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Europeantravelgirl

Bewertungen

Insgesamt 359 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2022
Im Feuer / Lilly Hed Bd.1
Ericson, Pernilla

Im Feuer / Lilly Hed Bd.1


ausgezeichnet

Brandheiße Sommerlektüre

Ob es ein gutes Zeichen ist, wenn man die Gluthitze beim Lesen regelrecht spüren kann?

Es ist ein heißer Sommer in Schweden. Heißer und trockener als jemals zuvor, und so ist es kein Wunder, dass die Waldbrandgefahr auf höchster Alarmstufe ist. Die junge Ermittlerin Lilly Hed tritt in dieser Sommerhitze ihren Dienst in Nynäshamn an, und kurz darauf beginnt es dort tatsächlich zu brennen. Es gibt ein Opfer, und alles sieht wie ein tragisches Unglück aus. Feuerwehrmann Jesper beschleicht der Verdacht, dass dieser Brand nicht zufällig ausgebrochen sein könnte, und er zieht Lilly zu Rate. Prompt brennt es wieder, und obwohl erneut alles für einen Unfall spricht, flackert bei Lilly eine Ahnung auf, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte.

Mich hat dieser Krimi von der ersten Seite an gefesselt. Lilly Hed trägt als Ermittlerin ein belastendes Geheimnis mit sich herum, kann nur mit Schlaftabletten einschlafen. Im Gegensatz zu so manchen eigenwilligen männlichen und suchtmittelabhängigen Kommissaren um die 50, die üblicherweise skandinavische Krimis so gern bevölkern, ist Lilly zwar auch eine Figur mit Vergangenheit, versinkt aber nicht im melancholisch-medikamentösen Sumpf, sondern ermittelt mit Intelligenz und Gespür.
Faszinierend fand ich vor allem die Einblicke in die Brandbekämpfung. Die bedrohliche Lage in der ausgedörrten Landschaft war regelrecht greifbar. Immer wieder die Trockenheit, der Wassermangel und Hinweise auf die nicht zu leugnenden klimatischen Veränderungen verleihen der Story eine brisante und beängstigende Aktualität. Die Gluthitze des schwedischen Sommers wird beim Lesen regelrecht spürbar und man leidet förmlich mit.

Ein großartiger schwedischer Krimi mit einer sehr sympathischen Ermittlerin und einem fulminanten Ende. Ich werde auf jeden Fall auch den nächsten Teil dieser vielversprechenden Reihe lesen!

Bewertung vom 04.07.2022
Mord in Montagnola / Moira Rusconi ermittelt Bd.1
Vassena, Mascha

Mord in Montagnola / Moira Rusconi ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Mord im Eiskeller

Das malerische Dorf Montagnola im Tessin bildet die Kulisse dieses schönen Krimis. Hierher kehrt die Übersetzerin Moira Rusconi zurück, um ihren Vater nach einem Schlaganfall zu pflegen. Wie sich herausstellt, ist Ambrogio Rusconi jedoch alles andere als bettlägerig, sondern genießt das schöne Leben und den köstlichen Grappa in der örtlichen Osteria. Für Moira ist die Reise eine Heimkehr in das Dorf ihrer Jugend, wo sie viele bekannte Gesichter trifft und auch eines, das ihr einmal besonders wichtig gewesen war, ihre Jugendliebe Luca. Der ist heute Gerichtsmediziner, und über ihn kommt sie als Übersetzerin zu einem ungewöhnlichen Einsatz, nämlich als Dolmetscherin an einem Tatort. Ein Mann aus Montagnola wurde in einer Nevera, einem Eiskeller, entsetzlich grausam zu Tode gequält. Unerwartet findet sich Moira als Mitglied des Ermittlungsteams und steckt plötzlich mitten in diesem rätselhaften Fall.

