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Pharo72
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Zittau
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Büchersüchtige, introvertierte Leseratte!

Bewertungen

Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2012
Der Himmel über der Heide
Cramer, Sofie

Der Himmel über der Heide


gut

Kati Weidemann hat nach einem tragischen Unglücksfall vor über zehn Jahren ihrer alten Heimat in der Lüneburger Heide den Rücken gekehrt. Der gesundheitliche Zustand ihres Vaters, der nach einem Magendurchbruch ins Koma versetzt werden musste, zwingt sie aus Hamburg zurückzukehren, denn ihre betagte Großmutter und die Stiefmutter sind kurz vor der Hauptsaison im familiär betriebenen Gasthof dringend auf ihre Hilfe angewiesen.

Sie muss feststellen, wie sehr sie die Heimat vermisst hat, aber auch am Familienbetrieb hat der Zahn der Zeit genagt. Veränderungen sind dringend nötig und schon bald wird Katis bisheriges Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Sie muss sich ihrer Vergangenheit stellen, erst recht, als ihr der Mann begegnet, den sie für den schlimmsten Verlust ihres Lebens verantwortlich macht …

Meine Meinung:

In „Der Himmel über der Heide“ spielt bei Sofie Cramer erstmals eine Region die größte Hauptrolle. Mit unglaublich viel Detailreichtum weiß sie ihre eigene Heimat – die Lüneburger Heide – ins rechte Licht zu setzen. Wer aus der Region kommt, wird sicher begeistert in den Beschreibungen schwelgen. Mir persönlich war dies alles ein bisschen zu viel Lokalkolorit, hatte man doch streckenweise den Eindruck, einen Reiseführer zu lesen. Einige Informationen, wie etwa, warum Heidschnucken heißen wie sie heißen, waren durchaus interessant, aber jeden Pflasterstein, jede Pflanze und die typische Bauweise muss ich dann doch nicht erläutert bekommen.

Das darum gestrickte Familiendrama erinnerte äußerst stark an ähnliche Geschichten, wie man sie von Rosamunde Pilcher oder auch Inga Lindström kennt, nur dass das Setting sich halt in Deutschland befindet. Da gibt es das Familiendrama, die Tochter, die zurückkehrt und alles wieder ins rechte Lot bringt, dazwischen ein paar Schwierigkeiten, die sich dann am Ende in Wohlgefallen auflösen.

Von den Figuren sind noch die ewig schuftende Großmutter (eigentlich Wahnsinn mit über 80), der tollpatschige Aushilfskoch Pit und die beste Freundin von Kati namens Flo die sympathischsten. Kati selbst erscheint reichlich selbstgerecht und lässt kaum eine andere Meinung gelten. Ihr schwieriges Verhältnis zur Stiefmutter kommt sicher nicht von ungefähr. Insgesamt erscheint die Story reichlich vorhersehbar, ich konnte mir quasi schon nach dem ersten Kapitel eine Vorstellung machen, wie alles ausgeht.

Äußerst positiv zu erwähnen, sind die heidetypischen Gerichte, die sich im Anhang finden. Die klingen durchweg lecker und ich werde sicher einiges davon mal ausprobieren. Wer heimatverbunden ist, gern Landschaftsbeschreibungen liest und eine seichte Lektüre für den Sommer ohne großen Anspruch sucht, ist mit diesem Roman durchaus gut bedient. Mir fehlte einfach ein bisschen die Spannung in diesem trotz allem unterhaltsamen und flüssig lesbaren Buch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2012
Ein Lied für meine Tochter
Picoult, Jodi

Ein Lied für meine Tochter


sehr gut

Max und Zoe Baxter sind nach mehreren erfolglosen Versuchen endlich dabei, ein Baby zu bekommen. Doch es kommt erneut zu Komplikationen und schließlich einer Totgeburt. Zoe will trotz schwerer gesundheitlicher Probleme ihren Traum nicht aufgeben, Max jedoch entscheidet sich dagegen und reicht die Scheidung ein. Während eines Unfalls unter Alkoholeinfluss hat er eine Erscheinung und findet zu Gott. Zoe stürzt sich dagegen voll in ihre Arbeit als Musiktherapeutin, wo ihr häufig die lebenslustige Vanessa begegnet.

