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Top-Rezensenten Übersicht

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Lesendes Federvieh
Wohnort: 
München
Über mich: 
Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2019
Wolf
Brunntaler, Marie

Wolf


ausgezeichnet

1820, Schrötten, ein düsteres Dorf im Südschwarzwald. Dorthin kommt Gabriel, ein junger Fremder, um als Knecht auf dem Hof der Familie Steinhauer zu arbeiten. Die Dorfbewohner sind nicht nur von seiner Schönheit und Ausstrahlung fasziniert, sondern auch von seinem naturheilkundlichen Wissen. Als er der jungen Bauerstocher Marie Steinhauer dadurch das Leben rettet, gewinnt er an Achtung. Doch als sich die Bäuerin Steinhauer in ihn verliebt, überschlagen sich die Ereignisse. Wer ist Gabriel, wo kommt er her und warum gerade nach Schrötten?

"Wolf" ist ein faszinierende Buch, das mich von der ersten Seite an in seinen Bann zog. Die Autorin nimmt die Leser mit in das kleine, dunkle Dorf im Schwarzwald, wo die Bewohner ein beschwerliches Leben voller Entbehrungen führen. Sie beschreibt auf beeindruckende Weise die Enge des Dorflebens und die Feigheit und Duckmäuserei der Bewohner. Auf der anderen Seite gibt sie auch Einblicke in das auch nicht immer einfache Leben im Kloster.

Alle Charaktere sind bis ins kleinste Detail skizziert und wirken somit absolut lebendig, auch die Situation und Lebensbedingungen im Dorf und im Kloster sind bildhaft und ausführlich beschrieben.

Vor diesem Hintergrund erzählt sie in einem angenehmen, klaren und mitreißenden Schreibstil die absolut fesselnde Geschichte über Macht, Liebe und Rache. Die Handlung, die sie um ihre strahlende Hauptfigur Gabriel webt, ist spannender als so mancher Krimi und ein wahrer Lesegenuss.

Fazit: Genial gestrickter, spannender Heimatroman

Bewertung vom 23.09.2019
Zu Staub
Harper, Jane

Zu Staub


gut

Mitten in der endlosen Weite des australischen Outbacks leben die drei Brüder Nathan, Cam und Bub auf riesigen Farmen. Der entbehrungs- und arbeitsreiche Alltag bestimmt ihr Leben. Doch eines Tages geschieht das Unfassbare, Cam wird tot am Stockman-Grab gefunden, das einsam im Nichts steht. Was hat den erfahrenen Cam veranlasst dort ohne Auto und Wasser zu Fuß hinzugehen? Ist ihm die Einsamkeit und Isolation im heißen Herz Australiens auf die Seele geschlagen? Oder ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen?

Jane Harper entführt ihre Leser mit ihrem neuen Thriller "Zu Staub" ins australische Outback. Dabei schafft sie es hervorragend die ganz spezielle Atmosphäre dieses Landstrichs zu vermitteln. Endlose Weite, rote Erde soweit das Auge reicht, Staub überall, sengende Hitze und die Einsamkeit, all das kennzeichnet diesen faszinierenden Teil Australiens aus. Obwohl es bei mir schon einige Jährchen her ist, dass ich dort war, hatte ich die Landschaft sofort wieder vor Augen.

Vor dieser einzigartigen Kulisse erzählt die Autorin die Umstände, die zu Camerons Tod führten. Ich wähle bewusst das Wort "erzählt", denn für mich ist dieses Buch mehr eine intensive und durchaus spannende Familiengeschichte. Sie beginnt ruhig und unaufgeregt, der Tod Cams wird Schritt für Schritt begreifbar gemacht. Dabei kommen Familiengeheimnisse zum Vorschein, die jahrelang unter den Teppich gekehrt wurden. Je tiefer man in die Handlung eintaucht, desto mehr spürt man die spezielle Lebenssituation, die Abgeschiedenheit und starre Familienstrukturen auf der abgelegenen Farm. Durch Rückblicke in die Vergangenheit wird dieser Effekt noch verstärkt. Ein für mich völlig überraschendes Ende rundet den Roman gut ab.

