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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1899 Bewertungen
Bewertung vom 26.03.2023
Dein Taxi ist da (eBook, ePUB)
Guns, Priya

Dein Taxi ist da (eBook, ePUB)


sehr gut

Rasante Fahrt

Dein Taxi ist da von Prya Guns ist ein Debütroman. Er fällt zunächst wegen dem genialen Cover auf. Damit ragt das Buch auf jeden Büchertisch heraus.
Der Roman ist vielleicht nicht perfekt, ich halte ihn zum Beispiel thematisch überfrachtet. Aber irgendwie passt das auch, denn die Hauptfigur Damani ist eine Taxifahrerin und sie sieht viel auf ihren Fahrten. Sie hat die unterschiedlichsten Fahrgäste. Das pralle Leben.
Was der Autorin wirklich bemerkenswert gelingt, ist es, eine Stimme zu entwerfen. Damanis Job als Taxifahrerin ist hart und kann auch gefährlich sein. Sie verbringt viel Zeit in ihrem Taxi, befördert viel Fahrgäste und kommt doch kaum über die Runden, zumal sie sich auch noch um ihre Mutter kümmern muss.
Dann trifft sie Jolene, aber das wird eine toxische Beziehung.
Leider wird nie verraten, in welcher Stadt sich die Handlung abspielt.
Damani ist tough. Ihre Gedanken bestimmen den ganzen Roman.

Bewertung vom 26.03.2023
Der weiße Fels
Hope, Anna

Der weiße Fels


ausgezeichnet

Vier Geschichten ergeben einen Roman

Es sind vier Geschichten, die in Der weiße Fels erzählt werden.
Sie handeln alle in verschiedenen Zeiten.
Die Schriftstellerin – 2020, Das Mädchen – 1907, Der Sänger – 1969, Der Leutnant – 1775.
Nicht alle Geschichten haben mich gleich stark gepackt. Die Erzählungsteile um Das Mädchen gingen mehr oder weniger an mir vorbei. Der Erzählpart um dem Leutnant hingegen war faszinierend.
Der Sänger ist durchdrungen vom Zustand der Figur, die von Alkohol und Drogen bestimmt wird. Es gibt bessere Jim Morrisons-Porträts, aber doch. Dieser Text hat was.Das gilt auch für den zeitgenössischen Teil um die Schriftstellerin.

Was die Geschichten verbindet, die vom Ablauf auch geschickt verschachtelt sind, ist die Stimmung und der Schauplatz rund um den von den Figuren mythisch verklärten weißen Fels im Pazifik bei San Blas. So wird aus dem Einzelnen zusammengenommen doch ein großer, komplexer Roman.

Bewertung vom 25.03.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

brillant gestaltete und bewegende Geschichte

Lange habe ich Daniel Glattauer nicht mehr gelesen und war daher sehr gespannt auf das neue Buch und wurde auch nicht enttäuscht.
Es beginnt schon brillant, indem ein Familienurlaub in der Toscana gezeigt wird, mit all dem, was damit zusammenhängt, also auch gewissen Spannungen.
Mit dabei ist die Schulfreundin der Tochter, die ein 14jähriges Flüchtlingskind ist.
Schon früh im Buch kommt es zu einem unerwarteten Bruch. Ein Unglück erfolgt. Das Mädchen ertrinkt im Schwimmigpool. Wiederbelebungsversuche mißlingen.

Für die Familie ist das auch eine Belastung, besonders die Tochter Sophie-Luise ist traumatisiert. Hinzu kommen viele negative, provozierende Meldungen in den sozialen Medien. Diese Passagen waren für meine Geschmack nicht so gut lesbar, aber natürlich wichtig für die Handlung und mit ein zentrales Thema im Buch.

Einen großen Teil der Handlung nimmt dann der Zivilprozess ein, dessen Dramatik Glattauer perfekt beschreibt und es gipfelt schließlich darin, dass die somalische Familie auch ihre Lebens- und Flüchtlingsgeschichte erzählen kann. Das ist ziemlich bewegend.

Bewertung vom 22.03.2023
Melody (eBook, ePUB)
Suter, Martin

Melody (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Verschwinden

Suter schreibt routiniert wie immer.
Der Plot ist vielversprechend angelegt. Ein juristischer Berufsanfänger namens Tom wird Nachlassverwalter bei dem todkranken 84jährige Dr. Peter Stolz.
Mir hat ganz gut gefallen, wie Martin Suter zwei Erzählebenen anlegt. Dr,Stolz erzählt Tom, wie er vor 40 Jahren eine junge Frau mit dem Namen Melody kennen und lieben gelernt hatte. Melody stammt aus Marokko und so gibt es bei dem Paar kulturelle Unterschiede. Dann verschwindet Melody spurlos.

