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Bücherfee

Bewertungen

Insgesamt 389 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2018
Hortensiensommer
Sosnitza, Ulrike

Hortensiensommer


sehr gut

Ein Garten kann eine Welt für sich werden, dabei ist ganz gleich, ob dieser Garten groß oder klein ist. (Hugo von Hoffmannsthal)

Der Roman "Hortensiensommer" von Ulrike Sosnitza erzählt von Johanna, einer passionierten Gärtnerin, die von ihren dankbaren Kunden häufig als "Blumenflüsterin" bezeichnet wird. Sie lassen sich von ihr im malerischen Sommerhausen die kahlen Gärten in duftende Paradiese verwandeln. Seit einem tragischen Ereignis lebt sie alleine in einem viel zu großen Haus und vermietet die Einliegerwohnung an Philipp mit dem Panamahut. Zögernd freunden sie sich an. Als Philipp beginnt, ihr vorzulesen, schleicht sich langsam die Liebe in ihr einsames Herz. Im Mai dann erklingt Kinderlachen im Garten und Philipp stellt Johanna seine kleine Tochter vor, woraufhin sie entsetzt flüchtet. Als Philipp den Grund für Johannas Verhalten erfährt, setzt er alles daran, sie wieder zum Strahlen zu bringen

Das Cover lockt jeden Betrachter auf eine falsche Fährte. Denn unser Blick richtet sich auf eine Tüte mit saftigen Kirschen und ein Schälchen, auf dem ein köstliches Himbeer-Eis mit frischen Früchten dekorativ angerichtet ist. Auch die leuchtend blaue Hortensie, die man - halb verdeckt von einem hübschen Anhänger, der den eingängigen Titel des Buches in Szene setzt - im Hintergrund erkennen kann, suggeriert einen leichten, unterhaltsamen Roman, den man an einem lauschigen Plätzchen in seinem eigenen Garten genießen sollte. Tatsächlich besitzt dieses Buch wesentlich mehr Tiefe.

Der Roman spielt im malerischen Sommerhausen, einem idyllisch anmutenden fränkischen Weindorf wie aus dem Bilderbuch, und atmet viel Lokalkolorit. Das Geschehen wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive der zwei Protagonisten Johanna und Philipp erzählt, deren Lebensweg sich durch einen Mietvertrag kreuzt. Literarisch gesehen, ist diese Vorgehensweise ein bewährter Schachzug, denn er läßt den Leser tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der handelnden Personen eintauchen.

Philipp ist ein engagierter, naturverbundener Lehrer, der sich rührend um seine kleine Tochter aus einer gescheiterten Beziehung kümmert. Auch seiner verschlossen wirkenden Vermieterin begegnet er mit viel Einfühlungsvermögen und legt eine schier unendliche Geduld an den Tag. Durch dieses vorbildliche Verhalten zieht er alle Sympathien auf sich und sammelt laufend Pluspunkte.

Ganz im Gegensatz zu Johanna, die es sich selbst und allen anderen nicht gerade leicht macht. Als Gärtnerin verfügt sie über ein großes Fachwissen, und sie hat sich nach der Trennung von ihrem Mann als eine "mobile Gartenfee" selbständig gemacht. Menschlich gesehen ist sie sehr unglücklich. Denn sie hat ein schweres Trauma erlitten und ist in einer Depression gefangen, aus der sie sich selbst nicht befreien kann.

Im Laufe des Geschehens erleben wir ein wahres Wechselbad der Gefühle. Vor allem mit Johanna empfindet man großes Mitleid. Als die Wahrheit ans Licht kommt, begreift man ihren tiefen Schmerz und kann ihre Reaktionen nachvollziehen, aber hin und wieder möchte man sie kräftig durchschütteln, weil sie in ihrer (berechtigten) Trauer zu heftig reagiert, nur sich selbst sieht und alle anderen Menschen, die es mit ihr gut meinen und ihr helfen wollen, vor den Kopf stößt.

Mich hat dieses bewegende, einfühlsam geschriebene Buch von Ulrike Sosnitza sehr beeindruckt. Gern vergebe ich 4 Sterne für einen anrührenden, melancholisch stimmenden Roman über Verlust und Trauer, Hoffnung und Liebe.

Bewertung vom 30.03.2018
Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.5
Marly, Michelle

Mademoiselle Coco und der Duft der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.5


ausgezeichnet

Une femme sans parfum est une femme sans avenir. (Coco Chanel)

Die berühmte Französin Coco Chanel hatte nicht nur Stil, sondern auch Köpfchen. Dieser Gedanke schießt mir immer durch den Kopf, wenn ich eine Parfümerie betrete, um mich über die aktuellen Düfte der Saison zu informieren. Aber welche Kreation kann es mit dem Klassiker Chanel No. 5 aufnehmen? Mit diesem berühmten Parfüm hat die Stil-Ikone sich selbst - und ihrer großen Liebe Boy Capel - ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Der Roman "Mademoiselle Coco und die Liebe" entführt in das Paris der Zwanziger Jahre. Coco Chanel ist es gelungen, ein erfolgreiches Modeunternehmen aufzubauen. Doch als ihr Geliebter Boy Capel bei einem Unfall stirbt, ist sie vor Trauer wie gelähmt. Erst der Plan, ihrer Liebe zu ihm mit einem Parfüm zu gedenken, verleiht ihr neue Tatkraft. Auf ihrer Suche danach begegnet sie dem charismatischen Dimitri Romanow. Mit ihm an ihrer Seite reist Coco nach Südfrankreich, in die Wiege aller großen Düfte, und kommt schon bald dem Duft der Liebe auf die Spur.

