Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
MaWiOr
Wohnort: 
Halle

Bewertungen

Insgesamt 3573 Bewertungen
Bewertung vom 19.06.2023
Ernst Ludwig Kirchner

Ernst Ludwig Kirchner


ausgezeichnet

Der deutsche Maler Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) war mit gleichgesinnten Künstlern ein Mitbegründer der Künstlergruppe „Die Brücke“ in Dresden und ein bedeutender Vertreter des deutschen Expressionismus. Seine meist großflächigen Bilder zeichnen sich durch eine starke Farbigkeit aus. Seine Hauptwerke expressionistischer Malerei halten Straßenszenen und Menschen in der Großstadt fest. Die Bilder weisen stark vereinfachte Formen auf und zeigen die Hektik der Zivilisation.

Vom 30. April bis zum 9. Juli 2023 präsentiert das Kunstforum Ingelheim (Altes Rathaus) erstmals das künstlerische Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner in einer monografischen Ausstellung im Rahmen der Internationalen Tage in Ingelheim. Mit über 90 Werken – Zeichnungen, Aquarellen, Druckgrafik und einigen beispielhaften Gemälden – werden Einblicke in die wichtigsten Stationen eines der einflussreichsten Künstler in Deutschland gewährt. Die Schau zeigt Werke, die aus öffentlichen wie privaten Sammlungen in Deutschland und der Schweiz als Leihgaben zur Verfügung gestellt werden.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche Katalog zu dieser bemerkenswerten Ausstellung erschienen, in dem alle ausgestellten Werke farbig reproduziert sind. In sechs informativen Essays widmen sich renommierte KunsthistorikerInnen bestimmten biografischen und künstlerischen Aspekten. So beschäftigt sich Meike Hoffmann mit Kirchners Dresdner Ateliers als „Orte der Freiheit“. Karsten Müller widmet sich unter dem Titel „Eine neue Schönheit“ Kirchners Straßenszenen, Thomas Röske beleuchtet die Selbstdarstellungen Kirchners in der Krise und Aya Soika verfolgt die Spuren Kirchners auf Fehmarn. Abschließend widmet sich Ulrich Luckhardt Kirchners Werk, das während seines Aufenthaltes in Davos entstanden war. Ergänzt wird der Katalog mit einer Kurzbiografie, die die wichtigsten Lebensstationen Kirchners dokumentiert.

Bewertung vom 19.06.2023
Werner Berg
Scheicher, Harald

Werner Berg


ausgezeichnet

Der deutsch-österreichische Künstler (1904 in Eberfeld (Wuppertal geboren) war ein Außenseiter in der Kunstszene des Alpenlandes. Nach dem Studium der Staatswissenschaften und dem Besuch der Akademien in Wien und München ließ er sich auf den Rutarhof im Südosten Kärntens nieder. Der entlegene Bergbauernhof war fortan sein Lebensmittelpunkt und Schaffensort.

In der Stadt Bleiburg wurde 1968 das Werner Berg Museum eröffnet, das neben dem OEvre von Werner Berg auch Sonderausstellungen zu anderen Künstlern durchführt. Vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2023 macht die Ausstellung „Rutarhof“ aber mit Bergs Lebensort und dem dort entstandene Werk bekannt, das eine untrennbare Einheit von Kunst und Lebenspraxis bildet.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche und reich illustrierte Begleitkatalog zu dieser interessanten Ausstellung erschienen. Der Kunsthistoriker Harald Schleicher schildert neben der Biografie Bergs auch ausführlich die Lebensgrundlagen der Familie und die Naturgegebenheiten des abgelegenen Bauernhofes. Fern aller Konventionen des bürgerlichen Alltags entstand ein vielschichtiges Werk, das in meist farbigen und großformatigen Abbildungen vorgestellt wird. Ergänzt wird die Illustration durch zahlreiche historische Aufnahmen und Privatfotos, die dieses einmalige Bauern- und Künstlerleben auf dem Hof in seinen vielen Aspekten dokumentieren. Am 7. September wurde Werner Berg tot in seinem Atelier aufgefunden. Der Katalog gewährt einen profunden Einblick in das Werk des außergewöhnlichen Künstlers zwischen Expressionismus und Pop-Art.

