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Buchbesprechung
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Bad Kissingen
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Ich bin freier Journalist und Buchblogger auf vielen Websites. Neben meiner Facebook-Gruppe "Bad Kissinger Bücherkabinett" (seit 2013) und meinem Facebook-Blog "Buchbesprechung" (seit 2018) habe ich eine wöchentliche Rubrik "Lesetipps" in der regionalen Saale-Zeitung (Auflage 12.000).

Bewertungen

Insgesamt 368 Bewertungen
Bewertung vom 16.12.2017
Ein Feuer im Garten
Hohler, Franz

Ein Feuer im Garten


gut

Es sind die kleinen Erlebnisse, Beobachtungen, Reflektionen aus dem banalen Alltag, die der Schweizer Schriftsteller und Kabarettist Franz Hohler (74) in seinem 2015 erstmals veröffentlichten, jetzt im November vom btb-Verlag als Taschenbuch erschienenen Erzählband "Ein Feuer im Garten" zum Besten gibt. Mal kabarettistisch, mal philosophiosch, mal über sich selbst belustigt schildert er kleine Missgeschicke, macht manches Banale zum Erlebnis. Es ist erstaunlich, was der Alltag dem aufmerksamen Beobachter zu bieten vermag. Hohler beobachtet sehr aufmerksam auf seinen Reisen in Zürichs Innenstadt oder einen arabischen Wüstenstaat. Selbst "ein Feuer im Garten" kann bei Hohler schon zum Erlebnis werden. Man muss Hohler Erzählweise mögen. Aber wer Hohlers mag, wird auch dieses Buch mögen. Mich konnte er nicht begeistern.

Bewertung vom 16.12.2017
Carl Tohrberg
Schirach, Ferdinand von

Carl Tohrberg


ausgezeichnet

In kurzen Sätzen, mit nur wenigen Worten charakterisiert der erfahrene Strafverteidiger und Bestseller-Autor Ferdinand von Schirach (53) überaus eindrucksvoll die drei Hauptpersonen seines im September als Taschenbuch vom btb-Verlag wiederaufgelegten Erzählbandes "Carl Tohrberg" (2012). Wie mit leichtem Pinselstrich skizziert er ganz normale Menschen, wie sie jeder täglich treffen kann, und zeigt in drei kurzen Erzählungen zugleich die verborgenen Abgründe menschlicher Schicksale. Schirach lässt uns tiefer in die Menschen schauen: Wir lernen Amtsrichter Seybold kennen, der nach vorbildlichem, aber langweiligem Leben erst nach seiner Pensionierung unerwartet die andere Seite des Gesetzes kennenlernt. Den freundlichen Bäcker an der Ecke, der eher zufällig zum Doppelmörder wird. Und dann eben Carl Tohrberg, den von der eigenen Mutter verkannten Maler und missachteten Sohn. "Carl Tohrberg", das sind drei spannende, psychologisch interessante und typische Schirach-Geschichten, die man in dieser Kürze wunderbar zwischendurch, auf der Fahrt zur Arbeit oder auf der Heimfahrt lesen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.12.2017
Giftflut / Kommissar Eugen de Bodt Bd.3
Ditfurth, Christian von

