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Bewertungen
Insgesamt 577 BewertungenBewertung vom 29.12.2007 | ||
Gäbe es in der Literatur das Genre Therapeutenroman wäre Philip Roth einer der führenden Vertreter darin. Zwar nicht als Ratgeber oder Heilsbringer, vielmehr als Architekt von Innenansichten, hemmungslosen Selbstäußerungen, Zerfleischung und Suche. Alexander Portney berichtet, und es ist weniger der Analytiker Spielvogel, der ihm zuhört, als der Leser, der fasziniert die Lebensbeichte eines Zerrissenen, sich nirgendwo zugehörig Fühlenden folgt. Dass dieser Roman, der 1974 erschien damals weitaus skandalöser aufgenommen wurde als heute, wo die Sprache angesichts der Wandlung unseres Umgangs mit dem Sex nicht mehr so spektakulär aufgenommen wird, nimmt dem Roman nichts an der Wucht, mit der Roth uns das zu vermitteln sucht, was ihm am Herzen liegt. Portney kann einem Leid tun, ihm ist nicht zu helfen. Weil er sich nicht helfen lassen will. Ohne sein wortreiches Rasen ist der Mann nicht vorstellbar. Er würde sich ohne sicher nur noch mehr hassen. Also schreit er sich lieber in die Welt hinaus und bringt sich in Situationen, deren Scheitern vorhersehbar sind, um dort die Bestätigung zu finden, die er als gegeben ansieht. In späteren Romanen wird Roth seine Helden erzählerisch mehr einbinden, ihnen ein alltäglicheres Umfeld geben. In Portneys Beschwerden liegt eher ein Rohentwurf vor. „Noch ein Witz?“, wird Portney an einer Stelle gefragt und er antwortet: "Und noch einer. Und noch einer. Wozu mein Leben verleugnen?" Genau darum geht es bei Roth: Warum soll man soll man sein Leben verleugnen? Tauchen wir es doch lieber in Worte. 2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 29.12.2007 | ||
Heinrich Böll wußte, wovon er schrieb. Er hat selbst in Irland gelebt, die Abgeschiedenheit, das einfache Leben zum Schreiben genossen. Das Tagebuch ist vor allem bei Irland-Freunden beliebt, die im Abstand der Jahre in ihm genau das Bild von Irland entdecken, dass sie sich so gerne von der Insel machen. Ein ideales Geburtstagsgeschenk, auch wenn Irland sich gewandelt hat, seitdem es in der EU angekommen ist. Trotzdem sind noch viele der für den deutschen Blick anmuteten Verschrobenheiten der Iren und die von ihm beschriebene Schönheit der Insel anzutreffen. Anekdotisch, mit einem kritischen Blick für soziale Missstände bewegt sich Böll durch das Tagebuch. Seine Sprache ist dabei genau, nah und nicht verklärend. Selten wird er sich einem Stoff mit so viel Freude zugewandt haben. Eines jener Bücher, die uns von Böll geblieben sind, während andere leider in Vergessenheit gerieten. 2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 28.12.2007 | ||
Zwei Handlungsstränge rasen in diesem Thriller aufeinander zu. Beide Protagonisten treibt ein inneres Feuer, das sie an den Rand der Gesellschaft führt und nur scheinbar der Gerechtigkeit als vielmehr dem nackten Ergebnis der Aufklärung dient. Die Herren nehmen das Morden anderer persönlich, und sie sind nicht bereit, es einem Mörder durchgehen zu lassen. Während Pierre Nièmans zu einem bizarren Mordfall in die Provinz gerufen wird, nachdem er in Paris während eines Fußballspiels ausgerastet ist, geht Karim Abdouf einem scheinbar harmlosen Einbruch nach. Ihre Wege kreuzen sich in einer abgelegenen Universität in der Nähe von Grenoble. Wie Jean-Christoph Grangé den Plot verschränkt und immer wieder neue Spannung zu erzeugen versteht, zeichnet ihn als ein Könner seines Metiers