Das Cover ist in Sepia-Tönen gehalten und wirkt elegant und zurückhaltend. Der Blick des Betrachters richtet sich auf eine schlicht gekleidete zierliche Frau mit kurzen dunklen Haaren, die gedankenverloren auf das Wasser der Seine blickt. Sie könnte stellvertretend für Coco Chanel stehen, die einer ganzen Epoche ihren persönlichen Stempel aufgedrückt hat. Auch der Titel ist gut gewählt und macht auf die Handlung des Buches neugierig.

HInter dem (offenen) Pseudonym Michelle Marly verbirgt sich Micaela Jary, eine Grande Dame der Literatur, wenn ich sie so nennen darf. In dem vorliegenen Roman präsentiert sie einen geschickt konstruierten, emotionalen historischen Roman, der um die Entstehungsgeschichte eines Duft-Klassikers kreist.

Ihre Protagonistin Coco Chanel ist eine außergewöhnliche starke Persönlichkeit, mit der sich moderne Frauen identifizieren können. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen, wollte ihre Träume leben, wählte ein freies, selbstbestimmtes Leben und setzte sich über alle gängigen Normen und Werte ihrer Zeit hinweg. Auch in der LIebe gab sie nichts auf konservative Vorstellungen, sondern ließ sich allein von ihrem Herzen leiten.

Drei Jahre lang dürfen wir Coco Chanel auf ihrem Weg begleiten und hinter die glänzende Fassade einer eigenwilligen, kreativen Mode-Schöpferin blicken, die sich charakterlich gesehen nur schwer fassen läßt. Einerseits ist sie eine klug agierende, mit allen Wassern gewaschene erfolgreiche Geschäftsfrau, die sich mit ihren eigenen Händen ein Imperium aufgebaut hat, andererseits eine gebrochene, sensible, zerbrechlich wirkende Frau, die zeitlebens um ihre große Liebe trauerte.

Michelle Marly hat gründlich recherchiert, alle benutzten Quellen kritisch hinterfragt und ein enormes Fachwissen zusammengetragen. In ihrem atmosphärisch dicht gewebten Buch gelingt es ihr mühelos, das Paris der Zwanziger Jahre zum Leben zu erwecken. Im Laufe des Romangeschehens lernen wir viele wichtige Persönlichkeiten kennen, die ihre Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen haben. Ballett, Kunst, Literatur, Mode und Musik verschmelzen zu einer untrennbaren Einheit.

Trotzdem ist dieses von mir mit 5 Sternen bewertete Buch eine Momentaufnahme. Es will keine kritische Biographie sein, die alle dunklen Seiten der berühmt-berüchtigten Modeschöpferin aufzeigt, sondern bleibt ein gefühlvoller historischer Roman, der eine mögliche logische Erklärung für die Kreation des zeitlosen Duftes "Chanel No. 5" liefert, der - ebenso wie das "Kleine Schwarze" - immer noch zum must-have in unserer heutigen Zeit gehört.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2018
Das Geheimnis der Muse
Burton, Jessie

Das Geheimnis der Muse


ausgezeichnet

"Art washes away from the soul the dust of everyday life."
(Pablo Picasso)

In ihrem Roman "Das Geheimnis der Muse" erzählt Jessie Burton von zwei jungen Frauen, deren Leben durch ein Gemälde schicksalhaft miteinander verwoben sind: Olive, eine talentierte Malerin am Vorabend des Spanischen Bürgerkriegs, und Odelle, eine angehende Schriftstellerin im London der Swinging Sixties.
London, 1967. Odelle Bastien, aus Trinidad nach England gekommen, um ihren Traum vom Schreiben zu verwirklichen, ergattert einen Job in der renommierten Kunstgalerie Skelton. Durch einen sensationellen Fund – ein Gemälde des seit dem Spanischen Bürgerkrieg verschollenen Künstlers Isaac Robles –, wird Odelle in eine Geschichte verstrickt, die ihr Leben völlig auf den Kopf stellt. Denn um das Gemälde rankt sich ein folgenschweres Geheimnis, das ins Jahr 1936 zurückreicht, als Olive Schloss, eine begabte junge Malerin, in Andalusien auf den Künstler und Revolutionär Isaac Robles trifft. Eine Begegnung, die ungeahnte Konsequenzen nach sich zieht ...Zwischen dem schillernden London der Sechziger und dem schwülheißen Andalusien der Dreißiger entspinnt sich diese fesselnde und betörende Geschichte um große Ambitionen und noch größere Begierden.