Der Krimi war originell und angenehm spannend, keineswegs vorhersehbar. Mir gefiel besonders das ausgewogene Verhältnis zwischen der Entwicklung des Falles einerseits und der dörflichen bzw. familiären Komponenten andererseits. Oft wird in solchen Destinationskrimis übertrieben versucht, Lokalkolorit zu erzeugen. Hier erscheinen die Schilderungen nie aufdringlich oder erzwungen, sondern es entfaltet sich eine schöne Kulisse. Geradezu erleichtert war ich, dass Moira sich nicht als aufdringliche Tessiner Miss Marple herausstellt, sondern zurückhaltend bleibt und aus dem Hintergrund Impulse gibt – die aber durchaus entscheidend sind! Mein absoluter Liebling war Moiras Vater Ambrogio, der in einer hinreißenden Mischung von Schlitzohrigkeit und Starrsinn beschrieben ist. Auch die anderen Dorfbewohner sind lebensnah geschildert und nicht übertrieben comicmäßig skurril, was ich wirklich angenehm fand.

Auch als Einzelband wäre es ein sehr schönes Buch gewesen; es wurde aber als Auftakt einer Reihe angekündigt, und die Geschichte bietet durchaus Potenzial für eine Fortsetzung.

Bewertung vom 30.06.2022
Kein Sommer ohne dich
Henry, Emily

Kein Sommer ohne dich


ausgezeichnet

Wenn zwei eine Reise tun

Ich mag dieses Buch so sehr. Vielleicht wegen Poppy. Oder wegen Alex. Oder wegen ihrer (und meiner) Reiselust.

Die aus einer Kleinstadt in Ohio stammende Poppy hat ihre „Wanderlust“ nach und nach sogar zum Beruf gemacht. Zuerst führt sie einen Reiseblog, später reist und berichtet sie für ein Magazin. Jeden Sommer mit dabei: Alex Nilsen, ihr bester Freund, den sie im ersten Semester am College kennengelernt hat. Aber irgendetwas lief schief. Nach 2 Jahren völliger Funkstille brechen sie noch einmal gemeinsam auf zu einer Reise, um alles wieder geradezurücken, aber nichts läuft wie es soll: Brüllende Hitze, kaputte Klimaanlage, verpesteter Pool. In Zwischenkapiteln blicken wir nacheinander zurück auf die gemeinsamen Sommerreisen der letzten 12 Jahre. Immer Poppy und Alex, aber immer ein klein wenig anders. Doch je näher sich der Rückblick dem jetzigen Sommer nähert, desto klarer wird, dass nicht die Klimaanlage das eigentliche Problem ist. Es ist das Offensichtliche, aber gut Verdrängte. Und beide wissen, dass dies die letzte Chance ist.

Eigentlich ist es ein eher stilles Buch, ruhig und nicht reißerisch sensationell. Der wahre Zauber verbirgt sich in den Gesprächen, den Zwischentönen, den kleinen Begebenheiten und Begegnungen mit anderen Menschen auf ihren Reisen. Die Eigenheiten von Poppy und Alex, über die sie sich gegenseitig liebevoll lustig machen. Die Wortwitze zwischen ihnen, ihre kleinen Rollenspielchen, aber auch die kleinen Anspielungen und Gefühlsäußerungen, getarnt als Scherz, um die wahren Gefühle nicht zu offenbaren. An sich bin ich kein ausgesprochener Liebhaber von Friends-to-Lovers-Stories, aber diese hier hatte mich. Oder wie Poppy sagen würde: Diese Geschichte spricht zu mir!

Üblicherweise lese ich Bücher gerne in der englischen Originalsprache, aber hier fand ich die Übersetzung absolut gelungen und sie transportierte für mich das Gefühl des Originals. Auch der deutsche Titel trifft voll ins Schwarze!

Eine süße Sommer-Lovestory für alle vom Fernweh Gebeutelten!

Bewertung vom 27.06.2022
Tweet Cute
Lord, Emma

Tweet Cute


ausgezeichnet

Ein Buch so süß wie ein Monster-Cake

Das Rezept für eine zuckersüße Liebes-Verwechslungs-Twitter-Story, in dem verrückte Kuchenkreationen eine tragende Rolle spielen? Man nehme zwei sympathische Helden, Pepper und Jack, die kurz vor dem Highschool-Abschluss stehen. Für die richtige Würze füge man eine irre Verwechslungsgeschichte hinzu. Diesem Gemisch füge man eine ordentliche Portion witzige Dialoge und Tweets bei, rühre alles gut um und garniere die Kreation anschließend liebevoll mit einer großen Ladung Freundschaft, einem Hauch Coming-of-Age-Frust, bestreue es mit ein paar Flocken familiärer Probleme und kröne die Kreation schließlich mit einer gewaltigen Ladung geraspeltem Humor, ehe man sie mit süßem Lovestory-Sirup übergießt. Et voilá! Bon appetit!