Bald muss sie erkennen, dass sie mehr als Freundschaft für sie empfindet. Beide verlieben sich, heiraten und wollen ihre Beziehung mit einem Baby krönen. Was läge näher, als die noch eingefrorenen Embryonen aus Zoes Ehe mit Max für Vanessa zu verwenden, da sie selbst aufgrund einer Totaloperation nicht mehr schwanger werden kann? Doch Max muss seine Zustimmung geben. Sein neuer Glaube steht dem entgegen. Viel lieber würde er die Embryonen seinem Bruder Reid und dessen Frau Liddy spenden, die ebenfalls schon lange einen Kinderwunsch hegen. Es kommt zum erbitterten Prozess, wobei beide Parteien sich nichts schenken. Kann es überhaupt ein Happy End geben?

Meine Meinung:

In ihrem neuen Roman greift Jodi Picoult wie gewohnt ein vor allen in den USA sehr brisantes Thema auf. Die Rechte homosexueller Paare sind dort wohl noch wesentlich eingeschränkter als hier in Deutschland, wo auch, schon wegen der Verfahrensweise mit Embryonen, ein solcher Prozess wie hier im Buch undenkbar wäre. Um es besonders dramatisch zu machen, stellt sie den zwei liebenden Frauen den Ex-Mann gegenüber, welcher über nicht gerade viel Rückgrat verfügt, und sich deshalb sehr leicht von einer erzkonservativen Glaubensgemeinschaft hat vor den Karren spannen lassen.

Im ersten Viertel des Buches wird dem Leser einiges zum Verdauen gegeben und die vielen Schicksalsschläge erscheinen etwas zu geballt. Im weiteren Verlauf bekommt man einen guten Einblick in die Arbeit einer Musiktherapeutin und die Autorin hat dazu sogar einen eigenen Soundtrack zum Buch entwickelt (Texte von ihr und Gesang durch Ellen Wilber), der auf ihrer Homepage anzuhören ist. Die Musik ist sicher nicht jedermanns Geschmack, aber schon eine tolle Idee.

Der Roman findet seinen Höhepunkt mit dem Prozess und dem Kampf um die eingefrorenen Embryonen. Hier glänzen die manchmal ein wenig übertrieben lustig wirkende Anwältin der Frauen und der so typische karrierebewusste Anwalt ohne Skrupel von Max. Von den Hauptfiguren habe ich neben Zoe auch Vanessa ins Herz geschlossen. Als Nebenfigur möchte ich vor allem Zoes Mutter sehr positiv hervorheben, die absolut loyal hinter ihr steht.

Durch die abwechselnde Erzählweise aus der Ich-Perspektive von Zoe, Max und Vanessa bekommt der Leser einen sehr guten Eindruck in deren jeweilige Gefühlswelt, vor allem auch durch Rückblicke in die Vergangenheit. Ich fand auch toll, dass im Prozess beide Parteien ausgiebig zu Wort kamen und ihre Sichtweise darstellen konnten. Der Leser mag nun selber entscheiden, welcher Seite er sich mehr zugehörig fühlt.

Mit bis zum Ende immer wieder überraschenden Wendungen fesselt Jodi Picoult ihre Leser und schafft es gleichzeitig ein Plädoyer für Gerechtigkeit und Toleranz abzugeben. Weil es mir am Ende alles ein bisschen zu schnell ging und für mich wichtige Fragen leider ungeklärt blieben, gebe ich einen halben Punkt Abzug und damit 4,5 Sterne für diesen gelungenen Roman von Jodi Picoult.

