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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 29.01.2016
Ostfriesenblut / Ann Kathrin Klaasen ermittelt Bd.2
Wolf, Klaus-Peter

Ostfriesenblut / Ann Kathrin Klaasen ermittelt Bd.2


sehr gut

Es gibt unendlich viele Arten von Krimis, und nicht jeder Krimi ist das Richtige für jeden Leser. Mancher will knifflige Rätsel, anderen ist am wichtigsten, dass man sich beim Lesen gepflegt gruselt, und wieder andere sind erst glücklich, wenn literweise Blut geflossen ist und die Opfer möglichst eklig ums Leben gekommen sind. (I'm looking at you, Mr McFadyen.)

Die meisten Regionalkrimis bieten dagegen jede Menge Lokalkolorit, aber eher gemütliche Spannung und so gut wie keinen Ekelfaktor. Dafür tummeln sich auf den Seiten bunte Charaktere (oft schrullige Originale), die dem Leser mit jedem Band mehr ans Herz wachsen. Das gilt in meinen Augen auch für die Ostfriesenkrimis von Klaus-Peter Wolf.

Ich sage oft, dass ich die Bücher Leuten empfehlen würde, die Fernsehserien wie "Mord mit Aussicht" oder die "Rosenheim-Cops" gerne schauen!

Die handelnden Figuren sind alles andere als perfekt. Da ist zum Beispiel Rupert, eigentlich ein echter Antiheld. Er verliert lieber einen guten Freund als einen guten Witz und kann absolut nicht nachvollziehen, warum die wenigsten Leute verstehen, was für ein toller Hecht er ist. Und trotzdem ist er ein heimlicher Favorit vieler Leser! Oder eben die Heldin des Ganzen, Ann Kathrin Klaasen, die meist heillos überfordert ist damit, Privatleben und Beruf unter einen Hut zu bringen - für gewöhnlich verliert dabei das Privatleben, was sie schon Mann und Kind gekostet hat. Ich könnte hier noch viele Charaktere aufzählen, aber zusammenfassend sei gesagt: auch wenn ich manchmal über sie den Kopf schüttele, lese ich doch immer gerne über sie, und im Grunde sind sie mir alle sympathisch. Ja, sogar Rupert. Manchmal.

In diesem Band bahnt sich eine Liebesgeschichte an, aber die wird nicht schnulzig oder drängt sich zu sehr in den Mittelpunkt - schließlich gilt es einen Mörder zu fassen, und Ann Kathrin und ihr Verehrer können kaum mal Luft schnappen, geschweige denn viel Zeit in Romantik investieren.

Der Schreibstil ist eher einfach, aber sehr angenehm, mit vielen bildlichen Beschreibungen des Ortes, des Meeres und des Wetters. Auch eine gute Dosis Humor fehlt nicht! (Wobei mir einfällt: wer die Möglichkeit hat, sich mal eine Lesung von Klaus-Peter Wolf anzusehen, sollte das tun, aber mit nachfolgendem Muskelkater in den Lachmuskeln rechnen.) Man merkt einfach, dass der Autor lebt, wo seine Geschichten spielen! Er kennt jede Kneipe und jeden Laden, und manche Nebencharaktere gibt es wirklich... Deswegen wirkt auch alles so echt und lebendig.

Manchmal musste ich darüber grinsen, dass oft sehr ausführlich beschrieben wird, wo die Protagonisten einkehren und wo es den besten Kuchen oder den leckersten Matjes gibt... Tatsächlich hat der Autor auf Lesungen zugegeben, dass er und seine Bücher sehr beliebt sind bei den örtlichen Lokalen und Geschäften. Aber ich fand es nicht störend, nur witzig.

Die Spannung fand ich für einen Regionalkrimi sehr ordentlich. Ja, man bekommt die Lösung zwar quasi auf dem Silbertablett serviert, das aber nur scheibchenweise! Ich fand die Geschichte auch sehr originell, und ich habe sogar was gelernt: ich hatte vorher keine Ahnung, was "Schwarze Pädagogik" ist.

Fazit:
Der Krimi lebt von seinen lebendigen Charakteren und der tiefen Verwurzelung der Geschichte im schönen Ostfriesland. Das Buch ist locker geschrieben, mit viel Witz und Augenzwinkern. Es ist sicher nicht das richtige Buch für Fans von Hardcore-Thrillern, aber ich fand es sehr unterhaltsam und auf bedächtige Weise spannend!

Bewertung vom 28.01.2016
Northanger Abbey
McDermid, Val

Northanger Abbey


weniger gut

Eine Neuerzählung des Klassikers "Northanger Abbey" von Jane Austen? In meinem Kopf stritt sich das "Juchu!" mit dem "Ohje!" und letztendlich wurde daraus ein "Naja..."

"Juchu"

Ich war von der Grundidee des "Jane Austen Projects" sehr angetan. Die Bücher der Autorin sollen einem modernen Publikum näher gebracht werden, indem die Geschichten in unsere Zeit verlegt und an unsere heutige Lebenswirklichkeit angepasst werden, ohne die Essenz und die Atmosphäre zu verfälschen.