Aber von vorne: Pepper und Jack besuchen gemeinsam die Abschlussklasse der Highschool. Das war aber schon die einzige Gemeinsamkeit der beiden, die sich während der Schule nur höchstens gegenseitig mit fiesen Sprüchen würdigen. Während Pepper Ambitionen hat, Jahrgangsbeste zu werden, brilliert Jack vor allem als Klassenclown. Neben seinem ach so perfekten Zwillingsbruder Ethan bleibt ihm wohl auch kaum etwas anderes übrig. Was keiner weiß: Jack ist der Entwickler der Weazle-App, einer anonymen Plattform, wo jedem User ein Tier als Nickname zugeteilt wird. Hier treffen sich Wolf und Bluebird, verstehen sich auf Anhieb gut, teilen Späße miteinander und vertrauen einander im Schutz der Anonymität an, was sie bewegt und belastet. Nur der Leser hat hier den Wissensvorsprung, dass es sich bei Wolf um Jack und bei Bluebird um Pepper handelt, so dass man beim Lesen öfter grinsen muss, weil sich die beiden bei „Weazle“ so gut verstehen und in der Schule dann wie die Pest behandeln! Als ob das nicht schon genug Story hergäbe, prallen Pepper und Jack auf einem dritten Schauplatz aufeinander: Peppers Eltern betreiben eine Burgerkette. Als diese auf Twitter von einem kleinen Deli des Rezeptdiebstahls bezichtigt wird, bricht Pepper vom Twitter-Account der Burgerkette einen Tweet-Streit mit dem Deli vom Zaun. Für Pepper ist das alles rein geschäftlich, keine persönliche Angelegenheit – bis sie erkennen muss, dass ausgerechnet Jacks Eltern das Deli gehört und er für sie den Twitter-Account betreibt! Nun fliegen nur so die Fetzen, die Tweets sprühen nur so vor bissigem Humor, und ein Battle beginnt!

Überhaupt lebt dieses Buch von quirligen Menschen, frechen Dialogen und einem flotten Erzähltempo. Ein wenig Tiefe erhält die Story, wenn es um das Verhältnis der beiden zu ihren Familien oder um ihre Zukunftsängste nach Abschluss der Schule geht. Dabei begeht die Geschichte aber nicht den Fehler, tiefschürfende Probleme zu wälzen, sondern behält auch hier eine lockere und entspannte Aufarbeitung bei. Das Highlight sind jedoch ganz eindeutig die kulinarischen Köstlichkeiten, die einem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Da geht es herzhaft zu bei deliziösen Sandwiches mit reichlich geschmolzenem Käse, gefolgt von den berühmten Kitchen Sink Macarons, den legendären So Sorry Blondies oder eben dem ultimativen Monster-Cake. Wer da kein Kopfkino entwickelt, war offensichtlich satt!

Ich mochte den fröhlichen Grundton des Buches mit all den schlagfertigen Dialogen und Tweets, den liebenswerten Protagonisten und den herrlich verrückten Kuchenkreationen.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung für alle, die Lust auf ein witziges und freches Buch haben! Die Kirsche auf dem Sahnehäubchen dieses Buchkuchens wäre gewesen, wenn tatsächlich die Rezepte von Peppers wilden Kreationen wie dem Monster-Cake oder den legendären So-Sorry-Blondies abgedruckt gewesen wären, aber auch so ist dieses Buch einfach nur „cute“.

Bewertung vom 21.06.2022
The Sunrise in Your Eyes / California Dreams Bd.2
Leopold, Kim

The Sunrise in Your Eyes / California Dreams Bd.2


ausgezeichnet

Liebe Kim Leopold!

Erst vor ein paar Wochen war ich mit Holly unterwegs im Van und habe mich mit Pascal in Hollys vollgestopfter Wohnung versucht selbst zu finden. Gefunden habe ich damals vor allem Liebe für diesen außergewöhnlich schönen Reihenauftakt.

Und nun soll ich mich ausgerechnet mit Pascals schwieriger Schwester weiter auf den Weg machen? Der verschlossenen Allegra? Die in Band 1 nicht gerade eine Sympathieträgerin war?