Bewertung vom 12.06.2023
Das kleine Boot in meiner Hand nenn ich Narbe
Shemoelof, Mati

Das kleine Boot in meiner Hand nenn ich Narbe


ausgezeichnet

Mati Shemoelof ist ein arabisch-jüdischer Schriftsteller aus Haifa in Israel, der seit einigen Jahren in Berlin lebt. Seine erste Veröffentlichung in Deutschland war eine Sammlung von Gedichten „Bagdad | Haifa | Berlin” (2019). Nun folgt mit „Das kleine Boot in meiner Hand nenn ich Narbe“ ein zweiter Gedichtband, der in einer Auswahl in der Parasitenpresse Köln erschienen ist.

Im hebräischen Original besteht der Band aus fünf Poemen, in denen die Ge-schichte der Familie des Autors in Form von lyrischen Erzählungen dokumentiert wird. Das erste Poem ist seinem verstorbenen Vater gewidmet, der in Haifa als Verkäufer gearbeitet hatte. In den Gedichten tauchen immer wieder Erinnerun-gen auf („Du vermachst mir / verschwommene, verblichene Fotos / verstaubte, gut sortierte Briefmarkensammlungen“). Das zweite Poem „Die Poesie erreicht den Kreißsaal“ ist von Vaterglück geprägt, denn hier steht seine Tochter im Mittelpunkt („Ich kenne ein Mädchen, das mir eine Heimat schenkt“).

Im dritten Poem „Stützpunkte, die nichts erinnern“ verarbeitet Shemoelof das Trauma seines Militärdienstes („Das Weinen des Soldaten und das Weinen des Besiegten / lassen sich niemals vergleichen / und dennoch weinen sie beide heute Nacht“). Im vierten Poem „Babylon-Berlin“ wird mit verschiedenen Sprachen (Deutsch, Hebräisch und Englisch) eine neue diasporische Sprache erschaffen („Wir trafen uns auf Deutsch, um über das Arabische zu reden, / das sich nach dem Hebräischen sehnt“). Das fünfte und letzte Poem „Kann mich nicht niederwerfen aufs Grab meiner Großmutter“ spielt in der Corona-Pandemie, wo es Shemoelof versagt war, zur Beerdigung seiner Großmutter in Bagdad zu reisen („Das Grab des Gedichts öffnet sich und schließt sich wieder / du willst ihr ein Abschiedslied auf Aramäisch singen“).

Fazit: Der schmale Gedichtband ist eine wunderbare Gelegenheit jüdisch-arabische Lyrik und Gedankenwelt kennenzulernen.

Bewertung vom 29.05.2023
Wahre Geschichten um Friedrich Nietzsche
Schenkel, Elmar

Wahre Geschichten um Friedrich Nietzsche


ausgezeichnet

Friedrich Nietzsche (1844-1900) ist weltweit einer der bekanntesten Philosophen. Seine Philosophie basierte auf keinem klassischen philosophischen System an sich. Sein Werk ist stark von Einflüssen Schopenhauers und dessen Willensmetaphysik geprägt. Nietzsche verstand Philosophie nicht als Wissenschaft, sondern als Kunst. Sein Denken und seine Schriften sind nach wie vor sehr aktuell und spielen in gesellschaftspolitischen Fragen eine sehr große Rolle.

In der beliebten Reihe „Wahre Geschichten“ des Tauchaer Verlages hat der Anglist und Schriftsteller Elmar Schenkel einige biografische Geschichten zu Nietzsche zusammengetragen, die aber zum Teil auch über sein Leben hinausgehen bis in das 20. und 21. Jahrhundert. Wer sich mit Nietzsche etwas auskennt, wird hier vertraute Episoden finden. Doch es gibt auch zahlreiche unbekannte Gegebenheiten und Vernetzungen zu entdecken. So erfährt der Leser/die Leserin etwas über Nietzsches Zettelwirtschaft oder über seine Versuche mit einer Schreibmaschine, die dem Sehschwachen unentbehrlich schien. Seine „Schreibkugel“ half ihm schließlich, weiter lesbar schreiben zu können.

An die 20 Fotoaufnahmen ließ Nietzsche von sich im Laufe seines Lebens machen. Viele dienten der Selbstinszenierung. Schenkel erzählt die Besonderheiten dahinter. Weiter enthüllt er, dass der größter Nonsens-Dichter deutscher Sprache, Christian Morgenstern, ein begeisterter Nietzsche-Fan war. Natürlich fehlt auch nicht der Begriff „Übermensch“, mit dem Nietzsche häufig assoziiert wird, doch es war keine Erfindung des Philosophen.