Auch durch ihren klaren, schnörkellosen, ruhigen Erzählstil und die authentisch skizzierten Charaktere, die auch mal nicht so perfekt sein dürfen, gibt sie Aspekte des Outbacks wieder. Denn durch die enorme Hitze und die unwirtlichen Bedingungen gehen die Uhren hier eben etwas anders.

"Zu Staub" hat mir von der Geschichte her gut gefallen, doch für einen Thriller, so wie ich ihn mir vorstelle, fehlte mir der Nervenkitzel und die knisternde Spannung zwischen den Seiten. Somit befinde ich mich bei der Vergabe der Bewertung diesmal in der Zwickmühle, vergebe aber drei Sterne mit starker Tendenz zu vier.

Bewertung vom 19.09.2019
Ein Sommer voller Himbeereis
Haasis, Persephone

Ein Sommer voller Himbeereis


sehr gut

Im charmanten Eiscafé "Paulines Eishimmel" zaubert Pauline ausgefallene Eiskreationen für ihre Gäste, um sie über die Geschmacksempfindung an entfernte Orte zu locken. Sinnliche Sorten und ausgefallene Geschmacksrichtungen wie beispielsweise Basilikum gibt es bei ihr genauso zu kaufen wie Stracciatella, Vanille und natürlich ihr Himbeereis für alle Lebenslagen. Das Austüfteln neuer Eiskreationen ist Paulines große Leidenschaft. Allerdings sieht die Zukunft für ihr geliebtes Eiscafé nicht gerade rosig aus, denn sowohl der Vermieter als auch die Bank sitzen ihr im Nacken. Zur zeitweisen Zerstreuung ihrer Geldsorgen stöbert Pauline gerne durch das nebenan liegende Antiquitätengeschäft ihrer Ersatzgroßmutter Anna und versteckt dort heimlich Zettelbotschaften mit ihren Wünschen und Gedanken. Eines Tages antwortet ihr tatsächlich jemand, der ihre Ängste und Hoffnungen zu verstehen scheint. Gänzlich gegenteilig verhält es sich mit Annas arrogantem Enkel Christian, der auf einmal ständig in Paulines Eishimmel auftaucht.

Das Cover von "Ein Sommer voller Himbeereis" sieht wirklich zum Anbeißen aus und verspricht zugleich die perfekte Lektüre für einen verlängerten Sommer zu sein, weshalb ich nicht widerstehen konnte. Die fluffig leichte Erzählung wird getragen von einer sympathischen Protagonistin, deren größte Leidenschaft Eis ist. Nicht nur die einfache Herstellung davon, sondern das ganze Paket: Von der Idee, dem Experimentieren in ihrem Eislabor - ja das gibt es charmanterweise wirklich - bis hin zur perfekten Kreation mitsamt der wunderschönen Dekoration macht Pauline alles selbst. Nur zu gerne wäre ich selbst Gast in ihrem Eiscafé, denn ihre ausgefallenen Kreationen klingen wirklich himmlisch.

Das Eis dient nicht nur der Erfrischung in heißen Sommertagen, vielmehr ist es ein Feuerwerk der Geschmäcker für den Gaumen. Es versetzt den Schlemmer an ferne Orte, wie etwa in die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, nach Rom oder zurück an einen geliebten Ort einer verloren geglaubten Kindheitserinnerung. Einen Nachteil haben diese eingehenden Beschreibungen der jeweiligen Eissorten allerdings: Man bekommt einen unglaublichen Heißhunger auf Eis und wenn gerade keins in der Nähe ist, dann ist das äußerst fies.

Natürlich spielt neben dem Eis auch die Liebe eine große Rolle in diesem angenehmen Sommerroman. Pauline ist eine Romantikerin wie sie im Buche steht, sie verstreckt inspirierende Botschaften mit ihren Gedanken und Sehnsüchten in den Antiquitäten ihrer großmütterlichen Freundin Anna. Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand diese entdeckt und ihr antwortet. Besonders gut hat mir dabei der kleine erzählerische Kniff gefallen, dass ER sehr wohl wusste, wem er da schreibt, SIE aber keinen blassen Schimmer hatte. Stattdessen gerät sie bereits bei der ersten Begegnung mit Annas arrogantem Enkel Christian aneinander, dass die Fetzen fliegen. Dieser erste Schlagabtausch ist einfach nur genial geschrieben und war herrlich amüsant zu lesen, wie auch ein gewisses später darauf folgende Kellerszenario.

