrieben!

Über einige von Krummes Eigenarten kann man besonders schmunzeln, wenn man seine Entwicklung verfolgt hat. Für das grundsätzliche Verständnis ist die Kenntnis der Vorgängerbände aber nicht erforderlich.

Fazit: Die Atmosphäre und einige besondere Charaktere machen den besonderen Reiz dieser Reihe aus. Wer spannende Küstenkrimis sucht, liegt hier richtig.