Achtzehn „wahre Geschichten“ zeigen die unterschiedlichen Facetten des Philosophen Nietzsche, der als „Krisendenker“ heute durchaus aktuell ist. Zudem wird die Neuerscheinung mit zahlreichen SW-Abbildungen illustriert.

Bewertung vom 29.05.2023
Wie Philosophen an sich selbst scheitern
Böhmer, Otto A.

Wie Philosophen an sich selbst scheitern


ausgezeichnet

Von Philosophen erwarten wir gewöhnlich, dass sie uns die Welt erklären. Oder sie stellen wichtige, allgemeine Fragen, um die Welt zu verstehen. Doch auch die größten Denker können irren, denn gerade mit den Tücken des Alltags kommen sie nicht unbedingt gut zurecht. Manch großartiger Gedankengang erweist sich in der Realität als ein Schuss in den Ofen.

Der Schriftsteller Otto A. Böhmer, der schon über Schopenhauer und Hegel veröffentlichte, hat in seinem neuen Buch zahlreiche kleine Begebenheiten im Leben der Philosophen zusammengetragen, die ihr Scheitern im wirklichen Leben – meist auf humorvolle Weise - dokumentieren. So erzählt der Autor von dem missmutigen Thales von Milet, der auch ein großartiger Mathematiker war - als ihn ein Kind jedoch mit „alter Mann“ anspricht, feststellen muss, wie schnell die Zeit vergeht. Der italienische Philosoph Machiavelli verließ sein Arbeitszimmer gern, um in einem Wirtshaus sich beim Kartenspiel mit einfachen Leuten zu vergnügen, ehe er sich wieder den „alten Meistern“ widmete.

Immanuel Kant hatte einen Traum, in dem der Junggeselle eine Frau hatte und ihm die Ehrendoktorwürde einer amerikanischen Universität verliehen werden sollte. Es war nur ein Traum. Karl Marx ist in Eiseskälte in einem Londoner Park unterwegs, wo in der Saukälte Erinnerungen an frühere Liebschaften auftauchen. Zum Schluss sitzt der französische Philosoph Jean-Paul Sartre in einem russischen Restaurant, wo er auf Simone des Beauvoir wartet und mit dem Kellner ins Gespräch kommt. Doch der Wodka hat seine Sinne schon etwas vernebelt.

Sokrates, Seneca, Descartes, Rousseau, Fichte, Nietzsche, Heidegger oder Adorno … rund sechzig Begebenheiten, Alltagssituationen (ob wahr oder nicht wahr) oder Absonderlichkeiten mit den großen Philosophen hat Böhme aufgespürt und zu einem Lesespaß vereinigt.

Bewertung vom 28.05.2023
Frida Kahlo
Grenzmann, Teresa

Frida Kahlo


ausgezeichnet

Die mexikanische Malerin Frida Kahlo (1907-1954) gehört zu den bedeutendsten Vertreterinnen einer volkstümlichen Entfaltung des Surrealismus. Sie wurde vor allem mit ihren farbenfrohen Selbstporträts bekannt. 65 ihrer 150 Kunstwerke zeigen sie selbst. Sie war mit dem Maler Diego Rivera verheiratet, doch Kahlo schuf ihren eigenen persönlichen Stil, in dem sie Aspekte aus ihrem Leben mit Elementen der Natur und der mexikanischen Identität vermischte. Außerdem trat sie der Kommunistischen Partei Mexikos bei und engagierte sich in der Politik, hielt Reden, organisierte Petitionen, mobilisierte die Kunstsze-ne.

Der Band 43 der bekannten Reihe „Junge Kunst“ macht auf achtzig Seiten mit der Ausnahmekünstlerin bekannt, die auch heute noch eine feministische Identifikationsfigur ist. Zunächst gibt die Kulturjournalistin Teresa Grenzmann einen Überblick über das vielfältige Schaffen der Malerin – von ihren Anfängen bis zu ihrem Spätwerk. Besondere Themen sind „Malerei: Eine Befreiung vom Leiden“ oder „Leben für die Kunst: Emanzipation und Erfolg“. Dieser umfangreiche Textteil ist mit zahlreichen Gemäldeabbildungen (teilweise ganzseitig) illustriert.

Es folgt ein biografischer Textteil mit den wichtigsten Lebensstationen und einigen historischen Abbildungen. Natürlich fehlt auch nicht der traditionelle Abschluss „Archiv“ mit einigen Fundstücken und Dokumenten aus den Jahren 1944-1954. Fazit: Eine kompakte und gelungene Einführung in Werk und Leben von Frida Kahlo.