Giftflut / Kommissar Eugen de Bodt Bd.3


sehr gut

Mit wahnwitzigem Tempo jagt Autor Christian von Ditfurth (64) nicht nur seine Protagonisten diesmal durch die Welt, sondern auch uns Leser von Szene zu Szene seines im September 2017 bei carl's book veröffentlichten, wieder äußerst spannenden Politthrillers "Giftflut". Es ist nach "Heldenfabrik" (2014) und "Zwei Sekunden" (2016) der dritte Band um Hauptkommissar Eugen de Bodt und seine Mitarbeiter, die Komissarin Silvia Salinger sowie Assistent und Computerfreak Ali Yussuf, den "blonden Türken" mit der Zappelkrankheit ADHS. Gewaltige Anschläge auf Brücken und sogar den Eurotunnel mit hunderten von Opfern in Berlin, Paris und London stellen die Sicherheitsorgane aller drei Länder vor Rätsel und lassen - wie in jedem Band dieser Reihe - deren beamtete Spitzen recht dumm dastehen. Natürlich deutet alles auf international agierende Terroristen, doch fehlt den Nachrichtendiensten jeglicher Hinweis. Nur dem hyperintellektuellen Eugen de Bodt, dem Schützling der deutschen Kanzlerin, gelingt es mal wieder - gegen alle Widerstände aus den eigenen Reihen -, diesen scheinbar unlösbaren Fall zu lösen. Ditfurths Maschinengewehr-Schreibstil ist ungewöhnlich: Kurze abgehackte Sätze. Subjekt, Prädikat, Objekt. Oft nicht einmal das. Fragmente. Nur ein Wort. Ein Adjektiv. So bleibt dem Leser Raum für die eigene Phantasie. Kurze Sätze, kurze Kapitel. Ein wahrer "Pageturner", man mag nicht aufhören zu lesen. Die Spannung bleibt immer auf hohem Niveau. Erholung und Zeit zum Atemholen findet der Leser in eingestreuten Szenen mit böswitzigen Dialogen und sarkastischem Humor. Ditfurth verbindet auch in diesem dritten Band wieder tagesaktuelle Themen (Terror, Unsicherheit in der Bevölkerung, aufkommender Rechtsradikalismus, Ausländerhass) mit manchmal märchenhaft erscheinder Fiktion: Eugen de Bodt als allwissender oder -ahnender Supermann, der nicht nur seine Mitarbeiter, sondern auch uns Leser oft mit seinem Wissen und Handeln überrascht. Doch ist dies verzeihlich. "Giftflut" bleibt trotz mancher Übertreibung ein höchstspannender Politthriller mit mancher unerwarteten Wendung bei der Suche nach den Tätern.

Bewertung vom 10.12.2017
Das Original
Grisham, John

Das Original


gut

Wer im aktuellen Roman "Das Original" des amerikanischen Bestseller-Autors John Grisham (62), im August beim Heyne-Verlag erschienen, einen seiner üblichen Justizthriller erwartet, wird überrascht, wenn nicht sogar enttäuscht sein. Zwar geht es auch hier um einen spektakulären Kriminalfall - fünf im Wert unschätzbare handschriftliche Originalmanuskripte des Schriftstellers F. Scott Fitzgerald (1896-1940), darunter auch "Der große Gatsby", werden aus der Bibliothek der Universität Princeton gestohlen -, doch ist dieser Roman kein Justizthriller, sondern Grishams Hommage an die Literatur, seine Liebeserklärung an die Welt der Bücher und Autoren. Hauptpersonen sind die junge Schriftstellerin Mercer Mann und der Buchändler und -sammler Bruce Cable, der des Besitzes dieser Manuskripte verdächtigt wird. Der Leser erfährt im Laufe des Geschehens so einiges über das moderne Verlagswesen, die Eigenarten mancher Schriftsteller sowie die Geheimnisse schriftstellerischen Erfolges. Während die junge Mercer nach ihrem Debüterfolg, inzwischen hoch verschuldet, jahrelang um den Plot ihres zweiten Romans ringt, leben zwei berufserfahrene Kolleginnen seit Jahren erfolgreich von den Tantiemen dreier schlüpfriger Schundromane, die sie in nur einem Monat "rausgehauen" haben: Hier zeigt sich der Widerstreit zwischen Intellekt und Kommerz. Grisham verrät durch seine Hauptperson Bruce Cable zehn wichtige Erfolgsregeln zum Schreiben eines Romans, empfiehlt uns Lesern durch ihn aber auch: "Ich gebe jedem Buch hundert Seiten, und wenn der Schriftsteller bis dahin nichts Interessantes zustande gebracht hat, kommt es weg. Es gibt zu viele gute Bücher, die ich lesen will, um meine Zeit mit einem schlechten zu verschwenden." Möglich, dass auch mancher Leser des "Originals" so gehandelt hat. Fast hätte auch ich abgebrochen. Denn erst nach schleppendem Handlungsaufbau kommt Grisham endlich ab Mitte des Romans (Seite 183) zum Thema. Zusammengefasst: Grisham hätte seine Liebeserklärung an die Welt der Literatur straffen müssen. Als Erzählung auf nur 200 Seiten hätte es eine für Grisham-Fans noch spannende und für Freunde der Literatur sicher lesenswerte Geschichte sein können. Ausgedehnt zum 370-Seiten-Roman ist "Das Original" enttäuschend, was auch in der Bestsellerliste deutlich wird: In der Woche nach dem Erscheinen sofort auf Platz 4, seitdem unaufhaltsam abgestürzt. Allein der Name John Grisham garantiert noch keinen Erfolg.

