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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 18.12.2017
Tod von oben
Ehlers, Jürgen

Tod von oben


ausgezeichnet

In seinem historischen Roman „Tod von oben“ nimmt Jürgen Ehlers den Leser mit in die 1940er Jahre in die besetzten Niederlande und erzählt sehr spannend von dem „Englandspiel“ – einer gemeinsamen Operation von deutscher Abwehr und Sicherheitspolizei im Zweiten Weltkrieg.

Der Autor hat die historischen Ereignisse zwischen Juli 1941 und November 1942 mit einer fiktiven Geschichte rund um den Fallschirmagenten Gerhard Prange und die 19-jährige Jüdin Sofieke Plet verknüpft und damit ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit gezeichnet.

Der Student Gerhard - eher leidlich zum Agenten ausgebildet - soll für die Engländer in den Niederlanden spionieren. Der junge Mann wird direkt bei seiner Landung von der Polizei geschnappt, hat aber Glück im Unglück: der Reichskommissar für die Niederlande, Arthur Seyß-Inquart, ist sein Nennonkel und Gerhard wird nicht, wie bei feindlichen Spionen sonst üblich, hingerichtet, sondern bekommt das Angebot, als Doppelagent für die deutsche Spionageabwehr tätig zu werden…

Sofieke ist untergetaucht. Sie hat sich von ihrer Familie losgesagt und hat nur noch Kontakt zu ihrem Bruder Jaap, der ihr gefälschte Papiere besorgt. Um etwas Geld zu verdienen, untervermietet sie ein Zimmer – an Gerhard…

Zwischen Gerhard und Sofieke entwickelt sich eine Liebesbeziehung. Doch beide leben gefährlich und ihre Situation wird im Verlauf der Handlung immer dramatischer…

Jürgen Ehlers schickt in diesem Roman neben Gerhard und Sofieke fast ausschließlich historische Personen ins Rennen und bleibt zudem durchweg nah an den dokumentierten Fakten. Das macht diesen Roman nicht nur besonders interessant, sondern vor allen Dingen äußerst glaubwürdig. Alle Akteure werden vom Autor lebendig und ausdrucksvoll dargestellt und wirken in ihrem Tun überzeugend.
Besonders faszinierende Personen waren für mich zum einen der ehemalige Fremdenlegionär und zur Zeit der Handlung in der Spionageabwehr tätige Richard Christmann, weil er kaum zu durchschauen ist und man nie weiß, was er mit seinen Aktionen wirklich bezweckt; und zum anderen Dorli, die Tochter des Reichskommissars Seyß-Inquart, die sich mit ihren gerade einmal 14 Jahren viele Gedanken macht und die Schandtaten ihres Vaters hinterfragt.

Ich musste beim Lesen immer wieder den Kopf schütteln - es ist wirklich kaum zu glauben, wie die Engländer sich damals haben austricksen lassen. Die gefangenen Agenten waren mehr als bemüht, auf ihre vertrackte Situation aufmerksam zu machen und die Verantwortlichen in London zu warnen, doch es wurden unaufhörlich immer neue Agenten, Waffen und Munition in die besetzten Niederlande geschickt.

Jürgen Ehlers erzählt diese Geschichte mit einem hohen Tempo. Die Darstellung der Ereignisse ist anschaulich und klar, der Schreibstil fast nüchtern und sachlich. Gut gewählt, wie ich finde, da weitschweifige Umschreibungen nicht zu der Handlung gepasst hätten.

„Tod von oben“ hat mir sehr gut gefallen – eine mitreißende Geschichte, die mir nicht nur spannende Lesestunden beschert hat, sondern mir auch interessante Einblicke in die Spionagetätigkeit während des Zweiten Weltkriegs ermöglicht hat.