Besonderen Charme versprühen auch die Nebencharaktere, allen voran Anna, die beste Freundin von Paulines verstorbener Großmutter. Trotz ihres hohen Alters hat sie noch eine Menge an Energie und schelmischer Raffinesse, die einige junge Menschen in den Schatten stellt, und lenkt die Geschichte so immer wieder in erfrischend neue Bahnen.

Was mir nicht ganz so gut gefallen hat, waren die überaus positiven und vor allem zahlreichen Verkettungen von glücklichen Zufällen auf den letzten Seiten. Happy Ends finde ich immer gut, aber in diesem Fall war es für meinen Geschmack dann doch etwas zu viel und vor allem zu schnell hintereinander, dass man beinahe gar nicht mehr hinterherkam.

"Ein Sommer voller Himbeereis" ist die perfekte Sommerlektüre für Genießer mit einer prickelnden Liebesgeschichte, vorausgesetzt man hat Eis in der Nähe, ansonsten artet es bei den detaillierten Beschreibungen der vielen leckeren Geschmacksric

Bewertung vom 19.09.2019
Was du von mir wissen sollst
Gazan, Sissel-Jo

Was du von mir wissen sollst


ausgezeichnet

Rosa verbringt ihre Kindheit und Jugend in den achtziger Jahren im dänischen Aarhus. Dort lebt sie mit ihrer unkonventionellen Mutter Helle. Sie durchlebt Hochs und Tiefs und beginnt sich für Street Art zu begeistern. Doch über allem steht die Frage, wer denn nun ihr Vater ist, denn Helle weigert sich standhaft einen Namen zu nennen und Krudt, ein Freund der Familie, liebt Rosa wie seine eigene Tochter. Erst Jahre später macht sich die inzwischen erwachsene Rosa auf nach Berlin, um dort die Identität ihres wahren Vaters zu erfahren.

Was für ein toller Schmöker! 587 Seiten pure Lesefreude. Da ich ja selbst meine Jugend in den Achtzigerjahren verbrachte, ist dieses Buch ein ganz besonderes Leseerlebnis gewesen. Außerdem bin ich ein großer Street Art Fan und somit war es für mich total spannend und interessant zu lesen, wie Rosa und auch ihre Freunde diese Kunstform für sich entdeckten und weiterentwickelten.

Sissel-Jo Gazan erzählt nicht nur Rosas Lebensweg, sie lässt den Zeitgeist dieser ereignisreichen Ära durch die Seiten strömen. Durch ihren lockeren, entspannten Schreibstil nimmt sie den Leser mit zu Helle, Krudt, Tom, Sevim und all den anderen und erzählt von den Problemen der Erwachsenen und der Jugendlichen. Aber auch die politischen Strömungen lässt sie gekonnt in die Handlung einfließen. Durch ihre authentisch und detailliert gezeichneten Charaktere wird beispielsweise durch Tom die Hausbesetzerszene genauso lebendig wie der Alltag ganz gewöhnlicher Jugendlicher. Das finde ich klasse.

Das große Highlight dieses Buches sind für mich allerdings alle Passagen, in denen die Autorin rund um das Thema Street Art erzählt. Das ist faszinierend zu lesen. Da sie ja auch Künstler aus diesem Genre nennt, vor allem während Rosas Zeit als Kunstexpertin, konnte ich nebenbei auch noch einige Kunstwerke kennenlernen. Internet macht‘s möglich. So präsentiert die Autorin neben einer grandiosen Geschichte auch noch etwas fürs Auge für alle Kunstinteressierten.