Bewertung vom 03.12.2017
Heldenfabrik / Kommissar Eugen de Bodt Bd.1
Ditfurth, Christian von

Heldenfabrik / Kommissar Eugen de Bodt Bd.1


sehr gut

Nur zufällig hatte ich kürzlich den 2016 erschienenen Thriller „Zwei Sekunden“ von Christian von Ditfurth (64) gelesen – und war begeistert. Es war allerdings der zweite Band seiner neuen Reihe um den von Hamburg nach Berlin versetzten Hauptkommissar Eugen de Bodt. Also musste ich vor dem aktuellen Band 3 (Giftflut, 2017) noch schnell den ersten Band „Heldenfabrik“ lesen, schon 2014 als Taschenbuch bei carl's books erstveröffentlicht, 2016 im Penguin-Verlag neu aufgelegt. In diesem ersten Band lernen wir also den gebildeten Hauptkommissar Eugen de Bodt kennen - superintelligent, intellektuell seinen Vorgesetzten überlegen und dank seines analytischen und scharfsinnigen Denkens selbst in kompliziertesten Fällen überaus erfolgreich, so dass ihm seine behördlichen Widersacher nichts anhaben können. Ihm zugeordnet sind Komissarin Sylvia Salinger und der „blonde Türke“ Ali Yussuf, das Computer-Ass mit der Zappelkrankheit ADHS. Auftakt des Thrillers ist die Ermordung des kompletten Vorstands eines Berliner Chemiekonzerns. Klar, dass es hier um organisierte Kriminalität geht. Eugen de Bodt wird auf den Fall angesetzt. Doch aus unerfindlichen Gründen arbeiten die deutschen Geheimdienste, Verfassungsschutz und selbst das Kanzleramt gegen ihn und versuchen mit allen Mitteln, de Bodt vom Fall abzuziehen oder ganz auszuschalten. Auch dieser Geheimdienst- und Politthriller der neuen Ditfurth-Reihe hat mir wieder gut gefallen. Allerdings ähnelt die Systematik im Handlungsaufbau jener des [von mir vorher gelesenen] zweiten Bandes: Wieder taucht de Bodt ab, um im Geheimen und nicht immer vorschriftsmäßig den Fall lösen zu können, unterstützt von seinen beiden Mitarbeitern, die sich dabei mehrerer Dienstvergehen schuldig machen. Wieder holt Assistent Yussuf seine „Türken-Gang“ zu Hilfe, als es für das Team brenzlig wird. Wieder gibt es am Ende ein gnadenloses Showdown. Und wieder ist de Bodt abschließend mit dem Oberganoven ganz allein, der ihm dann in Band 2 wieder begegnen wird. Wie zuvor Band 2 (Zwei Sekunden) hat mir auch dieser erste Band „Heldenfabrik“ als spannende und unterhaltsame Feierabendlektüre gefallen: Man ist als Leser von der ersten Seite an mitten im Geschehen, kurze Sätze machen Tempo und halten die Spannung bis zuletzt. Handlung und Stil ähneln einem spannenden Actionfilm: Der Leser weiß natürlich: Es ist alles nur Fiktion. Aber könnte es nicht vielleicht doch möglich sein? Man hört ja so einiges. Band 1 und 2 der neuen Ditfurth-Reihe haben mir soweit also gefallen. Jetzt steht noch der dritte Band „Giftflut“ (2017, carl's books) auf meiner Liste. Hoffentlich gilt bei dieser Ditfurth-Reihe nicht das leidige „Gesetz der Serie“: Ab Band 3 wird es meistens langweilig, wenn sich bestimmte Dinge – wie oben beschrieben - wiederholen.