Die Vergangenheitsgeschichte fand ich zunächst besser als den Gegenwartspart, aber vielleicht hätte man auch mehr daraus machen können.
Die Handlung um Tom empfand ich anfangs als schwach, aber im zweiten Teil wird es besser. Eine Verfilmung könnte ich mir gut vorstellen.

Man bekommt mit Melody einen Suter wie gewohnt. Rasend spannend ist das Buch nicht, aber doch unterhaltsam genug.

Bewertung vom 20.03.2023
Der perfekte Schuss
Enard, Mathias

Der perfekte Schuss


ausgezeichnet

Mathias Enards 20 Jahre alter Debütroman hat es in sich. Erzählende Hauptfigur ist ein Sniper in Kriegszeiten. Es wird konsequent aus seiner Perspektive erzählt und selten eine so kalte und bösartige Stimme erlebt.
Für ihn wird das töten zum Rausch. Und er ist gnadenlos. Außer dem Schießen interessiert ihn nicht viel. Außer vielleicht noch das 15jährige Mädchen, dass sich um seine demente Mutter kümmert. Eine latent bedrohliche Beziehung.

Welcher Krieg das eigentlich ist, wird nicht so genau gesagt. Dadurch wirkt der Text universell.
Ein wenig erinnerte mich das Buch an Clint Eastwoods Film American sniper.

Enards Beschreibungen sind nüchtern und präzise. Vielleicht wirken gerade deswegen einige harte Passagen so stark und schockierend.

Bewertung vom 19.03.2023
Männer sterben bei uns nicht (eBook, ePUB)
Reich, Annika

Männer sterben bei uns nicht (eBook, ePUB)


sehr gut

Großmutter ist tot

Es geht in diesem Roman um eine Familie, mehrere Generationen, die fast nur aus Frauen besteht und bei der die Großmutter als Anführerin prägend war.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von der Enkelin Louise, die gleich am Anfang des Buches, als sie noch ein Kind war, eine Tote im Wasser findet.
Als sie 30 Jahre alt ist, stirbt ihre Großmutter und Luise fühlt sich wie ohnmächtig. Auf der Beerdigung erinnert sie sich zurück an die Kindheit, auch daran, wie wie ihre ältere Schwester Leni verschwand.

Männer sterben bei uns nicht, ist ein für mich ein streckenweise rätselhafter Roman. Aber schlecht ist er nicht. Im Gegenteil ist er sehr stimmungsvoll, manchmal etwas melancholisch.
Das Buch ist sprachlich etwas besonderes. Annika Reich kann schreiben.
Einen ungewöhnlichen Abschnitt möchte ich mal zitieren, um einen Eindruck zu vermitteln.
„Die fünf Häuser schwiegen, und sie schwiegen auf ihre eigene Art. Das Haus von Großmutter schwieg wie eine Königin, die man nicht ansprechen durfte, unser Haus schwieg wie jemand, der etwas verbrochen hatte, das Schweigen von Großmutter Veras Haus war zentnerschwer...“
Diese Sprache empfinde ich als so reichhaltig.
Es ist eine außergewöhnliche Art, die Geschichte der Frauen einer Familie zu erzählen.

Bewertung vom 19.03.2023
Straßenmusik (eBook, ePUB)
Behr, Markus

Straßenmusik (eBook, ePUB)


sehr gut

Chiara und Jonas

Der beim Picus-Verlag erschienene Roman Strassenmusik ist ein besonderes Buch, da es dem Autor Markus Behr gelingt, seinem Text eine große Leichtigkeit zu geben. Das jemand so locker, so unverkrampft schreibt ist eine Qualität.
In dem Roman geht es viel um Musik und dem damit verbundenen Lebensgefühl.
Es ist auch ein Buch über Freundschaft. Zwei junge Leute treffen sich in Amsterdam. Chiara spielt auf der Straße Songs mit ihrer Gitarre, die sie kurzfristig verliert. Gefunden wird sie von Jonas, der dann selbst auf ihr spielt. Eine kuriose Situation, aber so verrückt geht es manchmal zu im Leben.
Chiara und Jonas sind ziemlich verschieden. Chiara gibt sich immer cool, während Jonas oft neben sich steht. Er hat auch etwas von einem Pechvogel, zum Beispiel wurde er als Bassist gerade aus der Band Wunderwerk geworfen, als diese beginnt erfolgreich zu werden.
Zusammen mit Chiara spielt er entspannt.
Was mich am Buch am meisten berührte ist, dass es zwei Menschen mit all ihren Möglichkeiten zeigt. Für sie ist noch nicht alles entschieden und das ist beneidenswert.

