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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1401 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2022
Die Kunstschätzerin
Byrd, Sandra

Die Kunstschätzerin


weniger gut

Eine Geschäftsfrau im viktorianischen England
Eleanor hat das Geschäft ihres Vaters geerbt, der Kunstschätzer war, geerbt, bzw. ist sie mehr oder weniger nahtlos dort hinein gewachsen. Obwohl sie gut ausgebildet ist und ihre eigenen Fähigkeiten selbstbewusst einschätzt, vermisst sie ihn gerade jetzt unendlich: denn sie soll die Kunstsammlung ihrer Jugendliebe - der sich offenbar gerade einer anderen Frau zuwendet - bewerten. Vielmehr soll sie eigentlich seine Absichten in Bezug auf diese beurteilen und von dieser Beurteilung wird es abhängen, ob er diese erbt.

Hier ist sie vor allem emotional stark gefordert, zumal sowohl ihre Nerven als auch ihre Seele gerade Amok laufen. Doch das soll keiner merken.

Ein viktorianischer Roman - allerdings in der Gegenwart verfasst - über eine starke Frau? Nur bedingt, denn ich habe den Eindruck, dass die Autorin Sandra Byrd, die ich bisher noch nicht kannte, nicht gerade eine Vorreiterin in Fragen der Emanzipation ist. Und diese Werte spielen aus meiner Sicht in die Handlung hinein und werten diese dadurch ein wenig ab.

Zumal ich die Autorin nach dieser Lektüre nicht gerade zu den Versiertesten des Francke Verlages, den ich im Übrigen sehr schätze, zählen würde. Und auch nicht zu den Hochkaräterinnen dieses Genres, zu denen aus meiner Sicht ganz klar die Deutsche Elisabeth Büchle und die Südafrikanerin Irma Joubert zählen, die die historischen Einbindungen wie auch die christlichen Werte auf eine ganz andere Art und Weise in ihre Werke einfügen.

Bewertung vom 05.09.2022
Fliegen oder fallen
Marston, Missy

Fliegen oder fallen


gut

Verantwortung übernehmen?
Das wird in Trudys Familie sehr unterschiedlich aufgefasst: sowohl ihre Mutter Claire als auch ihre jüngere Schwester Tammy haben im Teenageralter Kinder bekommen. Jeweils ohne Mann, wenn auch mit vollkommen unterschiedlichem Hintergrund. Und zwar Anfang der 1970er Jahre in einer kanadischen Kleinstadt.

Während Claire sich ihrer Verantwortung gestellt und Trudy und Tammy unter schwersten Bedingungen groß gezogen hat, hat Tammy nach ein paar Jahren des Mutterseins die Biege gemacht. Und hat ihre Tochter Mercy bei Claire und Trudy gelassen. Die es ihnen allerdings leicht macht, für sie da zu sein. Denn sie ist ein bezauberndes Kind, selbst schon zu erwachsen für ihr Alter, aber auch das auf absolut betörende Art.

Trudy hingegen hat abgetrieben und stellt sich jetzt ihrer Verantwortung auf eine spezielle Art: durch sich selbst auferzwungene Keuschheit.

Auch wenn es in diesem Kaff wirklich nichts zu holen gibt, nicht einmal genug Geld, um gut zu überleben, bleibt Trudy. Und läuft Gefahr, schwach zu werden, als der tüddelige Stuntman Jules in die Stadt kommt wie ein Cowboy in den Saloon.

Aber sie hat ja Mercy, die auf sie aufpasst. Gewissermaßen.

Trudy, Mercy und Claire, sie alle sehnen sich nach etwas: Liebe und Zuwendung. Die eine mehr, die andere weniger konkret.

Ein Roman, der mich fasziniert hat. Und auch wieder nicht. Weil es an gewissen Stellen einfach nicht mehr weiter ging. Zu vieles blieb an der Oberfläche - Tiefe wurde versprochen, aber nicht gehalten. Das war es, was mir fehlte an einem durchaus liebenswerten Plot.

Bewertung vom 29.08.2022
Drei Tage im August
Stern, Anne

Drei Tage im August


ausgezeichnet

Es ist Sommer in Berlin, Anfang August in einem ganz besonderen Jahr, nämlich 1936. Die Nazis sind schon seit über drei Jahren an der Macht und treiben ihr Unwesen.

Dennoch: zum ersten Mal seitdem sind mehr Ausländer in der Stadt zu sehen, ja es sind sogar so viele, dass sie da und dort die steife nationalpatriotische Stimmung ein wenig durchbrechen können.