Bewertung vom 18.12.2017
Nach dem Schweigen
Drews, Christine

Nach dem Schweigen


sehr gut

London. Ellen Cramer hat sich nach dem Unfalltod ihrer Schwester vor 17 Jahren um deren Kinder Saskia und Max gekümmert, besonders zu ihrer Nichte hatte die erfolgreiche Unternehmerin ein enges, sehr vertrauensvolles Verhältnis. Jetzt ist Ellen tot. Sie ist aus dem 20. Stock eines Hochhauses in die Tiefe gestürzt. Selbstmord, wie es anfangs heißt. Das kann und will Saskia nicht glauben. Als dann nach kurzer Zeit feststeht, dass Ellen ermordet wurde, begibt Saskia sich auf Spurensuche und muss schnell feststellen, dass sie ihre Tante eigentlich gar nicht gekannt hat…

Christine Drews versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil ganz hervorragend, den Leser in den Bann dieser düsteren Familiengeschichte zu ziehen.

In mehreren Handlungssträngen begegnet man neben Saskia und ihren Angehörigen ganz unterschiedlichen Leuten, die auf den ersten Blick nichts mit Saskias Familie zu tun haben. So lernt man Jack Bernard kennen, in dessen Hof Ellen stürzt. Außerdem die drogensüchtige Noemi Redcliff, die den vermeintlichen Mörder gesehen hat und Sienna Johnstone, die sich beobachtet fühlt.

Schon nach wenigen Seiten baut sich eine unterschwellige Spannung auf. Nicht nur, dass Saskia herausfindet, dass Ellen Geheimnisse hatte, man spürt auch an den Reaktionen der Akteure auf Ellens Tod, dass hier nicht alles so ist, wie es zunächst den Anschein hat. Immer neue Fragen und überraschende Wendungen sorgen für ein abwechslungsreiches, immer dramatischer werdendes Geschehen - den Leser erwartet eine spannende Spurensuche, bei der man durchweg prima über Zusammenhänge und Hintergründe grübeln kann.

Während man mit Saskia mitfiebert und ihre weiteren Schritte verfolgt, wendet der Täter sich seinem nächsten Opfer zu. Er folgt einem von langer Hand vorbereiteten Plan. Ich konnte seine Beweggründe am Ende zwar nachvollziehen, hätte mir aber besonders hinsichtlich des Ausfindigmachens seiner Opfer eine deutlichere Erklärung gewünscht.

„Nach dem Schweigen“ hat mir sehr gut gefallen - ein fesselnder Thriller, der mir ein paar spannende Lesestunden beschert hat.

Bewertung vom 15.12.2017
Der Zerberus-Schlüssel
Schilddorfer, Gerd

Der Zerberus-Schlüssel


ausgezeichnet

„Der Zerberus-Schlüssel“ ist der vierte Teil der Serie rund um den Piloten und Abenteurer John Finch, dieser Thriller ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich. Auch diesmal wartet Gerd Schilddorfer mit einer fesselnden Mischung aus Realität und Fiktion auf. Der Autor versteht es ganz ausgezeichnet, historische Fakten, wahre Begebenheiten, reale Persönlichkeiten sowie existente Schauplätze mit fiktivem Geschehen und spannender Krimihandlung zu verweben. Auf den Leser wartet eine mitreißende, actionreiche Spurensuche – es gilt, Hintergründen zu durchschauen, Zusammenhängen aufzudecken und knifflige Rätsel zu lösen.

2. Juni 2016. Annette Krüger entdeckt in einem verlassenen Berliner Mietshaus eine mumifizierte Leiche. Auf dem Boden neben dem seit mindestens 20 Jahren toten Mann findet Annette einen Zettel mit chinesischen Schriftzeichen. Obwohl Mord nicht ausgeschlossen werden kann, sind die Ermittlungen in diesem Fall nicht allzu dringlich und für Kommissar Thomas Calis kein Anlass, seinen geplanten Urlaub abzusagen. Dass Calis seine Reise nach Österreich dennoch verschieben muss, liegt an den drei Männern, die am nächsten Tag erdrosselt in ihren jeweiligen Wohnungen aufgefunden werden…
Während die Identität der Mumie der Berliner Polizei Rätsel aufgibt, ist den Mitgliedern des Triaden-Treffens in Shanghai schnell klar, um wen es sich bei dem Toten handelt, als sie die Nachricht und die Bilder vom Fund der Leiche erhalten…
Major Llewellyn Thomas befindet sich derzeit in Glenfinnan. Als ihm ein Päckchen mit einem nepalesischen Dolch zugestellt wird, bricht er seinen Sommerurlaub in den schottischen Highlands ab…
In Wien erhält der Kunstdieb Alexander Reiter einen Anruf aus Tel Aviv. Er soll für den Leiter der Einsatztruppen des Mossads einen Reisebericht des Grafen Calice über dessen ostasiatische Expedition in den 1870er Jahren ausfindig machen…

Wer die Bücher Schilddorfers kennt, der weiß, dass das noch nicht alles ist, was der Autor an unterschiedlichen Handlungssträngen zu bieten hat. Neben dem aktuellen Geschehen gibt es mehrere Ausflüge zu interessanten Begebenheiten in der Vergangenheit.