Die Geschichte an sich hat auch in dieser Neuerzählung auf mich eine starke Sogwirkung ausgeübt. Obwohl ich die Handlung des Originals noch grob im Kopf hatte, fand ich das Buch dennoch spannend.

Die Charaktere sind sich meines Erachtens nach im Wesen treu geblieben. Cat ist eine Protagonistin, mit der sich auch moderne jugendliche LeserInnen sicher identifizieren können. Sie ist sehr liebenswert, und ich fand ihre überschäumende Begeisterung, was ihre Lieblingsbücher betrifft, sehr mitreißend und amüsant. (Obwohl ich ihren Lesegeschmack nicht immer teile - zum Beispiel konnte ich ihre Liebe zu "Twilight" nicht ganz nachvollziehen...)

"Ohje"

In meinen Augen geht die Modernisierung des Buches nicht tief genug. Es kam mir oft so vor, als hätte man ein wunderschönes, antikes Möbelstück nur oberflächlich mit frischer Farbe überpinselt (und damit nicht unbedingt schöner gemacht). Leere Schlagwörter wie "Facebook" und "Twitter" werden sehr ausgiebig benutzt, genau wie Hinweise auf Bücher wie "Twilight" und "Harry Potter". Die Jugendlichen schreiben sich SMS, sagen "cool" und gehen shoppen, aber das Wertesystem und besonders die Ansichten über die Rollen von Mann und Frau sind hoffnungslos antiquiert.

Im Original, das um die Jahrhundertwende zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert geschrieben wurde, störe ich mich nicht an solchen Ansichten, die damals alltäglich waren - aber in einer Neuerzählung, die in der Gegenwart spielen soll, tue ich das durchaus! Denn eigentlich ist der Sinn einer Modernisierung doch, dass der Leser sich und seine Zeit darin wiederfinden kann... Ansonsten könnte er ja einfach das Original lesen.

Der Schreibstil ist oft sehr förmlich, mit gestelzten Dialogen. Besonders die jungen Charaktere wirken in ihrer Ausdrucksweise meist nicht sehr lebendig oder authentisch; ein paar der Schlüsselfiguren der Geschichte blieben für mich daher ziemlich blass, wie zum Beispiel Cats Schwarm Henry Tilney. Sicher lag es zum Großteil daran, dass mich die Liebesgeschichte kaum berühren konnte...

"Naja"

Das Buch las sich schnell und flüssig runter, und dennoch habe ich es unzufrieden zugeklappt.

Ja, es hat mich durchaus unterhalten, aber nicht *wegen* der Modernisierung, sondern *trotz* der Modernisierung. Die Geschichte, die dem Original ziemlich nah folgt, fand ich interessant und spannend, aber es hat mich immer wieder gestört, wie unharmonisch und erzwungen die Verlegung der Geschehnisse in die Gegenwart auf mich wirkte. Ich habe mich öfter bei dem Wunsch ertappt, es wegzulegen und stattdessen das Original noch einmal zu lesen!

Fazit:
So zeitlos unterhaltsam ich die Geschichte auch finde, so problematisch sehe ich die Verlegung der Handlung in die Gegenwart. Nicht etwa, weil die Neuerzählung zu modern wäre - ganz im Gegenteil! Die Modernisierung ist meiner Meinung nach zu oberflächlich und halbherzig, um sich vom Original als etwas Neues, Eigenständiges abzuheben.

Das Buch ist keine Katastrophe; man kann es gut lesen. Aber es macht (meiner Ansicht) aus einem phänomenalen Klassiker ein sehr mittelmäßiges modernes Buch.

Bewertung vom 25.01.2016
Das Geheimnis von Leben und Tod
Alexander, Rebecca

Das Geheimnis von Leben und Tod


ausgezeichnet

Ich finde es immer sehr spannend, wenn ein Roman historische Fakten mit uralten Mythen und moderner Fantasy verknüpft. Wenn das gut gelingt, macht es dem Leser das Unglaubliche glaubhaft und schlägt sozusagen die Brücke zwischen Realität und Fantasie. Und was soll ich sagen - meines Erachtens ist es Rebecca Alexander in "Das Geheimnis von Leben und Tod" wunderbar gelungen! Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und unterhalten, ich konnte es wirklich kaum mal weglegen (und hoffe jetzt auf eine Fortsetzung). Was soll ich sagen: Schlaf wird überbewertet, manchmal ist ein gutes Buch einfach wichtiger...

Die Fakten, die die Grundpfeiler der Geschichte bilden:

Elisabeth Báthory gab es wirklich: sie war eine ungarische Gräfin, die im Jahr 1611 als Serienmörderin unschuldiger Kinder verurteilt wurde, woraus der Mythos der "Blutgräfin" entstand. Was damals wirklich geschah, darüber streiten sich die Gelehrten, aber die Autorin macht aus ihr in diesem Buch eine unheilvolle und dennoch merkwürdig tragische Präsenz, die im Zentrum einer originellen, frischen neuen Geschichte steht.