Denn es ist Olympia in der Stadt, wobei diese Veranstaltung allenfalls den Teil eines Rahmens für diesen Roman bildet.

Das zentrale Thema ist ein ganz anderes, nämlich ein kleiner Bereich in der Straße "Unter den Linden" und drumherum, genauer gesagt sogar ein Haus und dessen Umfeld. In dem Haus befinden sich Produktion und Verkauf der Confisserie Sawade, feinste Pralinen werden hier hergestellt und erworben. Wer hier herkommt, der hat nur eines im Sinn, nämlich zu verwöhnen, ob sich selbst oder andere, man ist zweifellos am Zentrum einer Begierde angekommen!

Hier schwingt Elfie das Zepter, sie leitet den Laden und ist von allen diejenige, die bereits am längsten in der Pralinerie arbeitet, mit ihr verwachsen ist sie sozusagen.

Um sie herum lernen wir andere Menschen und ihr Leben kennen und immer wieder wird deutlich: vieles ist anders geworden in den letzten Jahren, man kann keinem mehr trauen. Vorsicht ist geboten. Und dennoch muss es irgendwie weitergehen, man will ja auch weitermachen, ein kleines bisschen Normalität, ein Stück Alltag bewahren-

Aus meiner Sicht hat Anne Stern gerade dies in ihrem Roman nahezu meisterlich dargestellt: es sind eher verhaltene Entwicklungen, die hier dargestellt werden, umso glaubwürdiger und lebensnaher erscheinen sie, mir zumindest. Denn eine sehr bedrohliche Zeit ist angebrochen, viele - doch längst nicht alle - merken bereits, dass man auf einen Krieg zusteuert. Was noch kommen könnte, weiß keiner, aber man braucht kein Prophet zu sein, um zu erfassen, dass es nichts Gutes ist.

Ein überaus atmosphärischer Roman, der allerdings nichts für Actionfans ist, eher für Freunde der leisen Töne.

Bewertung vom 29.08.2022
Brombeer-Bucht
Hannon, Irene

Brombeer-Bucht


sehr gut

Hope harbour revisited
Und zwar von der Autorin Irene Hannon, die schon mehrere warmherzige Romane in diesem kleinen Ort am Meer spielen ließ.

Auch diesmal schauen wir zu Beginn auf einige verlorene Seelen, die wieder im Leben ankommen möchten, aber - seien wir mal ehrlich - dies selbst nicht mehr für möglich halten.

Hier haben wir zunächst Zach Garrett, seines Zeichens Anwalt, der jedoch von dieser Profession genug hat und sich nun als Barrista im eigenen Café versuchen will - eine seiner "Altlasten" aus dem Anwaltsberuf trägt er mit sich mit - er kann einfach nicht anders, als bei seinen Gästen genau hinzusehen, gerade auch, wenn es den Eindruck macht, als ob sie nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.

Bis es ihn selbst trifft - in Person von Kat, einer berühmten Schauspielerin, die aber alles andere als eine neue Liebe sucht - sie braucht nichts mehr als eine Auszeit. Und auch Zach hat genug mit sich selbst zu tun.

Aus diesen zwei Charakteren, noch einigen mehr sowie dem unvergleichlichen Setting in Hope Harbour hat Autorin Irene Hannon eine ungewöhnliche, packende und faszinierende Geschichte gewebt, einen warmherzigen Wohlfühlroman. In diesem bereits siebten Band der Hope Harbour Reihe geht es vor allem um Akzeptanz und Aussöhnung - nicht zuletzt mit sich selbst. Und sicher gibt es nicht wenige Leser, denen es so geht wie mir: sie erkennen Situationen wieder, in denen sie sich selbst bereits befunden haben. Wenn auch nicht im idyllischen Hope Harbour.

Wie immer bei Irene Hannon lässt es sich mithilfe ihres Romans wunderbar entspannen und gleichzeitig - wenn nötig - ein wenig Zuversicht zu tanken. Ich jedenfalls habe diesen warmherzigen und stimmungsvollen Roman mindestens so sehr genossen wie ein Wellness-Wochenende!

Bewertung vom 28.08.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


ausgezeichnet

Migrantenschicksal
Jimmy heißt eigentlich nicht so - er hat nämlich einen in Deutschland als sehr kompliziert geltenden Vornamen: Željko, weswegen dieser von fast allen ignoriert wird.

Jimmy ist einer, der hoch hinaus will, weit höher hinaus, als es ihm seine Familie - seine Eltern sind Kroaten aus Bosnien-Herzegowina, die hier ihr Glück suchen. Wenn sie genug verdient haben, wollen sie zurück in die Heimat.