Bewertung vom 19.09.2019
Hope Again / Again Bd.4
Kasten, Mona

Hope Again / Again Bd.4


ausgezeichnet

Sich zu verlieben stand sicherlich nicht auf Everly Penns To-Do-Liste, sie weiß wie schmerzhaft die Liebe sein kann. Allerdings hat sie dabei die Rechnung ohne Nolan Gates gemacht, der nicht nur unverschämt gut aussieht und intelligent ist, sondern darüber hinaus für jeden ein offenes Ohr und einen guten Rat hat. Außerdem ist er der Einzige, dem es gelingt Everlys dunkle Gedanken zu vertreiben, die sie in der Nacht wachhalten. Doch er ist auch ihr Dozent. Je näher die ihn kennenlernt, desto intensiver wird die Verbindung zwischen ihnen und Everly fällt es zunehmend schwer die unsichtbare Grenze zwischen ihnen nicht zu überschreiten. Sie ahnt jedoch nicht, dass sich hinter Nolans ansteckender Begeisterung für Literatur und der lebensbejahenden Art ein trauriges Geheimnis verbirgt, das ihre Liebe zerstören könnte noch bevor sie überhaupt begonnen hat.

Endlich ist das neue Buch von Mona Kasten da, auf das ich mich schon das ganze Jahr über gefreut habe! Mit Mona Kastens „Begin Again“ habe ich das New Adult Genre für mich entdeckt und seitdem alle ihre Bücher verschlungen, wobei „Feel Again“ einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt. Allerdings ist „Hope Again“ diesem ziemlich nahe gekommen.

Everly gehört ebenfalls zur liebgewonnen Woodshill-Clique und ist die Stiefschwester von Dawn, jedoch nimmt sie freiwillig eher eine Randposition ein, damit ihr niemand mit den richtigen persönlichen Fragen zu nahe kommen kann. Mona Kastens Protagonisten haben stets ihre großen und kleinen Probleme, die ihnen das Leben alles andere als erleichtern, so auch Everly. Dass es etwas mit Kindheitserinnerungen erfüllt von Gewalt zu tun hat, wird spätestens in ihren ehrlichen und poetischen Texten deutlich, die sie für die Schreibwerkstatt schreibt. Diese intensiven Texte haben mich jedes einzelne Mal mitten ins Herz getroffen, weil sie einen ungefilterten Blick in Everlys Gedanken, Gefühle, in ihre Seele erlauben. Menschen gegenüber ist sie verschlossen und reserviert, niemand weiß von ihrer von häuslicher Gewalt vergifteten Kindheit. Die wöchentlichen Aufgaben für ihren Unikurs sind ihre einzige Möglichkeit, wenigstens für einen Moment die gut einstudierte „Alles ist gut“ Maske abzulegen, sich ihren Dämonen zu stellen und zu versuchen das Geschehene zu verarbeiten.

An dieser Stelle kommt diejenige Person ins Spiel, die für die abwechslungsreichen Aufgaben verantwortlich ist, die es den Seminarteilnehmern ermöglicht mit dem Schreiben über den Tellerrand zu blicken und sich dabei selbst zu finden, gleichzeitig aber auch die Person, welche die Texte am Ende liest. Nolan Gates ist der Dozent der Schreibwerkstatt und der einzige, dem Everly sich neben den Texten in nächtlichen Chatnachrichten öffnet. Die Verbindung zwischen den beiden – geistig wie emotional – ist von den ersten Worten an spürbar, ihre vertrackte Liebesbeziehung mitreißend, stellenweise herzzerreißend und absolut authentisch erzählt. Vor allem ist sie von Wertschätzung und gegenseitigem Respekt geprägt.

Die Handlung verläuft übrigens parallel zu „Feel Again“, weshalb auch ein paar Isaac-Szenen vorkamen, die man aus anderer Perspektive bereits aus dem vorherigen Band kannte und mich in die Geschichte meiner Again-Lieblinge Sawyer und Isaac zurückkatapultierte. Bei Isaac geht mir immer noch das Herz auf, auch wenn es schon eine Weile her ist, dass ich „Feel Again“ verschlungen habe. Ich meine wer fängt denn Small-Talk mit „Magst du Steak?“ an und ist in seinem gesamten Verhalten so unglaublich liebenswert?