Auch über den zu gleicher Zeit lebenden Mathematiker und Astronom John Dee sowie seinen Gehilfen Edward Kelley gibt es historische Belege. Es wird überliefert, dass Eward Kelley laut eigener Aussage als Medium mit Engeln in Verbindung stand, und dass Dee und Kelley zusammen die henochische "Engelssprache" entwickelten. Zweifelsfrei ist auch, dass Dee einmal der schwarzen Magie angeklagt wurde.

Auf einer Zeitebene (spätes 16. Jahrhundert) folgt die Geschichte den Tagebüchern von Edward Kelley, der mit seinem Meister (mithilfe der Engel) die kränkliche Gräfin Báthory retten soll, aber zunehmend das Gefühl hat, in etwas Dämonisches verstrickt zu werden....

Die zweite Zeitebene (Gegenwart) folgt fiktiven Charakteren: zum Beispiel Professor Felix Guichard, der als Experte für archaische Glaubenssysteme von der Polizei zu einem Mordfall hinzugezogen wird, oder die junge Jackdaw Hammond, die am Tatort gesehen wurde und angewiesen ist auf Dinge, die die meisten Menschen entweder als abergläubigen Blödsinn oder bösartigen Okkultismus bezeichnen würden. Obwohl sie völlig unterschiedliche Dinge glauben, versuchen sie gemeinsam, ein junges Mädchen zu retten.

Ich fand alle Charaktere wunderbar geschrieben, die erfundenen genauso wie die historischen! Besonders Jack hat mich mühelos überzeugt. In vielen Dingen ist sie sehr unerfahren und unschuldig, da sie notgedrungen ein sehr abgeschiedenes Leben geführt hat, und andererseits kennt sie sich aus mit archaischen Ritualen und verhandelt knallhart auf dem magischen Schwarzmarkt... Sie ist eine widersprüchliche, schwierige aber auch interessante und liebenswerte Persönlichkeit!

Mich hat sehr beeindruckt, mit welch endloser Kreativität die Autorin immer wieder neue Ideen aus dem Hut zaubert, und ich fand die Geschichte sehr komplex, gut durchdacht und spannend. Wie sich die Puzzleteilchen nach und nach zusammensetzen, ist einfach genial!

Auch der Schreibstil hat mich überzeugt. Atmosphäre, Sprachrhythmus und Fluss - da stimmte für mich einfach alles.

Fazit:
In meinen Augen ist "Das Geheimnis von Leben und Tod" eine intelligente, gut geschriebene Mischung aus Fakt und Fiktion: Serienmord im 16./17. Jahrhundert, Alchemie, angebliche Engelsvisionen, die Leiche einer jungen Frau, die mit archaischen Symbolen übersät ist, Leihzeiter und Wiedergänger... Das fand ich überraschend und zutiefst originell - und vor allem machte es mir einfach jede Menge Spaß. So muss Fantasy für mich sein!

Bewertung vom 24.01.2016
Ohne Ziel ist der Weg auch egal
Grünig, Michaela

Ohne Ziel ist der Weg auch egal


ausgezeichnet

Liebesroman, Krimi, Gegenwartsliteratur oder Humor? Das Buch ist von allem ein bisschen, denn Lenjas Schnapsidee führt sie mitten hinein in einen total verrückten Kriminalfall... Das hat mir richtig gut gefallen - so wird es wirklich niemals langweilig oder zu vorhersehbar! Die Handlung ist pickepackevoll gestopft mit unerwarteten Wendungen, schrulligen Charakteren und originellen Nebenhandlungen. Man sollte nicht zu schnell glauben, dass man weiß, wie alles ausgehen wird, denn die Autorin zaubert noch das ein oder andere Kaninchen aus dem Hut...

Ein Buch steht und fällt für mich mit seinen Charakteren, und ehrlich gesagt war ich mir erst nicht sicher, ob ich Lenja mögen würde.

Sie legt sehr viel Wert auf ihr Äußeres, und auch ihr Selbstwertgefühl hängt stark davon ab, wie sie ihre Attraktivität und ihre Wirkung auf das andere Geschlecht beurteilt. Als "Karla" ist sie natürlich runzlig und in ihren eigenen Augen wenig attraktiv, und sie sagt einmal, dass sie sich fühlt, als sei sie über Nacht unsichtbar geworden, und fragt sich, was von ihr eigentlich noch übrig ist. Ich hätte mir gewünscht, dass das noch stärker thematisiert wird!

In ihrer Beziehung zu Ben war sie anscheinend eine kleine Diva, und generell ist sie daran gewöhnt, dass immer alles nach ihrem Kopf geht. Außerdem liest sie nicht gerne, was mir Leseratte natürlich absolut unverständlich ist...

Und trotzdem fand ich die durchgeknallte, melodramatische Lenja liebenswert. Sie ist kreativ und einfallsreich, und wenn sie liebt, dann liebt sie absolut. Sie ist ja noch ziemlich jung, und ich hatte im Laufe des Buches den Eindruck, dass die Ereignisse für sie ein Denkanstoß sind - sie verliert ihre Oberflächlichkeit nicht über Nacht, aber sie beginnt, sie zu hinterfragen.