Der Plot des Romans ist spannend, und das Setting in zwei verschiedenen Ländern zu unterschiedlichen Epochen der Weltgeschichte gelungen. Durch die farbige Protagonistin Odelle erleben wir den latenten Rassismus in den "Swinging Sixties" der britischen Metropole, die sich selbst als modern, tolerant und weltoffen versteht. Die aus gutem Hause stammende Malerin Olive wiederum erlebt nicht nur die Diskriminierung von Frauen, sondern auch die Verfolgung von politischen Revolutionären im schwülheißen Andalusien der 1930er Jahre, kurz vor dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges.

im Mittelpunkt des Romans stehen zwei starke Frauen, die auf den ersten Blick gar nicht so viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Odelle ist farbig, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und muss hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten, während Olive weiß ist, aus einem vermögenden Elternhaus stammt und ein unbeschwertes Leben führt. Wenn man sich aber näher mit ihnen beschäftigt, stellt man fest, dass sowohl Odelle als auch Olive kreative Menschen sind, die für ihre Kunst brennen. Odelle ist eine aufstrebende Schriftstellerin, während Olive sich der Malerei verschrieben hat.

Wenn man dieses Buch einmal aufgeschlagen hat, wird man es nicht mehr aus seinen Händen legen können. Jessie Burton schreibt in einem faszinierenden, mitreißenden Stil. Sie beherrscht ihr literarisches Handwerk, zeichnet sämtliche Charaktere realistisch und vielschichtig und wählt für ihre Protagonisten verschiedene Erzählperspektiven. Der Erzählstrang in den Swinging Sixties wird aus der Ich-Perspektive von Odelle geschildert, die uns durch diesen literarischen Kunstgriff ans Herz wächst. Dahingegen wählt sie für den Erzählstrang in den 1930er Jahren einen neutralen Erzähler, der das Geschehen und die verschiedenen Akteure still beobachtet und uns auf unsere eigenen Empfindungen zurückwirft.

Für mich war dieses Buch ein Highlight im März. Gern vergebe ich die Höchstpunktzahl von 5 Sternen für einen Roman, der mich mit auf eine literarische Reise durch die Welt der Kunst genommen und mir ein großes Lesevergnügen geschenkt hat.

Bewertung vom 21.03.2018
Abgefahren
Pope, Dirk

Abgefahren


sehr gut

“I want you to believe...to believe in things that you cannot.”
(Bram Stoker)

Auch in der Gegenwart hat dieses berühmte Zitat aus dem Roman "Dracula" von Bram Stoker nichts an seiner Bedeutung verloren. Dirk Pope greift in seinem Buch "Abgefahren" viele Motive des Klassikers auf und transportiert sie in die heutige Zeit. Hier geht es um Viorel, einen dicken und lustlosen Teenager. Als seine Mutter eines Tages tot am Küchentisch sitzt, ist er starr vor Trauer. Wollte sie nicht in ihrer Heimat am Schwarzen Meer bestattet werden? Wie soll er das hinkriegen, ohne Geld, Totenschein oder Sarg? Notgedrungen wickelt Viorel die tote Mutter in einen Schlafsack und übernimmt selbst den Transport gen Osten. Ein Anhalter erzählt ihm von den Vampirmythen Transsylvaniens, kurz darauf kommt der Mann bei einem tragischen Unfall ums Leben. Mit nun zwei Leichen im Gepäck reist Viorel weiter Richtung Rumänien. Er will seine Mutter beerdigen. Und das wird er schaffen!

Der Plot des Buches ist originell, und das Setting für diesen Höllentrip perfekt. Wenn wir das Buch aufschlagen, dürfen wir uns über eine Landkarte freuen, mit deren Hilfe wir die ausgefallene Route von Viorel verfolgen können. Die Einteilung der Kapitel erfolgt mit einer genauen Angabe der Kilometer, die der Held dieses Buches in seinem alterrschwachen Fahrzeug zurückgelegt hat.

Viorel ist definitiv kein Protagonist, mit dem sich der Leser dieses Buches identifizieren kann. Man begleitet ihn auf einem Höllentrip, aber er bleibt uns fremd. Das Geschehen wird ausschließlich aus seiner Perspektive vermittelt. Auch sprachlich gesehen wirkt dieses Buch eher rauh und ungeschliffen, was aber gut zu dem heranwachsenden Teenager passt, der auf der Suche nach sich selbst ist und seine Phantasie mitunter von der langen Leine läßt.

Ja, was soll ich sagen? Viorel ist ein übergewichtiger Teenager, der aus dem Bauch heraus handelt, seine tote Mutter im Kofferraum verstaut und sich hinter das Steuer klemmt, um sie in ihre Heimat zu transportieren, ohne einen Führerschein zu besitzen. Ohne Papiere, ohne Geld, aber mit Leichengeruch im Auto und einem mysteriösen Anhalter mit spitzen Eckzähnen, der ihn mit Schauergeschichten von Toten und Untoten wachhält und sich nicht an einer Leiche im Kofferraum stört, bevor er selbst einem Unfall zum Opfer fällt und im wahrsten Sinne des Wortes gepfählt wird. Bevor Viorel sein eigentliches Ziel erreicht, wird er noch viele seltsame Begegnungen mit Menschen und Tieren hinter sich bringen müssen, die nicht nur ihm, sondern auch dem Leser die Haare zu Berge stehen lassen. Interessanterweise erscheint Viorel nach seiner Begegnung mit Toten und Untoten lebendiger als jemals zuvor.