So begleitet man den deutschen Hilfskreuzer „Komet“, der in geheimer Mission unterwegs ist und sich im Sommer 1940 mit Hilfe sowjetischer Eisbrecher einen Weg durch die Nordostpassage in den Pazifik bahnt…
Im Juni 1971 erhält Pilot John Finch in Kairo den Auftrag, den Sonderbeauftragten des MfS Schuhmann und dessen Entourage nach Angola zu fliegen…
10. November 1989. Die DDR hat ihre Grenzen geöffnet. Harald Gärtner sitzt in seiner West-Berliner Wohnung und ist fassungslos. Sorgen machen ihm vor allen Dingen in den Stasi-Unterlagen befindliche Listen, auf denen sein Name steht. Ein Anrufer beruhigt ihn und sagt ihm, dass er zum Schläfer werden soll…
Und im August 2010 entwendet Alexander Reiter in Salzburg aus einem Haus, das dem Sohn des NS-Kunsthändlers Gurlitt gehört, fünf Gemälde, darunter ein Bild, das eine chinesische Parkanlage zeigt…

Trotz ständig wechselnder Schauplätze und einer Vielzahl an Personen konnte ich der Geschichte bestens folgen. Es ist nicht nur spannend, die Akteure auf ihrer Jagd nach Informationen zu begleiten, es macht vor allen Dingen großen Spaß, mitzurätseln und die gewonnenen Erkenntnisse wie ein Puzzle zu einen Bild zusammenzusetzen. Nach und nach wird die Zusammengehörigkeit der einzelnen Handlungsfäden immer deutlicher und schließlich fügen sich die unterschiedlichen Inhalte zu einem Ganzen zusammen.

Ausnehmend gut gefallen hat mir der lässige Umgangston zwischen den Akteuren. Wortwitzige Dialoge und lockere Sprüche sorgen für gute Unterhaltung; besonders die Wortgefechte zwischen Calis und Arthur Bergner von der Spurensicherung haben mich schmunzeln lassen.

„Der Zerberus-Schlüssel“ hat mich durchweg begeistert - ein abwechslungsreicher, gut durchdachter Thriller, der mitreißend erzählt wird und mit einer lebhaften, fesselnden Szenerie punkten kann.

Bewertung vom 04.12.2017
Schwarzbubenland
Gasser, Christof

Schwarzbubenland


ausgezeichnet

Solothurn. Die Ehefrau des Alt-Regierungsrats Daniel vom Staal ist seit nunmehr zwölf Jahren verschwunden. Die polizeilichen Ermittlungen sind schon seit langem eingestellt. Als vom Staal per Post ein Schmuckstück seiner Frau erhält, ist er sich sicher, dass Elisabeth noch lebt. Er beauftragt die freischaffende Journalistin Cora Johannis, der neuen Spur nachzugehen und etwas über den Verbleib seiner Frau herauszufinden…

Gerade noch hat Cora Johannis sich geärgert, dass sie einen als sicher gewähnten Auftrag für eine Reportage beim „Solothurner Tagblatt“ nicht erhalten hat, da bekommt sie das äußerst einträgliche Angebot des ehemaligen Regierungsrates. Nicht nur der Ausgleich für das ausgefallene Honorar beim Tagblatt lockt, auch Coras Ehrgeiz ist erwacht. Sie nimmt den Job an. Bei ihrer Suche nach Elisabeth landet sie in dem kleinen Ort Gilgenberg und wird nicht gerade freundlich empfangen…

Christof Gasser hat mich mit „Schwarzbubenland“ von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt. Der Krimi wird flüssig und spannend erzählt und der gesamte Handlungsverlauf ist sehr gut durchdacht und ausgefeilt.

