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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 22.04.2020
Katzen - Letters of Note

Katzen - Letters of Note


ausgezeichnet

So klein und so fein

Für mich war dieses Büchlein eine überraschende Entdeckung. Denn so klein es auch ist, so sorgfältig ausgestattet ist es, mit rosa Lesebändchen, mit abgerundeten Ecken sowohl des festen Einbandes als auch des Schnittes, gedruckt auf feinem glattem Papier und mit sehr gefälliger graphischer Gesamtgestaltung. Bereits das Vorwort stimmt gekonnt ein auf den Inhalt, und vor allen Dingen animiert es zum Briefeschreiben. Briefe werden als „Zeitkapseln“ bezeichnet, Briefe als die vom Aussterben bedrohte kostbare und schönste Form der Kommunikation. Shaun Usher tut sehr viel dafür, dieser gefährdeten Minderheit ein Überleben, vielleicht sogar eine Renaissance zu ermöglichen durch seine Aktivitäten auf seiner von mehr als 70 Millionen Menschen besuchten Website „Letters of Note“, einer Art Online-Museum des Schriftverkehrs.

Doch zurück zum vorliegenden Band, in dem es um Katzen geht, genauer gesagt um Briefe, in denen es um Katzen geht, verfasst von unbekannten oder bekannten Persönlichkeiten wie zum Beispiel Raymond Chandler, Florence Nightingale, Elizabeth Taylor und vielen anderen.
Ich könnte nicht sagen, welcher der enthaltenen Briefe mich mehr faszinierte. Vielleicht war es der Brief von Nikola Tesla, dem genialen Erfinder des Wechselstrom-Induktionsmotors, weil er mich so sehr überraschte in seiner detailgenauen Schilderung seines Katers in Kindertagen, der sogar den Anstoss gab für die lebenslange Beschäftigung mit Elektrizität. Oder vielleicht der herzergreifende Brief der todkranken Autorin und Biologin Rachel Carson, die von dem Tod ihres geliebten Katers berichtet und dem Glück, dass er ihr vorausgehen durfte, dass sie ihn nicht allein zurücklassen muss. Oder der wütende Rundum-Brief an alle Verkehrs-Rowdies von Prof. Guy Davenport, nachdem sein geliebter Kater überfahren worden war. Eigentlich ist jeder der abgedruckten Briefe ein ganz individueller Lobgesang auf die Katze, die sozusagen von Geburt an adelig zu sprechen ist in ihrer ernsthaften Schönheit, in ihrer selbstverständlichen Empfindsamkeit. Sie ist eine große Seele, nie wirklich zu durchschauen, zart, erlesen, aristokratisch, sanft, manchmal wunderlich – und vor allen Dingen grenzenlos geliebt.

Kurzum: Ein feines Geschenkbüchlein für alle, die Katzen und Sprache lieben.

Bewertung vom 21.04.2020
Ich bringe dir die Nacht
Howard, Catherine Ryan

Ich bringe dir die Nacht


sehr gut

Mit gewisser Grundspannung solide erzählt

Ist das Buch wirklich ein Thriller? Vielleicht doch eher ein Psychothriller? Wer nägelkauenden Thrill mit viel Blut erwartet, wird enttäuscht sein. Mir hat das Buch dennoch gut gefallen.

10 Jahre sitzt Will Hurley, der sogenannte Kanal-Killer von Dublin, bereits im Gefängnis, als erneut die Leiche einer jungen Frau aus dem Wasser gezogen wird, ein Opfer ganz nach dem Muster der Morde, deretwegen er verurteilt worden war. Will setzt nun alles daran, mit Alison, seiner großen Liebe von damals, sprechen zu dürfen, denn er hat Informationen, die er nur ihr mitteilen will. Doch Alison führt seit der Verurteilung von Will ein völlig neues Leben in den Niederlanden. Alles Geschehen von früher hat sie verdrängt und nie mehr ein Wort darüber verloren. Deshalb lehnt sie es zunächst vehement ab, als die Polizei sie um Hilfe bittet. Schließlich begreift sie jedoch, dass Weglaufen keine Lösung ist, und willigt ein, nach Irland zu fliegen und mit ihrem einstigen Freund, dem Serienkiller, zu sprechen, ohne zu ahnen, worauf sie sich einlässt…