Ihre Kinder begleiten sie auf die Arbeitsplätze, um sie dort zu unterstützen, alleine würden sie die viele Arbeit, die sie angenommen haben, gar nicht gewuppt bekommen.

So lernt Jimmy Martha, eine Professorin kennen, Jahrzehnte älter als er, eine Frau, mit der er sich von Beginn an gerne unterhält - Jahre später kommen sie einander näher.

Martha hält den Kontakt und sie behält die Achtung vor Jimmy, die ihm sonst niemand entgegenbringt, nicht auf Dauer. Der Hochschulprofessor bspw. der sich seiner angenommen hat, verstößt ihn irgendwann - weil Jimmy sich ihm nicht genügend unterordnete.

Irgendwann hört Jimmy auf, seinen Vorstellungen vom idealen Leben hinterherzulaufen. Zu dem Zeitpunkt hat er selbst Martha bereits längst verstoßen. Die treue Martha, die ihn während seines Studiums unterstützte, ihn sogar in die Heimat begleitete.

Eins von vielen Migrantenschicksalen in Deutschland - meiner Ansicht nach (ich gehöre sozusagen selbst zur Community) ein wenig zu einseitig, zu negativ gezeichnet. Doch wie ein solcher Roman ausgerichtet ist, das hängt natürlich von den Erfahrungen des Einzelnen, also vom Schicksal des Autors ab. Auf jeden Fall beeindruckend in seinem Selbstverständnis, seiner Treue zur Herkunft - auf gewisse Weise jedenfalls.

Bewertung vom 21.08.2022
Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2
Turner, A. K.

Wer mit den Toten spricht / Raven & Flyte ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Herrlich schräg und unkonventionell
ist der Auftritt der Londoner Assistentin für Rechtsmedizin Cassie Raven. Aber nur optisch. Denn mit ihrem nicht mehr lebendigen Besuch geht sie überaus achtsam um, hält mit diesem sogar Zwiesprache.

Über jede Leiche, die ihr auf den Tisch kommt, macht sie sich ihre Gedanken und zwar überaus empathische, die ihr so mancher angesichts ihrer mannigfaltigen Tattoos und der vielen Piercings gar nicht zutrauen würde.

Doch ist Cassie eine sanfte und zarte Seele, die bei ihrer Großmutter aufgewachsen ist, die noch immer einer der wichtigsten Menschen für sie ist. Und das, obwohl sie sie mit der Information schockiert hat, dass ihre Eltern nicht, wie bisher kommuniziert, vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen, sondern dass ihre Mutter umgebracht wurde - von ihrem eigenen Vater, der bis vor wenigen Jahren im Gefängnis saß.

Umso heftiger, als sie ihm eines Tages gegenüber steht. Zunächst voller Ablehnung, doch gibt es Gründe, seinen Beteuerungen, den Mord nicht begangen zu haben, zu glauben - Cassie fängt an, nach Beweisen für seine Unschuld zu suchen. Und zieht dazu ihre Bekannte von der Polizei, Phillyda Flyte, eine im Gegensatz zu ihr stets sehr gepflegt und gefasst auftretende Dame, hinzu - eine Aufforderung, der diese nicht so ganz freiwillig folgt.

Wie die beiden den Ereignissen auf den Grund gehen - das fasziniert, berührt und überzeugt zugleich. Ein wunderbarer Krimi - Thriller würde ich ihn gar nicht unbedingt nennen - mit Pfiff, aber auch mit Anspruch.

Der Leser sollte sich auf Cassie wie auch auf die weiteren Figuren einlassen, sonst geht ihm so viel vom Geschehen durch die Lappen. Ein Krimi für aufmerksame Leser, die menschliche Wertschätzung, Würde und Achtung im Krimi goutieren!

Bewertung vom 15.08.2022
Tür an Tür
Barta, Dominik

Tür an Tür


gut

Kurt zieht als zahlender Mieter in die Genossenschaftswohnung seiner Tante in Wien und lernt das Haus und seine Nachbarn näher kennen. Zunächst muss er sich auf die Geräusche seines direkten Nachbarn einlassen - gar nicht so einfach. Auch das mit den Nachbarn drumherum ist gar nicht so einfach - Distanz oder Nähe? Was passt?

Mit Paul Drechsler, dem, der direkt nebenan lebt, ergibt sich dann rasch ein Miteinander, das eine recht gelungene Balance darstellt - auch wenn Kurt dessen Geschichten und die seiner Tante, die sich einerseits ähneln, andererseits aber auch vollkommen voneinander unterscheiden, erst mal einordnen muss.