Dirk Pope nimmt seine Leser mit auf eine Reise in den „Wilden Osten Europas". Er versteht sein Werk als ein Roadmovie voller Skurrilitäten, und in der Tat entzieht es sich einer klaren Deutung. Man stolpert immer wieder über seltsame Andeutungen, die sich aber niemals konkret fassen lassen. Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, auch wenn ich es nicht als Lektüre für Jugendliche sehen würde. Gern vergebe ich 4 Sterne für eine richtig schräge, mitunter makabre und pietätlose Geschichte, die zahllose Motive aus dem Roman "Graf Dracula" von Bram Stoker aufgreift und aus dem Rahmen des Üblichen fällt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2018
Eine Liebe auf Guernsey
Watson, Pippa

Eine Liebe auf Guernsey


ausgezeichnet

Manchmal müssen wir die Welt um uns herum mit anderen Augen sehen, um sie ganz neu entdecken zu können. Diese Erfahrung macht Kate, die Protagonistin aus dem Roman "Eine Liebe auf Guernsey" von Pippa Watson. Sie ist ist Touristenführerin auf der Kanalinsel Guernsey und mit ihrem beschaulichen Leben eigentlich recht zufrieden. Doch plötzlich steht alles Kopf: Ihr Exfreund heiratet und bittet sie, seine Trauzeugin zu werden, sie muss im Souvenir-Shop ihrer Stiefmutter aushelfen und sich zudem um Amy, die Golden-Retriever-Hündin ihrer verstorbenen Nachbarin, kümmern. Und dann kreuzen auch noch der sympathische Matthew und sein blinder Sohn ihren Weg. Während Kate versucht, die Fäden ihres Lebens irgendwie wieder unter Kontrolle zu bringen, merkt sie, dass sie durch all diese Veränderungen beginnt, die Welt mehr und mehr mit anderen Augen zu sehen.

Der Plot des Buches ist nicht neu, aber überzeugend umgesetzt. Auch das Setting ist perfekt. Pippa Watson läßt ihren Roman auf der ruhigen, kleinen Kanalinsel Guernsey spielen. Ihre Heldin Kate ist eine beliebte Touristenführerin, und wir dürfen sie auf ihren ausgedehnten Streifzügen begleiten und an ihrer Seite die herbe Schönheit dieser abgelegenen, relativ naturbelassenen Insel entdecken.

Aber nicht nur die Liebe zur Natur spiegelt sich in diesem Buch. Auch die Liebe zu Hunden kehrt in jeder Zeile wieder. Wenn man so will, ist Amy, eine gutmütige Golden Retriever Hündin, die eigentliche Heldin dieses Buches. Als Blindenhund erfüllt sie eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie führt Menschen durchs Leben und manchmal auch zusammen, wie Kate und Matthew/Alfi. Sie zeichnet sich durch ein sanftes, freundliches Wesen aus, und sie ist "ihren" Menschen mit großer Liebe zugetan.

Pippa Watson behandelt das sensible Thema "Behinderung" mit viel Fingerspitzengefühl. Wie die Protagonistin Kate schließen wir enge Freundschaft mit Alfi, einen fröhlichen, optimistischen blinden Jungen, der trotz seiner Behinderung kein Stubenhocker und lieber an der frischen Luft unterwegs ist. Wir lassen uns auf seine Sicht der Welt ein, lernen unsere Umgebung mit allen Sinnen kennen und lassen uns bewusst auf Neues und Unbekanntes ein.

Gegenüber diesem wichtigen Thema gerät fast die (etwas vorhersehbare, aber schön erzählte) romantische Liebesgeschichte zwischen der Fremdenführerin Kate und dem Übersetzer (und ehemaligen Hunde-Ausbilder) Matthew ins Hintertreffen. Kate ist eine gebrochene Figur, die andere Menschen aufgrund einer schlimmen Erfahrungen in ihrer Kindheit nicht an sich heranlassen kann und will. Auch für eine feste Liebesbeziehung ist in ihrer Welt kein Platz; sie pflegt nur eine enge Freundschaft mit Brian, den sie seit ihrer gemeinsamen Schulzeit kennt. Matthew wiederum ist ebenfalls in der Liebe gescheitert; seine Scheidung mit Clarissa ist noch nicht allzu lange her, und er ist seiner Ex-Frau nach Guernsey gefolgt, um den Kontakt zu seinem einzigen Kind nicht zu verlieren. Sie müssen die Schatten der Vergangenheit besiegen, um einander nahe sein und eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu können.