Bewertung vom 18.03.2023
The Shards (eBook, ePUB)
Ellis, Bret Easton

The Shards (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Bret Easton Ellis neuer Roman ist ein Spiel mit Fiktion und autobiografischen Elementen. Etwas, was der Autor wirklich gut beherrscht. Strassen und Orte werden genannt, auch viele Filme und Musik der Jahre 1980/1981. Ein wahres Namedropping, aber Bret Easton Ellis weiß dass geschickt einzusetzen. Außerdem entwickelt der Text ein große Dynamik, obwohl eigentlich nicht viel passiert.
Der 17jährige Protagonist, der Bret Ellis heißt und davon träumt, Schriftsteller zu werden erlebt die Jahre zusammen mit seinen Freunden auch als Suche nach sexueller Orientierung.
Ein verschärfendes Element der Handlung ist, dass ein Serienmörder sein Unwesen treibt.
Gleichzeitig ist Bret von einem neuen Schüler fasziniert, wie er ihn auch fürchtet.
Aus dieser Konstellation ergibt sich eine subtile Spannung.
Ein Buch voller dichter, düsterer Atmosphäre.

Bewertung vom 18.03.2023
Es war einmal in Brooklyn
Atlas, Syd

Es war einmal in Brooklyn


ausgezeichnet

Juliette und David

Syd Atlas erweckt in ihrem Roman „Es war einmal in Brooklyn“ die späten siebziger Jahre zum Leben. Ich bin alt genug, dass ich mich an die Stimmung der Zeit erinnere, aber Syd Atlas Buch ist natürlich sehr amerikanisch.
Es ist auch die Zeit der Bedrohung durch Serienmörder. 1977 begeht der Son of Sam seine Morde.
Das Buch ist aber kein Thriller sondern ein realistisches Gesellschafts- und Zeitporträt.
Es geht um zwei Jugendliche, die befreundet sind. Juliette Darling und David kennen sich schon seit ihren frühen Kindheit. Sie verbindet viel.
Dann erkrankt David schwer an Leukämie. Juliette hingegen verliebt sich in einen anderen Jungen, Rico. Auch Ricos Perspektive wird einbezogen, wie auch die von anderen Figuren. Das macht die Autorin geschickt. Überhaupt hat sie einen guten, detaillierten Stil.

Als Leser ist man dicht an den Figuren dran. Manche Passagen wirken wie ein Jugendbuch, es gibt aber auch das Gefühl des Familienromans.

Bewertung vom 14.03.2023
Nie mehr leise
Berhe, Betiel

Nie mehr leise


gut

Das Buch nimmt die Perspektive der BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) in Deutschland ein.

Die Autorin betont, dass das Buch nicht für eine weiße Leserschaft geschrieben ist sondern für sich und den BIPoC. Das spürt man beim Lesen auch. Ich denke auch, dass die Zugehörigkeit zu BIPoc anstatt nur PoC gewählt wird, um sich abzugrenzen.

Das Ziel der Autorin ist, zu zeigen, welche Funktion die Verbindung von Rassismus und Klassismus im Kapitalismus erfüllt.

Die Autorin Betiel Berhe schöpft dabei aus ihren eigenen Erfahrungen.
Als schwarze Frau und Arbeiterkind erfuhr sie den sozialen Aufstieg als Akademikerin und Teil der Mittelschicht.

Betiel Berhe erklärt viel. Am stärksten sind jedoch die Passagen, die von ihren eigenen Erfahrungen, z.B. in der Schulzeit und im Berufsleben erzählt. Dann auch die Geschichte ihres Vaters, der aus Eritrea stammt.
Es gibt auch einige theoretische Ansätze. In der Summe entsteht das versprochene Bild der neuen migrantischen Mittelschicht, dass sich der Herkunft aus der Arbeiterschicht bewusst und verbunden ist.