Nicht nur der spannende Kriminalfall hat mich schnell gepackt, auch das Personal, das der Autor ins Rennen schickt, hat mich begeistert. Die Figuren werden ausnahmslos interessant und vielschichtig präsentiert und bekommen schnell ein Gesicht. Selbst Nebenfiguren wirken echt und lebendig und bereichern mit ihren Eigenheiten die Szenerie. Zudem gelingt es Christof Gasser hervorragend, die Emotionen seiner Protagonisten wiederzugeben, so dass ich durchweg mit allen Akteuren mitfühlen und mitfiebern konnte.

Cora war mir sofort sympathisch. Sie hat alles, was eine Investigativjournalistin braucht, ist unerschrocken, wenn es um die Recherche geht, zielstrebig und stur, wenn sie Informationen will. Auch wenn ihr ihre zurückliegenden Aufenthalte in Krisengebieten heute noch Albträume bescheren, liebt sie ihren Beruf. Die alleinerziehende Mutter liebt aber auch ihre Kinder. Sie möchte in beiden Lebensbereichen alles richtig machen, gerät dabei jedoch an ihre Grenzen. Besonders im Umgang mit ihrer pubertierenden Tochter Mila wirkt ansonsten so toughe Frau manchmal richtig hilflos.

Christof Gasser kann auch mit einer großen Portion Lokalkolorit punkten. Dank der detailreichen Beschreibungen konnte ich mir die Schauplätze in und um Gilgenberg – ein fiktives Dorf, das der Autor in die reale Landschaft des Schwarzbubenlandes eingebettet hat – sehr gut vorstellen. Die Besonderheiten des beschaulichen Landstriches werden hervorgehoben, die lokalen Begebenheiten und auch die Eigenarten der Einheimischen fließen in die Handlung ein. Ein paar Einwürfe in Mundart runden den Regionalkrimi prima ab.

„Schwarzbubenland“ hat mir sehr gut gefallen. Ein angenehm zügig zu lesender Krimi, der mit interessanten Charakteren und einer fesselnden Handlung zu überzeugen weiß - ein rundum spannendes Lesevergnügen.

Bewertung vom 30.11.2017
Tannenglühen
Gungl, Petra K.

Tannenglühen


ausgezeichnet

Wien in der Vorweihnachtszeit. Die fast 60-jährige Strafverteidigerin Franziska Ferstl hat beschlossen, mit dem kommenden Jahr in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Dieses Vorhaben muss sie jedoch zunächst einmal auf Eis legen, denn Siegfried Fürstenstein, ein Partner in ihrer Kanzlei, wird tot – erdrosselt mit einer Lichterkette! – im Besprechungszimmer unter dem Weihnachtsbaum aufgefunden. Es kommt noch schlimmer: Maximilian Frank, ein weiterer Partner der Kanzlei und langjähriger Freund von Franziska, gilt als Hauptverdächtiger in diesem Mordfall. Für Franziska ein Grund, noch einmal ihr ganzes Wissen und Können zu mobilisieren, um Max aus dieser furchtbaren Situation herauszuboxen…

Petra K. Gungl hat einen angenehm zu lesenden, sehr fesselnden Schreibstil, so dass ich schnell mittendrin im Geschehen war und schon nach kurzer Zeit das Gefühl hatte, mit allen Akteuren gut vertraut zu sein.

Die Autorin hat ein gutes Händchen für Figuren. Jeder Einzelne bekommt schnell ein Gesicht und nimmt einen wichtigen Platz in der Geschichte ein. Die Akteure werden dabei sehr authentisch dargestellt und handeln glaubwürdig und nachvollziehbar.

Franziska ist eine Protagonistin, der man gerne folgt. Die Endfünfzigerin ist eine energiegeladene Strafverteidigerin, die nicht nur ihre ganze Erfahrung in diese Ermittlungen legt, sondern auch mit Willensstärke und einer großen Portion Coolness aufwartet. Sie weiß sich durchzusetzen, sagt geradeheraus, was sie denkt und ist äußerst gewitzt, wenn es darum geht, Fakten zu sammeln und Inforationen aus Befragten herauszukitzeln.