Ben fand ich ehrlich gesagt ein bisschen langweilig. Eigentlich ist er das genaue Gegenteil von Lenja, denn er ist stets ruhig, gelassen und leidenschaftslos... Aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an?

Tim ist schon seit Ewigkeiten Lenjas bester Freund, und die Zwei halten wirklich zusammen wie Pech und Schwefel. Auch er kam mir erst sehr oberflächlich vor (er hat eine Bettgeschichte nach der anderen, wobei er scheinbar null Respekt vor den Frauen hat), konnte aber im Laufe des Buches dann doch Pluspunkte sammeln! Ich fand rührend, wie besorgt er um Lenja ist.

Dann gibt es da noch Adam, den Praktikanten, der "Karla" bald kaum noch von der Seite weicht, und natürlich die Senioren des Altenheims, die sich schnell als schlitzohrige, erstaunlich umtriebige Originale entpuppen - einfach kostbar, die alten Herrschaften (und Frauschaften) sind mir richtig ans Herz gewachsen!

Der Schreibstil liest sich lockerflockig runter, mit sehr viel Schwung, Pepp und Humor.

Erstaunlich aber wahr: ich fand die Romantik in diesem Buch gar nicht so wichtig wie den Humor und den Kriminalfall! Aber sagen wir mal so: man sollte nicht zu schnell glauben, zu wissen, mit wem Lenja die große Liebe findet - Ben? Tim? Oder doch jemand anders? Jedenfalls gibt es am Ende mehr als ein glückliches Paar!

Fazit:
Die junge, attraktive Lenja verkleidet sich als runzlige alte Dame, um ihre große Liebe Ben zurück zu erobern. Häh? Was in ihren Tagträumen irgendwie Sinn machte, entpuppt sich natürlich schnell als ziemliche Schnapsidee... Und dann geht im Altenheim auch noch ein Verbrecher um, der Frauen mit Botox verunstaltet. So muss Lenja nicht nur um Ben kämpfen, sondern auch ein Verbrechen aufklären, ganz nebenbei ihre Karriere retten und eine jahrzehntealte tragische Liebesgeschichte zu einem Happy End führen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen - es ist ChickLit, aber nicht ChickLit nach Schema F, sondern einfallsreich, schrullig, durchgeknallt und spannend.

Bewertung vom 23.01.2016
Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6
Neuhaus, Nele

Böser Wolf / Oliver von Bodenstein Bd.6


ausgezeichnet

Obwohl dies schon der sechste Fall für das eingespielte Team Kirchhoff & Bodenstein ist, war es für mich tatsächlich das erste Buch aus dieser Reihe, das ich gelesen habe - und es war sicher kein schlechter Einstieg!

Ich hatte das Buch ein paar Monaten zuvor bei einer Tombola gewonnen, dann aber lange schlicht und einfach im Regal ungelesener Bücher vergessen... Tja, und dann las ich es endlich - und legte mir danach direkt auch die ersten fünf Bände und den siebten Band zu. Da brauche ich wohl gar nicht mehr zu erwähnen, dass mich der Krimi vollkommen überzeugt hat?

Obwohl mir die wiederkehrenden Charaktere wie Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein natürlich noch unbekannt waren, gewann ich sehr schnell ein Gefühl dafür, wer sie sind und wie sie ticken. In meinen Augen sind sie gut geschriebene, glaubhafte Charaktere mit Stärken und Schwächen, und auch der ein oder anderen Macke!

Auch die verschiedenen Nebencharaktere fand ich interessant und plausibel, wie z.B. die Karrierefrau Hanna Herzmann, der für ihre Fernsehsendung kein Eisen zu heiß ist und die sich dadurch in ungeahnte Gefahr begibt, ihre Therapeutin Leonie Verges, die Hanna paradoxerweise nicht ausstehen kann und sie dennoch in etwas Unglaubliches hineinzieht, oder auch Pias Schulfreundin Emma, deren heile Welt jäh ins Wanken gerät...

Das Buch packt direkt mehrere brisante Themen an, die betroffen machen und zum Nachdenken anregen, und zeigt sie uns aus Täter- und Opfersicht. Ich möchte hier noch nicht zu viel darüber verraten, aber in meinen Augen geht die Autorin damit taktvoll und mit Fingerspitzengefühl um, verharmlost aber auch nicht.

Ich fand das Buch sehr spannend und habe mich von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten gefühlt. Als "erfahrener" Krimileser kann man sich vielleicht schon denken, dass die scheinbar offensichtlichen Verdächtigen selten die wahren Schuldigen sind, aber ich war mir bis zum Schluss nicht ganz sicher, wie die Dinge tatsächlich abgelaufen waren.

Ganz abgesehen vom Kriminalfall fand ich alleine schon den Einblick in die Seelenwelt der beteiligten Charaktere faszinierend, wenn auch oft bedrückend.

Auch der Schreibstil von Nele Neuhaus gefällt mir gut; er ist sehr "rund" und angenehm zu lesen.