„Hope Again“ ist nicht bloß eine große Liebesgeschichte, die von Verlust, dem Umgang mit einem Trauma und der Hoffnung auf einen Neuanfang erzählt. Sie berührt mit starken Worten und leisen Zwischentönen, unvergleichlichen facettenreichen Charakteren und einer tollen Storyline. Vor allem aber lässt sie fühlen, als wäre man selbst an der Stelle der Hauptcharaktere.

Bewertung vom 19.09.2019
Der Alte muss weg
Berling, Carla

Der Alte muss weg


sehr gut

Steffi ist Mitte fünfzig und in der Krise. Sie ist unzufrieden mit sich selbst, mit ihrer unmöglichen Chefin und ihrem langweiligen Ehemann. Die einzige Freude ist der wöchentliche Stammtischtreff mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen. Doch auch diese Damen hadern mit ihrer Situation – und mit dem einen oder anderen Mann an ihrer Seite. So beratschlagen sie bei einem feucht-fröhlichen Kölsch-Abend wie ein perfekter Mord denn aussehen könnte.

Zum ersten Mal musste ich schon auf Seite 9 schmunzeln, als ich über die Theorie eines Rechtsmediziners las, nachdem „Deutschlands Friedhöfe nachts taghell erleuchtet wären, wenn auf jedem Grab in dem das Opfer eines unentdeckten Mordes liegt, eine Kerze brennen würde“. Das hatte ich doch schon mal bei einer Lesung eines bekannten Mediziners dieser Fachrichtung gehört. Da war ich nun ja gespannt, wie sich Carla Berlings Geschichte entwickelte. Großartig, wie ich finde.

Humorvoll erzählt sie über Steffis Ambitionen ihren biedern Mann Tom zu beseitigen, über den Zusammenhalt der Freundinnen, aber auch über die Eintönigkeit, die sich bei vielen einschleicht. Mit ihrem flotten und lockeren Schreibstil und den unterhaltsamen Dialogen, ich denke da besonders an Elfie mit ihrem herrlichen Dialekt, fliegen die Seiten nur so dahin. Die super (über)zeichneten Charaktere, mal schrill, mal schräg, mal schrullig passen perfekt zum Buch. Auch die unerwarteten Wendungen geben der Handlung nochmal neuen Pfiff und lassen den Leser auch ein klitzekleines bisschen darüber nachdenken, ob wir uns nicht manchmal zu wenig Gedanken über unsere Partner machen.

Ich habe „Der Alte muss weg“- allein der Titel und das Cover sind schon die Wucht – sehr gerne gelesen. Es ist für mich ein humorvoller Kriminalroman mit einem ordentlichen Schuss Gesellschaftssatire, der bei mir für beste Laune sorgte.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.09.2019
Die Frau im Musée d'Orsay
Foenkinos, David

Die Frau im Musée d'Orsay


ausgezeichnet

Wie aus heiterem Himmel kündigt Antoine Duris seine Professorenstelle an der Hochschule der Bildenden Künste in Lyon, löst seinen Mietvertrag auf und zieht mit einem einzigen Koffer nach Paris. Seinen abrupten Lebenswandel erklärt er seinen Freunden mit der Ausflucht er würde an einem Roman arbeiten, doch tatsächlich bewirbt er sich als Wärter im Musée d'Orsay. Die Schönheit der ihn umgebenden Gemälde scheint seinen Schmerz zu lindern, der ihn nach einem einschneidenden Ereignis nicht mehr loszulassen droht. Als Mathilde, die Personalchefin des Museums, auf der Bildfläche erscheint, regt sich in Antoine wieder etwas wie Hoffnung, Lebensfreude und der Mut, einen neuen Weg einzuschlagen.