Bewertung vom 28.11.2017
Die Herzlichkeit der Vernunft
Schirach, Ferdinand von;Kluge, Alexander

Die Herzlichkeit der Vernunft


ausgezeichnet

Ich gebe gern zu, dass es mir ohne eine umfassende humanistische Allgemeinbildung nicht immer leicht fiel, diesen beiden klugen Köpfen Alexander Kluge und Ferdinand von Schirach in ihren fünf Gesprächen über "Die Herzlichkeit der Vernunft", als kleines Büchlein im DIN A6-Format mit nur 187 Seiten im Oktober vom Luchterhand-Verlag veröffentlicht, bis in die letzten Ecken ihrer Gedanken, Überlegungen und Schlussfolgerungen zu folgen. Aber es war in jedem Fall eine literarische Wohltat, in dem sonst überbordenden Angebot leichter und seichter Unterhaltungsliteratur mal wieder ein derart geistig anregendes Werk lesen zu dürfen. Alexander Kluge und Ferdinand von Schirach, beide Juristen und beide Schriftsteller, tauschen darin ihre Ideen und Gedanken über Sokrates oder das Glück der Bescheidenheit aus, über Voltaire oder die Freiheit durch Toleranz, über Kleist oder das Wissen um den Menschen, über Terror oder die Klugheit des Rechts, über Politik oder das Lob der Langsamkeit. Sie ergänzen sich oft, widersprechen sich auch gelegentlich, werden sich nicht immer einig. Auch wenn man als Leser nicht jedes Zitat aus der Originalschrift kennt, nicht jeden im Gespräch genannten Philosophen oder Schriftsteller gelesen hat, um mit urteilen zu können, ist es doch anregend, den beiden Diskutanten bei ihrem "Kamingespräch" über Grundfragen des Rechts und der Gesellschaft, über Theater und Literatur, über die Gefahren der direkten Demokratie und der sozialen Medien und was den Menschen im eigentlichen Sinn menschlich macht zu folgen. Vielleicht sollte man dieses kleine, äußerlich so unscheinbare Büchlein tatsächlich zwei- oder sogar dreimal lesen, um endlich allen Gedankengängen Kluges und Schirachs wirklich folgen und das Gesagte verstehen zu können. Beim Lesen dieses Buches ist es gewiss keine Schande, für sich den altgriechischen Philosophen Sokrates zu zitieren: "Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß." Zumindest hat man nach der Lektüre etwas dazugelernt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.11.2017
Die Zweisamkeit der Einzelgänger / Alle Toten fliegen hoch Bd.4
Meyerhoff, Joachim