Drei verschiedene Handlungsstränge führen durch das Buch. Da ist zunächst die Gegenwart, von Alison selbst erzählt. Dann gibt es die Rückblenden, 10 Jahre früher, aus dem Leben von Alison, Liz, ihrer besten Freundin und Will, ihrer großen Liebe. Dazwischen gesetzt gibt es kurze Einschübe des „Stalkers“, ohne dass sich dem Leser erschließt, um wen es sich handelt. Gut gefällt mir, dass die Autorin durch die Kapitelüberschriften „Alison, heute“ und „Alison, damals“ dem Leser stets klare Orientierung gibt, in welchem Zeitabschnitt man sich gerade befindet. Gut gefällt mir auch der Schreibstil, der beeindruckend klar ist, dabei stets präzise und detailliert in den Einzelheiten. Allerdings kann ich nicht jedes Verhalten der Protagonisten nachempfinden. Fremd blieb mir zum Beispiel die Mutter von Aliston, aber auch Aliston selbst, deren Schuldgefühle ich nicht nachvollziehen kann, schon gar nicht ihr Verhalten gegenüber ihren Freundinnen, ihren inneren Rückzug. Leider fehlt auch der große Spannungsbogen. Zwar kann man sich als Leser nicht vorstellen, wohin die Handlung führen wird, und liest daher mit einer gewissen Grundspannung stets weiter und weiter. Als man denkt, man sei bereits am Ende der Geschichte angekommen, alles Ungewisse sei geklärt, wird alles nochmals völlig überraschend komplett auf den Kopf gestellt.

Fazit: Nicht übermäßig aufregend, dennoch mit einer gewissen Grundspannung solide geschrieben, gut zu lesen.

Bewertung vom 20.04.2020
Zweimal im Leben
Empson, Clare

Zweimal im Leben


weniger gut

Endloses Rühren in der Erinnerungs-Gefühls-Suppe

Nachdem der Verlag mich mit einer sehr ansprechenden Werbung für das vorliegende Buch geködert hatte und meine Erwartungen entsprechend des Slogans „Emotionalste Geschichte des Jahres“ sehr hoch waren, kam die Enttäuschung unerwartet. Ich las und las und kam nicht voran. Ich legte das Buch wieder weg, versuchte zu einem anderen Zeitpunkt, dem Buch erneut eine Chance zu geben. Und wieder machte ich die gleiche Erfahrung: Das Buch ließ mich als Leser einfach auf der Strecke…

So beschreibt der Verlag den Inhalt: „Es begann alles damit, dass sie ihn traf – ihn, die Liebe ihres Lebens. Als Catherine damals als Studentin Lucian zum ersten Mal sah, war ihr gleich klar: Das ist für immer. Er ist ihr Seelenverwandter, nichts wird sie auseinanderbringen. Doch dann geschah etwas, das alles änderte. Catherine verließ Lucian, heiratete jemand anderen, gründete eine Familie. Und trotzdem kann sie Lucian nicht vergessen. Als sie ihn 15 Jahre später wiedertrifft, ist alles wieder da, die Vertrautheit von damals, das Gefühl, endlich wieder ganz zu sein, sich selbst in dem anderen wiedergefunden zu haben. Aber manchmal kann man nicht mehr anfangen, wo man aufgehört hat. Und manchmal holt einen die Vergangenheit mit solcher Macht ein, dass sie droht die Gegenwart zu zerstören und damit alles, was man liebt …“