David Foenkinos hat eine ganz eigene, pointierte Art zu erzählen, die ohne Vorwarnung eine Bandbreite an intensiven Gefühlsregungen zu erzeugen vermag. Unter dem Deckmantel der Kunst lässt er tiefgründige Themen anklingen, beleuchtet dabei auf ungewöhnliche, teils obskure Weise die Szenerie. Gänzlich gegensätzliche Gedanken von Peiniger und Opfer werden ohne weitere Kommentierung von selbigen in aufeinanderfolgenden Kapiteln aneinandergereiht, wodurch die zuvor evozierten Gefühle der Abscheu, des Ekels und der aufflammenden Wut wirkungsvoll verstärkt werden und man als Leser doch hilflos dabei zusehen muss wie das Übel seinen Lauf nimmt. Die Geschichte ist jedoch keineswegs ausschließlich von Schwermut durchzogen, gleichwohl gibt es die hellen, hoffnungsvollen Momente, die ein leises Lächeln auf die Lippen zaubern. Als mein kleines, persönliches erzählerisches Highlight sollten sich die sorgfältig dosiert eingestreuten Anmerkungen in den Fußnoten entpuppen. Der darin stets enthaltene spitze Unterton war mal vergleichbar mit einem Augenzwinkern, mal beinahe anklagend, aber immer irritierend nachdenklich stimmend.

Auf mich wirkte die Untergliederung der Geschichte in vier Teile wie Erzählungen zu vier Bildern, die in ihrer Gesamtheit ein Kunstwerk bilden, das den Titel "Die Frau im Musée d'Orsay" trägt. In jedem Bild, jeder Teilgeschichte dominiert eine Stimmung, ein Motiv, ein ähnlich bleibender Blickwinkel und doch hängen sie schlussendlich alle zusammen. Das Schlüsselelement ist dabei Antoine Duris, Professor einer Hochschule der Bildenden Künste, dessen facettenreichen Charakter ich faszinierend zu ergründen fand. Obgleich er mit seinen lebhaften, inspirierenden Vorträgen zu Modigliani und Picasso Studentenmassen zu begeistern vermag, wird er innerhalb einer kurzen Zeitspanne zu einem seltsam anmutenden Kauz, für den die geringste Form an Kommunikation ein großes Maß an Anstrengung erfordert. Welches einschneidende Ereignis bringt einen Hochschulprofessor dazu, seine Stelle zu kündigen und sich mit seinen herausragenden Qualifikationen als Wärter im Musée d'Orsay einstellen zu lassen? Diese Fragestellung könnte man wohl als Untertitel zu der Bilderserie betrachten.

Die zentrale Rolle der Kunst, der Betrachtung der Schönheit sowie deren Vermögen den Schmerz zu lindern und das Dunkle zu vertreiben, wie auch die Erschaffung liegt jedem Erzählteil wie eine weiße Grundierung zugrunde. Findet Antoine in Gegenwart der Werke Modiglianis und dabei besonders seines Portraits von Jeanne Hébuterne den Mut nach vorne zu schauen und ein neues Buch in die Hand zu nehmen, so ist die Malerei für seine Studentin Camille ein Ausdrucksmittel, um ihre inneren Stimmen zu ordnen. Mehr als einmal verspürte ich während des Lesens aufgrund der eindrucksvollen Schilderung den inneren Drang mich in den frühen Morgenstunden alleine in das Musée d'Orsay zu schleichen, um die stille Schönheit der Gemälde auf mich wirken zu lassen.

"Die Frau im Musée d'Orsay" ist ein bewegender Roman von großer Schönheit, von Kunst und ihrer Möglichkeit die Hässlichkeit eines Verbrechens und seiner emotionalen Auswirkungen zu heilen. Es ist eine Erzählung in vier Bildern, die in ihrer Gesamtheit ein großartiges Kunstwerk bilden, das durch die pointierte Sprache besticht.

Bewertung vom 04.09.2019
Mehr als die Erinnerung
Metzenthin, Melanie

Mehr als die Erinnerung


ausgezeichnet

Gut Mohlenberg im Jahr 1920: In dieser modernen Einrichtung für psychisch kranke Menschen kümmern sich Friederike von Aalen und ihr Vater, Dr. Meinhardt, der die Klinik auch ins Leben gerufen hatte, um ihre sensiblen Patienten. Zu denen nach einer schweren Kopfverletzung im ersten Weltkrieg auch ihr Mann Bernhard zählt. Alles verläuft harmonisch, bis sich kurz hintereinander zwei Morde in der Umgebung ereignen. Da ist schnell klar, dass der Täter nur ein Bewohner der Irrenanstalt sein kann. Doch stimmt das wirklich? Was verbirgt der neue Mitarbeiter Walter Pietsch, der im Krieg durch schlimme Verbrennungen im Gesicht entstellt wurde? Auch der renommierte Psychiater Dr. Weiß scheint ein Geheimnis zu verbergen. Friederike beginnt im Nebel zu stochern...