Ja, liebe Kim Leopold, du willst genau das und katapultierst uns in die Perspektive von Allegra. Die ersten paar Seiten will ich das gar nicht, ich will zurück zu Pax und Holly. Allegra ist unbequem. Aber dann beginne ich aufzumerken. Fange allmählich an, die wahre Lela zu erkennen und zu verstehen. Zu ihrem Kern vorzudringen und sie ganz zu erfassen, während sie den Fotografen Andy kennenlernt und mit ihrem neuen Vermieter Maverick chattet. Allegra nimmt mich mit nach Skid Row in eine Welt, die ich vorher so nicht gekannt habe. Und auf einmal ist die junge Frau nicht mehr verschlossen oder unbequem, sondern Allegra hat sich mit ihrer Geschichte sozusagen von hinten in mein Herz geschlichen. Ich leide mit ihr, teile ihre Ängste und auch die schönen Emotionen. Ich mag auch sehr, wie gut der Titel zur Geschichte passt. Manche Dinge kann ich nun auch rückblickend besser verstehen. Und ich bewundere Lelas Engagement, ihre Tatkraft und ihren Mut.
Danke, liebe Kim, dass du mir als Leserin das zumutest! Dass wiederum du den Mut hast, unbequeme Heldinnen und unschöne Wirklichkeiten zu Wort kommen zu lassen und zu benennen!

Und nun soll ich als nächstes wohl mit dem aufbrausenden und unsympathischen Micah weitergehen? Den manchmal noch nicht einmal seine Geschwister mögen? Ausgerechnet der?

Ja, liebe Kim, ich vertraue dir und bin bereit!

Bewertung vom 17.06.2022
Ein unvollkommener Ehemann
O'Flanagan, Sheila

Ein unvollkommener Ehemann


gut

Nett, aber leidenschaftslos

Roxy erwischt ihren Ehemann Dave im Bett mit der Nachbarin. Die betrogene Ehefrau ist daher mit den Kindern zu ihrer Mutter gezogen und braucht Zeit, um zu überlegen: Verlässt sie Dave oder verzeiht sie ihm? Derweil übernimmt Roxy den privaten Fahrservice ihres verstorbenen Vaters und kutschiert die unterschiedlichsten Persönlichkeiten zu Terminen.

Die Geschichte beginnt in einem sehr ruhigen Erzähltempo und es dauerte tatsächlich einige Zeit bis ich mich endlich hineinfand und sich die eigentliche Story zu entfalten begannt. Diese gestaltet sich eher klassisch und schlicht. Mit Hochspannung oder witzigen Wortgefechten darf man hier nicht rechnen, sondern der ruhige Erzählstrom fließt gemächlich vor sich hin. Anfangs steht vor allem Roxys Tätigkeit beim Fahrservice im Mittelpunkt, da wird auch mal ein ganzer Tag lückenlos vom Frühstück bis zum Abendessen geschildert samt allen Fahrten, Gesprächen und Nahrungsmitteln, die sie über den Tag verteilt zu sich nimmt. Als Leser fühlt man sich wie der Zuschauer einer Dokumentation über Roxy, sachlich fundiert und überaus interessant, jedoch neutral aus der Distanz geschildert. Man könnte es eine unaufgeregte Erzählweise nennen, doch leider wird der Blick auf die Protagonisten dadurch gefühlsneutral und distanziert. Auch als allmählich Fahrt in die Handlung kommt und etwa der geheimnisvolle Ivo in ihr Leben tritt, kommen nicht wirklich Spannung oder Gefühlswallungen auf. Die Erzählung an sich ist durchaus nett, man bekommt zumindest hervorragende Einblicke in die Tätigkeit beim Fahrservice, die Schilderung kann aber nicht einmal mit Lokalkolorit von ihrem Handlungsort in Irland aufwarten. Sie lässt beim Lesen wenig Emotionen aufkommen, man leidet nicht mit Roxy, fühlt nicht mit ihr und ihren Konflikten mit, sondern sieht ihr aus emotionaler Ferne zu. Wenn im Roman von einer prickelnden Situation die Rede ist, springt dieses Gefühl leider nicht auf den Leser über. Als Roxy nach einer schockierenden Nachricht in Ohnmacht fällt, leidet man nicht wirklich mit ihr, sondern verfolgt das Geschehen aus der Distanz.

