Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 495 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2020
Ich hoffe, ich versau das! (eBook, ePUB)
Cease, Kyle

Ich hoffe, ich versau das! (eBook, ePUB)


schlecht

Kyle Cease war mir vor der Lektüre seines Buchs „Ich hoffe, ich versau das“ kein Begriff. Allerdings muss ich sagen, dass er mir auch hinterher vermutlich nicht in (guter) Erinnerung bleiben wird. Er ist Schauspieler, Comedian und inzwischen Motivationscoach und Vortragsredner. Und nach zwei Filmen und mehreren Comedy Alben hat er beschlossen, auch noch zu schreiben. Nach der Lektüre seines ersten Buchs (inzwischen hat er mit „Illusion of money“ zumindest auf englisch nachgelegt) bin ich mir nicht sicher, ob das die beste Entscheidung war und ob er nicht besser bei seinem Leisten hätte bleiben sollen.
Insgesamt konnte mich an dem Buch nichts begeistern. Der Autor ist für mich ein selbstbeweihräuchernder, selbstverliebter Selbstdarsteller. Sein Buch bietet an keiner Stelle wirklich Neues, sondern wärmt in der Hauptsache Althergebrachtes auf, noch dazu ist es nicht einmal gut geschrieben. Schon ganz zu Anfang die Aussage „Ich bin bei einem großen Verlag untergekommen, weil sie in meiner Vorstellung waren und es ihnen gefallen hat, wie ich auf die Bühne gegangen bin und dem Publikum die reine Wahrheit erzählt und es gleichzeitig zum Lachen gebracht habe.“ – wer ist denn „sie“ – die Verlage? Waren die wirklich in seiner Show? Alle?
Und es wird danach nicht wirklich besser. Holprige Sätze, viel zu triviale Aussagen, die auch noch viel zu flapsig formuliert sind, als dass man sie ernstnehmen kann – ich konnte an dem Buch nichts Tiefgründiges finden oder etwas, was ich auch nur annähernd daraus hätte mitnehmen können. Noch nicht einmal lustig finden konnte ich es. Oberflächlichkeit (wie zum Beispiel die häufige Erwähnung seines Sixpacks), Binsenweisheiten und Dinge, die nun wirklich jeder schon einmal wo anders gelesen hat, machen den Großteil des Buchs aus. Für mich ist das Buch teilweise wie eine Dauerwerbesendung und eine Enttäuschung durch und durch. 1 Stern und absolut keine Lese-Empfehlung.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2020
Ich rede von der Cholera
Heine, Heinrich

Ich rede von der Cholera


ausgezeichnet

Heinrich Heine war ab 1831 als Journalist in Paris tätig und daher vor Ort, als dort 1832 die Cholera ausbrach. Als Journalist befasste er sich mit der Epidemie, denn er blieb auch noch in Paris, als alle, die es sich leisten konnten, die Stadt verlassen hatten. Allerdings nicht, weil er besonders mutig war, sondern, wie er sagte: „ehrlich gesagt, ich war zu faul“. So bekam er einen direkten Einblick in die Krankheit und das Sterben, das er auf wenigen Seiten schildert. Er schildert die Geschehnisse journalistisch-nüchtern und weitgehend deskriptiv, nicht wertend.
Er schreibt über Fake News (damals noch als Mundpropaganda), Panik und die Suche nach Schuldigen – mutet seltsam bekannt an. „[…]da vernahm man plötzlich das Gerücht: die vielen Menschen, die so rasch zur Erde bestattet würden, stürben nicht durch eine Krankheit, sondern durch Gift. Gift, hieß es, habe man in alle Lebensmittel zu streuen gewusst, auf den Gemüsemärkten, bei den Bäckern, bei den Fleischern, bei den Weinhändlern. Je wunderlicher die Erzählungen lauteten, desto begieriger wurden sie vom Volke aufgegriffen“. So vieles scheint sich zu wiederholen, so vieles kommt einem bei der Lektüre bekannt vor.
In Paris war die Seuche nicht ernst genommen worden, als in London, Russland und dem Baltikum schon viele Menschen daran gestorben waren. 100%ig kann man die damalige Situation zwar nicht auf die heutigen Zustände mit Corona übertragen, da hat die Medizin inzwischen zu große Fortschritte gemacht, aber dennoch zeigt das Buch einige verstörende Parallelen, vor allem bezüglich des Umgangs der Bevölkerung mit der Krankheit.
Das Büchlein (das ursprünglich ein Zeitungsartikel mit dem Titel „Französische Zustände“ war) hat es trotz der Kürze in sich, vor allem wegen der Aktualität in der momentanen Situation, auf die sich Herausgeber Tim Jung in seinem Vorwort bezieht. Es kann aufklären und aufrütteln, traurig, wütend und betroffen machen. Auf jeden Fall sollte man es dringend lesen und eventuell daraus lernen. Allerdings schreibt Heine „Angst ist bei Gefahren das Gefährlichste.“ – über vorsichtig sein und Respekt vor der Krankheit schreibt er leider nichts, dabei wäre das vermutlich – damals wie heute – der Königsweg. Von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 27.08.2020
No Sound - Die Stille des Todes / Caleb Zelic Bd.1
Viskic, Emma