"Mehr als die Erinnerung" hat mich von Anfang an begeistert. Es ist nicht nur ein spannender Krimi, sondern gibt auch detaillierte Einblicke in die Arbeit der Psychiatrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Beim Lesen habe ich mich dabei mehrmals gefragt, was denn jetzt wohl gruseliger und bedrückender ist, die Mordfälle oder die Behandlungsmethoden der Ärzte bei psychisch Kranken.

Die Autorin schafft es mühelos die oft haarsträubenden und brutalen Therapien für Laien gut verständlich zu erklären. Außerdem bietet sie mit Gut Mohlenberg das Gegenstück zu diesen "Irrenanstalten", denn dort werden die humanen Methoden als Behandlungsphilosophie angewendet. Melanie Metzenthin schreibt dabei so authentisch und fesselnd, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte. Das liegt sicher auch daran, dass sie die historischen Fakten präzise in ihrer Geschichte verwebt und den Leser so in die ereignisreiche Zeit zwischen Erstem Weltkrieg und den Nachkriegsjahren mitnimmt. Ihre perfekt ausgearbeiteten Charaktere geben den Menschen dieser Zeit ein Gesicht.

Dieses absolut lesenswerte Buch ist nicht nur ein historischer Roman mit interessanten Fakten, sondern ein spannender Krimi und eine berührende Liebesgeschichte in einem. Also einfach ideal um schöne Lesestunden zu verbringen.

Bewertung vom 31.08.2019
Bad Blood
Carreyrou, John

Bad Blood


sehr gut

15 Jahre sollte es dauern, bis jemand dem größten Betrug des Silicon Valleys auf die Spur kommen und den gigantischen Schwindel aufdecken sollte. 15 Jahre, in denen die 19-jährige Stanford-Abbrecherin und Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes mit fesselndem Charisma, hypnotisch blauen Augen und einer ungewöhnlich tiefen Stimme der Welt weismachte, sie hätte ein portables Gerät zur Blutanalyse per Stich in den Finger entwickelt, das durch schnellere, kostengünstigere und zuverlässigere Auswertung die medizinische Diagnostik revolutionieren sollte. In "Bad Blood" zeichnet John Carreyrou den rasanten Aufstieg eines Start-Ups in den Weiten des auf Technologie spezialisierten Silicon Valleys, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Basierend auf Hunderten von Interviews mit über 150 Personen, worunter mehr als 60 ehemalige Theranos-Mitglieder sind, sowie direkten Zitaten aus Mails und Dokumenten schreibt er von fehleranfälligen Geräten, die nur für eine geringe Anzahl an Tests eingesetzt werden können, von gefälschten Testergebnissen, von der Manipulation konventioneller Geräte von Konkurrenzunternehmen, und von dem unzumutbaren Arbeitsklima unter dem tyrannenähnlichen Leiter des Alltagsgeschäftes Ramesh "Sunny" Balwani. Mit jedem Kapitel wuchs mein Entsetzen weiter, vor allem konnte ich einfach nicht verstehen, wie Elizabeth Holmes mit dieser Farce all die Jahre durchkommen konnte. Wollte niemand genauer hinsehen, weil ihre Vision des innovativen Bluttestverfahrens so revolutionär und lukrativ klang, dass niemand den Wahrheitsgehalt angezweifelt hat? Wieso haben milliardenschwere Unternehmen und Privatpersonen mehrfach Millionenbeträge in das Unternehmen investiert ohne einen stichhaltigen Beweis für die Funktionalität der Geräte zu verlangen und sich stattdessen mit Ausflüchten abspeisen lassen? Man möchte meinen, dass echte Fakten wichtiger sind als substanzloses Gerede, doch wie der Fall Elizabeth Holmes schonungslos zeigt, legen wir Menschen es geradezu darauf an getäuscht zu werden. Manchmal ist es leichter an eine Illusion zu glauben als zu akzeptieren, dass sich nicht jede Vision von heute auf morgen realisieren lässt, sei sie noch so bahnbrechend revolutionierend wie es die Lösung des Problems der Mikrofluidität versprach. Interessant finde ich auch den Versuch den Hype um die Frau, die es in einer männerdominierten Branche zur jüngsten Selfmade-Milliardärin geschafft hat, aus der Distanz zu Entmystifizieren. Allerdings fehlte mir dabei die genauere Betrachtung des "Warum?" hinter ihrer Sogwirkung, wofür das Einbeziehen einer Rede oder eines Statements von Elizabeth Holmes sicher dienlich gewesen wäre. So bleibt es bei einer Charakterisierung der zentralen Person anhand von E-Mails, Gesprächen und Beobachtungen von außen. Besonders spannend wurde das Buch in meinen Augen, als John Carreyrou auf Theranos aufmerksam gemacht wurde und mit der Recherche für seine Story begann, denn nun begann das instabile Kartengerüst endlich zu wackeln und dennoch beharrte Elizabeth Holmes faszinierenderweise bis zum bitteren Ende darauf, dass ihre Vision umsetzbar sei und die Theranos-Geräte funktionieren.