Franziska muss die Ermittlungsarbeit nicht allein bewältigen. Die Autorin hat ihr den charmanten Anwalt Kurt Thesch zur Seite gestellt. Der junge Jurist mit den Lausbubenaugen ist Franziska in punkto Witz und Tatendrang fast ebenbürtig und bringt dadurch zusätzlichen Schwung in die Handlung.

Die Ermittlungen im Mordfall gestalten sich schwierig, denn die Situation in der Kanzlei erweist sich viel undurchsichtiger, als Franziska geahnt hat. Dubiose Geldgeschäfte und Kontakte zur Russen-Mafia, die schon länger hinter ihrem Rücken gelaufen sind, bringen sie mächtig ins Schwitzen und auch Siegfrieds Affäre mit einer Mitarbeiterin wirft einige Fragen auf. Es hat mir durchweg großen Spaß gemacht, Franziska bei ihrer aufregenden Spurensuche zu begleiten und mit ihr mitzufiebern und mitzuermitteln.

„Tannenglühen“ hat mir sehr gut gefallen – ein abwechslungsreicher, gut durchdachter Krimi, der von der ersten bis zur letzten Seite kurzweilige, spannende Unterhaltung bietet.

Bewertung vom 29.11.2017
Nachtspiel: Thriller
Shepherd, Catherine

Nachtspiel: Thriller


ausgezeichnet

Rechtsmedizinerin Julia Schwarz geht Tag für Tag routiniert ihrer Arbeit nach. Nachts jedoch, wird sie immer häufiger von Albträumen geplagt: sie erlebt die letzten Stunden mit ihrem vor 15 Jahren missbrauchten und ermordeten Bruder wieder und wieder. Damit nicht genug, auch tagsüber hört sie immer öfter seine Stimme, sein Weinen. Ein Werk ihrer Fantasie? Ein Zeichen von Überlastung? Oder legt es jemand darauf an, Julia Tag für Tag an das schreckliche Ereignis zu erinnern? Doch warum sollte irgendwer Interesse daran haben, sie derart zu quälen?
Julia versucht, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Ein brutaler Mord an einer Polizistin erfordert ihre Aufmerksamkeit. Schon kurze Zeit später gibt nicht nur der Tod des vermeintlichen Täters zusätzliche Rätsel auf, ein weiterer Fall offenbart Spuren, die Julia vermuten lassen, dass ein Serienkiller sein Unwesen treibt…

„Nachtspiel“ ist bereits der zweite Fall für Julia Schwarz und Florian Kessler – für mich war dieser Einsatz der erste, bei dem ich der Rechtmedizinerin und dem Kommissar über die Schultern geschaut habe. Auch ohne Kenntnis des vorhergehenden Bandes war ich schnell mittendrin im Geschehen und hatte schon nach kurzer Zeit das Gefühl, mit den Akteuren gut vertraut zu sein.

Catherine Shepherd versteht es mit ihrem angenehm zu lesenden Schreibstil ausgezeichnet, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Der Kriminalfall ist von Anfang an spannend und wird im Verlauf der Handlung immer dramatischer. Geschickt lenkt die Autorin dabei den Blick des Lesers in unterschiedliche Richtungen, so dass man prima über Motive, Zusammenhänge und Täter miträtseln und mitgrübeln kann.

Julia droht in einem Strudel aus wiederkehrenden Albträumen, undurchsichtigen Ereignissen und anscheinend zusammenhangslosen Mordfällen zu versinken - besonders gut hat mir hier die Schilderung von Julias Albträumen gefallen. Man kann bestens nachvollziehen, welch enorme Last die Rechtmedizinerin tagtäglich mit sich herumschleppt.

Catherine Shepherd erzählt die Geschichte nicht nur aus Sicht der Ermittler, sondern präsentiert das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven, so dass man einen guten Einblick in die Ansichten und Beweggründe der Akteure bekommt.

„Nachtspiel“ ist eine spannende, in bekannter Shepherd-Manier vielschichtig konstruierte Geschichte, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat.