Die Zweisamkeit der Einzelgänger / Alle Toten fliegen hoch Bd.4


gut

Nach seinen mehrfach ausgezeichneten autobiographischen Romanen "Alle Toten fliegen hoch" (2011), "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" (2013) und "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" (2015) ist der heute gefeierte Autor und Wiener-Burg-Schauspieler Joachim Meyerhoff in seinem vierten Band "Die Zweisamkeit der Einzelgänger", erschienen im November bei Kiepenheuer&Witsch, nun als "fragiler und stabil erfolgloser Jungschauspieler" in der Provinz gelandet. In Bielefeld begegnet der Mittzwanziger der ehrgeizigen und überintelligenten Studentin Hanna, später in Dortmund der exzentrischen Theatertänzerin Franka. Schließlich fühlt er sich auch noch in der Bäckerei der prallen Ilse wohl. Und keine Frau weiß von den zwei anderen. Der Verlag stellt im Klappentext die Frage: "Kann das gut gehen?" Ich meine NEIN, meine damit aber Meyerhoffs viertes Buch insgesamt und kann mich den allgemeinen Lobeshymnen nicht oder nur bedingt anschließen. Liegt es am außergewöhnlichen und völlig berechtigten Erfolg seines dritten Bandes? Oder ist es die unweigerlich ermüdende Folge der Serienschreiberei? Hat man alle drei Vorgängerbände gelesen, kennt man Meyerhoffs humoristische Art zu schreiben, seine intelligente Formulierungskunst, seine vortreffliche Ironie, mit der er nicht nur seine Angehörigen und andere beschreibt, sondern vor allem sich selbst. Doch in Band 4 kommt kaum Neues mehr. Erinnerungen an seine Brüder und Großeltern - Repliken an die drei Vorgängerbände - haben noch Witz, auch die Beschreibungen seiner Arbeiten an den Provinztheatern. Aber: Seine privaten Alltagsszenen werden im vierten Band verbal plattgewalzt, die kurzgefasst noch durchaus amüsant gewesen wären. Die unzähligen und ausführlich beschriebenen Bettgeschichten mit Hanna und Franka wirken spätestens nach der dritten ebenfalls ermüdend, zumal man diese in Meyerhoffs sonst so intelligent geschriebener Buchreihe nicht erwartet und vor allem nicht braucht. Ergebnis? Als Meyerhoff-Fan, der alle drei Vorgängerbände kennt, habe ich in diesem vierten Band hin und wieder Seiten überschlagen oder andere quergelesen. Schade drum! Meyerhoff hätte nach dem dritten Band "Ach, diese Lücke ...." aufhören sollen. Oder im vierten stark kürzen und streichen müssen. Dieser vierte Band erscheint irgendwie, vom Verlag dem Autor abgerungen. Meine bisherige Begeisterung für Meyerhoffs Bücher hat dadurch leider gelitten.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.11.2017
Die Lichter von Paris
Brown, Eleanor

Die Lichter von Paris


sehr gut

Man könnte vermuten, "Eleanor Browns Roman "Die Lichter von Paris" sei ein typischer Frauenroman, da die Protagonistinnen Enkelin Madeleine und Großmutter Margie sind. Beide sind oder waren einst auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück, dass sie gesellschaftlichen Zwängen haben opfern müssen. Aber ist dies nur ein Frauenschicksal? Auch Männer haben in ihrer Jugend Träume und nur die wenigstens können sie sich erfüllen, zwingen doch Familie und Berufsabhängigkeit meistens zu einem ganz anderen Leben. Träume sind egoistisch und müssen sich meistens den Bedingungen im realen Leben unterordnen, Leben in Familie und Gemeinschaft verlangt Kompromisse und oft Verzicht. Dies ist das eigentliche Thema des Romans, der sich trotz des schwierigen Themas recht leicht lesen lässt. Brown versteht es, sich des Themas sensibel anzunehmen. Störend sind allerdings die - in modernen Romanen scheinbar unvermeidlichen - Zeitsprünge zwischen Gegenwart (Madeleine) und Vergangenheit (Margie). Doch alles in allem sind "Die Lichter von Paris" eine ansprechende Lektüre.

Bewertung vom 19.11.2017
Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel / Commissaire Le Floch Bd.1
Parot, Jean-François

Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel / Commissaire Le Floch Bd.1


ausgezeichnet

Es ist absolut unverständlich, warum man uns deutschen Lesern die äußerst faszinierende historische Krimi-Reihe um den Pariser Commissaire Nicolas Le Floch seit Jahren vorenthalten hat. Erst jetzt im September erschien endlich im Blessing-Verlag der schon vor fast 20 Jahren im französischen Original erstmals veröffentlichte historische Roman "Commissaire Le Floch & das Geheimnis der Weißmäntel" von Jean-François Parot (71). Er ist der Auftakt einer in Frankreich bereits auf 13 Bände gewachsenen, teilweise TV-verfilmten und in etliche Sprachen übersetzten Krimireihe, die im Paris des 18. Jahrhunderts zur Zeit Ludwigs XV. und der beginnenden Aufklärung spielt. Überaus spannend ist der fiktive Kriminal- und Spionagefall um korrupte Polizisten und verschwundene Briefe des Königs, mit dessen Klärung der junge, gerade aus der bretonischen Provinz nach Paris gekommene Notariatsgehilfe Nicolas Le Floch im Jahr 1759 vom Pariser Polizeipräfekten Sartine beauftragt wird - ausgestattet mit allen Vollmachten des Königs. Es versteht sich von selbst, dass der in kriminalistischer Arbeit völlig unerfahrene junge Mann diesen verzwickten Fall nach einigen Anlaufschwierigkeiten dann doch zur vollen Zufriedenheit seines Chefs und des Königs löst und am Ende sogar vom König persönlich zum Commissaire ernannt wird, auf den (aktuell) noch zwölf weitere spannende Fälle warten. Doch dies ist gar nicht das eigentlich Besondere und Ungewöhnliche an der historischen Krimireihe. Faszinierend wird sie erst durch ihr genaues, fast dokumentarisches Abbild jener Zeit, in der dieser Roman spielt: Nicht nur die auftretenden Personen - vom Polizeichef Sartine über den Henker Sanson bis zu Madame Pompadour und König Ludwig XV. - gab es tatsächlich. Auch die Örtlichkeiten im alten Paris und das gesellschaftliche Zeitgeschehen um 1760 ist sehr genau, aber nicht aufdringlich erzählt. Diese Perfektion muss nicht wundern. Der Autor weiß, worüber er schreibt: Jean-François Parot ist nicht nur studierter Historiker, zu dessen Schwerpunktthema die Zeit der Aufklärung gehört, sondern schrieb zudem 1969 eine Arbeit über die Strukturen dreier typischer Pariser Stadtviertel zu jener Zeit. Doch nicht nur das gesellschaftliche und politische Umfeld ist grandios erzählt, auch die wohlgesetzte Formulierungskunst, wie man sie in aktuellen Büchern heute kaum noch findet (ein Lob dem Übersetzer Michael von Killisch-Horn!), gibt dem Leser das passende Empfinden für die längst vergangene Zeit. Ganz nebenbei kann man sogar so manches aus diesem Roman lernen wie die Ablösung der Quacksalberei (Aderlass) durch die Anfänge der modernen Medizin, den Beginn der kriminalistischen Forensik (Fallklärung durch Spurennachweis, nicht durch Folter), das Aufkommen des hygienischen und gesundheitsförderlichen Ganzkörperbades (man wusch sich zuvor allenfalls Hand und Gesicht) oder die Einführung der Kartoffel, deren Garzeit allerdings noch im Beten von mehreren Vaterunsern gemessen wurde. Dieser Krimi - und wohl auch die folgenden Bände um den jungen Pariser Kommissar; der zweite Band „Commissaire Le Floch & der Brunnen der Toten“ ist für März angekündigt - bieten nicht nur Spannung, sondern vermitteln unmerklich historische Wissenshäppchen und bieten sogar zeitgenössische Kochrezepte. Die Reihe "Commissaire Le Floch" ist also ein literarischer Genuss, den man uns in Deutschland leider viel zu lange vorenthalten hatte. - Ergänzend gibt es seit August das kostenlose eBook "Die Welt des Commissaire Le Floch", u.a. mit Texten zum Straßenleben jener Zeit, zur Hygiene, zur damaligen Sexualmoral, zur Kochkunst und zur Entwicklung der Gastronomie.