No Sound - Die Stille des Todes / Caleb Zelic Bd.1


gut

Caleb Zelic und sein bester Freund Gary Marsden arbeiten zusammen als Privatermittler. Jetzt ist Gary tot, seine Ermordung erinnert an eine Exekution. Caleb hat seine Leiche gefunden und gerät sofort in den Fokus der ermittelnden Polizisten. Hatte Gary Geheimnisse? Schließlich wurde schon früher gegen den Polizeibeamten ermittelt – damit fängt das Buch „No sound“ von Emma Viskic an. Aus dem Klappentext war klar, dass Caleb gehörlos ist, was zum ersten Mal erst am Ende des ersten Kapitels zur Sprache kommt. Das gibt dem Buch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal gibt, denn ich kann mich nicht erinnern, schon einmal einen Thriller mit einem gehörlosen Ermittler gelesen zu haben.
Allerdings bleibt die Behinderung des Hauptcharakters das einzige Alleinstellungsmerkmal des Buchs. Insgesamt konnte es mich mit der Geschichte nicht wirklich packen. Es ist leidlich spannend, aber alles in allem kommt nichts drin vor, was man nicht schon unzählige Male wo anders gelesen hat. Stellenweise verwandelt sich der Thriller dann auch fast in einen Liebesroman rund um Caleb und seine Ex-Frau Kat, die beide sehr klar und sympathisch beschrieben werden. Die zahlreichen weiteren Charaktere bleiben, mit Ausnahme von Calebs Kollegin Frankie und ihrem Alkoholproblem, eher blass und ungreifbar, diese fand ich aber von Anfang an nicht sehr sympathisch und eher undurchsichtig.
Sehr gut ausgearbeitet finde ich Calebs Gehörlosigkeit und seine damit verbundenen Schwierigkeiten, die tatsächlich zum Teil anders geartet sind, als man sich als Hörender vorstellen kann. Unsaubere Aussprache macht Probleme beim Lippenlesen, Absetzen von Notrufen ist schwierig (man kann zwar seinen Text „aufsagen“, hört aber keine Reaktion) und „Ableismus“ und Diskriminierung sind da nur wenige Beispiele dessen, womit Menschen mit Behinderungen kämpfen müssen („McFarlane strich die Seite seines Notizbuchs glatt und malte langsam Buchstabe für Buchstabe darauf. Sehr groß, wie für ein Kind. Er unterstrich die beiden Wörter und drehte das Buch dann herum“ – Caleb ist gehörlos, lesen kann er durchaus!).
Die psychologische und soziale Komponente des Buchs konnte mich weitaus mehr begeistern als der halbgare Kriminalfall. Dabei hätte das Buch sehr großes Potenzial gehabt. Auch sprachlich habe ich daran nicht auszusetzen, es ist flüssig zu lesen und unterhaltsam, die Autorin verwendet Umgangssprache, vereinzelt auch Kraftausdrücke oder Fäkalsprache. Auf die eine oder andere Person hätte sie eventuell verzichten können, allerdings werden einige Charaktere nur eingeführt, um dann sehr schnell und gewaltsam zu Tode zu kommen. Alles in allem klappt die Umsetzung des Plots nicht so richtig wirklich gut und am Schluss schien der Autorin die Lust oder die Zeit oder beides auszugehen. Was am Anfang sehr schleppend läuft, überschlägt sich gegen Ende fast und lässt mich als Leser mit vor Spannung trockenem Mund aber dennoch ein bisschen unbefriedigt zurück. Zwar ist der Schluss stimmig aber im Vergleich zum Rest des Buchs hektisch und überstürzt. Und leider fehlt ein konstanter Spannungsbogen, da wäre also noch sehr viel mehr Potenzial vorhanden gewesen, das die Autorin leider bei weitem nicht ausschöpft. Dennoch vergebe ich für die gute Idee, die immer mal wieder aufflammende (aber dann packende) Spannung, die psycho-soziale Komponente und die nette Liebesgeschichte zwischendurch 3 Sterne.