Bewertung vom 22.11.2017
Im Feuer der Freiheit
Freudenberg, Bele

Im Feuer der Freiheit


ausgezeichnet

In ihrem historischen Roman „Im Feuer der Freiheit“ entführt Bele Freudenberg den Leser in die Wirrnisse der Hamburger Franzosenzeit. Die Autorin hat die historischen Ereignisse der ersten Hälfte des Jahres 1813 mit einer genauso spannenden wie romantischen fiktiven Geschichte verknüpft und damit ein abwechslungsreiches und vor allen Dingen sehr glaubwürdiges Bild der damaligen Zeit gezeichnet.

Bele Freudenberg erzählt die Geschichte rund um die 19-jährige Fanny Breedenbek und dem zu ihrem Vormund bestimmten Georg von Alvesloh sehr unterhaltsam, die Szenerie wirkt lebendig und ist fesselnd, so dass ich nicht nur schnell mittendrin im Geschehen war und mir die Schauplätze und Gegebenheiten gut vorstellen konnte, ich konnte auch prima mit den Akteuren mitfiebern.

Die Figuren haben Persönlichkeit, sie zeigen Emotionen und handeln entsprechend ihren Eigenheiten. Es war spannend, ihre Wege zu verfolgen und es hat Spaß gemacht, ihr Miteinander und besonders ihr Gegeneinander zu beobachten.

Fanny ist neugierig und wissensdurstig, sie hat ein hitziges Temperament und ist zudem recht wagemutig und unberechenbar. Sie liest gerne in einem Buch der Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft, fühlt sich von deren Worten angesprochen und möchte am liebsten danach leben und handeln. Nicht nur ihre eigene Unabhängigkeit ist ihr wichtig, sie ist fest entschlossen, sich außerdem für die Freiheit Hamburgs einzusetzen. Fanny ist aber auch ein Kind ihrer Zeit und weiß als junge Frau im frühen 19. Jahrhundert nicht viel über Politik und Kriegsgeschehen. Das hindert sie jedoch nicht daran, sich auf ihre Art in die Verwicklungen der Stadt einzumischen – irgendetwas bewirken oder gar ändern kann sie natürlich nicht, im Gegenteil, sie schafft es immer wieder, sich selbst in die Bredouille zu bringen. Georg von Alvesloh nennt Fanny im Verlauf der Handlung einmal „provokant, naiv und draufgängerisch“ und beschreibt sie damit sehr treffend.

Fanny selbst weiß nicht, was sie von ihrem Vormund halten soll. Georg hat sie vor einigen Jahren belogen und damit tief verletzt, auch rankt ein düsteres Geheimnis um den ansonsten so redlichen Gutsbesitzer. Außerdem bringt er sie mit seinen Äußerungen immer wieder auf die Palme - dennoch fühlt sie sich zu dem Mann hingezogen…

Neben den fiktiven Figuren bevölkern auch einige historische Persönlichkeiten diesen Roman, allen voran Oberst Friedrich Karl von Tettenborn, der an der Spitze von russischen Truppen als Befreier nach Hamburg gekommen war, aber eher seine persönlichen Belange im Blick hatte, als die Interessen der Stadt zu vertreten.

„Im Feuer der Freiheit“ hat mir sehr gut gefallen. Ich habe mich über das Geplänkel zwischen Fanny und Georg köstlich amüsiert, noch besser gefallen hat mir allerdings der historische Part mit den politischen Verwicklungen in und um Hamburg und dem Gerangel um die Vorherrschaft in der Stadt, da ich es mag, wenn ich geschichtliche Fakten anschaulich und lebendig erzählt bekomme.

Bewertung vom 21.11.2017
Spreewaldtod / Klaudia Wagner Bd.2
Dieckerhoff, Christiane

Spreewaldtod / Klaudia Wagner Bd.2


sehr gut

Lübbenau. Im Fließ wird ein Toter gefunden. Kommissarin Klaudia Wagner erkennt in ihm den jungen Mann, der am Abend vorher in eine Schlägerei auf dem Hechtfest verwickelt war. Schnell steht die Identität des Mannes fest: Vlad Albu. Der 24-jährige Rumäne war als Saisonarbeiter bei einem bekannten Gurkenbauern angestellt. Eine Tat mit ausländerfeindlichem Hintergrund? Als kurze Zeit später eine junge Frau erschossen wird, muss Klaudia erkennen, dass die Spuren in eine ganz andere Richtung weisen…