aus. Gefesselt verfolgt man die Schussfahrt der Ermittler, die nicht bemerken, wie die Bestialität der Morde sie in den Bann zieht. Das überraschende Finale unterstreicht darüber hinaus, daß Grangé weiß, wie Suspense zu konstruieren ist, und es ist ihm nicht einmal vorzuwerfen, daß er seine Geschichte reißerisch aufwertet. Einmal in Fahrt geraten hält sie niemand auf. Ermittler besitzen bei Grangé nie die pfeifenrauchende Überlegenheit eines Maigrets, den messerscharfen Verstand eines Lincoln Rhymes oder die medizinischen Grundkenntnisse einer Maura Isles. Bei Grangé stehen sie mit beiden Füßen im Dreck, überschreiten brutal ihre Kompetenzen und heften sich wie Bluthunde auf die Spur eines Täters. Das macht sie glaubhaft. Das läßt sie verlieren. Das läßt sie im Schatten leben. 2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 24.12.2007 | ||
Der Roman soll Thriller, Sittengemälde, Zeitbild und Literatur in einem sein. Vor allem fehlt ihm die Spannung. Es wird zu viel ausgeschrieben, beschrieben, charakterisiert. Wir werden mit Details überhäuft. Da ist weniger oft mehr. Die Realität wird im Genre des Kriminalromans und Thrillers zupackender, kürzer mit Offenlassungen präsentiert, die dem Leser Raum geben. Jonathan Franzen erschafft nicht nur in S. Jammu keine überzeugende Polizeichefin, der Roman schleppt auch andere Figuren als Ballast mit sich herum, die geheimnisvoll wirken sollen, aber blass bleiben. Sie sind oft nicht durch sich selbst präsent, sondern über das, was über sie erzählt, als Hintergrundinformation geliefert wird. Der Plot ist über knapp 670 Seiten gestreckt, und wie bei Suppen, denen irgendwann so viel Wasser zugefügt wurde, dass man das Herzhafte nicht mehr schmeckt, weiß man als Leser irgendwann, was dem Autor am Herzen liegt, und würde ihm wünschen, es kürzer zu fassen. In der Substanz ist Franzen sicher ein Spiegelbild der amerikanischen weißen Mittelschicht der achtziger Jahre gelungen, doch gibt er allzu oft der Sprache nach, was einer fesselnden Schilderung der Geschichte im Wege steht. Es tauchen zu viele Figuren auf, zu viele Orte, zu viele Nebenschauplätze und die Wahl einer indischen Polizeichefin überzeugt auch nicht, nicht mal wenn der Einfall am Anfang stand und darum herum ein literarisches Gebäude errichtet werden sollte. Das Bemühen um tiefere Bedeutung ist allzu offensichtlich. Wer Franzens andere beiden auf Deutsch erschienen Romane mag, wird enttäuscht sein, obwohl sein Humor auch hier spärlich durchscheint und man dem Autor sicher nicht absprechen will, dass er schreiben kann. Der 27ste Stadt leidet an dem, was ihr aufgebürdet wurde. 1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 23.12.2007 | ||
Im Sommer der Mörder / Kommissarin Louise Boni Bd.2 Das Schwierige ist, wenn man einen Serienhelden anlegt, dass dem Leser die Figur vertraut ist, es nach dem Erstling vor allem darauf ankommt, einen überzeugenden, spannenden Plot zu bieten, um nicht an Fahrt zu verlieren. Vor allem wenn der Autor es im Vorgänger geschafft hat, die alkoholkranke Kommissarin Louise Boni so interessant aufzubauen, daß ihre Schwächen einem über Mängel im Spannungsaufbau hinweg halfen. Nicht selten setzen Autoren in dem Fall auf eine besonders reißerische Geschichte. In Bottinis Fall: Ein illlegales Waffenlager in einer Scheune, das bei einer Explosion einem Feuerwehrmann das Leben kostet. Die Wurzeln dieses Falls reichen in die ehemalige Staatengemeinschaft Jugoslawien zurück. Das mag verlockend klingen. Doch