Der Roman konnte mich leider nicht berühren. Ich habe die Handlung interessiert verfolgt, aber es hat tatsächlich lange gedauert bis sie mich zumindest in Ansätzen gefesselt hat. Dennoch habe ich nicht wirklich mit Roxy mitgefühlt oder mitgefiebert, sondern habe sie wie in einer interessanten Dokumentation aus der emotionslosen Distanz verfolgt.

Bewertung vom 14.06.2022
Die Leiche am Deich / Die Friesenbrauerin ermittelt Bd.1
Jensen, Joost

Die Leiche am Deich / Die Friesenbrauerin ermittelt Bd.1


gut

Küstenkrimi für Bierliebhaber

Die große Welle der Küstenkrimis hat nun auch ein Exemplar bei mir an Land gespült. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Friesenbrauerin Gesine mit ihrem selbstgebrauten Bier, das sie im „Kroog“ an die Bewohner des kleinen Küstenortes Sünnum ausschenkt. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein bis plötzlich gleich zwei Mordfälle die Gemeinschaft erschüttern. Da werden bis dahin harmlose Mitbürger von Sünnum auf einmal verhaftet, während Gesine das Gefühl nicht loswird, dass Großbauer Burmeister in Wirklichkeit dahintersteckt. Es gibt nämlich Gerüchte über Landkäufe im großen Stil und eine angeblich geplante Milchfabrik. Das Thema ist topaktuell, da in der Landwirtschaft bekanntermaßen kleine Betriebe ums Überleben kämpfen, während Großbetriebe nur allzu oft Kompromisse bei der Tierhaltung eingehen.

Die Dorfgemeinschaft von Sünnum ist mit rauem ostfriesischem Charme ausgestattet, da geht es mitunter im „Kroog“ grob-herzlich zu. Passend dazu ist die raue Nordseeküste die heimliche Hauptdarstellerin des Romans, das ungebändigte Meer und das Klima geben für die Kriminalgeschichte eine wunderbare Kulisse ab und verleihen ihr viel Lokalkolorit. Dazu tragen auch die vielen Dialekt-Passagen bei, so dass das Setting überzeugend geschildert ist. Die zahlreichen Dorfbewohner sind individuell beschrieben, da ist so mancher handfeste Charakter dabei, was der Geschichte Lebendigkeit verleiht.

Leider trifft das nicht uneingeschränkt auf die eigentliche Handlung des Krimis zu, die ein wenig unentschlossen vorankommt und mit den Schilderungen von Dorf und Bewohnern nicht so recht mithalten kann. Da hätte ich mir ein wenig mehr Spannung gewünscht. Dieser Krimi lebt vor allem vom Setting und den Charaktern. Wenigstens einen spannenden Moment, der die Story zum Pageturner werden lässt, gibt es zum Ende hin mit einer überraschenden Wendung.

Was bei Lesen aber leider sehr gestört hat, war die ununterbrochene Erwähnung des „Tüdelbräu“, dem von Gesine gebrauten Bier, das im Roman ständig und zu jeder erdenklichen Gelegenheit konsumiert wird. Da Gesine zu allem Überfluss auch noch „Tüdelbüdel“ genannt wird, tüdelte es einem seitenweise nur so entgegen, was irgendwann nervte. Dieses Wort hätte man mindestens 30 mal aus dem Buch streichen können.

Bewertung vom 11.06.2022
I Kissed Shara Wheeler
McQuiston, Casey

I Kissed Shara Wheeler


ausgezeichnet

Wer ist Shara Wheeler?

Shara Wheeler hat Smith geküsst.

Shara Wheeler hat Rory geküsst.

Shara Wheeler hat Chloe geküsst.

Und nun ist Shara Wheeler verschwunden.

Aber nicht spurlos. Shara Wheeler hinterlässt versteckte rosa Karten mit mysteriösen Botschaften, und damit beginnt eine schräge Schnitzeljagd, die das Leben eines ganzen Highschool-Jahrgangs grundlegend verändern wird. Stellt sich nur die Frage, welcher Preis am Ziel winkt? Und was ist eigentlich das Ziel?