„Spreewaldtod“ ist bereits der zweite Fall für die aus dem Ruhrgebiet stammende Kriminalobermeisterin Klaudia Wagner. Obwohl ich den ersten Teil nicht gelesen habe, bin ich gut im Geschehen gelandet, muss aber zugeben, dass mir die eine oder andere Information über die vorhergehenden Ereignisse gefehlt hat. Es gibt zwar im Verlauf der Handlung zahlreiche Anspielungen auf das frühere Geschehen, so dass man eine Ahnung bekommt, was damals passiert ist, aber um die Probleme, die Klaudia aktuell immer noch sehr zu schaffen machen, verstehen und nachvollziehen zu können, wäre das vorherige Lesen des ersten Bandes von Vorteil gewesen. Für das Verständnis des jetzigen Falls ist das Wissen um die Ereignisse aus „Spreewaldgrab“ allerdings nicht unbedingt von Nöten.

Die Ermittlungen im Fall Vlad Albu gestalten sich recht schwierig. Und das liegt nicht nur daran, dass es mehrere Verdächtige gibt, von denen jeder ein Alibi zu haben scheint. Neben ihren persönlichen Befindlichkeiten und privaten Angelegenheiten hat Klaudia auch mit dem schlechten Arbeitsklima im Team zu kämpfen. Aufgrund von Personalmangel muss sie mit dem verhassten Kollegen Demel zusammenarbeiten und auch die Staatsanwältin lässt Klaudia die Ermittlungen nicht so führen, wie sie es für richtig hält.

Christiane Dieckerhoff kann mit einer großen Portion Lokalkolorit punkten. Die Handlungsorte werden von der Autorin detailliert beschrieben, so dass man sich ein gutes Bild von den Schauplätzen machen kann. Besonders die schwere Arbeit der Gurkenbauern im Spreewald wird interessant dargestellt.

Insgesamt hat mir „Spreewaldtod“ gut gefallen. Der Fall war knifflig, so dass ich gut über Täter, Motiv und Hintergründe miträtseln und mitgrübeln konnte. Nur Klaudias persönliche Probleme haben mir manchmal zu viel Raum eingenommen, die stets gedrückte Stimmung geht zu Lasten der Spannung. (3,5*)

Bewertung vom 20.11.2017
Fildermädchen
Scheurer, Thilo

Fildermädchen


ausgezeichnet

Stuttgart. Über sechs Jahre ist es her, dass die damals 17-jährige Jasmin Leibrand nach der Schule nicht nach Hause gekommen ist. Ein paar Tage nach ihrem Verschwinden wurden in einem Waldgebiet blutgetränkte Kleidungsstücke entdeckt, die eindeutig Jasmin gehörten. Auch wenn nie eine Leiche gefunden wurde, geht die Polizei bis heute von einem Verbrechen aus. Ein neuer Aspekt veranlasst das LKA-Dezernat für ungeklärte Mordfälle, den Fall wieder aufzurollen.
Als Hauptverdächtiger galt lange Zeit der Lehrer Bertold Hauer, der ein Verhältnis mit dem Mädchen gehabt haben soll. Obwohl Hauer sich während eines Verhörs in Widersprüche verstrickte, konnte dem Mann nie etwas nachgewiesen werden.
Da sowohl Hauer wie auch einige andere Lehrer nach wie vor an Jasmins alter Schule unterrichten, wird Sebastian Franck als verdeckter Ermittler dort eingeschleust - obwohl er alles andere als begeistert ist, für einige Wochen einen Deutschlehrer mimen zu müssen…

„Fildermädchen“ ist bereits der zweite Fall für das Stuttgarter Ermittler-Quartett des Dezernats T.O.M. (Tote ohne Mörder), der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Thilo Scheurer erzählt diesen Krimi mit viel Pep und präsentiert eine sehr lebhafte Ermittlertruppe. Die Akteure werden alle hervorragend charakterisiert, sie beleben mit ihren Eigenarten, Macken und Besonderheiten die Szenerie und tragen damit kräftig zur Unterhaltung bei - jeder Einzelne ist auf seine Art liebenswert und trotz aller Unterschiede sind die bissige Marga Kronthaler, der hochsensible Sebastian Franck, die quirlige Franziska Hegel und der nimmersatte Cem Akay vor allen Dingen eines: ein unschlagbares Team.
Besonders gut gefallen hat mir der lässige Umgangston zwischen den Ermittlern. Die Dialoge sind mit viel Wortwitz gespickt und Margas kernige Kommentare haben mir genauso gut gefallen, wie Franziskas lockere Sprüche.

