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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
marakkaram
Wohnort: 
Lingen

Bewertungen

Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 12.11.2017
Geheimnis in Rot
Hay, Mavis Doriel

Geheimnis in Rot


gut

Ich kenne die Melburys, seit ich mit Jennifer, der jüngsten Tochter, im Park von Flaxmere auf Bäume geklettert bin und Indianerzelte gebaut habe. Daher weiss ich genug über sie, um die Geschichte der Familie niederzuschreiben, zumindest so weit, dass man sich ein Bild vom allgemeinen Stand der Dinge während der Weihnachtstage im Jahr 1935 machen kann, als das Verbrechen in Flaxmere geschah.

Die komplette Familie an Weihnachten zu versammeln, birgt immer ein erhöhtes Streitpotential, das weiss Tante Mildred schon lange. Doch in diesem Jahr kommt es zu einer Katastrophe. Der Familienpatriarch Sir Osmond, wird erschossen in seinem Büro aufgefunden. Der Schock ist gross, weil fast jeder ein Motiv zu haben scheint, die Trauer hingegen hält sich in Grenzen.

Und jetzt liegt es allein an Colonel Halstock herauszufinden, wer lügt, warum und wen er damit (vermeintlich) zu schützen versucht....

~ * ~ * ~ *

"Geheimnis in Rot" ist ein ganz klassischer, englischer Who-done-it Krimi, der unterhält, aber mit einer Agatha Christie nicht ganz mithalten kann.
Das Potential dafür wäre absolut vorhanden, der Schreibstil ist britisch und sehr angenehm und man kann ganz gut mitermitteln. Allerdings -und das ist der Unterschied- verliert er sich ein wenig im, doch sehr ausführlichen Mittelteil. Den hätte man vielleicht etwas straffen können. Mir persönlich war es so manches Mal zu langatmig, bis es dann zum nicht ganz so überraschenden, aber stimmigen Finale kam.

Es ist also ein sehr, sehr ruhiger, unaufgeregter Krimi, der viel Wert auf Familienatmosphäre, Hintergründe und Charaktere legt und das durchaus sehr gelungen und mit Charme.

Fazit: Schöner, vorweihnachtlicher cozy Krimi, dem ein wenig Straffung zwar nicht geschadet hätte, der aber trotzdem gute Unterhaltung bietet und einen herrlich miträtseln lässt.

Bewertung vom 07.11.2017
Das verborgene Spiel
Rio, M. L.

Das verborgene Spiel


ausgezeichnet

Schweigen senkte sich herab, und ich hatte plötzlich die unsinnige Vorstellung, dass wir und unsere gesamte Umgebung aus Glas bestanden. Ich wagte nicht zu atmen, weil sonst etwas hätte zerbrechen können.

Zum Tag seiner Haftentlassung hat Oliver, dem damals mit dem Fall betrauten Inspektor versprochen, ihm die Wahrheit, die ganze Geschichte zu erzählen.
Und so lässt er seine Jahre an der Theaterschulde noch einmal Revue passieren. Eine eingeschworene Clique waren sie damals; Richard, James, Alexander, Meredith, Filippa, Wren und er ~ die besten Freunde.
Sie haben zusammen die legendärsten Shakespeare-Stücke auf die Bühne gebracht, ob geprobt oder improvisiert und keine Party danach ausgelassen.

Wann hat das Ganze angefangen Risse zu bekommen....?

~ * ~ * ~

Schon etwas speziell, aber dadurch umso großartiger.

Die Autorin lässt den Leser teilhaben und eintauchen in die Theaterwelt. Ihre Protagonisten werfen oftmals mit Shakespeare-Zitaten nur so um sich und auch in den Szenen von Macbeth kann man sich verlieren. Was für eine großartige Inszenierung.

Aber keine Angst, man muss als Leser weder mit Shakespeare-Zitaten vertraut, noch in seinen Werken groß bewandert sein, um an diesem raffinierten Roman seine Freude zu haben. Man sollte sich aber darauf einlassen mögen.