Bewertung vom 15.08.2012
Die Mädchenwiese
Krist, Martin

Die Mädchenwiese


ausgezeichnet

Im idyllischen Finkenwerda im Spreewald schleicht eine verrückt vor sich hinbrabbelnde Alte in den Wald und findet eine Mädchenleiche. Sie weiß genau, wer dafür verantwortlich ist und versucht die Tat zu verbergen, indem sie den geschändeten Körper versteckt. Lisa, ein 16-jähriges Mädchen, ist genervt von der Einöde und schleicht sich aus dem Haus, um das Wochenende mit ihrem neuen Freund zu verbringen. Sie kehrt nicht zurück.

Alex Lindner beging als Kommissar einen schwerwiegenden Fehler auf der Jagd nach der „Bestie“, verfiel dem Alkohol und wurde suspendiert. Inzwischen hat er die Kneipe seiner Eltern in Finkenwerda übernommen. Er ist es, der als erstes einen Zusammenhang herstellt, als mehrere junge Mädchen vermisst werden. Offenbar ist die Bestie zurück und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Die Wahrheit ist jedoch schrecklicher, als er sie sich hätte vorstellen können.

Meine Meinung:

Bei einem neuen Verlag mit neuem Namen startet ein bekannter in Berlin lebender Schriftsteller mit dem Thriller „Die Mädchenwiese“ durch. Er hat erst kürzlich eine interessante Biografie über die Lebensgeschichte von Kurt Cobain veröffentlicht und so kommt seine Vorliebe für Nirwana auch in diesem Buch zum Tragen.

Der Roman verspricht auf seiner Rückseite Hochspannung bis zur letzten Seite und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Für mich persönlich ist „Die Mädchenwiese“ einer der besten Thriller, die ich in diesem Jahr gelesen habe, und das waren nicht wenige.

Aufgrund des Aufbaus ist es fast unmöglich, das Buch zwischendurch wegzulegen, will man doch bei jedem Handlungsstrang, der nicht selten mit einem Cliffhanger endet, unbedingt wissen, wie es weiter geht. An den Wechsel der Handlungsebene zwischen relativ kurzen Abschnitten gewöhnt man sich schnell, jedoch wäre eine etwas deutlichere Kennzeichnung (Sternchen dazwischen oder ähnliches) günstig gewesen, zumal oftmals auch ein Seitenwechsel vorliegt und hier die Unterscheidung nicht einfach ist.

Die Kapitel erzählen abwechselnd das aktuelle Geschehen sowie die Lebensgeschichte der Berta Kutscher. Letztere ist nicht minder spannend und schockiert durch ihre Brutalität. Ein wenig irritiert war ich davon, dass Berta stets als gebrechliche Greisin dargestellt wird, obwohl sie in Bezug auf die Chronologie der Geschichte gerade mal in den 50-igern sein dürfte.

Insgesamt fließt das Blut nicht gerade in Strömen im Roman, jedoch sind einige Szenen der Gewalt und Folterung so plastisch beschrieben, dass dem Leser der Atem stockt. Zu empfindlich sollte man hier also nicht sein. Dennoch gehören sie einfach dazu und wirken nicht extra plakativ hervorgehoben.

Das Finale treibt den Puls gehörig nach oben, vorher gelegte falsche Spuren machen die Identität des Täters zu einer Überraschung und es wird mal wieder deutlich, dass viel Leid verhindert werden könnte, wenn man sich einfach mal die Zeit nehmen würde, jemandem richtig zuzuhören. Für mich war „Die Mädchenwiese“ ein Pageturner im besten Wortsinne, den ich jedem Thrillerliebhaber nur wärmstens empfehlen kann.

Bewertung vom 29.07.2012
Blutrote Nächte
Page, Sharon

Blutrote Nächte


sehr gut

Um ihrer 18-jährigen Tochter Sarah, die an einer rätselhaften Krankheit leidet, ihre notwendige Medizin zu verschaffen, ist die Edelkurtisane Vivienne Dare gezwungen, bestimmte Edelmänner Londons zu verführen, obwohl sie inzwischen ihren „Job“ an den Nagel gehängt hat. Dummerweise sterben diese Männer kurz darauf, was den Vampir Heath Winthrope, Earl of Blackmoor, auf den Plan ruft. Er soll im Auftrag des Vampirrates nach dem Täter fahnden, hinter dem sich ein Sukkubus verbirgt.