Bewertung vom 25.08.2020
Ans Vorzelt kommen Geranien dran / Online-Omi Bd.14
Bergmann, Renate

Ans Vorzelt kommen Geranien dran / Online-Omi Bd.14


sehr gut

Rüstige Rentner auf Campingtour
Nach der Kreuzfahrt mit Gertrud muss Online-Omi Renate Bergmann der lieben Gerechtigkeit halber auch mal mit den Gläsers, also mit Ilse und Kurt, verreisen. 80 ist zwar das neue 60 und sie sind vielleicht auf der Zielgeraden ihrer besten Jahre, aber Zelten kam dann aus medizinischen Gründen (Ersatzteile im Körper, Blockaden und überhaupt: das Alter!) doch nicht infrage. Also muss ein Wohnmobil her. Auch wenn Kurt mit seinen 87 Jahren den Schlafwagen besser nicht mehr fahren sollte, er ist ja schon mit dem Koyota ein bisschen überfordert. Herr Alex wässert Katerle und die Pflanzen. Oder auch nicht. Vorsichtshalber nimmt Frau Bergmann die Geranien mit. Weil sie für teuer Geld gedüngt wurden und damit der Platz rund um den Schlafwagen hübsch und einladend wird. So auch der Titel: „Ans Vorzelt kommen Geranien dran“. Und auf geht’s.
Und weiter geht es wie man es von Renate Bergmann gewohnt ist. Sie kommt wild von Hölzchen auf Stöckchen, rauscht mit der Kirche ums Dorf und kein Thema bleibt außen vor und kein Auge trocken und muss mit einem „wo war ich“ den Rückweg zum Thema wiederfinden. Ob jetzt Anglizismen („I-Beiks“), hippe Vornamen, die nicht mal die liebenden Eltern aussprechen können („Säwännah Bijonzie“) oder dass es in der Gemeinschaftsdusche keine Duschhocker gibt – Frau Bergmann kommt nicht nur in der Gegend rund um den Campingplatz herum, sondern auch in allerlei Themen. Jedem, der mal auf einem Campingplatz war, kommt sicher das eine oder andere bekannt vor. Ein penibler Platzwart, nervige Nachbarn und das Problem mit dem Ausrichten der Satellitenschüssel auf dem Dach vom Camper – kennen Se alle, oder?
Und jeder, der mal eine Oma hatte, kennt sicher auch einiges. Mir kam es auf jeden Fall manchmal so vor, als läse ich über meine eigene Oma. Die ist inzwischen 92 und damit gut zehn Jahre älter als Frau Bergmann und nicht ganz so kultig, aber in der Familie schon irgendwie legendär. „Oma, bist du es?“ – wollte ich an manchen Stellen schon rufen. Da habe ich gelesen, dass Ilse Schlagkante in die Paradekissen macht, Frau Bergmann aber nicht. Okay, dann kann Renate Bergmann nicht meine Oma sein.
Ja, vielleicht ist das Thema mit dem 14. Band der Reihe inzwischen ein bisschen abgenutzt und der Charakter ausgereizt. Aber die Wortschöpfungen, die bissigen Kommentare und die tatsächlich vorhandene auch ernstzunehmende Kritik (Esoterik-Geschwurbel von Renates Tochter Kirsten, Anglizismen in der Sprache, dass Schokoladentafeln nur noch 90 statt 100g schwer sind und Kindernamen, die nicht mal die liebenden Eltern aussprechen können) sind immer noch erfrischend und kreativ. Ich fand das Buch obwohl es tatsächlich nicht viel Handlung (aber sehr viel Drumrum) hat, sehr unterhaltsam, locker-flockig zu lesen und manchmal musste ich herzhaft lachen. Sehr lustig auch die „Vertipper“ von Frau Bergmann (wer gerne mal die Autokorrektur nutzt, kennt dieses Problem), da wird aus naiv Navi, aus Rente Renate und der Angetraute wird mal ganz flott zum Angegrauten. In geringerer Dosierung sehr lustig, zu viel davon macht es dann eher nervig. Aber alles in allem hat mich das Buch sehr gut unterhalten, daher vergebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 21.08.2020
Das Dorf der toten Seelen
Sten, Camilla