Ansonsten ist der Schreibstil eher unaufgeregt und dennoch schraubt sich die Spannung in der letzten Hälfte so in die Höhe, dass man es nicht mehr aus der Hand legen mag und sich selbst in den wildesten Vermutungen verstrickt.

Fazit: Tolle Charakterzeichnungen, spannender Plot und eine interessante Inszenierung des Ganzen, machen diesen Roman zu einem absoluten Lesegenuss.

Bewertung vom 06.11.2017
Mein zauberhafter Buchladen am Ufer der Seine / Paris Love Bd.1
Raisin, Rebecca

Mein zauberhafter Buchladen am Ufer der Seine / Paris Love Bd.1


ausgezeichnet

Wohlfühlroman mit ein wenig Pariser und ganz viel Buchliebhaberflair.

Ich sollte nicht nur ab und zu von meinen Buchseiten aufblicken und vorsichtig ins wahre Leben hineinspähen, ich sollte lieber richtig hineinspringen. Gelegenheiten beim Schopf packen und sie nutzen. Aber wie?

Bei Sarah läuft es grad nicht rund. Ihr Buchladen in einer beschaulichen, amerikanischen Kleinstadt, steht kurz vor der Pleite und der Mann, den sie über alles liebt, reist als freier Journalist von Auftrag zu Auftrag und hat oftmals kaum Zeit mit ihr zu telefonieren.

Da kommt die Bitte einer befreundeten Buchhändlerin genau richtig, die beiden "tauschen" für ein halbes Jahr und Sarah freut sich auf die Traditionsbuchhandlung in Paris. Doch auch hier hat man mit Problemen zu kämpfen...

~ * ~ * ~ *

Yep, es ist fluffige, leichte Kost ~ wunderschön geschrieben und hat mir nicht nur das Wochenende versüsst, sondern mich auch absolut in Weihnachtsstimmung versetzt.

Es muss nicht immer hochliteratisch und ultraspannend sein. Dieser Roman hat sich auch so seine 5 Sterne verdient, weil er eine absolute Wohlfühlatmosphäre vermittelt.

Die Charaktere sind greifbar und sehr sympathisch. Sarah ist eine Durchschnittsfrau, mit der sich wohl die Meisten identifizieren können. Und auch, wenn für manch einen die Pariser vielleicht etwas zu stereotyp rüberkommen, mir hat`s genau so gefallen (zumal ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe).

Der Roman hat einfach Charme und Flair ~ Paris, Buchhandlungen, Selbstreflektion, Weihnachten und die Liebe, sind die perfekten Zutaten.

Fazit: Für alle, die ein entspanntes Buch für einen kuscheligen Herbst-/Wintertag suchen und Buchhandlungen lieben. Was das Cover verspricht, wird vom Inhalt gehalten.
Mehr davon!

Bewertung vom 05.11.2017
The Ending - Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum
Reid, Iain

The Ending - Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum


ausgezeichnet

Manchmal kommt ein Gedanke der Wahrheit näher als eine Tat. Du kannst sagen, was du willst, tun, was du willst, aber einen Gedanken, den kannst du nicht fälschen.

Ein Pärchen, unterwegs durch die winterliche Einöde. Ziel ist die Farm seiner Eltern, denen er seine Freundin vorstellen möchte. Doch die denkt eigentlich schon seit ein paar Tagen darüber nach, Schluss zu machen und fragt sich, warum sie ihm nie von dem unheimlichen Stalker erzählt hat....
~ * ~ * ~
Viel mehr möchte man eigentlich gar nicht verraten, aus diesem recht schlanken Büchlein.

Iain Reid erzählt eine verstörende, beklemmende Geschichte und auch, wenn er das Rad nicht neu erfunden hat, war ich über den Verlauf immer wieder überrascht.

Schon auf den ersten Seiten hat die Stimmung etwas unterschwellig mysteriöses, bedrohliches und sie wird im Laufe der Geschichte immer düsterer und unheimlicher. Atmosphärisch dicht und beklemmend, mit einem raffinierten Schreibstil.