Gleichzeitig sucht er auch nach seinem verschwundenen Bruder. Dies gerät allerdings ein wenig in Vergessenheit als er Vivienne vor ein paar Unholden rettet und in Sicherheit bringt. Ihr gelingt es, in ihm Gefühle zu wecken, die er nach dem Tod seiner Frau und Tochter für immer erloschen geglaubt hatte. Das Fatale daran, er darf nur jeweils einmal mit einer Frau schlafen, sonst wird in ihm ein Dämon erweckt, der die Macht hat, die Menschheit zu vernichten.

Meine Meinung:

Bei „Blutrote Nächte“ handelt es sich um den vierten Teil der Blood-Reihe von Sharon Page. Band 1 und 2 hängen eng zusammen, der 3. wurde ohnehin noch nicht übersetzt, sodass man, auch laut Aussage der Autorin, mit dem 4. Band gut neu einsteigen kann.

Der Roman spielt 1820 in London, wobei jedoch weder Zeit noch Setting so individuell sind, dass es nicht auch heute und ganz woanders spielen könnte. Sehr schön fand ich den Aspekt, dass Vivienne nicht mehr blutjung, sondern bereits 35 ist, und eine erwachsene Tochter hat. Auch die Liebe zu dieser und die dazugehörige Opferbereitschaft gegenüber dem Kind wird eindrucksvoll dargestellt. Allerdings erscheint mir wiederum gerade wegen des Alters und vor allem der Profession als Edelkurtisane die Figur in sexueller Hinsicht ein wenig zu unbedarft.

Heath führt sie in die unterschiedlichsten Spielarten der Liebe ein und die Tatsache, dass sie nur einmal echten Sex miteinander haben können, setzt seiner Fantasie dabei keineswegs Grenzen. Die beschriebenen erotischen Szenen sind dann auch sehr detailliert und gehen sicher beim einen oder anderen Leser etwas über die Grenzen des Geschmacks hinaus. Aber es handelt sich hier um einen Erotikroman und da kann es nicht nur Blümchensex geben. Allerdings war mir hier die Häufigkeit dennoch ein wenig zu übertrieben, ließ sie doch der Geschichte drum herum wenig Raum. Richtig süß als Gegenpart ist allerdings die unschuldige Liebe zwischen der Tochter und dem jungen Vampir Julian.

Zum Schluss löst sich alles ein wenig sehr schnell zum Positiven, jedoch ist „Blutrote Nächte“ ein durchaus lesenswerter Erotikroman mit paranormalen Elementen, der hin und wieder sogar richtig Spannung aufbietet.

Bewertung vom 20.07.2012
Kein sicherer Ort
Hall, Araminta

Kein sicherer Ort


weniger gut

Ruth und Christian Donaldson sind mit der Doppelbelastung aus anspruchsvollem Job und Haushalt mit zwei kleinen Kindern völlig überfordert, weswegen es wie ein Segen erscheint, als sie die 23jährige Agatha (Aggie) als Kindermädchen anstellen. Sie schafft ein perfektes Zuhause und kümmert sich äußerst liebevoll um die Kinder. Verloren in ihren Streitereien bemerken die Eltern nicht, das irgendetwas an Aggie seltsam ist. Doch es ist an der Zeit aufzuwachen, denn Aggie verbirgt ein düsteres Geheimnis und sie hat einen Plan.

Meine Meinung:

Bei „Kein sicherer Ort“ handelt es sich um den Debütroman der Autorin Araminta Hall, welcher in England bereits vor Erscheinen für Aufruhr sorgte. Diese Tatsache kann ich nach der Lektüre des Buches nicht ganz nachvollziehen. Der Klappentext suggeriert Spannung und Grauen, welches der Roman letzten Endes vermissen lässt.