Fazit:
Ein junges Mädchen wird tot aus dem Fluss gezogen. Sie weist Verletzungen auf, die auf schwersten Missbrauch hindeuten, und ist paradoxerweise anscheinend in Chlorwasser ertrunken. Ihr Tod stürzt die Ermittler Kirchhoff und Bodenstein in einen ekelhaften Sumpf aus Brutalität und organisierter Grausamkeit...

Das war mein erstes Buch von Nele Neuhaus und sozusagen meine "Einstiegsdroge"! Ich fand die Charaktere glaubwürdig und interessant, die Themen packend und den Schreibstil wunderbar zu lesen.

Bewertung vom 23.01.2016
Tiefe Wunden / Oliver von Bodenstein Bd.3
Neuhaus, Nele

Tiefe Wunden / Oliver von Bodenstein Bd.3


sehr gut

Natürlich stehen wieder Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein im Mittelpunkt der Ermittlung, und sie sind in meinen Augen einfach rundum stimmige, sympathische und vor allem glaubhafte Charaktere! Ich lese sehr gerne über dieses ungleiche Duo und hoffe, dass es noch viele Taunuskrimis mit ihnen geben wird.

Als Leser lernt man aber auch wieder eine ganze Schar an Nebencharakteren kennen: Täter, Opfer, hilfreiche und weniger hilfreiche Zeugen... Uneheliche Söhne, alte Nazi-Kumpane und angesehener Geldadel. Die Autorin schaffte es mühelos, mir jeden davon nahe zu bringen - ich mochte sie zwar nicht alle (das soll man in einem Krimi ja auch nicht), aber ich fand sie alle gut geschrieben und interessant.

Auch in diesem Buch, wie meist bei den Taunuskrimis von Nele Neuhaus, erscheint der Fall erst mal sonnenklar! Angebliche Holocaust-Überlebende und alte Nazis, da denkt man doch direkt an blutige Vergeltung...? Aber natürlich ist dann doch alles ganz anders, als man denkt, und der Fall wird von Kapitel zu Kapitel immer verwickelter und komplexer, bis einem der Kopf schwirrt. Aber gegen Ende fügen sich die Puzzleteilchen dann nahtlos zu einem so unerwarteten wie schlüssigen Bild zusammen, und man kann als Leser das Buch zufrieden zuklappen.

Mir gefällt, dass Nele Neuhaus ihre Handlungen sehr einfallsreich und facettenreich aufbaut, mit interessanten Themen, die man nicht schon tausendfach in anderen Krimis gelesen hat! Ich finde auch sehr angenehm, dass die Bücher spannend sind, ohne zu blutig und übertrieben gewalttätig zu werden.

Den Schreibstil finde ich eher einfach, aber sehr angenehm und flüssig zu lesen. Ich hatte auch diesen Band wieder in Nullkommanix durch und habe direkt mit dem nächsten angefangen!

Mein einziger kleiner Kritikpunkt: es gab für meinen Geschmack zu viele praktische Zufälle, das wirkte auf mich manchmal zu konstruiert und unglaubwürdig.

Kaum wird zum Beispiel ein Mann ermordet, der eine Legende in der jüdischen Gemeinde ist, trifft die Kommissarin eine Freundin wieder, die den Ermordeten kannte und genau das Expertenwissen hat, das Pia für die Ermittlungen braucht.

Oder die Frau des Kommissars sieht den mysteriösen Code, über den er sich gerade den Kopf zerbricht, und kann ihn direkt korrekt "übersetzen", weil sie zufällig etwas Bestimmtes weiß.

Das fand ich sehr schade, wenn eigentlich hat die Autorin bewiesen, dass sie einfallsreich genug ist, um ohne so etwas auszukommen!

Fazit:
Ein alter Mann wird ermordet, und der Pathologe findet an seinem Oberarm eine Tätowierung, wie sie nur SS-Angehörige trugen - dabei war er angeblich Jude und ein geschätztes Mitglied der jüdischen Gemeinde... Und das ist erst der Auftakt eines erstaunlichen Falles, in den die verschiedensten Menschen verwickelt sind.

Ich fand die Geschichte sehr originell, einfallsreich und spannend, mit ansprechenden Charaktere und einem sehr angenehmen Schreibstil. Nur die vielen Zufälle, ohne die die Geschichte manchmal nicht weitergehen würde, sind mir etwas bitter aufgestoßen, aber im Großen und Ganzen hat mir das Buch sehr gut gefallen.

Bewertung vom 23.01.2016
Mordsfreunde / Oliver von Bodenstein Bd.2
Neuhaus, Nele

Mordsfreunde / Oliver von Bodenstein Bd.2


gut

Den Auftakt dieses Buches macht ein bizarrer Leichenfund. Teile der Leiche werden im Zoo in diversen Gehegen gefunden. Das Opfer: ein charismatischer Lehrer und engagierter Umweltaktivist, der die Leute begeistern konnte wie kein Zweiter. Wer sollte da ein Interesse an seinem Tod haben?