Man muss sich auf dieses Buch einlassen und den Rat des Ermittlers "Ja, sie sollten es lesen. Aber vielleicht nehmen sie sich das Ende vor und schlagen einen Bogen zum Anfang." annehmen und es im Anschluss noch einmal auf sich wirken lassen.
Es ist kein Buch, dass man mal eben liest und dann zuklappt und zur Seite legt. Kann man natürlich machen, aber dann verpasst man es eigentlich, denn die wahre Geschichte geht erst nach dem Lesen los.

Fazit: Mir hat es gefallen. Ich würde es nicht als Psychothriller deklarieren, aber "Du wirst dich fürchten. Und du wirst nicht wissen, warum." trifft es in Schwarze.

Bewertung vom 02.11.2017
WetGrave
Stiegler, Alf

WetGrave


gut

Da trat noch jemand aus dem Dunkel des Shuttles. Das Licht der Hangarlampe erfasste diese....Kreatur. Jules traute seinen Augen nicht.

Im 24. Jahrhundert hat sich das Leben krass verändert. Die Erde ist zu einer Kloake verkommen und ein Großkonzern, HypCon, hat im Weltall Lebens- und Wohnbases erschaffen.
Das ist allerdings schon so lange her, dass heutzutage niemand mehr weiss, wer HypCon überhaupt ist. Nur der, durch einen falschen Sprung zwischen den Bases, schwer verunstaltete Pressure, macht sich auf die Suche nach der allerersten Base, der Colombo, die damals unter mysteriösen Umständen verschwand.
Und diese Reise scheint lebensgefährlich....

~ * ~ * ~ *

Spannender Stoff, den Alf Stiegler da (komplett überarbeitet) in einer Neuauflage vorlegt.

Allerdings sollte man schon SciFi-affin sein. Ich habe mich da manchmal etwas schwer getan, da der Autor mir nicht alle Schauplätze richtig nahebringen konnte.

Ansonsten ist der Schreibstil schon sehr bildhaft und flüssig und der Spannungsbogen hoch. Für mich hätte die Geschichte durchaus Potential für mehr Seiten und dadurch vielleicht ein wenig fliessendere Übergänge, gehabt.

Mit dieser Kombination aus (leichter) SciFi und Gruselelementen hat man mich ja sofort am Haken und auch, wenn mir die SciFi ein wenig zu Hardcore war, bin ich in Sachen Grusel fein auf meine Kosten gekommen.

Fazit: Insgesamt eine frische, pfiffige Idee und ein kurzweiliger Lesespass für SciFi-Fans.

Bewertung vom 25.10.2017
Die Lichter von Paris
Brown, Eleanor

Die Lichter von Paris


ausgezeichnet

All diese Dinge, an denen wir hingen, als wir jung waren, als unsere Gefühlswelt so übervoll war, dass wir die Musik immer in voller Lautstärke hörten, um unsere Verwirrung zu übertönen, dass wir Bilder auf Riesenleinwände malten, um das wirbelnde Chaos in unserem Inneren einzufangen und die unendlich vielen Details, die uns ausmachten, Tanz, Lyrik, Theater, Kunst - wie waren sie uns abhandengekommen? Und warum?

1924: Die fügsame, unscheinbare Margaret wird als Aufpasserin mit ihrer wilden Kusine nach Europa geschickt. Nachdem diese ihren Weg alleine fortsetzt, beschliesst Margie in Paris zu bleiben und entwickelt nicht nur eine unbändige Lebenslust, sondern entdeckt auch ihre eigene Persönlichkeit.

Heute: Nach aussen hin führt Madeleine das perfekte Leben an der Seite ihres erfolgreichen Ehemannes. Doch Liebe ist hier schon längst nicht mehr im Spiel, wenn sie es denn je war. Ihr Mann bestimmt und kontrolliert ihr Leben, sie darf nicht mehr arbeiten, nicht mehr malen und genussvoll essen schonmal gar nicht. Er sieht jedes Gramm, wenn sie ihn wieder einmal auf eine langweilige Geschäftsveranstaltung begleiten muss.
Als sie nach einem heftigen Streit zu ihrer Mutter flüchtet, findet sie auf dem Dachboden die alten Tagebücher ihrer Großmutter....