Etwa in drei Vierteln des Buches muss sich der Leser mit der Unzufriedenheit des Ehepaars Donaldson auseinandersetzen. Beide kommen sehr unsympathisch rüber, sind stets und ständig mit allem überfordert und finden keine gemeinsame Basis. Die permanenten Streitereien der beiden nerven nach der xten Wiederholung einfach nur noch und es kommt dadurch sogar mitunter Langeweile auf. Eine herbeigezauberte Geliebte des Ehemannes soll das Scheitern der Ehe wohl noch verdeutlichen, ist aber praktisch nicht von Belang, da sie zum Ende sang- und klanglos wieder verschwindet.

Der eigentlichen Hauptfigur, nämlich dem seltsamen Kindermädchen, wird viel zu wenig Raum gegeben, dabei ist sie noch die interessanteste Figur. Erst auf den letzten 20 Seiten schließlich spitzt sich die Lage zu und es kommt ein wenig Spannung auf. Allerdings sind einige Details des Finales bezogen auf die bisherige Handlungsweise der Figuren schlicht unglaubwürdig und schwer nachvollziehbar.

An Positivem zu benennen wäre der flüssige Schreibstil der Autorin sowie die intensiven Einblicke in die Gedankenwelt der jeweiligen Figur, die durch die ständigen Perspektivenwechsel auch für Differenziertheit sorgen.

Wer sich gern mit Familienproblemen auseinandersetzt, findet in dem Roman womöglich gute Unterhaltung, wer sich jedoch Spannung und unterschwelliges Grauen verspricht, was meine Intention war, dieses Buch lesen zu wollen, der ist mit der Geschichte eher fehl am Platz.

Bewertung vom 19.07.2012
Sterbenswort
Langer, Siegfried

Sterbenswort


ausgezeichnet

Mit ihrer vierjährigen Tochter Mia lebt die Ärztin Kathrin Voss ein zufriedenes Leben. Vergessen ist der schreckliche Vorfall während ihrer Studienzeit in ihrer WG, über den sie und ihre Mitbewohner nie ein Sterbenswort verloren haben. Doch nun scheint die Vergangenheit sie einzuholen. Winzige Veränderungen in ihrer Wohnung, für die sie erst ihre Tochter verantwortlich macht, bringen die sonst so nervenstarke Kathrin an den Rand der Verzweiflung. Auch ihre ehemaligen Mitbewohner bleiben von ungewöhnlichen Erlebnissen nicht verschont. Dann jedoch wird Mia aus dem Garten der Großeltern entführt und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Meine Meinung:

Nach „Vater, Mutter, Tod“, dem hochgelobten Debütroman von Siegfried Langer, erscheint nunmehr im Juli 2012 sein neuer Roman, dem ich schon länger entgegengefiebert habe. Und meine Erwartungen wurden sogar übertroffen. Wieder gelingt dem Autor ein Psychogramm des Schreckens, welches erstaunlicherweise fast ganz ohne Blut auskommt, und dennoch spannend wie selten ein Buch für mich war.

Die flüssige Schreibweise und die kurzen Kapitel, die nicht selten mit einem Cliffhanger enden, verleiten geradezu, das Buch in einem Rutsch durchzulesen. Ganz habe ich das nicht geschafft, aber zwei Tage sind auch schon fast rekordverdächtig für mich. Anders als in den meisten Thrillern, und das waren in letzter Zeit nicht wenige, kommt hier nicht ein traumatisierter Serienkiller zum Zuge, sondern die eigene Vergangenheit streckt ihre Klauen nach den Protagonisten aus. Ein perfekt inszeniertes Schuld und Sühne-Szenario nimmt seinen Lauf.