"Bad Blood" liest sich wie ein spannender Wirtschaftsthriller und erzählt faktenbasiert die wahre Geschichte des bis dato größten Betruges im Silicon Valley als die junge Stanford-Abbrecherin Elizabeth Holmes mit ihrer Vision zur Revolutionierung der Bluttestverfahren, ihrem Charisma samt der hypnotisierend blauen Augen und der tiefen Stimme zur jüngsten Selfmade-Milliardärin wurde. Baron Münchhausen sieht neben der aufstrebenden jungen Frau blass aus, die mit ihrem gigantischen Schwindel wissentlich Menschenleben aufs Spiel setzte.

Bewertung vom 23.08.2019
Wenn ich tot bin
Sander, Karen

Wenn ich tot bin


sehr gut

Die 19-jährige Madelin McFarland war zehn Jahre lang in den Fängen ihres brutalen Entführers als ihr die Flucht gelingt. Ihre Mutter Susan ist unbeschreiblich glücklich, dass Madelin noch am Leben ist. Allerdings währt dieses Glück nicht lange, denn nur wenige Stunden später liegt Susans Mann blutüberströmt in der Küche und von Madelin fehlt jede Spur. Ihre kleine Schwester Harper ist vollkommen verstört und verstummt. Was ist passiert? Hat Madelines Peiniger sie zuhause gefunden oder nicht? Was hat es mit der geheimnisvollen Amy auf sich, die in die schottischen Highlands flieht? Ist es Madelin, die erneut fliehen konnte? Viele ungelöste Fragen warten auf Detective Sergeant Kate Fincher und Detective Inspector Tom Pine...

Mit "Wenn ich tot bin" ist Karen Sander ein wirklich guter Thriller gelungen. Da die Geschichte aus der Perspektive der Hauptbeteiligten, der Ermittlerin Kate, Madelines Mutter Susan und der Geflüchteten Amy/Madelin erzählt wird, ist man noch intensiver im Geschehen dabei. Das hat mir sehr gut gefallen. Ebenso die unglaublich vielen Wendungen, die mich immer wieder auf die falsche Spur führten. Ein absolut nicht vorhersehbares Ende rundet den Thriller perfekt ab.

Die Autorin lockt den Leser in ihren Kapiteln immer wieder mit neuen Details, die die Spannung nie abflachen lassen. Man will unbedingt wissen, wie es weitergeht. Dazu der lockere, mitreißende Schreibstil der Autorin und ihre authentischen Charaktere lassen die Seiten im Nu verfliegen.

Ich habe diesen Thriller sehr gerne gelesen. Er ist gut durchdacht, fesselnd aufgebaut und absolut spannend.

Fazit: Wer viele unerwartete, spannende Wendungen liebt, wird begeistert sein.