~ * ~ * ~
Nach ihrem Erstling "Die Shakespear Schwestern" habe ich "Die Lichter von Paris" sehnsüchtig erwartet und ich wurde nicht enttäuscht. Eleanor Brown hat ein Händchen für tiefgehende Familiengeschichten.

Die Charaktere sind authentisch und greifbar, wobei mir Margie sofort unheimlich sympathisch war. Sie ist klug, liebenswert und selbstreflektiert. Bei Madeleine brauchte es ein wenig.
Beide sind gefangen in einem Leben, in dem eigene Wünsche und Träume keinen Platz zu haben scheinen, aber während Margie jede sich ihr bietende Chance ergreift, bleibt Madeleine lange in sich gefangen.

Da die Kapitel abwechselnd ihre Geschichten erzählen, kann man die Parallelen sehr schön erkennen.

Aber nicht nur die Charaktere sind klasse, Eleanor Brown fängt den Zeitgeist der Pariser 20-iger Jahre perfekt ein; lebendig, romantisch, poetisch.

Fazit: Ein toller Roman über Familienzwänge, Selbstbestimmung und starke Frauen. Ich liebe die Geschichten, die Eleanor Brown erzählt.

Bewertung vom 17.10.2017
Du bist mein Feuer
Ronin, Isabelle

Du bist mein Feuer


ausgezeichnet

Veronika hat in ihrem Leben schon viel mitgemacht und wenn sie eins daraus gelernt hat, dann, dass es besser ist, sich unabhängig und allein durchzuschlagen.

Und da ist sie mal einen Abend lang nicht auf der Hut, lässt sich gehen, schlägt ausnahmsweise über die Stränge und prompt wacht sie am nächsten Morgen im Gästezimmer des reichen, verwöhnten Playboys Caleb auf.

Und es kommt noch schlimmer, scheinbar hat sie ihm auch noch gestanden, momentan obdachlos zu sein.
Caleb schlägt ihr einen Deal vor, den sie schwer ablehnen kann...

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Selten wurde eine armes Mädchen / reicher Typ - Liebesgeschichte so schön erzählt.

Beworben wird das Buch ja als Wattpad Sensation, was mich im Vorfeld eher abgeschreckt hat. Doch es brauchte nur eine kurze Leseprobe und ich war Feuer und Flamme. Dieses Buch sticht wirklich aus der Masse heraus - vor allem geht es auch nicht vorrangig nur um Sex, was auch mal eine schöne Abwechslung ist.

Ja, der Roman hat vielleicht hier und da klitzekleine Schwächen in der Storyline, aber dafür zwei ganz große Stärken, die mich 600 Seiten lang durchgehend gefesselt haben. Zum einen sind es die Charaktere und zum anderen die Emotionen.

Es gibt nicht eine Figur, von der ich sagen könnte, sie überzeugt mich nicht, egal ob im positiven oder negativen Sinn. Sie sind alle greifbar und menschlich; jeder mit Fehlern und Schwächen, jeder mit seiner eigenen Geschichte und Vergangenheit. Die Meisten kann man sich sogar gut als eigene Freunde oder Clique vorstellen.
Davon mal ganz abgesehen, dass hier die Jungs mehr oder weniger zu Frauenverstehern mutieren, sind die Mädels schon eher was tougher drauf.
Emotionen hingegen zeigen sie alle und die gehen oftmals direkt unter die Haut.

Das macht das Buch für mich absolut aus und dazu ein flüssiger Schreibstil mit einem großartigem Humor. Habe ich mich anfangs noch gefragt, wie man 600 Seiten mit dieser Story, ohne Längen füllen kann, war ich am Ende total überrascht, das sie schon vorbei waren.