Der Leser wird abwechselnd mit der wenig rühmlichen Vergangenheit und den aktuellen Erlebnissen der Figuren konfrontiert. Etwas später gibt es auch noch eine mit „Neulich“ betitelte Zeitebene, die die jüngere Vergangenheit beleuchtet. So fällt nach und nach ein Puzzleteil nach dem nächsten an die richtige Stelle. Dabei gelingt es Siegfried Langer ausgezeichnet eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Die Angst sitzt permanent im Nacken und der Drang weiterlesen zu müssen, steigert sich von Seite zu Seite. Erst wenn man das packende Finale dann hinter sich gebracht hat, ist man in der Lage, wieder normal durchzuatmen und sich bereits auf eine neue Veröffentlichung des Berliner Autors zu freuen.

Bewertung vom 12.07.2012
Wir beide, irgendwann
Asher, Jay; Mackler, Carolyn

Wir beide, irgendwann


ausgezeichnet

Nach seinem Welterfolg mit „Tote Mädchen lügen nicht“ hat sich der Autor Jay Asher für seinen neuen Roman Verstärkung in Person von Carolyn Mackler geholt. Vielleicht wollte er ja die weibliche Sichtweise seiner Protagonistin etwas stärker absichern.

Obwohl das Cover von „Wir beide, irgendwann“ mit peppigen Farben punktet, hätte es mich im Laden jetzt eher nicht dazu verleitet, das Buch überhaupt in die Hand zu nehmen. Es deutet eher auf einen Beziehungsroman a la „Sie lieben sich, sie lieben sich nicht“ hin, wie man ihn schon hundertmal gelesen hat. Zum Glück stieß ich aber durch Zufall auf eine begeisterte Rezension zu dem Roman, die mich inspiriert hat, mir den Inhalt näher anzuschauen.

Das Tollste an der Geschichte ist nämlich die Idee, die dahinter steckt. Was wäre, wenn ich einen Einblick in die eigene Zukunft erhalten könnte, und bin ich in der Lage, diese zu ändern? Das alles riecht sehr nach Zeitreise, eines meiner Lieblingsthemen überhaupt in Büchern. Auch wenn es keine wirkliche Zeitreise gibt, so befindet sich der Leser doch im Jahr 1996 und blickt in eine fünfzehn Jahre entfernte Zukunft. Empfohlen ist das Buch eigentlich für Leser zwischen 12 und 15, aber ich denke, dass auch gerade Leser zwischen 30 und 40 (so wie ich) sich angesprochen fühlen werden. Ich selbst habe auch 1996 meine ersten Schritte in die Welt des Internets unternommen und die Reise in diese Zeit mittels des Lesestoffes hatte durchaus Nostalgiecharakter. Genauso bin ich heute vor allem auf Facebook sehr aktiv und mag es in meinem Leben nicht mehr missen.

Die Story wird jeweils in der Ich-Form abwechselnd aus der Sicht von Emma und Josh erzählt. Ab und an habe ich mich dabei ertappt, zurückzublättern, wer jetzt eigentlich wortführend ist, da es manchmal nicht ganz eindeutig war. Josh findet es zwar auch aufregend, von seiner Zukunft zu erfahren, entscheidet aber relativ schnell, dass er lieber selbst seines Glückes Schmied sein will. Emma dagegen lässt sich von der ihr dargebotenen Zukunft komplett runterziehen. Was sie auch unternimmt, welche Änderung sie schließlich auslöst, nichts passt ihr. Auf ihrem verzweifelten Weg das Morgen zu beeinflussen, merkt sie erst spät, wie sie ihre Mitmenschen verletzt. Dennoch kann ich ihr Bemühen gut nachvollziehen, denn wer will schon in der Zukunft unglücklich sein?

Die Seiten fliegen nur so dahin, während man unbedingt wissen will, worauf das Ganze hinzielt. Viel Aktion oder gar Spannung und Unvorhergesehenes sollte nicht erwartet werden, dennoch ist dieses Drehen am Schicksalsrad unheimlich amüsant zu lesen und es wird einem mal wieder vor Augen geführt, wie wahnsinnig viel doch in den letzten 15 Jahren an technischer Entwicklung stattgefunden hat.