Schnell müssen sich die Ermittler aber eher fragen, wer eigentlich kein Interesse an seinem Tod hat! So glühend ihn die meisten seiner Schüler anbeteten und verehrten, so glühend hassten ihn anscheinend auch viele Menschen. Dadurch, dass er in seinem Heimatort Vetternwirtschaft und Bestechlichkeit aufdeckte und außerdem massiv gegen den Bau der Umgehungsstraße vorging - für viele Unternehmer ein profitables Geschäft! - hatte er sich viele Feinde gemacht. Auch seine Ex-Frau hat ein Hühnchen mit ihm zu rupfen, und seinen Nachbarn war er ein Dorn im Auge. Und hinter den Kulissen gehen noch ganz andere Dinge vor sich... Was ist das zum Beispiel für ein merkwürdiges Internet-Café, dessen Eingang videoüberwacht wird und für das man Passwort und Clubkarte braucht?

Wer schon mal ein Buch von Nele Neuhaus gelesen hat, weiß, dass es in ihren Krimis immer viele, viele, viiiiiele Charaktere gibt, und beinahe ebenso viele Tatmotive. Meist habe ich dennoch keine Probleme, mich zurecht zu finden, ohne den Überblick zu verlieren, denn die einzelnen Figuren werden von ihr sehr lebendig und prägnant beschrieben, so dass sie einem im Gedächtnis bleiben.

Dieses Mal ist die Zahl der Protagonisten jedoch wirklich Legion, so dass ich mir mehrmals dachte: "Wer war das noch mal, und wie hängt der in dieser ganzen Sache drin?"

Auch bei den diversen Tatmotiven verlor ich ein wenig den Durchblick - vor allem da anscheinend wirklich jeder Beteiligte sein Möglichstes tut, um der Polizei so wenig wie nur irgend möglich zu verraten! Da habe ich mich doch manchmal gefragt, warum jemand nicht einfach rausrückt mit seinem Alibi, Herrgott noch mal...

Ich hatte auch öfter mal den Eindruck, dass die Kommissare gleichsam verwirrt durch die Ermittlung stolpern! Zum Teil haben sie mit Privatproblem(ch)en zu kämpfen, wie Bodenstein, der sich Sorgen um die Gesundheit seiner Frau macht, oder Pia, deren romantische Gefühle Achterbahn fahren. Und ansonsten fehlt irgendwie die Struktur, die Absprache, das Teamwork...

Dennoch fand ich die Geschichte unterhaltsam und halbwegs spannend zu lesen, im Vergleich mit Nele Neuhaus' anderen Büchern jedoch eher schwach. In meinen Augen kann man das Buch gut zwischendurch und nebenher lesen - man muss es aber nicht, da sind andere Bände der Reihe meines Erachtens deutlich besser! Gut gefallen hat mir aber wieder das Lokalkolorit.

Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein blieben für mich seltsam blass, und Pias Verhalten konnte ich oft einfach nicht nachvollziehen. Sie träumt direkt von zwei Tatverdächtigen verliebte Träume, und einer davon ist erst 21 Jahre alt! Mit dem geht sie dann auch schon mal Cocktails schlürfen und lässt ihn auf ihrer Coach übernachten. Das erschien mir doch ziemlich unprofessionell, denn sollte man als Kommissarin nicht eigentlich eine gewisse Distanz wahren, zumindest bis der Fall abgeschlossen ist?

Ich empfinde den Schreibstil von Nele Neuhaus als eher einfach, aber trotzdem flüssig zu lesen, mit einer feinen Prise Humor.

Fazit:
Eine Unzahl an Figuren und Tatmotiven, verwirrte Ermittler... Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein laufen hier meines Erachtens nicht zur Höchstform auf, sondern schwächeln ein bisschen vor sich hin. Dennoch ist "Mordsfreunde" in meinen Augen immer noch ein leidlich unterhaltsames Buch, kann aber nicht mit anderen Bänden der Reihe mithalten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.01.2016
Eine unbeliebte Frau / Oliver von Bodenstein Bd.1
Neuhaus, Nele

Eine unbeliebte Frau / Oliver von Bodenstein Bd.1


sehr gut

Der erste gemeinsame Fall von Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein, und der Auftakt der beliebten Taunus-Krimi-Reihe von Nele Neuhaus. Die beiden ungleichen Ermittler müssen sich in diesem Buch also erstmal kennen und schätzen lernen, und ich fand es als Leserin sehr spannend und unterhaltsam, ihnen dabei zuzusehen! Mir haben beide Charaktere auf Anhieb gut gefallen, und ich habe mit viel Vergnügen über sie gelesen.

Oliver von Bodenstein ist vor nicht allzu langer Zeit aus der Großstadt Frankfurt in das idyllische Hochheim versetzt wurden. Pia ist gerade glücklich geschieden und will nun wieder in ihren Beruf als Kriminalkommissarin zurückkehren.

An einen gemächlichen Einstieg in die frischgebackene Partnerschaft ist allerdings nicht zu denken, denn es geht direkt rasant los...