Fazit: Ja, manchmal sollte man seine Vorurteile einfach ablegen, ich bin froh, einer Wattpad-Geschichte eine Chance gegeben zu haben.
Wer mal wieder eine richtig schöne, emotionale Liebesgeschichte lesen möchte, bei der sich nicht eine Sexszene an die andere reiht, dem kann ich dieses Buch wärmstens empfehlen.
Ich jedenfalls freue mich schon auf den zweiten Teil.

Bewertung vom 13.10.2017
Der gefährlichste Ort der Welt
Johnson, Lindsey Lee

Der gefährlichste Ort der Welt


gut

Sie erwiderte das Lächeln von Tristans Mutter. Und begriff: Sie hat gedacht, jemand wäre mit ihm befreundet gewesen.

Der gefährlichste Ort der Welt oder erwachsen werden im Zeitalter von Social Media.

Tristan ist ein stiller Junge, ein Aussenseiter, mit seinen knalligen Jogginghosen und den Origami-Kranichen. Er gehört nirgendwo richtig dazu, aber man lässt ihn in Ruhe. Das ändert sich schlagartig mit einer einzigen Begegnung. 5 Minuten, ein Wimpernschlag und nichts ist mehr wie es war. Aus dem Gefühl heraus, die 13-jährige Cally, wäre wie er, schreibt Tristan ihr einen Liebesbrief, nicht ahnend, dass sie ihn all ihren Freunden zeigt.
Für Tristan beginnt eine Hetzjagd über FB und Twitter.

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Ich finde das Thema, auch jetzt im Nachhinein, noch unheimlich spannend und bewegend. Es geht um Social Media, das Erwachsen werden in der heutigen Zeit, Mobbing, Alkohol und Drogen.

Der gefährlichste Ort der Welt, ist in dir selber; ist der Ort, den du überleben musst, durch Entscheidungen, die du triffst, auf dem Weg zur Volljährigkeit.

Leider hat die Autorin es nicht zu 100% geschafft, mich dahin mitzunehmen. Ihr Schreibstil ist sehr klar und relativ sachlich, schafft es aber nicht, den Leser in die Distanz zu setzen, sondern man hängt irgendwo dazwischen. Ich konnte nicht wirklich eine emotionale Verbindung zu den Figuren aufbauen, deren Alltag ich hautnah miterlebt habe.
Emotionen waren für mich schwer bzw. nur sehr selten wirklich greifbar und ich habe mich mit dem trockenen und etwas langatmigen Schreibstil ein wenig schwer getan.

Hinzu kam, das mir ausser Tristan, kaum eine Person sympathisch war. Man erfährt zum Schluss, dass das wohl auch so gewollt ist, aber dadurch fand ich grade die ersten Geschichten (jede Person hat ein eigenes Kapitel) etwas fad, da sie auf nichts greifbares hinausliefen. Das steigert sich im Laufe des Buches und hat auch seinen Sinn, hat es für mich aber nicht einfacher gemacht. Die Figuren an sich sind gut herausgearbeitet, orientieren sich aber an klassisch amerikanischen Stereotypen.

Fazit: Ich muss gestehen, erst im Nachhinein habe ich gemerkt, dass ich die Geschichte, den Aufbau und die Personen eigentlich doch ganz interessant und spannend fand, wo mir während des Lesens einfach der dröge Schreibstil viel davon genommen hat. Ein Buch, dass mich auch nach ein paar Tagen noch nicht losgelassen hat.

Bewertung vom 13.10.2017
Durch alle Zeiten
Hammer, Helga

Durch alle Zeiten


ausgezeichnet

Stundenlang stand Elisabeth neben ihrem toten Vater. Nie hatte er das Wort an sie gewandt, nie hatte er gelächelt, er aß und trank, ging weg und kam wieder. Wie hatte die Mutter das ausgehalten?