Das Dorf der toten Seelen


weniger gut

Silvertjärn ist eine Geisterstadt in der nordschwedischen Provinz Norrland. Ein Lost Place, seit vor 60 Jahren alle Bewohner bis auf ein Baby und eine gesteinigte, an einen Marterpfahl gebundene Frau, spurlos verschwunden sind. Alice Lindstedt, Absolventin der Stockholmer Filmhochschule macht sich mit Freunden und ehemaligen Kommilitonen auf den Weg dorthin, um einen Dokumentarfilm zu drehen. Und um etwas über ihre Großmutter zu erfahren, die aus dem Dorf stammt, es aber zu der Zeit, als es verlassen wurde, schon in Stockholm gelebt hat. So fahren Alice, Tone, Emmy, Max und Robert gemeinsam mit zwei Autos in die abgelegene Provinz, versorgt mit Proviant, Filmausrüstung und Walkie-Talkies, denn eines ist klar: so weit ab vom Schuss werden sie keinen Handy-Empfang haben. Was zu Anfang aussieht wie eine eher harmlose Expedition in die Vergangenheit, kippt sehr schnell. Alle fünf haben das Gefühl, in dem verlassenen Dorf nicht allein zu sein. Und auch die Stimmung zwischen den eigentlich befreundeten Personen wird nach und nach schlechter. Misstrauen und alte Feindschaften brechen aus und die Geschichte des Dorfes spielt mit der Zeit nur noch eine untergeordnete Rolle, vor allem, als die erste aus der Gruppe tot ist.
Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen aus unterschiedlichen Zeiten erzählt: Heute und vor 60 Jahren. So erfährt man als Leser teils aus Briefen, teils aus tatsächlicher Handlung, nach und nach, was damals in dem Bergwerksstädtchen passiert ist. Das Buch hat dann ein sehr hohes Tempo, man will unbedingt wissen, was denn eigentlich hinter allem steckt. Was haben der Pastor, die Familie des Bergmanns und vor allem „Schwachkopf-Gitta“ mit den Geschehnissen zu tun und was wurde aus ihnen? Diese Fragen an sich bieten Stoff für eine sehr spannende Geschichte und die Autorin schafft es phasenweise, enorm hohe Spannung aufzubauen. Aber an anderen Stellen ist die Geschichte einfach nur dröge und langweilig, womit die Autorin viel von der Spannung kaputtmacht.
Die Charaktere waren für mich zu flach beschrieben und nicht wirklich greifbar, trotz ihrer eigentlich führenden Rolle hat auch Alice für mich eher einen Nebenrollen-Charakter. Die Personen benehmen sich wie (zum Teil verzogene, zickige und kindische) Jugendliche, keiner weiß wirklich, was er tut, es wird viel gestritten und wirklich sympathisch ist mir kein einziger geworden.
Sprachlich ist das Buch einfach gehalten und flott und flüssig zu lesen. Die Geschichte an sich ist auch eine wirklich sehr gute Idee, das Konzept ist anfangs sehr gut – allerdings macht der Schluss vieles wieder kaputt, was die Autorin am Anfang aufgebaut hat. Er ist hanebüchen konstruiert und nicht wirklich befriedigend, da für mich viel zu viele Fragen unbeantwortet blieben und Hintergründe so gut wie nicht aufgeklärt werden. Es ist schade um die gute Idee, denn so ist das Buch eine wilde Mischung aus Gruselkrimi und Esoterikthriller, die nicht wirklich überzeugen kann. Ich hatte mir auf jeden Fall von dem Buch etwas anderes erwartet. Es ist der Debütroman von Camilla Sten, der Tochter der schwedischen Bestseller-Autorin Viveca Sten (ja, die von den Sandhamn-Krimis). Potenzial hat sie sicherlich, das zeigt der starke Prolog. Von mir 2 Sterne.

Bewertung vom 21.08.2020
Mami kann auch anders / Tagebuch einer gestressten Mutter Bd.3
Sims, Gill