Als sein langjähriger Freund Frederik, ein Arzt mit Liebeskummer, zu ihm zieht, entwickelt sich gewissermaßen ein neuer Sound - bzw. kommen weitere Töne hinzu, ebenso, als es einen von Kurts Schülern zu ihnen verschlägt.

Ja, es sind all diese Menschen, die diesen Sound bewirken, es ist aber auch das Haus selbst - alles zusammen ergibt eine besondere Dynamik. Nur ist leider die Handlung, die das alles trägt, für mich nicht ganz schlüssig, auch wenn mir der Stil und auch die Liebe des Autors zu gewissen Details durchaus zusagen.

Bewertung vom 13.08.2022
Mademoiselle Oppenheim - Sie liebte das Leben und erfand die moderne Kunst
König, Mina

Mademoiselle Oppenheim - Sie liebte das Leben und erfand die moderne Kunst


gut

Die Mutter der Pelztasse

Meret Oppenheim - diese Künstlerin habe ich mir schon früh gemerkt, weil ihr Vorname dem meiner Schwester sehr ähnlich ist. Bald schob sich davor ein anderes, deutlich greifbareres Bild: die von ihr im Jahre 1936 gefertigte Pelztasse, ein überaus originelles Kunstwerk!

Hier im Roman erfährt man, dass die Künstlerin das Werk direkt auf dessen erster Ausstellung an den MoMa-Direktor, der aus New York zu Besuch war, verkauft hat - für 1000 Dollar! Für uns aus heutiger Sicht ist das ein Klacks, für Meret Oppenheim war es damals ein ganz schön dicker Batzen!

Ein Mädchen aus sogenanntem guten Hause tief in Deutschlands Südwesten war sie, eines, das rebellierte und darin von ihrer Schweizer Großmutter, die sich ebenfalls künstlerisch betätigte, vorbehaltlos unterstützt wurde. Und die in schwierigen Zeiten lebte, was hier nur angerissen, als ihre Eltern - der Vater ist Jude - zur Großmutter umziehen müssen.

Wie auch immer, in Paris frönt sie dem lässigen Leben und hat Liebschaften mit Max Ernst (ist belegt) und Marcel Duchamp (das wiederum weiß man nicht so genau) und hält sich mehr im Café de Flore als in ihrem Atelier auf. Ein durchaus süffig zu lesender Roman, der dennoch ziemlich an der Oberfläche bleibt und nur selten mal ein wenig tiefer greift. Ich empfand ihn als unterhaltsam, doch wird er keinen bleibenden Eindruck auf mich hinterlassen.

Bewertung vom 11.08.2022
Schicksalsstunden / Die Chronik der Familie Laverne Bd.2
Maybach, Katja

Schicksalsstunden / Die Chronik der Familie Laverne Bd.2


sehr gut

Bei Familie Laverne, ursprünglich wohnhaft in einem kleinen Kurort im Südwesten Deutschlands und durch Hotelbeteiligungen gut situiert, driftet nach dem Ersten Weltkrieg so Einiges auseinander. Nun ist Luise diejenige, die im Heimatort bleibt und sich um das Hotel kümmert, Viktoria hingegen verschlägt es nun nach Berlin, wo sie sozusagen in Mode macht.

Nachdem Band 1 sich vor allem auf diesen Teil der Familie Laverne fokussierte, geht es diesmal auch um die beiden jüngeren Cousins der Schwestern und deren Lebenswege.

Wieder einmal versteht Autorin Katja Maybach es aufs Trefflichste, ihre Netze in die verschiedensten Richtungen auszuwerfen, wobei es mir in diesem zweiten Teil der Trilogie ein wenig zu weit auseinanderbröckelt - es sind am Ende so viele Erzählstränge, dass ich fast den Überblick verloren hätte, wäre ich nicht im Ersten Teil so gut, gründlich und solide vorbereitet worden.

Obwohl ich diesmal nicht ganz so begeistert bin wie von Teil 1, habe ich die Lektüre wieder sehr genossen, schon aufgrund des Stils und der hervorragenden Recherchen der Autorin. Und somit bin ich sicher, dass uns zum Abschluss noch die ein oder andere überraschende Wendung präsentiert wird. Und natürlich wieder jede Menge ebenso gründlicher wie origineller Recherchearbeit verpackt in wundervolle Entwicklungen. Ich fiebere dem bereits jetzt entgegen!