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Bewertung vom 12.11.2017
Käsebier erobert den Kurfürstendamm
Tergit, Gabriele

Käsebier erobert den Kurfürstendamm


ausgezeichnet

Faszinierend aktuell ist noch heute der Roman "Käsebier erobert den Kurfürstendamm" von Gabriele Tergit, der jetzt im Oktober beim btb-Verlag als Taschenbuch erschien. Doch stammt der gesellschaftskritische Bestseller der bekannten Berliner Journalistin und ersten deutschen Gerichtsreporterin schon aus 1931, wurde erst 1975 wiederentdeckt und seitdem alle paar Jahre neu aufgelegt. In ihrer Satire beschreibt Gabriele Tergit äußerst facettenreich und detailgenau das Leben und Treiben im Berlin des Jahres 1929. Es geht um die wachsende Macht der Medien und die zerstörerische Macht des Geldes mit gleichzeitigem Niedergang von Ehre und Moral, Anstand und Bildung. Aus Mangel an interessanten Meldungen veröffentlicht Redakteur Gohlisch in der Berliner Rundschau einen Artikel über einen eigentlich talentlosen Varieté-Künstler namens Käsebier. Andere Zeitungen stürzen sich aufs Thema und pushen Käsebier schnell zum Superstar hoch. Sofort greift das Merchandising: Es gibt Käsebier-Gummipuppen, Käsebier-Staubtücher, Käsebier-Zigaretten, Käsebier-Schuhe und mehr. Käsebier singt auf Schallplatte, es folgt ein UFA-Film und sogar ein Singspiel. Alle Branchen wollen teilhaben an Käsebiers Erfolg. Doch nicht Käsebier ist die Hauptperson in Tergits Roman, sondern die auf dem Vulkan tanzende Berliner Gesellschaft kurz vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und der nachfolgenden Nazi-Herrschaft. Es ist das letzte Jahr der angeblich so Goldenen Zwanziger. „Geist? Wer will Geist? Tempo, Schlagzeile, das wollen die Leute. Amüsement, jeden Tag eine andere Sensation, groß aufgemacht", stellt Redakteur Gohlisch fest. In kurzen Sätzen und noch kürzeren, oft Gedanken überspringenden Dialogen zeigt Tergit die Schnelllebigkeit, die Suche nach Sensationen, zugleich aber oft geistlose Oberflächlichkeit des alt- und neureichen Berliner Großbürgertums bei Hausgesellschaften und Premieren. Bankier Muschler steht kurz vor der Pleite, aber mit Frau Gemahlin fährt er - der Schein muss gewahrt bleiben - wieder nach Cannes, wozu er Kundengelder verurtreut. Muschler und der korrupte Bauunternehmer Otto Mitte ("Ein bißchen korrupte Genialität ist besser als korrekte Unfähigkeit.“) wollen ihr Stück vom Käsebier-Hype und bauen am Kurfürstendamm einen Komplex mit Theater, Läden und überteuerten Wohnungen. Doch Käsebiers künstlich geschaffener Stern sinkt, der Superstar erweist sich als Luftnummer. Die Käsebier-Gummipuppe wird von der Gummi-Mickeymaus abgelöst. Die Weltwirtschaftskrise gibt den Rest. Die Unternehmer retten ihr Vermögen ("Es war eben viel bequemer, mit Schulden in die Schweiz zu ziehen als zu verarmen."), die Mittelschicht und die Kleinen verlieren es. Es kommt zu Zwangsversteigerungen: Berlin wird verramscht. "Hat nichts Bestand? Ist alles Mist, was wir gemacht haben?" fragt sich Geheimratstochter Kohler. Redakteur Gohlisch verkürzt folgerichtig seinen jahrelang gebrauchten Standardgruß "Heil und Sieg und fette Beute!" zeitentsprechend in „Heil und Sieg!" und ergänzt "Fette Beute gibt’s nicht mehr.“ Es ist überraschend und zugleich beängstigend, wie aktuell Tergits Roman noch heute ist. An vielen Stellen gefriert einem das Lachen im Gesicht. Die Zeiten ändern sich, wir Menschen anscheinend nicht. Ich kann diesen Roman unbedingt empfehlen!

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