Ich habe dieses Buch vom ersten bis zum letzten Wort geliebt. Beim Lesen springt man mit Anlauf in den Kosmos des Abschlussjahrgangs der Willowgrove Highschool in False Beach, Alabama, und am Ende mag man gar nicht mehr daraus auftauchen. Im Mittelpunkt der Erzählung steht Chloe Green, die mit ihrer Mom und ihrer Mama erst vor ein paar Jahren nach False Beach gezogen ist und der konservativen Schulgemeinschaft mit ihren äußerst strengen Regeln kritisch gegenübersteht. Sie rebelliert durch Provokation, was ihr regelmäßige Vorladungen bei Schulleiter Wheeler einbringt. Und dann ist da noch dessen Tochter Shara, DAS Mädchen, das den Raum zum Leuchten bringt, wenn es ihn nur betritt, Chloes erklärtes Feindbild, mit der sie erbittert um die Position als Jahrgangsbeste wetteifert. Bis sich im Verlauf der Schnitzeljagd ein ganz anderes Bild der perfekten Shara ergibt.

Sämtliche Figuren sind stark herausgearbeitet, jeder von ihnen ist tatsächlich ein ganz eigener Charakter, der mit all seinen Ängsten und Hoffnungen und in all seiner Einzigartigkeit gezeigt wird. Für mich liegt eine Stärke des Romans darin, dass alle queeren Lebensmodelle ernst genommen und gewürdigt werden, sogar mit Neopronomen. Casey McQuiston scheut sich nicht, darüber hinaus gesellschaftlich relevante Problematiken zu zeigen, verzichtet aber auf den mahnenden Zeigefinger, sondern traut dem Leser zu, diese selbst zu erkennen und zu bewerten, etwa Rassismus oder unterschiedliche soziale Schichten. Vor allem aber ist dieses Buch herrlich queer, wunderbar bunt wie das Leben und einfach wunderschön! Und können wir bitte einmal über das sensationelle Cover sprechen?

Absolute, uneingeschränkte Leseempfehlung aus vollem Herzen für dieses queere Meisterwerk!!!

Bewertung vom 06.06.2022
Sommerzauber am Fjord
Larsen, Julie

Sommerzauber am Fjord


sehr gut

Insta-DIY-Queen crasht in promovierten Historiker

„Der Laden der schillernden Schätze“ in Trondheim. Frida Lunde steckt voller Tatendrang, diesen Laden für ihre bunten DIY-Kunstwerke zu übernehmen. Dr. Sander Pettersen wiederum plant die Neueröffnung des Ladens für seine exquisite Sammlung von Antiquitäten. Da scheint der bisherigen Inhaberin, der exzentrischen Katzenoma Kjersti, mit der Doppelvermietung wohl ein Versehen unterlaufen zu sein. Oder auch nicht…

Vor der wunderbaren Kulisse der Altstadt von Trondheim prallen die beiden gar so gegensätzlichen Charaktere aufeinander, denn natürlich unterscheiden sich Frida und Sander nicht nur in ihrem Kunstempfinden, sondern auch in ihrem Temperament und ihrer Lebensart. Auch äußerlich könnten sie nicht unterschiedlicher sein: Die quirlige und spontane Frida mit blauen Haaren und Rockabilly-Style, der durchorganisierte Sander in Pullunder und Fliege. Kein Wunder, dass gezickt wird bis die Fetzen fliegen. Und Kjersti kann zur Lösung des Problems leider auch nichts beitragen, da sie ganz plötzlich selbst auf Hilfe angewiesen ist. Hier kommen die liebenswerten Einwohner von Bakklandet ins Spiel, dem urtümlichen Stadtteil von Trondheim. Gemeinsam werden Pläne geschmiedet, und bei den Planungen geben auch Frida und Sander langsam ihre Vorbehalte auf.

Der Roman besticht vor allem durch die schönen Schilderungen von Trondheim und der norwegischen Landschaften und weckt damit sofort die Reiselust! Besonders herzerwärmend erzählt ist die Gemeinschaft in Bakklandet, die von Hilfsbereitschaft, Fürsorge und Miteinander geprägt ist. Der Roman verzaubert hier als warmherziges Wohlfühlbuch. Frida und Sander sind anfangs wie Feuer und Wasser, und es steckt liebevoller Humor in der Schilderung ihrer Gegensätzlichkeiten, wenn etwa Frida ein zwangloses Vanlife führt, während Sander den promovierten Exzentriker gibt. Beide haben schwer an ihrer Herkunft zu kauen, die sie am liebsten vergessen oder unter den Teppich kehren würden. Zugleich erkennen sie nicht, dass es genau diese Vergangenheit ist, die sie so geprägt hat.