Mich hat dieses leise, warmherzige und zurückhaltende Buch tief berührt und von der ersten Seite an in seinen Bann geschlagen. Gern vergebe ich 5 Sterne und spreche eine klar

Bewertung vom 20.03.2018
Das Leben ist ein Seidenkleid
Wekwerth, Tanja

Das Leben ist ein Seidenkleid


ausgezeichnet

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum

"Stil hat für mich nichts mit Mode zu tun. Stil – das bedeutet den Mut zum eigenen Charakter zu haben und sich zur eigenen Persönlichkeit zu bekennen." (Tom Ford)

Dieses berühmte Zitat möchte ich meiner Rezension voranstellen. Denn es spiegelt die Haltung der Protagonistin Maja, die wir in dem Roman "Das Leben ist ein Seidenkleid" von Tanja Wekwerth kennenlernen. Ein Kleid kann ein Leben verändern, sagt Maja. Jede Nacht sitzt sie allein an ihrer Nähmaschine und zaubert bestickte Mäntel oder raffinierte Röcke – die kaum jemand zu Gesicht bekommt. Dazu fehlt ihr der Mut. Bis sie sich mit Leonhard anfreundet, einem sanftmütigen älteren Herrn. Seit dem Tod seiner Frau Luise hat niemand mehr ihr Ankleidezimmer betreten dürfen, niemand außer Maja. Dort, zwischen Petticoats und Maßband, stellt sie mit Leos Hilfe bald fest, dass Lebensträume keinem Schnittmuster folgen.

Als ich das zurückhaltend gestaltete Cover dieses Romans betrachtet habe, fühlte ich mich sofort angesprochen. Es ist in zarten Pastelltönen gehalten und wirkt sehr romantisch und verträumt. Der Betrachter blickt auf das hell erleuchtete Schaufenster eines Mode-Ateliers, das in einem altehrwürdigen Gebäude in einer ruhigen Straße angesiedelt ist. Sein Blick bleibt an einem feinen Kleid in einem hell schimmernden Stoff hängen, das auf einer Schneiderpuppe ausgestellt ist. Ihm wird gleich klar, dass es sich nicht um billige Massenware, sondern um ein sorgfältig gearbeitetes Unikat handelt. Auch der eingängige Titel ist ganz nach meinem Geschmack. Er besteht aus einem einzigen Satz, der aber im Gedächtnis haften bleibt. Hierbei verrät er nicht zu viel vom Inhalt des Romans, sondern macht nur eine ganz zarte Andeutung, um welches Thema dieses Buch kreist.

Im Mittelpunkt des Romans steht Maja, die eigentlich den Beruf einer Schneiderin erlernt hat, sich aber mehr schlecht als recht als Verkäuferin in einem Kaufhaus durchschlägt. Außerdem hat sie einen NebenJob bei einem guten Bekannten angenommen und liefert Fertigmenüs an alte Menschen aus, die sich nicht mehr selbst versorgen können. Maja ist eine Protagonistin, die man sofort in sein Herz schließt. Sie ist ein herzensguter, liebenswerter und warmherziger Mensch, der sich aber viel zu viel von anderen Menschen gefallen läßt. Hin und wieder möchte man sie schütteln, wenn sie sich von ihrer Vorgesetzten, der hartherzigen, unsympathischen Ketten-Raucherin Hannelies wie ein dummes Schulmädchen vorführen und von oben herab abkanzeln läßt.

Eine positive Veränderung in ihrem Leben birgt die folgenschwere Begegnung mit Leo, einem freundlichen alten Herrn, der in seiner Wohnung die Erinnerung an seine vor vielen Jahren verstorbene Frau hochhält, die ebenfalls eine begabte Schneiderin war und für viele berühmte Menschen gearbeitet hatte, Durch ihn findet Maja den Mut, an sich selbst zu glauben, ihren Traum zu leben und - unterstützt von ihren Schützlingen in ihrem Nebenjob, die ihr ihre aufmerksame und liebevolle Zuwendung mit einer enormen Finanzspritze honorieren - den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Und nicht zuletzt entdeckt sie sich selbst und findet auf ihrem Weg die große Liebe, die man ihr von ganzem Herzen gönnt.

Tanja Wekwerth hat ein sicheres Gespür für Mode und schreibt in einem wunderschönen Stil, der ihrer Protagonistin angemessen ist. Sie verleiht ihr eine leise, zarte Stimme, die sich wohltuend von der gesichtslosen, lauten Masse abhebt. Man spürt die große Liebe der Autorin zu der Mode und zu den Menschen in jeder Zeile des Romans. Mich hat dieses liebenswerte Buch sofort gefangen genommen und von der ersten Zeile an in die faszinierende Welt der Mode entführt. Aus diesem Grunde v

Bewertung vom 14.03.2018
Bernsteinzauber und Liebesglück
Wiemers, Lilli

Bernsteinzauber und Liebesglück


gut

Drei Gänge für die Liebe

Wer keine Vergangenheit mehr hat, der hat auch keine Zukunft (Michael Ende)