Schön und gut. Das klingt tatsächlich nach einem emotionalen Roman. Aber ich wurde an keiner einzigen Stelle vom Buch berührt. In drei Zeitebenen dreht man sich im Kreis. Ich hatte im Grunde das Gefühl, immer und immer wieder das gleiche zu lesen, mal von vorne, mal von hinten, mal aus der Mitte. Warum Catherine ihre große Liebe Lucien vor 15 Jahren ohne Erklärung über Nacht verlässt, warum sie 15 Jahre später völlig verstummt und in Traumwelten abtaucht, warum Sam, Catherines Mann, nicht ablässt mit seiner grenzenlosen Überfürsorge – all das wurde mir, je weiter ich las, immer mehr und mehr egal. Die Autorin wollte wohl einen großen Spannungsbogen ziehen, aber sorry, für mich wirkte er ehert überzogen. Ich wollte irgendwann nichts mehr wissen von all den Oberflächlichkeiten, von Verstrickungen, alten Lieben, Sehnsucht, Betrügereien, Verlusten, Verwirrungen, Erinnerungen. Wie oben bereits gesagt: Das Buch ließ mich als Leser auf der Strecke, vergaß mich einfach beim endlos wirkenden Rühren in der Erinnerungs-Gefühls-Suppe.

Bewertung vom 19.04.2020
Goldsturm / Gut Greifenau Bd.4
Caspian, Hanna

Goldsturm / Gut Greifenau Bd.4


sehr gut

Die opulente Familiensaga geht weiter

Ob es daran liegt, dass ich nur Band 1 gelesen hatte, bevor ich nun aus Zeitgründen direkt mit Band 4 weiterlas? Die Faszination, die ich bei Band 1 gespürt hatte, fiel bei Band 4 leider etwas geringer aus. Mag sein, weil mir der direkte Anschluss fehlte, mag aber auch sein, dass die Erzählung in Band 4 generell so etwas vor sich hin plätschert und sich dabei sehr in Details verliert.

Für den Inhalt zitierte ich wegen der Fülle vieler einzelner Geschehnisse sinngemäß den Verlag: Pommern, Ende des 1. Weltkrieges, 1919-1923. Konstantin und Rebecca kämpfen mit den Folgen, die Misswirtschaft und Krieg auf dem Gut hinterlassen haben. Ungewiss ist, wie es mit Gut Greifenau weitergehen soll, solange Konstantin keinen Erben hat. Katharina dagegen lebt in Luxus und träumt weiterhin vergeblich vom Medizin-Studium. Auch bei den Dienstboten gibt es trotz größerer Freiheiten wenig persönliches Glück zu berichten. Die Zeit der der Inflation, die sogenannten goldenen Zwanziger, die nicht nur golden waren, überschattet alles. Und wohin man bei der Familie Auwitz-Aarhayn auf Gut Greifenau auch schaut, überall stösst man auf Konflikte, auf Auseinandersetzungen und Böswilligkeiten.

Ich mag den Schreibstil von Hanna Caspian sehr. Am ehesten finde ich das Adjektiv „sorgfältig“ stimmig für ihre Erzählweise. Doch nicht nur das, der Erzählstil ist auch der geschilderten Zeit angepasst, dabei detailgenau und anschaulich. Bereits nach wenigen Seiten versinkt man in der gräflichen Welt, leidet mit, diskutiert mit. Szene für Szene entsteht im Kopfkino. Die Autorin erzählt fesselnd, farbig, mit historisch umfangreich recherchierten Details. Auch wenn die Protagonisten mehrheitlich nicht unbedingt Sympathieträger sind – das Buch hat durchaus Suchtfaktor und ist Lesefutter für viele Stunden. Aber hier in Band 4 war ich sehr viel weniger diesem Suchtfaktor erlegen als in Band 1. Ich las und las, fühlte mich durchaus gut unterhalten, aber am Ende blieb außer einem Cliffhanger, der zu Band 5 verlocken will, nichts übrig. Das Kopfkino erlischt mit der letzten Seite und so gut wie nichts bleibt zurück, keine Gefühle, keine Bilder, keine einzelnen Begebnisse. Vielleicht lag es an mir.