verliert sich die Spannung nicht nur in den unendlichen Hintergrundinformationen, die nötig werden, um um das aktuelle Geschehen zu begreifen, die privaten Abgründe der inzwischen abstinenten Kommissarin wirken aufgewärmt. Beziehungsprobleme werden untergemischt, aber das hilft dem Roman nicht weiter. Der internationale Terrorismus ist weitaus spannender beschrieben worden. Es kommt einem so vor, als bemühe der Autor sich, seine Freiburger Kommissarin unbedingt in das große Ganze zu verwickeln, so dass das Konstrukt dahinter schnell auf der Hand liegt. Man liest den Roman zu Ende, weil der Autor sowohl die Sprache, als auch interessante Bilder besitzt und hofft, daß die Handlung irgendwie die Kurve bekommt. Es muss nicht immer die große Weltpolitik sein, die über Freiburg hereinbricht, obwohl die Darstellung internationaler Verwicklungen sicher ein Anliegen des Autors ist und das sollte ihm keiner nehmen. Er darf ruhig etwas riskieren. 5 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 22.12.2007 | ||
Dieses Buch wird Ihr Leben retten Wer sich durch den Titel nicht abschrecken läßt, weil er einen Ratgeber erwartet, wird beim Lesen der ersten Seite auf Richard Novak treffen, einem erfolgreichen, überaus einsamen, überaus verschrobenen Mann. Novaks Haus droht in ein Erdloch zu fallen, was der Beschreibung seines Daseins als Aktienhändler mit eigenwilliger Haushälterin gleichkommt. Es sind die Dialoge in A.M. Homes Buch, die die Katastrophen, die ihm von nun an begegnen, so humorvoll erscheinen lassen. Egal ob eine Frau ihren Mann verläßt, ein Killer sein Opfer im Kofferraum herumfährt, ein berühmter Drehbuchautor wie ein Penner seine Seiten im Müll sucht, die Ex-Frau von Meeting zu Meeting springt und keine Zeit für Novaks Schicksalsschläge findet, der Sohn angereist kommt, um das Vater-Sohn-Zerwürfnis zu thematisieren oder ein Donut-Verkäufer mit einem ausgeprägten Faible für Autos sich zum Philosophen aufschwingt, nur Richard Novak zieht diese Leute an. Er wird als Held wie als Versager gezeigt. Muß sich am Ende damit abfinden, daß die Natur mit ihm ihr Spiel treibt, so daß die Handlung sich wunderbar wie im Kreis schließt. A.M. Homes ist eine bizarre Geschichte vom amerikanischen Alltag gelungen, der medienverseucht sich in Kalifornien mit Bränden und Erdrutchen herumschlägt, nachdem der Mensch die Natur weitgehend ausgebeutet hat. Doch erscheinen auch die Menschen in diesem Roman erschöpft zu sein, was ihnen besondere Kraft verleiht, pointiert, witzig das hinzunehmen, was ihnen als Leben geblieben ist. Nie langweilig zwingt uns A.M. Homes zu einem Lächeln. Wer läßt sich da nicht gerne verführen? 4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 22.12.2007 | ||
Harry Angstrom ist angekommen. Er war eigentlich zeitlebens für das Dasein eines Rentners prädestiniert. Das Streben nach Erfolg war nie seine Sache. Als Familienoberhaupt eher eine Fehlbesetzung. Und die Frauen in seinem Leben werden sich eher skeptisch über ihn als Liebhaber äußern. Verlässlich war er nie. Wie haben wir seine Schwächen geliebt. Dabei hat er alles versucht, sich Mühe gegeben zurechtzukommen. Nun mit 55 in Florida gestrandet erwartet ihn der Tod, so daß er nicht mal sein Rentnerdasein richtig hinbekommt, und selbst das, was er sich durch all die Jahre bewahrt hat, auch noch zerstört, indem er mit der Schwiegertochter schläft. Mit Rabbit sind wir durch die amerikanische Geschichte gewandert. Alle Probleme zog er auf sich, egal ob