Mami kann auch anders / Tagebuch einer gestressten Mutter Bd.3


ausgezeichnet

„Mami kann auch anders“ von Gill Simms ist nach „Mami muss mal raus“ und „Mami braucht ՚nen Drink“ schon der dritte Band der Reihe um Ellen und ihre Familie. Die anderen beiden kenne ich nicht, hatte aber keine Probleme, das Buch zu verstehen.
Das ist echt nicht Ellens Jahr. Ihr Mann Simon hat sie mit einer Frau betrogen, die ihm nichts bedeutet (sagt er). Die Paartherapie, die den beiden helfen soll, scheitert. Daher zieht Ellen mit den pubertierenden Kindern Peter (13) und Jane (15) aufs Land. Und schon befindet man sich als Leser mit Ellen und den Pubertieren auf einer Achterbahnfahrt zwischen Selbstfindung, Neuanfang und Erwachsenwerden. Unterstützt von guten Freunden (die sie verkuppeln wollen), Gin und Wein versucht Ellen ihr Leben neu zu organisieren. Dazwischen wird gestritten, sich versöhnt, getrunken und das Ganze dann wieder von vorn. Aber als dann auch noch ihr Vater einen Herzinfarkt erleidet, stellt Ellen fest: das Jahr kann eigentlich getrost weg. Und sie lernt sehr schnell: Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen, den Kindern peinlich zu werden.
Die Autorin hat sich als Bloggerin einen Namen gemacht, ist aber inzwischen auch eine bekannte Autorin, der vierte Teil der Reihe erscheint (zumindest auf Englisch) im Oktober. Das Buch beschreibt das wahre Leben eines alleinerziehenden Elternteils mit Teenagern. Das, was viele Frauen erleben, wenn sie ihre Männer dahin schicken, wo der Pfeffer wächst und plötzlich alleine mit ihren Pubertieren dastehen. Das Leben, das dann folgt, ist nicht zwingend das kuschelige Cottage, sondern oft die kleine, abgeranzte Bude (die zudem nur ein einziges Badezimmer hat!), die aber dafür mit drei „geschwätzigen Hühnern“ und zwei Hunden. Und das Leben mit zwei pubertierenden Teenagern ist ganz sicher kein Zuckerschlecken, vor allem, wenn sie der Mutter die alleinige Schuld an der Trennung der Eltern geben. Damit ist Ellen nicht allein auf der Welt, viele Leser:innen können es ihr sicher nachfühlen. Und die, die es nicht können, amüsieren sich vermutlich bei der Lektüre des Buchs genauso wie ich. Und manchmal kommt alles dann doch anders als erwartet und nach und nach findet sich alles und man rauft sich zusammen.
So überspitzt und überzogen manche Szenen anmuten wollen – unrealistisch ist an dem Buch rein gar nichts. Alltagswahnsinn in Reinkultur eben. Der Ton im Buch ist rau aber herzlich (zumindest meistens), die Sprache ist flapsig und forsch und die Autorin spricht fließend zynisch – alles in allem ist das Buch unterhaltsam und nett zu lesen. Von mir daher 4 Sterne.

Bewertung vom 21.08.2020
Divided States of America
Kern, Claudia

Divided States of America


ausgezeichnet

„Divided States of America“, das Buch von Claudia Kern ist 2017 erschienen, kurz nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Im Buch heißt da Staatsoberhaupt Johnson, aber jeder Leser weiß direkt, wie der Hase läuft, die Parallelen sind unübersehbar. Brutaler Wahlkampf eines Nicht-Politikers führt zu dessen Amtseinführung. Ahnung hat er keine, statt mit Kompetenz spaltet er das Land mit Populismus und schart rechte Wähler um sich und steuert mit dem ganzen Land im Schlepptau auf eine große Katastrophe zu. Aus den Vereinigten Staaten werden sehr schnell gespaltene (divided) Staaten.
„Was wir nicht alles für Macht tun“ – dieses Zitat steht praktisch für das ganze Buch. Denn die Antwort ist ganz klar: Präsident Johnson und seine Anhänger würden schlichtweg ALLES für Macht tun. So verwandelt sich das Land innerhalb kürzester Zeit in einen Moloch aus Hass, Antisemitismus, Rassismus, Gewalt und Angst. „Sieg H***“ und „verlogene J***npresse“ ist in manchen Kreisen wieder salonfähig, arische Namen en vogue, es wird geprügelt, gepöbelt, gedroht und gemordet. Aus Freunden und Kollegen werden innerhalb kürzester Zeit Feinde, „Mörder eures Landes und eurer Identität“. Grenzen werden geschlossen, Bürger- und Menschenrechte ausgesetzt. Manchmal kam ich mir ein bisschen vor wie bei George Orwells „Animal Farm“ – alle Menschen sind gleich, nur manche sind gleicher. So wird am Anfang unterschieden zwischen Schwarzen, Mexikanern und Muslimen – je nachdem, wer mehr Nutzen bringt („Ohne Muslime… würde die ganze Wirtschaft zusammenbrechen. Niemand will ernsthaft, dass die das Land verlassen.“). Später sind dann einfach alle Feinde und „Das Blut bestimmt deine Heimat, nicht ein Stück Papier“. Vieles davon passiert tagtäglich – und nicht nur in den USA.
Jedes Kapitel ist mit einem Zitat überschrieben. Von Hitler, Göring, aber auch von Churchill oder Schiller. Sehr bezeichnend finde das Zitat aus Hans Christian Andersens „Des Kaisers neue Kleider“: „Aber der Kaiser hat doch gar keine Kleider an“. Denn in dem Buch, das inzwischen mehr oder weniger von einer Dystopie zur Realität geworden ist, wird viel gelogen und manipuliert und auch viel mit falschen Fakten, also Fake News, gespielt wird. Bei manchen Elementen dachte ich beim Lesen nur, dass das hoffentlich niemanden auf dumme Ideen bringt. Aber eigentlich ist so gut wie alles, was die Autorin schreibt, mittlerweile passiert. Was für ein bedrückender Gedanke und was für ein prophetisches Werk, vom Narzissmus des Staatsoberhauptes, seiner Beugung der Gesetze, der Tatsache, dass er glaubt, über dem Gesetz zu stehen, bis hin zu den willigen Schafen, die ihm folgen, Hauptsache „America first“.
Das Buch besteht aus mehreren Handlungssträngen, die die unterschiedlichen Perspektiven darstellen. Am Schluss werden alle zu einem fulminanten und absolut schockierenden Höhepunkt (ausgerechnet am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag) verknüpft. Erzählt wird die Geschichte locker und in leicht zu lesender Umgangssprache, Kraftausdrücke und Schimpfwörter sind da an der Tagesordnung, aber durch die leichte Sprache darf man sich nicht täuschen lassen. Denn das Buch ist ganz sicher keine leichte Lektüre – sowohl tatsächlich als auch zwischen den Zeilen.
Es ist nichts für schwache Nerven, es hat mich schockiert und fassungslos gemacht. Vor allem die Tatsache, dass das Buch 2017 erschienen ist und sich so vieles als wahr herausgestellt hat, was damals noch nicht abzusehen war. Die Geschichte, die damals noch sehr fiktiv war, ist heute zum Teil traurige Realität. Zwar passierte es in Wirklichkeit nicht ganz so schnell, wie im Buch (100 Tage), aber es ist dennoch verstörend, wie schnell die Stimmung in einem Land so komplett kippen kann. Vor ein paar Jahren hätte man das Buch als überzogen und unrealistisch abgestempelt – heute nicht mehr. Sprachlich manchmal ein bisschen holprig und die Autorin findet nicht immer 100%ig die richtigen Wörter, dennoch von mir die volle Punktzahl. 5 Sterne.