In ihrem Roman "Bernsteinzauber und Liebesglück" erzählt Lilli Wiemers eine interessante Geschichte, die weit in die Vergangenheit zurückreicht und uns gleich an drei traumhafte Schauplätze entführt. In dem ersten Teil "Ein Sommer auf Rügen " steht Hanna im Mittelpunkt, welche die die Jugendliebe ihrer Großmutter aufzuspüren, denn deren Bernsteinanhänger soll in die richtigen Hände kommen. Doch auch für Hanna selbst hält die Reise eine Liebesüberraschung bereit. Im zweiten Teil "Liebe, zart wie Porzellan" begleiten wir Celina nach Meißen, wo sie ihrer Oma einen bestimmten Wunsch erfüllen will: Das Bernsteinherz von dem falschen Mann zurückholen und es dem richtigen übergeben. Dabei trifft sie den charmanten Marc, dem sie schnell näherkommt. Alles scheint nach Plan zu laufen, da erfährt Celina das Unfassbare. Der letzte Teil "Prickelnde Küsse am Nordseestrand" spielt in St. Peter-Ording, wo Emily unerwartet ein Abenteuer mit dem gutaussehenden Alexander erlebt, bis dessen Ex eine böse Intrige gegen sie anzettelt.

Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet und strahlt einen gewissen Shabby-Chic aus. Die zarten Farben vermitteln eine romantische Stimmung. Der Betrachter blickt direkt auf eine weißgestrichene Bank, auf der ein fein geschliffenes Bernsteinherz liegt. Man fühlt sich sofort wohl in diesem besonderen Ambiente, das zum Träumen einlädt, im HIntergrund kann man einen Leuchtturm erkennen und man glaubt, das leise Rauschen des Meeres zu hören. Was mir besonders gut gefällt, ist der Umstand, dass das Motiv dieses Romans (das Herz aus Bernstein) in die Covergestaltung eingeflossen ist. Der Titel ist schlicht und weit weniger überzeugend. Er bringt den Inhalt des Buches klar auf den Punkt und macht jedem Leser klar, was er von dieser Lektüre erwarten darf.

Der Plot ist nichts Neues und kommt in nahezu allen Feel-Good-Romanen auf dem Markt vor. Das Setting an malerischen Schauplätzen ist gut durchdacht. Lilli Wiemers hat ein gutes Händchen für malerische Landschaftsbeschreibungen; sie nimmt den Leser mit auf eine literarische Reise und er fühlt sich an den drei beliebten Urlaubsorten gut aufgehoben.

Weit weniger gelungen finde ich die drei Protagonistinnen, die ausnahmslos jung, ledig, schön, klug und talentiert sind. Zwar ist in ihrer Vergangenheit nicht alles rund gelaufen, aber ihre Traumata können - überspitzt formuliert - nach wenigen heißen Küssen und einer romantischen Liebesnacht im Handumdrehen abgeschüttelt werden. Auch die männlichen Protagonisten sind genauso schlicht gestrickt; sie besitzen keine schwerwiegenden Macken, sondern haben alle Trümpfe auf ihrer Seite. Sie sind nicht nur gut gebaut, ledig, klug und stark, sondern auch integer, kinderlieb und sozial engagiert. Ebenso wie ihre auserwählten Traumfrauen glauben sie an die Liebe auf den ersten Blick und streben eine romantische Hochzeit in Weiß an. Deshalb steht dem unvermeidlichen Happy-End in allen drei Liebesgeschichten nichts im Wege.

Leider waren die drei Gänge für die Liebe nicht in jedem Punkt überzeugend. Sie sind gute Hausmannskost, aber gehören nicht zur Haute Cuisine, wenn ich bei diesem Vergleich aus der Gastronomie bleiben darf. Ein großes Manko ist die Vorgehensweise der Autorin. Lilli Wiemers hat ihre drei (in sich abgeschlossenen) Geschichten stets nach dem gleichen (langweiligen) stereotypen Schema gestaltet. Nach der Lektüre fühlt man sich gelangweilt und an einen Groschenroman erinnert; es fehlt einfach die Würze des Lebens!
.
Deshalb kann ich heute nur 3,5 Sterne für einen zu sehr auf heile Welt getrimmten, seichten Liebesroman vergeben, der meine hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte.

Bewertung vom 14.03.2018
Planetenpolka / Stella Albrecht Bd.1
Minck, Lotte

Planetenpolka / Stella Albrecht Bd.1


ausgezeichnet

Was soll ich über das Cover von Ommo Wille schreiben? Seine Werke haben einen hohen Wiedererkennungswert. Sie sind etwas schräg angehaucht und passen perfekt zu den Büchern von Lotte Minck. Auch dieses Cover fällt sofort ins Auge. Auf den ersten Blick glaubt man eine friedliche Szene vor sich zu sehen, eine verstorbene alte Dame liegt in ihrem Bett, und überall spenden Kerzen in silbernen Leuchtern warmes, tröstliches Licht. Dann aber fällt der Blick des Betrachters auf einen riesigen Totenschädel am tiefschwarzen Himmel, der durch das geöffnete Fenster ins Sterbezimmer scheint - und die Stimmung kippt ins andere Extrem. Auch die Rückseite des Buches ist sorgfältig gestaltet worden. Man blickt auf mehrere Sideboards und wundert sich über die auf dem Boden verstreuten Gegenstände.