Erst wird im Weinberg die Leiche eines angesehenen Oberstaatsanwalts gefunden, der scheinbar Selbstmord begangen hat. Dann findet man am Fuß eines Aussichtsturms die Leiche einer wunderschönen jungen Frau - ebenfalls ein Selbstmord, oder doch ein Mord? An Verdächtigen besteht jedenfalls kein Mangel, denn scheinbar hat sie sich viele Menschen zu Feinden gemacht... Arrogant, geldgierig und berechnend soll sie gewesen sein, und die Frauen des Reitclubs munkeln, sie wäre mit jedem ins Bett gestiegen, verheiratet oder nicht. Selbst ihr Ehemann reagiert seltsam ungerührt auf die Nachricht ihres Todes.

Der Fall erscheint also zunächst simpel und gradlinig. Alles dreht sich um den Reitstall, in dem die Tote verkehrte, und in dem es vor eifersüchtigen Ehefrauen geradezu wimmelt. Aber je länger Kirchhoff und Bodenstein ermitteln, desto abgründiger und verwickelter wird der Fall. Betrug, Erpressung, Menschenhandel... Ich fand das spannend, einfallsreich und unterhaltsam, und mir gefiel sehr gut, dass dann doch alles anders kommt als zunächst erwartet und man plötzlich ungeahnte Zusammenhänge erkennt.

Die Charaktere waren in meinen Augen zum Teil ein wenig stereotyp, aber die meisten fand ich dennoch wunderbar geschrieben. Überhaupt hat mir der Schreibstil gut gefallen, auch wenn er eher einfach ist! "Solide" war das erste Wort, das mir einfiel, um ihn zu beschreiben.

Fazit:
Zwei Selbstmorde, die vielleicht keine sind. Zwei Ermittler, die in ihrem ersten gemeinsamen Fall ermitteln. Eine Frau, die jeder Mann begehrt und jede Frau gehasst hat.

Das ist unterhaltsam und man kann wunderbar miträtseln - ein richtig netter Regionalkrimi mit Lokalkolorit! Der Auftakt der Taunus-Krimi-Reihe von Nele Neuhaus hat mich rundum überzeugt.

Bewertung vom 18.01.2016
Verborgene Macht / Dark Academy Bd.2
Poole, Gabriella

Verborgene Macht / Dark Academy Bd.2


gut

Achtung: Enthält Spoiler für den ersten Band!

Wenn einem der erste Band einer Reihe so richtig, richtig gut gefällt, schlägt er manchmal zu: der Fluch des zweiten Bandes, der einfach nicht mithalten kann mit der ursprünglichen Begeisterung. Sei es, dass die eigenen Erwartungen einfach zu hoch sind, sei es, dass der Autor bzw die Autorin im ersten Band schon alle guten Ideen verpulvert haben...
Ich taste mich beim Schreiben dieser Rezension erst heran an die Frage, warum mir auch hier der zweite Band nicht mehr ganz so gut gefallen hat wie der erste.

Nach wie vor bin ich sehr angetan davon, dass die Autorin sich etwas ganz eigenes ausgedacht hat, statt auf die üblichen paranormalen Wesen wie Vampire, Werwölfe und Co zurück zu greifen. Man erfährt jetzt etwas mehr über die Welt der Auserwählten und lernt zum Beispiel den Rat der Ältesten kennen. Es wird auch immer klarer, dass es durchaus Zwist und unterschiedliche Wertvorstellungen gibt, die die Auserwählten entzweien. Da gibt es diejenigen, die stolz auf ihre eigene Skrupellosigkeit sind und Menschen nur als Futter betrachten, und diejenigen, die sich eine friedliche Koexistenz wünschen und darauf achten, die als Spender benutzten Menschen nicht zu verletzten.

Interessant finde ich auch, wie sich die unfreiwillige Lebensgemeinschaft von Cassie und Estelle entwickelt. Cassie sträubt sich mit ganzer Kraft dagegen, sich vollständig mit Estelle zu verbinden, während diese unendlich darunter leidet, zu dieser Halbexistenz verdammt zu sein - und aggressiv, hinterhältig und skrupellos darum kämpft, Cassie komplett zu übernehmen.

Aber so interessant ich das auch fand, so bedingt konnte ich dieses Mal nur mit Cassie (lau)warm werden. Gestört hat mich unter anderem, wie unglaublich begriffsstutzig sie manchmal sein kann. Sie wird z.B. davor gewarnt, dass es sehr, sehr schlimme Folgen haben kann, wenn sie ihren Hunger ignoriert, und prompt tut sie genau das. Oder jemand spielt ihr einen ganz offensichtlichen Hinweis zur Lösung eines Problems zu, und sie kapiert es überhaupt nicht... Gut fand ich nach wie vor, dass sie eine Kämpfernatur ist und bereit ist, Opfer zu bringen, um ihre moralischen Wertvorstellungen nicht verraten zu müssen.