Bewertung vom 18.04.2020
Abendglanz / Gut Greifenau Bd.1
Caspian, Hanna

Abendglanz / Gut Greifenau Bd.1


ausgezeichnet

Familiensaga zum Schwelgen schön

Was Downton Abbey für die englische Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts war, das war Gut Greifenau für die Deutschen in der Zeit vor und während des 1. Weltkrieges. Hanna Caspian legt mit ihrer opulenten Familiensaga hier den ersten Band vor, der in Hinterpommern von 1913 – 1919 spielt.

Da dieser erste Band bereits 2018 erschien, folgt hier die Inhaltsangabe des Verlages: „Mai 1913: Konstantin, ältester Grafensohn und Erbe von Gut Greifenau, wagt das Unerhörte: Er verliebt sich in eine Bürgerliche, schlimmer noch – in die Dorflehrerin Rebecca Kurscheidt, eine überzeugte Sozialdemokratin. Die beiden trennen Welten: nicht nur der Standesunterschied, sondern auch die Weltanschauung. Für Katharina dagegen, die jüngste Tochter, plant die Grafenmutter eine Traumhochzeit mit einem Neffen des deutschen Kaisers – obwohl bald klar ist, welch ein Scheusal sich hinter der aristokratischen Fassade verbirgt. Aber auch ihr Herz ist anderweitig vergeben. Beide Grafenkinder spielen ein Versteckspiel mit ihren Eltern und der Gesellschaft. So gut sie ihre heimlichen Liebschaften auch verbergen, steuern doch beide unweigerlich auf eine Katastrophe zu …“

Ich mag den Schreibstil von Hanna Caspian sehr. Mir fällt das Wort „sorgfältig“ dafür ein. Doch nicht nur das, er ist auch der geschilderten Zeit angepasst, dabei detailgenau und anschaulich. Bereits nach wenigen Seiten versinkt man völlig in der gräflichen Welt, leidet mit. Szene für Szene entsteht in meinem Kopfkino. Die Autorin erzählt fesselnd, farbig, mit historisch gut recherchierten Details. Auch wenn die Protagonisten mehrheitlich nicht unbedingt Sympathieträger sind – das Buch hat für mich absoluten Suchtfaktor und ist Lesefutter für viele Stunden.

Bewertung vom 17.04.2020
Ein Mädchen namens Willow Bd.1
Bohlmann, Sabine

Ein Mädchen namens Willow Bd.1


ausgezeichnet

Der Wald als magischer Ort

Welch ein zauber-haftes Kinderbuch, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Liebenswert, verträumt, märchenhaft, mit einer klaren Botschaft, die man jedem Kind mitgeben möchte: Höre auf die Sprache der Natur und achte sie!

Willow ist ein elfjähriges Mädchen mit unbezähmbaren roten Locken. Schon oft hatte Willow nach dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater umziehen müssen. Doch nun scheinen die Beiden ein endgültiges Zuhause gefunden zu haben, denn Tante Alwina hat ihnen ein altes Haus vererbt. Und nicht nur das, Alwina hat Willow einen kleinen angrenzenden Wald vermacht, was Willow gar nicht begeistert. Was soll sie bloß mit einem Wald, und warum in diesem alten Haus mit dem undichten Dach leben, schmollt sie. Auf einer ersten Erkundungstour durch das Wäldchen hat sie allerdings eine aufregende Begegnung mit einem zahmen Fuchs. Sie erfährt, dass Alwina ihr nicht nur den Wald, sondern auch ihre Hexenkraft hinterlassen hat, die sie sich allerdings erst erarbeiten muss. „Begabung und Fleiß. Das eine hat ohne das andere keinen Wert.“ Und sie braucht Mitstreiterinnen, die zu finden ihr als Einzelgängerin sehr schwer fällt. Mehr wird nicht verraten, denn es geht noch sehr aufregend weiter!