Als ich den Titel des Buches gelesen habe, konnte ich mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Lotte Minck ist sehr schlagfertig, verfügt über einen tollen Wortwitz und spielt geschickt mit den Erwartungen der Leser.

Astrologie ist eine umstrittene Wissenschaft. Der Plot ist originell, und das Setting mitten im Ruhrgebiet gefällt mir gut. Die Bücher von Lotte Minck atmen so viel unverfälschtes Lokalkolorit; sie wachsen jedem Menschen, der aus dem Pott kommt, ans Herz.

Wer Loretta Luchs in sein Herz geschlossen hat, wird auch einen festen Platz für Stella Albrecht reservieren. Sie ist etwas intellektueller und zurückhaltender als die draufgängerische, impulsive Call-Center-Mitarbeiterin, aber ebenso wie ihre berühmte Vorgängerin hat sie ihr Herz am rechten Fleck und zeichnet sich durch eine scharfe Kombinationsgabe aus.

Auch die anderen Protagonisten sind starke Charaktere. Der Journalist Ben und der Kommissar Arno sind sympathische Figuren, und zusammen mit Stella bilden sie ein starkes Trio. Last, not least möchte ich auch die exzentrische Oma Maria, die einst als Wahrsagerin Madame Pythia auf Jahrmärkten unterwegs war, und die konservative Lehrerin Felicitas erwähnen, welche mit Astrologie nichts anfangen kann und den beruflichen Aktivitäten von Oma und Tochter kritisch gegenübersteht.

Wie immer hat mich Lotte Minck durch ihren locker-flockigen Schreibstil begeistert. Man möchte dieses Buch, das durch ein unorthodoxes Ermittler-Team und einen außergewöhnlichen Fall punktet, nicht mehr aus der Hand legen und es lieber in einem Rutsch durchlesen. Mich hat diese originelle, schwungvolle Ruhrpott-Krimödie in jeder Hinsicht überzeugt, und ich vergebe gern die Höchstpunktzahl von 5 Sternen für ein tolles Lesevergnügen.

Bewertung vom 14.03.2018
Der Duft von Rosmarin und Schokolade
Schlie, Tania

Der Duft von Rosmarin und Schokolade


sehr gut

Liebe geht durch den Magen!

Kochen ist eine Leidenschaft. Genießen ist eine Kunst.

An dieses Zitat fühle ich mich erinnert, wenn ich den Roman "Der Duft von Rosmarin und Schokolade" von Tania Schie in die Hand nehme. Erzählt wird die Geschichte von Maylis, die taglich hinter der Theke des traditionsreichen Hamburger Feinkostladens Radke steht. Sie genießt es, ihre Kunden zu beraten, nicht nur in kulinarischen, sondern auch in romantischen Angelegenheiten. Doch wenn sie nach Hause kommt, fühlt sie sich so leer wie ihr Kühlschrank. Seit der Trennung von ihrem Mann fällt es Maylis schwer, ihr Herz zu öffnen. Bis eines Tages Paul in ihrem Laden steht und Maylis sich fragt, ob sie nicht doch noch einmal vom Leben kosten möchte.

Die Inhaltsangabe klingt verlockend, und dem hinreißenden Cover kann ich gar nicht widerstehen. Durch die leuchtenden, warmen Farben vermittelt es ein angenehmes Sommer-Feeling. Die geöffnete Tür lädt zum Betreten und Verweilen in dem Delikatessengeschäft ein. Die frischen Früchte in den vielen Kisten, die vor dem Schaufenster gestapelt sind, lassen jedem Betrachter das Wasser im Mund zusammenlaufen und machen direkt Lust auf eine kleine Kostprobe. Allerdings hätte ich dieses entzückende Geschäft nicht im kühlen Hamburg (genauer gesagt: in Eppendorf), sondern eher in Süddeutschland vermutet.

Auch der Titel "Der Duft von Rosmarin und Schokolade" ist klug gewählt. Er zergeht auf der Zunge und ist ein Versprechen an den Leser, das - soviel möchte ich bereits verraten - in vollem Umfang erfüllt wird.

Der Plot erfreut sich großer Beliebtheit, ist aber gut umgesetzt worden. Auch das Setting in dem bürgerlich-konservativen Stadtteil Eppendorf in der Hansestadt Hamburg ist perfekt. Hier gehört ein feines Delikatessengeschäft, das in den 1950er Jahren für eine anspruchsvolle und gutsituierte Kundschaft gegründet wurde, hin.

Maylis ist eine sympathische Protagonistin, die man gern in sein Herz schließt. Sie ist eine begnadete Köchin, steht kurz vor ihrem 40. Lebensjahr und hat eine unglückliche Beziehung hinter sich, die ihr Vertrauen in andere Menschen erschüttert hat. Ganz allmählich wagt sie sich aus ihrem Schneckenhaus hinaus, gewinnt wieder Lebensfreude, Selbstvertrauen und Zuversicht und findet eine neue große Liebe mit einem Mann, der ihr in jedem Punkt ebenbürtig ist.