Leider tritt beim Lesen zum Ende hin eine solche Vorhersehbarkeit ein, die der anfangs so spritzigen Handlung ein wenig die Frische nimmt. Stattdessen passiert, was eben passieren musste, aber bedauerlicherweise findet keine tiefere Aufarbeitung oder ein spannender Konflikt statt, sondern es fühlt sich beim Lesen leider ein wenig so an, als ob die restliche Handlung ohne weitere Überraschungen abgespult wird. Das ist sehr schade, weil die an sich so lebendige und frische Geschichte wenig originell endet.

Bewertung vom 01.06.2022
Liebe funkelt apfelgrün
Mai, Pauline

Liebe funkelt apfelgrün


sehr gut

Ein Cottage in Schottland

Schottische Landschaften, niedliche Cottages und schrullige Dorfbewohner bietet dieser Roman -und obendrauf als Sahnehäubchen eine zuckersüße Liebesgeschichte.

Mila fällt zuhause in Heidelberg auf den falschen Mann herein. Theo ist verlobt. Das wusste sie, aber sie war fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er sich von seiner Verlobten trennen möchte. Nun ist der Kummer grenzenlos und Mila tritt die Flucht an, indem sie sich bereit erklärt, zwei Monate lang Haussitterin für das Cottage der Bains´ in Schottland zu spielen. In dem kleinen Dorf Applemore erwarten sie außerhalb des Cottages jedoch vor allem verschlossenen Türen und Gesichter. Erst als sich herumspricht, dass Mila eine hervorragende Brotbäckerin ist, beginnt ein lebhafter Tauschhandel, bei dem Mila außer Marmelade oder gestrickten Socken auch Bekanntschaften und Freundschaft im Gegenzug zu ihren Sauerteigbroten erhält. Als plötzlich Finley, der Sohn von Familie Bains, vor der Tür steht, müssen sich die beiden unfreiwillig das Cottage teilen. Während sich Mila und Finley anfangs gegenseitig als Belastung empfinden, lernen sie nach und nach die Gesellschaft des anderen schätzen.

Beim Lesen kommt man recht schnell in einen angenehm leichten Lesefluss, und vor allem die landschaftlichen Beschreibungen, die teilweise recht schrulligen Dorfbewohner und die charakterstarken Katzen sind äußerst liebenswert geschildert. Auch vermeintliche Nebencharaktere stehen im Verlauf des Romans im Mittelpunkt des Geschehens und erhalten die verdiente Aufmerksamkeit. Die Idee des Tauschhandels ist ein origineller Einfall, der so richtig Schwung in Milas Leben und in die Geschichte bringt. Dass die Dorfgemeinschaft aufblüht und zusammenrückt, verleiht dem Buch viel Wärme und Herz, die beim Lesen spürbar werden. Auch Milas Leidenschaft beim Backen, das sie von ihrem Vater gelernt hat, ist hin- und mitreißend beschrieben, so dass man selbst Lust zum Teigkneten und Brotbacken bekommt.

Was das Lesevergnügen leider ein wenig trübte, war Milas außerordentliche Naivität. So war es von Anfang an kaum nachzuvollziehen, weshalb sie sich unsterblich in den verlobten Theo verliebt und immer wieder auf ihn hereinfällt und sich hinhalten lässt. Da schrillten bei mir beim Lesen sämtliche Alarmglocken, so dass es mir schwerfiel, Milas Gefühle und Entscheidungen wirklich nachvollziehen zu können. Umgekehrt hätte ich mir gewünscht, dass der wirklich schönen Liebesgeschichte mit Finley zum Ende hin mehr Platz eingeräumt würde. Die war nämlich so schön erzählt und durfte sich in einem ruhigen Tempo entfalten, kam mir am Ende aber ein wenig zu kurz. Da hätte ich gerne mehr von gehabt!

Mein Fazit: Ein süßer Ausflug nach Schottland für alle Rosamunde Pilcher-Fans, die gerne einen Blick durch die rosarote bzw. apfelgrüne Brille werfen.