Elisabeth wächst in ärmlichen Verhältnissen in den österreichischen Bergen auf. Schon früh wird ihr bewusst, dass sie mehr vom Leben erwartet. Sie bricht aus, beginnt eine Ausbildung an der Haushaltsschule und verliebt sich unsterblich in Niklas. Auch er ist sofort angetan von der dunkelhaarigen Schönheit. Doch Niklas versteckt sie und bald wird klar, er hält die Beziehung geheim. Die Erkenntnis, dass Elisabeth für seine Familie nicht standesgemäß ist und er hinter ihrem Rücken schon eine andere trifft, bricht ihr fast das Herz.

Elisabeth flieht erneut.
Sie ergreift ein Jobangebot, das sie nach England führt, wo das Leben und die Liebe viel leichter und unbeschwerter sind.
Erst die Nachricht vom Tode ihrer Mutter lässt sie nach daheim zurückkehren, mit einem unehelichen Kind unter dem Herzen....

~ * ~ * ~ *

Der Titel besagt es schon, wir begleiten Elisabeth "Durch alle Zeiten" in ihrem langen Leben. Davon gibt es einige gute, aber es gibt auch viele schwere Zeiten.

Helga Hammers Roman spiegelt das Bild der Frau und ihre Möglichkeiten, in den ländlichen 60-igern, gnadenlos wider. Es ist die Zeit der Kuckuckskinder und der Vernunftehen.

Elisabeth kommt einem wie eine Gefangene in ihrem eigenen Leben vor, trotz dass sie alles dransetzt aus dieser vorgezeichneten Rolle auszubrechen. Und obwohl einem durch den klaren, knappen und sehr distanzierten Schreibstil, die enge emotionale Verbindung zu ihr fehlt, hat mich ihr Leben und ihre Geschichte dennoch sehr berührt und mitgenommen. Sie ist eine unheimlich starke Persönlichkeit, die ihr Ziel verfolgt und dadurch sehr mutige aber für den Aussenstehenden oftmals auch sehr egoistische Entscheidungen trifft.

Der Erzählstil war im ersten Moment gewöhnungsbedürftig, im Zweiten aber umso interessanter.
Die Kapitel sind relativ kurz, manchmal sogar nur 2-3 Seiten und es gibt mit jedem Kapitel einen Wechsel. Die erste Ebene zeigt Elisabeths derzeitiges Leben und auf der anderen wird ihre Vergangenheit erzählt. Durch den kontinuierlichen Wechsel ist man chronologisch bei allen wichtigen Ereignissen dabei; die Unbeschwertheit, die erste Liebe, Enttäuschung usw. und auf der anderen Seite geht man im hier und jetzt mit, denn auch ihr derzeitiges Leben auf dem Brandstätterhof steht nicht still.
Was ich damit sagen will, es gibt keine langen rückblickenden Erzählungen, sondern auf beiden Ebenen relativ gleichmässige Happen.

Der Autorin versteht sich darauf beide Erzählstränge geschickt nebeneinander herlaufen zu lassen. Das besondere Kunststück, zum Ende hin fliessen sie ineinander über, ohne sich zu wiederholen, zu überschneiden oder irgendetwas vorwegzunehmen.

Ein Roman, der auf knapp 300 Seiten ein ganzes, sehr bewegendes Leben erzählt und den Leser dabei mitnimmt, ist schon großes (Kopf) Kino.
Helga Hammer hat das geschafft. Trotz oder vielleicht grade durch ihre knappen Szenen, die Kunst das Prägnante herauszufiltern und in wenigen Sätzen aufleben zu lassen.
Mit einer Distanziertheit und manchmal gradezu Herzlosigkeit, Emotionen beim Leser aufkommen zu lassen.
Mit einer Heldin, die oftmals am sympathisch-sein vorbeischrappt aber dafür authentisch bleibt. Und mit der man trotzdem mitfühlt, weil man sie versteht, wenn man auch selber vielleicht anders gehandelt hätte.

Fazit: Eine intensive Lebensgeschichte, die vor allem für die ältere Generation nachvollziehbar sein wird und auf die jüngere Leser sich vielleicht erst einmal einlassen müssen. Ich liege dazwischen und mich hat Helga Hammer von der ersten Seite an mitgenommen durch eine bewegte Zeit.