Dieser warmherzige Roman ist ein großes, sinnliches Erlebnis, auf das man sich auf keinen Fall mit einem knurrenden Magen und einem leeren Kühlschrank einlassen sollte. Tania Schlie schreibt in einem ruhigen, verhaltenen Ton, aber sie schafft Bilder von starker Intensität. Die Schauplätze der Handlung stehen jedem Leser plastisch vor Augen; man glaubt an der Ladentheke zu stehen und die wundervollen Delikatessen mit eigenen Augen sehen, riechen und schmecken zu können - und man möchte selbst von der Feinschmeckerin Maylis individuell beraten werden und einen großen Einkauf tätigen,

Leider plätschert die Handlung mehr oder weniger ohne große Höhepunkte dahin, und dieses liebenswerte Buch steuert zielsicher auf das erwartete Happy-End hin. Für meinen persönlichen Geschmack fehlt eine Prise Dramatik (und eventuell eine Messerspitze Erotik), dann wäre dieser unterhaltsame Roman, der um feine Küche und große Liebe kreist, perfekt. Aus diesem Grunde vergebe ich heute nur 4 Sterne, aber ich empfehle dieses Wohlfühl-Buch gern weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.03.2018
Für immer ist die längste Zeit
Fabiaschi, Abby

Für immer ist die längste Zeit


ausgezeichnet

Zwischen Himmel und Erde

Du kannst dir nicht aussuchen, wie du stirbst. Oder wann. Du kannst nur entscheiden, wie du lebst. Jetzt. (Joan Baez)


Dieses Zitat von Joan Baez möchte ich meiner Rezension voranstellen, weil es meiner Ansicht nach die Botschaft des Buches "Für immer ist die längste Zeit" von Abby Fabiaschi gut zusammenfasst. Im Mittelpunkt steht Maddey. Sie ist tot. Vom Dach der Bibliothek gestürzt. Sie landet jedoch nicht im friedvollen Himmel, sondern blickt aus kurzer Höhe auf ihre Familie - ihre pubertierende Tochter Eve und den emotional unaufgeräumten Ehemann Brady - herab. Ohne Maddy sind sie schon in einfachen Dingen der Alltagsorganisation überfordert. Jetzt drohen sie an der Frage nach dem Warum zu zerbrechen. Maddy muss etwas tun. Doch ihre Möglichkeiten der Einflussnahme aus dem Jenseits sind begrenzt - sie ist ja auch neu hier.

Auf den ersten Blick führt das Cover des Romans in die Irre. Das Cover vermittelt eine positive Grundstimmung. Durch die zarten Farben wirkt es leicht, fröhlich, frühlingsfrisch und unbeschwert. Man könnte von einem heiteren Roman ausgehen. Trotzdem finden sich Symbole, die auf einen ernsten Hintergrund des Buches schließen lassen. In der christlichen Kunst ist der Schmetterling ein Zeichen des unvergänglichen Lebens und der Unsterblichkeit. Die Pusteblume ist ein Symbol des Loslassens, aber auch des Neubeginns. Insoweit ist die Thematik des Buches sehr ansprechend eingefangen und umgesetzt worden.

Der Titel "Für immer ist die längste Zeit" ist gut gewählt, auch wenn das englische Original "I loved my life" noch etwas aussagekräftiger ist.

Als ich mich auf die Lektüre dieses Buches eingelassen habe, wusste ich nicht, was mich erwarten wird. Die Themen "Tod" und "Selbstmord" sind sehr sensibel, und man sollte sie mit viel Fingerspitzengefühl behandeln. Der Roman "Für immer ist die längste Zeit" hat mich in einem positiven Sinne überrascht. Denn es beeindruckt durch seine inhaltliche Tiefe.

Das Geschehen wird aus der Perspektive von Maddy, Brady und Eve geschildert, die ihr Leben bis zu dem unerwarteten Tod von Maddy als eine typische gut situierte Familie in einer amerikanischen Kleinstadt verbracht haben. Finanzielle Sorgen haben sie nicht gekannt; familiäre Probleme sind unter den Tisch gekehrt oder in Alkohol ertränkt worden, damit die perfekte Fassade einer heilen Familie keinen unschönen Riss bekommt.

Nach dem Tod von Maddy wird das Leben von Brady und Eve auf den Kopf gestellt. Ein egoistischer Teenager und ein auf seinen Job fixierter Geschäftsmann müssen sich den vergangenen Ereignissen stellen, ihre familiären und anderen Beziehungen kritisch hinterfragen und sich mit dem schweren Thema (Mit-) Schuld auseinandersetzen. Im Laufe des Geschehens vollziehen die Protagonisten eine positive Veränderung; sie lernen miteinander respekt- und verständnisvoll umzugehen und werden zu reifen, zuverlässigen Menschen, die ihre Gefühle nicht mehr verstecken und ihre Mitmenschen zu schätzen wissen.

Abby Fabiaschi ist ein emotional tief berührender Roman gelungen, der zum Nachdenken über die eigenen (familiären) Beziehungen anregt. Aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, heute die Höchstpunktzahl von 5 Sternen zu vergeben. Dieses Buch ist wirklich lesenswert!