Das Buch ist mit einer großen Portion Humor und viel, viel Fantasie und Ideenreichtum geschrieben. Wo findet man sonst wohl Morgentau, abends geerntet? Oder Wegheckenschneckenschleim? Und es enthält, überraschend für ein Kinderbuch, sehr weise Sätze als Kapitelbeginn wie zum Beispiel „Wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken / dahin fließt unsere Energie. / Wenn wir also kein Ziel vor Augen haben, / dann wird auch nichts geschehen.“ Der Hauptperson Willow schenken wir sofort unsere volle Sympathie, denn das Leben hat ihr schon übel mitgespielt, dennoch ist sie neugierig, wissbegierig und mutig. Und sie ist unglaublich fleißig und engagiert, die Pflanzen und Tiere in ihrem Wald kennen zu lernen und zu verstehen, aber sie lernt auch, sich auf ihre neuen Freundinnen einzulassen, auch wenn diese ganz anders sind als sie selbst. Toleranz und Freundschaft sind die Grundpfeiler, auf denen die Hexenkraft schier Unmögliches zu leisten vermag, als der Wald in Gefahr gerät. Ich bin sicher, sowohl kleine als auch große Leser werden von diesem Kinderbuch verzaubert sein, wozu die feinen Illustrationen von Simona Ceccarelli einen nicht unwesentlichen Beitrag leisten.

Doch eine Anmerkung habe ich, liebe Sabine Bohlmann: Das Reh ist nicht die Frau vom Hirsch, das wäre der Rehbock. Bitte diesen Fehler unbedingt bei einer neuen Auflage ausmerzen!

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.04.2020
Die Strandvilla / Sylt-Saga Bd.1
Beerwald, Sina

Die Strandvilla / Sylt-Saga Bd.1


sehr gut

Sylt und der ewige Kampf zwischen Herz und Verstand

Eine schöne Unterhaltung ist dieses Buch! Genau die richtige Mischung an Leichtigkeit und Ernst, an Atmosphäre und fesselnder Handlung. Die passende Lektüre zur Entspannung.

Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges begleiten wir die junge Witwe Moiken Jacobsen auf ihrer Suche nach neuem Lebensglück. Nach Zeiten eines Lebens in größter Kargheit begegnet sie dem Hotelier Theodor von Lengenfeldt, Besitzer der „Strandvilla“, dem besten und modernsten Hotel auf der Insel Sylt. Theodor verliebt sich in Moiken und hält um ihre Hand an. Aber da ist auch noch der Strand-Fotograf Boy Lassen, eine alte Liebe aus Jugendtagen.

Zugegeben, diese Kurz-Inhaltsangabe klingt nach einer sehr trivialen Geschichte. Das ist sie vielleicht sogar irgendwie, aber die Stärke des Romans liegt ganz klar sowohl im Erzählstil als auch an den Protagonisten und an Sylt zu einer Zeit, in der die Insel noch einen ganz eigenen Charme hatte. Dass es Sina Beerwald gut beherrscht, historisches Ambiente mit allgemein menschlichem Sehnen und Trachten zu verbinden, hat sie bereits in mehreren historischen Romanen bewiesen. Ich empfehle, im vorliegenden Buch als erstes das Nachwort zu lesen. Ich fand es sehr beeindruckend zu erfahren, wie die Autorin historische Realität und romanhafte Fiktion zusammengefügt hat. Mit der Witwe Moiken und ihrer halbwüchsigen Tochter Emma hat sie fiktive Personen zum Leben erweckt, die nicht unbedingt sofort die Sympathie des Lesers gewinnen. Moiken ist ein spröder Mensch, hart zu sich selbst, aber auch zu anderen, einerseits in den Konventionen der Zeit gefangen, andererseits aber unangepasst-freiheitlich denkend ihre Ziele verfolgend. Sie zeigt beeindruckende Stärke und Beharrlichkeit im Kampf um Selbstbestimmung in einer Zeit, in der allein der Mann das Sagen hatte. Sina Beerwald erzählt eindrücklich, detailreich, atmosphärisch dicht, immer fesselnd und unterhaltsam. Gewissermaßen mit Sand unter den Füßen und Wind im Haar erlebt der Leser den ewigen Widerstreit zwischen Herz und Verstand, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Zuversicht und Hoffnungslosigkeit.