Bewertung vom 18.08.2020
Feuerland
Engman, Pascal

Feuerland


gut

Selten habe ich einen Thriller gelesen, der für mich so schleppend in Fahrt kam wie „Feuerland“ von Pascal Engman. Und nicht nur einmal habe ich überlegt, das Buch einfach ungelesen beiseite zu legen. Die verschiedenen Handlungsstränge, die der Autor spinnt, fand ich zuerst äußerst unspannend und sie hatten auch anfangs überhaupt nichts miteinander zu tun. Zunächst ein Überfall auf einen Uhrenladen in Schweden, dann eine Menge Privatleben der Menschen, die später tragende Rollen einnehmen werden (und von denen jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat), dann verschwinden zwei Geschäftsmänner und zu guter Letzt findet auch eine Klinik für illegale Organtransplantationen ihren Platz in der Geschichte. Mehr möchte ich zur Geschichte an sich gar nicht sagen, um nicht zu spoilern.
Jeder Handlungsstrang für sich hätte, ordentlich aufgebaut und ausgearbeitet, Stoff für einen bodenständigen und guten Thriller geboten. So aber packt der Autor so viel in sein Buch und auf die nicht ganz 500 Seiten, dass es dem Leser bei so viel Inhalt beim Lesen beinahe schwindelig wird. Und er den Faden zu verlieren droht. Nicht nur einmal musste ich zurückblättern und neu ansetzen, weil mir bei der Hektik und Rasanz der Geschichte irgendwas entgangen ist, wobei ich dann manchmal feststellen musste, dass der Fehler nicht bei mir lag, sondern dem Autor die Logik abhanden gekommen ist. Der Autor schafft es nicht, jedem Thema gerecht zu werden und daher gelingt es ihm auch nicht, ein wirklich gutes Buch daraus zu machen. Insgesamt konzentriert er sich auf zu viele verschiedene Dinge und meiner Meinung nach setzt er die Prioritäten nicht immer richtig.
Auch die Charaktere konnten mich nur mäßig begeistern. Zwar hat jede Person ihre eigenen Probleme und Schwächen, aber alles in allem sind alle sehr begabt, fast genial und überbordend in ihrer Kompetenz. So genial, dass es nicht nur manchmal unrealistisch ist, sondern schlicht nervt. Sei es nun Vanessa, die suspendierte Ermittlerin mit dem Alkoholproblem oder Nicholas, der traumatisierte ehemalige Soldat mit dem PTBS und der autistischen Schwester – die Fälle haben nur auf sie und ihre Genialität gewartet. Ich leider nicht. Auch die Übersetzung, vor allem die Wortwahl, fand ich manchmal nicht ganz stimmig.
Etwa nach dem ersten Drittel nimmt das Buch dann doch etwas Fahrt auf und ab und zu wird aus dem eher drögen Dahingeplätschere eine spannende Geschichte. Da war ich dann froh, drangeblieben zu sein, auch wenn das Buch mich nicht nachhaltig beeindrucken konnte. Die Idee, die Handlung in Schweden und in Chile spielen zu lassen, fand ich gut, der Rest ist etwas, das man schon unzählige Male gelesen hat. Mängel bei der Logik, unsympathische Hauptcharaktere und eine komplett überladene Geschichte ließen nur bedingt Lese-Vergnügen aufkommen. Von mir für die spannenden Abschnitte und die gute Idee aber drei Sterne.