Thilo Scheurer hat ein ausgesprochen gutes Händchen dafür, Humor und Spannung miteinander zu verknüpfen. Situationskomik und fesselnde Krimihandlung sorgen durchweg für ein kurzweiliges Lesevergnügen und bieten zudem viel Platz zum Mitgrübeln und Miträtseln. Leseempfehlung für alle Krimiliebhaber, die ungewöhnliche Ermittlerteams mögen.

Bewertung vom 16.11.2017
Die Jahre der Schwalben / Ostpreußensaga Bd.2
Renk, Ulrike

Die Jahre der Schwalben / Ostpreußensaga Bd.2


ausgezeichnet

„Die Jahre der Schwalben“ ist der zweite Band von Ulrike Renks Ostpreußensaga und schließt fast nahtlos an den ersten Teil an. Diese Etappe der Saga beginnt im Frühjahr 1930 - Frederikes Mann Ax ist mittlerweile nach Davos gereist, in der Hoffnung, dass man dort seine Tuberkulose heilen kann - und endet im November 1944, als das Kriegsende zwar nah ist, die Schrecken der nationalsozialistischen Regierung für Frederike und ihre Lieben aber noch kein Ende gefunden haben.

Ulrike Renk nimmt den Leser in diesem auf wahren Begebenheiten beruhenden Roman mit auf eine fesselnde Zeitreise. Sehr anschaulich erzählt die Autorin vom Alltag und den Lebensumständen auf den Gütern in Ostpreußen und in der Prignitz. Alles, was die Bewohner beschäftigt und bewegt, fließt in die Handlung ein. Man erlebt die vielen aufregenden und einschneidenden Momente intensiv mit und kann sich daher bestens in die damalige Zeit und die Lage der Menschen einfühlen.

Für Frederike ist eine Welt zusammengebrochen, nachdem sie von der schweren Krankheit ihres Mannes erfahren hat. Plötzlich liegt eine riesige Last auf ihren Schultern. Sie muss mit gerade einmal Anfang zwanzig alleine ein großes Gut führen. Eine wahre Flut von Aufgaben bricht über sie herein, es gilt zahlreiche Problem zu lösen und gewichtige Entscheidungen zu treffen.

Sehr mitreißend schildert die Autorin den Zwiespalt, in dem ihre Hauptprotagonistin steckt. Auf der einen Seite die Verantwortung und die Pflichten, die jetzt Frederikes Leben bestimmen und denen sie trotz allem gerecht werden möchte, auf der anderen Seite ihre Wünsche und Träume, die sie für unbestimmte Zeit hintanstellen muss. Frederike lässt sich trotz aller Sorgen und Nöte jedoch nicht entmutigen und versucht stets, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Neben der Familiengeschichte und einer guten Portion Romantik nimmt auch die politische Entwicklung einen wichtigen Part ein. Auch hier zeigt sich, wie hervorragend die Autorin in der Lage ist, dem Leser die vorherrschende Stimmung zu vermitteln. Schon in den ersten Kapiteln spürt man, dass für die Akteure Zeiten anbrechen, die nichts Gutes verheißen. Die Lage im Land wird immer bedrohlicher und radikaler, die allgemeine Stimmung aggressiver. Der Vormarsch der NSDAP beeinflusst den Alltag auf den Gütern und auch die dann folgenden Wirren des Krieges machen vor Frederike und ihrer Familie nicht Halt.

„Die Jahre der Schwalben“ hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Die fesselnde, spannend erzählte Mischung aus wahrer Familiengeschichte und fiktiver Handlung hat mir nicht nur kurzweilige Lesestunden beschert, sondern mich auch lebensnah an einem Stückchen deutscher Geschichte teilhaben lassen. Absolute Leseempfehlung!

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