„Die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt“ heißt es im Nachwort. Wie schön!

Bewertung vom 15.04.2020
Ayurvedische Wohlfühlküche
Alter, Divya

Ayurvedische Wohlfühlküche


sehr gut

Essen als Quell von Heilung und Weisheit?

Misstrauisch bin ich immer gegenüber Heilsversprechungen, deren Grundlage persönlich-individuelle Erfahrungen sind. So berichtet die Autorin im vorliegenden Buch von ihrer langjährigen Suche nach Heilung und innerer Weiterentwicklung, die sie schließlich zu Ayurveda führte. Als Ergebnis lädt sie den Leser ein, verschiedene Lektionen ihrer persönlichen Reise zu teilen, um Zugang zu den heilenden Eigenschaften von Lebensmitteln zu finden und darüber hinaus „Essen zum Quell von Weisheit“ werden zu lassen. Nun ja…

Das Buch enthält alles, um sich einen schnellen Überblick über Ayurveda zu verschaffen und sich selbst – sehr oberflächlich allerdings – einzuordnen als luftigen, feurigen oder erdigen Typ mit jeweils sehr unterschiedlicher Verdauung, worauf wiederum die Auswahl hilfreicher Lebensmittel basiert. Es gilt, sich geschmacksintensiv zu ernähren, wobei jede Mahlzeit die sechs traditionellen Geschmacksrichtungen aufweisen sollte: „Geschmack unseres Lebens“. Als Essenz jenseits aller persönlichen und exotischen Denkweisen bleibt für mich die altbekannte Wahrheit übrig, auf den Körper zu hören und ihn mit dem zu versorgen, was er wirklich braucht.

Der große Rezeptteil folgt den Jahreszeiten und ist durchaus interessant zu lesen. Denn abgesehen von allen Grundinformationen wie Zeitbedarf, Zutaten und Zubereitung gibt die Autorin auf unterhaltsame Weise Wissenswertes zum Rezept oder zu möglichen Varianten bekannt, außerdem findet man jeweils Hinweise, wie das Rezept für luftige oder erdige Verdauung zu ergänzen wäre. Leider sind nicht alle Rezepte mit Fotos versehen, denn erst die Fotos lassen eine Ahnung davon aufkommen, womit ich meinen Körper versorgen soll. Aber braucht er wirklich eine Suppe aus Moringa-Stängel oder einen Pfannkuchen mit Mung Dal? Oder getrocknete Curryblätter? Und wo soll man diese Zutaten überhaupt kaufen können? Wen wundert es, dass im Anhang Lieferanten für Ayurveda-Produkte aufgelistet sind.

Fazit: Das Buch ist gut gemacht und enthält eine Fülle von Informationen. Für Leser, die sich mit der ayurvedischen Ernährung befassen wollen, ist dieses Buch eine reiche Quelle an Hintergrundwissen und Ernährungsanregungen. Mein Körper allerdings wollte keines der Rezepte ausprobieren, ließ er mich wissen…

Bewertung vom 14.04.2020
Mord im Olivenhain / Sandra Horvat Bd.2
Nikolic, Ranka

Mord im Olivenhain / Sandra Horvat Bd.2


gut

Wenig Kroatien, wenig Spannung

Machen wir es kurz: Dieser Kriminalroman ist ganz nett, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Der Wunderheiler Damjan wird ermordet aufgefunden, und zwar auf seinem Anwesen, auf dem er mit mehreren sehr unterschiedlichen Menschen zusammengelebt hatte. Deshalb ist die Liste der Verdächtigen sehr lang. Neben den Mitbewohnern gibt es auch Patienten, denen Damjan nicht helfen konnte. Die Kommissarin Sandra Horvat gerät bei ihren Ermittlungen sehr unter Druck…