Bewertung vom 14.08.2020
How to Be Gay. Alles über Coming-out, Sex, Gender und Liebe
Dawson, James

How to Be Gay. Alles über Coming-out, Sex, Gender und Liebe


ausgezeichnet

„Ihr seid keine Außenseiter, sondern Teil einer großen Gemeinschaft. Sogar einer wunderbaren Gemeinschaft.“ – Diesen Satz in Juno Dawsons Buch „How to be gay. Alles über Coming Out, Sex, Gender und Liebe“ finde ich wichtig und ganz wunderbar. Das Buch ist aber natürlich keine Bedienungsanleitung, weder für das Leben als LGBTQ+-Mensch, noch fürs Outing oder für Angehörige/Freunde/Bekannte für den täglichen Umgang. Denn tatsächlich ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität und Geschlechtsidentität etwas sehr Individuelles. Aber es gibt Probleme, die vermutlich fast jeder Betroffene hat und viele sind sicher froh, dass sie in diesem Buch gesammelt und aufgearbeitet zu finden sind.
Die Autorin, die selbst als James Dawson geboren wurde, lebte als schwuler Mann und ist inzwischen unter dem Namen Juno Dawson bekannt. Sie schafft mit Informationen aus eigener Erfahrung, Erfahrungsberichten andere Betroffener und einiger Studien, auf die sie sich bezieht, einen hervorragenden Überblick über alle möglichen Arten der sexuellen Identität, von schwul, lesbisch und asexuell bis zu transsexuell, transgender und queer.
Das Buch ist sehr forsch und direkt, teils lustig oder sogar flapsig formuliert. Die Autorin nennt die Dinge beim Namen, schlägt (wenn angebracht) aber auch ernste Töne an, wie beispielsweise bei Themen wie sexuell übertragbare Krankheiten oder Mobbing und Diskriminierung. So ist das Buch für Jugendliche ebenso geeignet wie für interessierte Erwachsene. Die kurzen Erfahrungsberichte, die das Buch beinhaltet sind ebenfalls von Menschen unterschiedlicher Altersgruppen. Es gibt kein Thema, das die Autorin nicht anspricht, sowohl bezüglich der psychischen Aspekte, als auch wenn es ums körperliche (sprich: Sex) geht. Auch beim Aufräumen mit Klischees, Vorurteilen und falschen Darstellungen (nein, es gibt keine biologischen Unterschiede zwischen Homos und Heteros!), nimmt sie kein Blatt vor den Mund und ich denke, das ist auch gut so.
Natürlich fehlen in dem Buch weder hilfreiche Adressen (im Anhang), noch eine Auflistung der wichtigsten LGBTQ+-Vokabeln oder eine Aufzählung bekannter LGBTQ+-Menschen. Quintessenz aus dem Buch für mich war: du bist nicht allein mit dem, was du erlebst und du bist gut so, wie du bist. Erschreckend natürlich auch, dass weltweit in sehr vielen Ländern Homosexualität verboten ist und zum Teil mit dem Tode bestraft wird, selbst in Europa machen manche Länder hierbei sehr negativ von sich reden und gibt es immer noch große Unterschiede im Umgang mit transsexuellen Menschen. Deshalb finde ich das Buch enorm wichtig für alle, die sich bezüglich ihrer Geschlechtsidentität unsicher fühlen und auch für deren Umfeld. Natürlich ist es kein Leitfaden und kann nur eine grundlegende Hilfestellung sein und Mut machen, aber das schafft das Buch sehr gut. Denn eines ist klar: sexuelle Identität ist keine Entscheidung, Menschen deswegen zu diskriminieren oder gar zu hassen wohl! Niemand muss sich wegen seiner sexuellen Ausrichtung entschuldigen und es ist essenziell, sich selbst treu zu bleiben, um im Leben glücklich zu werden/zu sein und da ist es auch egal, was dazu in der Bibel steht, vermutlich sind das ohnehin Übersetzungsfehler. Ein hilfreiches und wichtiges Buch, dazu gut geschrieben und trotz der Menge an Informationen lustig und unterhaltsam – von mir die volle Punktzahl.