Ich habe mich zwei Tage lang wunderbar unterhalten gefühlt und die unterschwellige Botschaft, die dem Buch zugrunde liegt, nämlich im Hier und Jetzt zu leben und das Beste draus zu machen, ist auch angekommen.

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Bewertung vom 29.06.2012
Das Mädchen mit den gläsernen Füßen
Shaw, Ali

Das Mädchen mit den gläsernen Füßen


gut

Ein halbes Jahr nach ihrem Sommerurlaub auf St. Hauda's Land kehrt die junge Ida Maclaird zurück auf die Insel, um Henry Fuwa zu suchen. Der kautzige Einsiedler, den sie damals kennenlernte, erscheint ihr als Einziger in der Lage, ihr zu helfen. Denn Ida beginnt von den Füßen angefangen zu Glas zu werden. Bevor sie eine Spur von ihm entdeckt, begegnet ihr im Sumpf der schüchterne Midas Crook, der seiner größten Leidenschaft, der Fotografie, nachgeht. Beide spüren sofort eine Verbindung und begeben sich gemeinsam auf die Suche nach einer Lösung für Idas Problem, wobei sie sich unweigerlich näher kommen.

Meine Meinung:

Rein von der Aufmachung her würde dieses Buch von mir volle 5 Sterne erhalten. Schon der Schutzumschlag mit Spotlack drückt die winterlich kühle, aber auch geheimnisvolle Stimmung, in welcher der Roman spielt, sehr gut aus. Ein besonderes Highlight ist aber der silberne Rundumschnitt, der wunderschön glitzert und an das ganze Eis, den Schnee und das Glas im Buch erinnert.

Nun aber zum Inhalt. Leider konnte mich der Roman letzten Endes dann doch nicht vollständig überzeugen. Unbestritten hat der Autor eine große Begabung für Beschreibungen und das Schaffen von Atmosphäre. Fast schon poetisch wirken einige Metaphern, sehr bildhaft die ganze Darstellung der Natur, aber auch die Einblicke ins Wesen der Protagonisten, die auch eine glaubhafte Entwicklung durchmachen.

Ein großer Minuspunkt ist für mich allein schon die ganze Tragik der Geschichte, eine durchweg melancholische bis deprimierende Grundstimmung. Jedes kleine Aufflackern von Hoffnung auf ein glückliches Ende wurde schnellstens abgetötet. Überhaupt hat jede der Figuren auf tragische Weise eine Liebe verloren. Das passt zwar zur Jahreszeit, aber gerade in einer Liebesgeschichte, die zusätzlich noch extrem langsam in Fahrt kommt, brauche ich ein wenig Zuversicht. An manchen Stellen, als eine Lösung oder wenigstens Erklärung so nahe war, hätte ich vor Frustration aufschreien mögen, als diese dann doch nicht genutzt wurde.

Die Rückblenden in die Vergangenheit einiger Nebenfiguren machen zwar teilweise Sinn, was die Motivation der Hauptfiguren, speziell im Fall von Midas, angeht, bremsen aber die Handlung auch sehr aus.

Schlussendlich hinterlässt das Buch viel zu viele offene Fragen, was es für mich noch unbefriedigender macht, weil es ein in sich abgeschlossener Roman ist. Die geflügelten Rinder sind zwar eine nette Idee, aber warum das Ganze? Ebenso das geheimnisvolle Wesen, das alles in weiß verwandelt. Es wird kurz erwähnt, hat aber eigentlich keine Bewandtnis. Die alles entscheidende Frage aber, warum Ida überhaupt anfällig für diese „Krankheit“ war, bleibt ebenso unbeantwortet. Da hätte es auch jeden x-beliebigen Touristen treffen können.

Wer eine leise, das Gemüt anrührende Liebestragödie mit einem Schuss Magie lesen mag, ist sicher mit diesem Buch gut bedient. Bei mir hat es nach dem Zuklappen kein gutes Gefühl hinterlassen, eher Enttäuschung und Desillusioniertheit, weswegen ich auch nur 3,5 Sterne vergeben kann.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.