Das Buch ist solide geschrieben, und es ist leider langweilig. Im Grunde werden die Seiten gefüllt mit endlosen Befragungen der vielen Verdächtigen und mit Frotzeleien des Kollegenteams untereinander. Dem Leser ist es nicht möglich mitzurätseln, weil die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander und zu Damjan irgendwie unklar bleiben. Glücklicherweise gibt es am Buchanfang ein Personenverzeichnis. Ich hätte mich sonst sehr schwer getan, die Akteure mit den für mich ungewohnten kroatischen Namen auseinanderzuhalten. Weitere kroatische Begriffe werden durch Fußnoten erklärt. Doch ansonsten fehlt mir im Buch das erhoffte Lokalkolorit. Es gibt nur wenige Schilderungen von Land und Leuten, und diese wenigen waren auch nicht besonders bildhaft oder stimmungsvoll.

Das Buch hat im Gesamten auf mich gewirkt wie ein Theaterstück, in dem viele Personen nacheinander auftreten, mit den Ermittlern sprechen und wieder abtreten. Ganz zum Schluss gibt es die Szene, in der sich der Mörder zu erkennen gibt. Stück zu Ende. Vorhang zu. Von mir leider nur kurzer Applaus.

Bewertung vom 13.04.2020
Blutgott / Clara Vidalis Bd.7
Etzold, Veit

Blutgott / Clara Vidalis Bd.7


sehr gut

Brutal und konstruiert

Wenn ein Autor Hochschulprofessor und Redner für Corporate Storytelling ist, zudem mit einer Rechtsmedizinerin verheiratet ist, kann man davon ausgehen, dass seine Bücher mit Hintergrundwissen gefüttert und strategisch raffiniert konstruiert sind. Ich kenne nur das vorliegende Buch, und ja, es ist konstruiert, nicht inspiriert. Es schockt durch brutalste Szenen, der Leser watet in Blut und zertrümmerten Knochen. Dazwischen gibt es viele Seiten der Langeweile.

Es handelt sich um den siebten Band rund um die Hauptkommissarin Clara Vidalis. Von einem brutalen Mord in einem IC an einem jungen Mädchen wird in der Einstiegsszene erzählt, und zwar so intensiv, dass der Leser sofort schaudernd ins Buch hineingezogen wird. Es bleibt in der Folge nicht bei diesem einen Mord, eine blutige Spur zieht sich durchs Land. Täter ist offenbar eine Gruppe Minderjähriger, strafunmündig, im Darknet auf satanische Weise angestachelt, sich selbst zu übertreffen.

Der Schreibstil gefällt mir in vielen Passagen, er ist witzig-bissig, geistreich, spritzig in den Dialogen. Dass der Autor auch bis ins letzte Detail intensiv beschreiben kann, beweist er allerdings leider nur in den brutalen Szenen. Und dabei geht er so weit, dass der Leser nur noch Ekel und tiefste Abscheu empfindet. Dann folgen wieder lange Passagen mit Diskussionen zwischen den Ermittlern, ohne Progredienz der Handlung. Viel Hintergrundwissen über die Tiefen und Untiefen des Internets, aber auch fraglich nützliches Wissen, wie zum Beispiel, woher der Name „Audi“ kommt und warum bei Leichen, die im Sitzen sterben, nach einiger Zeit der Kopf abfällt, füllen weitere Buchseiten. Leider bleiben auch die handelnden Personen allesamt konstruiert, psychologisch leer, Figuren, die vom Autor auf seinem Schachbrett der Grausamkeiten hin und her geschoben werden. Kann man lesen, muss man aber nicht.