Bewertung vom 11.08.2020
Kalt flüstern die Wellen / Ben Kitto Bd.3
Penrose, Kate

Kalt flüstern die Wellen / Ben Kitto Bd.3


gut

„Neuankömmlinge haben es verdient, dass man sie herzlich aufnimmt“ – irgendwie klappt das auf der kornischen Insel St. Agnes (die wildeste und geheimnisvollste der Scilly-Inseln) nicht mehr so wirklich gut, zumindest nicht in „Kalt flüstern die Wellen“ von Kate Penrose, dem dritten Band der Reihe um den Ermittler Ben Kitto. Die Geschichte beginnt am 5. November. Guy-Fawkes-Night oder Bonfire Night (dem 5. November), Ben Kittos 35. Geburtstag. Der Tag wird traditionell mit Feiern, Feuer und Feuerwerk begangen. Hier nimmt er aber ein jähes Ende, als in der Asche einer heruntergebrannten Feuerstelle menschliche Überreste gefunden werden. Schnell stellt sich heraus, dass der Tote ein „Eindringling“ in die Idylle der Insel war. Und auch weitere „Zugereiste“ werden bedroht, Nachrichten in kornischer Sprache machen klar: Fremde sind hier nicht willkommen. Und selbst Ben, der ursprünglich von der Insel stammt, ist nicht sicher, denn er hat lange auf dem Festland gelebt und gehört nicht mehr wirklich zur verschworenen Gemeinschaft der alteingesessenen Insulaner, aber „Die Gemeinschaft überlebt nur, wenn wir uns gegenseitig unterstützen.“
Der Vorteil beim Mord auf einer Insel ist für die Ermittler ganz klar: es ist eine überschaubare Anzahl an Verdächtigen und keiner kann weg. Nachteil: jeder kennt jeden - und keiner kann weg, also ist der Mörder auf jeden Fall noch vor Ort. Und verdächtig ist praktisch jeder, der auf der Insel ist.
Erzählt wird die Geschichte flott und sprachlich unkompliziert. Die Übersetzung ist gelungen, bis auf den Ausdruck „offene Wirbelsäule“ für spina bifida (im Deutschen wird umgangssprachlich „offener Rücken“ verwendet). Allerdings werden die Ränge der Polizeibeamten (wie im Englischen üblich) nur abgekürzt und nicht zu Anfang erklärt. Ich kenne sie, aber ob der durchschnittliche Leser darin so firm ist, weiß ich nicht. Die Geschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, aus Sicht von Ben Kitto (in der Ich-Form) und aus der eines der Hauptverdächtigen, des „Vogelmannes“ Jimmy Curwen, eines geheimnisvollen, eher schlichten Gemüts, eines „Freaks“, dieser Strang aber aus Sicht eines außenstehenden Erzählers. Die Charaktere sind von der Autorin gut herausgearbeitet und lebendig beschrieben. Mein Favorit ist eindeutig Jimmy Curwen, seine zurückhaltende Art und seine Liebe zu Vögeln hat mich berührt, vor allem, da er selbst ein bisschen wirkt wie ein aus dem Nest gefallenes Vogeljunges. Und auch die Kriminaltechnikerin Liz Gannick konnte mit ihrem Motto „meine Loyalität gehört den Toten, nicht den Lebenden“ bei mir absolut punkten.
Die Autorin beschreibt die düstere und mystische Landschaft ganz hervorragend und gibt der Geschichte einen ganz speziellen Reiz. Zwar ist die Handlung an sich nicht übermäßig spannend, sie folgt eher Schema-F mit Opfer, Ermittlung, Irrungen, Wirrungen und Lösung, aber die Landschaft und vor allem die Menschen auf der Insel und ihre Eigenheiten tragen viel dazu bei, dass das Buch dann doch eine unterhaltsame Lektüre wurde. Die Kauzigkeit der „Alteingesessenen“ und ihr Misstrauen, sogar Hass, Fremden gegenüber wird von der Autorin sehr gut beschrieben.
Das Buch ist konzeptionell ein solider Krimi. Handfest und bodenständig, so, wie ich mir die Einwohner der Insel vorstelle, auf der die Geschichte spielt. Allerdings schafft es die Autorin nicht, mich mit ihrer Geschichte zu packen. Zwar hat sie alles, was ein Krimi braucht, mir fehlte aber die Spannung, die war zwar unterschwellig konstant vorhanden, aber für mich nie wirklich hoch. Und irgendwo zwischen Argwohn Fremden gegenüber, Angst vor Veränderungen, Familienstreitigkeiten und alten, verkrusteten Traditionen habe ich fast die Lust verloren, weiterzulesen. Es ist nicht wirklich langweilig, aber halt leider auch eher latent spannend. Die Geschichte plätschert ein bisschen dahin. Der Schluss hat mich ziemlich überrascht, ist aber stimmig. Wegen der leider nur latent vorhandenen Spannung vergebe ich 3 von 5 Sternen.