Vietnamkrieg, Drogen, AIDS, Wirtschaftskrise Updike hielt seinen Blick auf den Mittelstand gerichtet. Geld haben sie genug, aber sie wissen nicht, wie sich ein Leben anfühlen sollte. Nun ist Rabbit dick geworden, hat die verblassten Träume mit Hilfe von Junk-Food in Kalorien umgewandelt. Was uns Rabbit so zum Freund gemacht hat, war die Sehnsucht, die ihm in allen Phasen seines Lebens geblieben ist. Daß sie ausgerechnet im Paradies Florida endet, indem die verstopften Arterien nicht mehr spielen, ist tragisch, aber Updike weiß, wo er seine Figuren sterben lassen muß. Melancholisch gestimmt schlägt man den Roman zu, so als hätte man einen Freund verloren. Updike sicher. Er wird seinen Rabbit in den Jahren danach vermißt haben. Ein großer Roman, der das Niveau seiner Vorgänger hält und ungeschminkt ehrlich ist. 1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 22.12.2007 | ||
Wer träumt nicht vom Leben der anderen. Mal ist es die Liebe, mal das Aussehen, mal die Gesundheit, zumeist das Geld. Wer für sich die Grenze überschritten hat und zur Tat übergeht, sein bescheidenes Dasein tauschen möchte, indem er eine Bank überfällt, einen ausgefeilten Betrug ersinnt, das Recht in die eigenen Hände nimmt, dem erscheint sein Handeln nur folgerichtig zu sein. In Patricia Highsmiths ersten Roman über Tom Ripley folgen wir einer faszinierende Fährte von dem einem Leben in das andere. Ripley verführt sich selbst, indem er die Identität von Dickie Greenleaf annimmt, weder vor den Konsequenzen zurückschreckt, noch Skrupel vor den Schritten hat, die diese Wandlung erfordern. Daß da einer einmal das tut, was andere sich nur vornehmen, daß die Geschichte mit feinem Gespür den kleinen Momenten nachgeht, die einem Mord vorausgehen, meisterhaft die Verstellung und Selbstverleugnung nachzeichnet und nicht vergisst, daß man trotz allem Glück haben muß, macht Patricia Highsmith Roman zu einem Erlebnis. Nach dessen Lektüre der ein oder andere sich vielleicht fragen mag, warum er nicht denselben Mut besitzt. Den moralischen Zeigefinger sucht man bei Patricia Highsmith vergebens. Gut so. Spannend. |
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Bewertung vom 20.12.2007 | ||
Die Zukunft fühlt sich wie die Gegenwart an. Das Zusammenspiel zwischen Drogensumpf und Fahndung verdankt auch bei Phillip K. Dick ihre Aufklärung dem Undercoveragent. Der dunkle Schirm beruht dabei auf der schönen Idee, dass Dank der Erfindung eines Jedermann-Anzugs, der den Träger in einen Niemand verwandelt, den nicht mal seine Mutter erkennen würde, Ermittler wie Dealer dieselbe Person sind. Bis dieser Punkt allerdings erreicht ist, hat man sich durch langatmige, herunterziehende Gefühlswelten, detaillierten Beschreibungen von Drogen, deren Herstellung und medizinischen Erkenntnissen der Gehirnhälften gequält, bei der auch noch angemerkt wird, wer sie wann verfaßt hat. Das ist nur bedingt spannend. Man muß schon Phillip K. Dick Fan sein, um diese Geschichte um Substanz-Tees und reale wie umnebelte Welten würdigen zu können. In seinem Streben nach wissenschaftlicher Fundierung schießt der Autor oft übers Ziel hinaus. Auch im Alltag: Allein die Geschichte eines Zehngangfahrrads, das eigentlich ein Siebengangfahrrad sein soll, wobei umständlich erklärt wird, warum das Siebengangfahrrad ein Zehngangfahrrad ist, ist stilprägend für die gesamte Handlung. Wem’s gefällt, warum nicht? 1 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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