Ranjit blieb in diesem Band für mich etwas blass. Er spielt in meinen Augen eher eine Nebenrolle, gerade weil sich seine und Cassies Interessen (abgesehen von wildem Geknutsche) oft ziemlich unterscheiden und sie daher ohne ihn loszieht, um die Welt zu retten (oder zumindest einen Freund). Richard konnte mich dagegen ein wenig mehr für sich gewinnen. Im ersten Band kam er mir vor wie ein unerträglicher Playboy, der mit oberflächlichen Schmeicheleien um sich wirft... Und jetzt erfährt man zumindest, warum er das tut, und dass es eigentlich eine Art Schutzmechanismus ist.

Isabella war wieder wunderbar. Ich habe mich öfter bei dem Gedanken ertappt, dass ich sie als Hauptfigur besser gefunden hätte als Cassie! Sie ist nicht nur selbstlos und loyal, wenn es um ihre Freunde geht, sie ist auch clever und entschlossen, und Cassie wäre ohne sie mehr als einmal aufgeschmissen.

Jake verändert sich im Laufe des Buches merklich, denn es fällt ihm sehr schwer, Cassie als Auserwählte zu akzeptieren, und das macht ihn oft sehr unfair ihr gegenüber. (Obwohl ich das nachvollziehen konnte, schließlich gehört sie jetzt zu denjenigen, die seine Schwester umgebracht haben.)

So richtig Spannung wollte für mich lange nicht aufkommen. Obwohl es eigentlich viele Konflikte gibt, Cassie nur knapp einer Verurteilung entgeht und dann einen Freund vor einem grauenhaften Schicksal bewahren muss, plätschert die Geschichte über lange Strecken etwas vor sich hin. Die größte Bedrohung, etwas jahrhundertealtes, unsäglich Böses, löst sich gegen Ende dann relativ sang- und klanglos auf. Meine Gedanken waren: Wie, das war's schon?

Den Schreibstil fand ich wieder sehr schön und angenehm zu lesen.

Bewertung vom 15.01.2016
Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1
Galbraith, Robert

Der Ruf des Kuckucks / Cormoran Strike Bd.1


ausgezeichnet

Den meisten Leseratten dürfte inzwischen bekannt sein, dass sich hinter "Robert Galbraith" tatsächlich JK Rowling verbirgt, die weltberühmte Autorin von Harry Potter. Und das ist meines Erachtens sowohl Fluch als auch Segen für den Roman: einerseits hat er sich ohne Zweifel weit besser verkauft, als es der Debütroman eines unbekannten Autors getan hätte, andererseits führte diese Verbindung aber auch zu übersteigerten oder fehlgeleiteten Erwartungen.

Ich habe die erste Seite mit dem Vorsatz aufgeschlagen, möglichst schnell zu vergessen, wer Robert Galbraith in Wirklichkeit ist, oder mich zumindest nicht davon beeinflussen zu lassen. Und tatsächlich war das nicht annähernd so schwer, wie ich erwartet hätte! Denn "Der Ruf des Kuckucks" liest sich wirklich völlig anders, nicht nur vom Thema her, sondern auch vom Schreibstil.

Dieser ist unerwartet förmlich und gehoben, wodurch ich den Eindruck gewann, einen klassischen englischen Krimi zu lesen - und dennoch beißt er sich auf interessante Art und Weise mit den modernen Themen und der oft nicht unbedingt höflichen Sprache der verschiedenen Charaktere. Für mich ergibt das eine durchaus ansprechende Mischung!

Inhaltlich hat mich das Buch mühelos überzeugt, und dabei hat mich besonders beeindruckt, dass die Autorin eine Meisterin darin ist, den Teufel im Detail zu verstecken. Scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten spielen 400 Seiten später auf einmal doch noch eine große Rolle, und was eben noch als gesichert galt, ist im nächsten Moment doch wieder ganz anders... Aber wenn man dann gedanklich zurückblickt auf das Buch, stellt man fest, dass es genau so und nicht anders Sinn ergibt.

Es ist ein klassischer "Whodunit": das Buch beginnt mit dem Todesfall, und der Ermittler entschlüsselt nach und nach Tathergang, Motiv und Täter. Trotzdem liest sich das Buch meiner Meinung nach erfrischend originell, und das liegt vor allem an Cormoran Strike und Robin Ellacott.

Strike gehörte bis vor Kurzem als Spezialermittler zu einer Sondereinheit des Militärs, aber dummerweise hat er bei seinem letzten Einsatz ein Bein verloren und schlägt sich deswegen jetzt mehr recht als schlecht als Privatdetektiv durch. Er ist ein interessanter, widersprüchlicher Charakter mit einer sowohl schillernden als auch schwierigen Familiengeschichte, und durch sein bewegtes Leben hat er eine ganze Reihe an nützlichen Kontakten, die sich nicht immer im Rahmen des Legalen bewegen. Einerseits ist er ein harter Hund, andererseits aber auch irgendwie ein netter Kerl mit einem soliden Wertesystem. Aber vor allem ist er hochintelligent und fähig, auch mal um die Ecke zu denken.

Robin ist eigentlich nur durch ein Missverständnis in Strikes Büro gelandet, irrtümlich vermittelt durch ein Zeitarbeitsbüro. Und man könnte sagen, dass die beiden dann auch noch einen katastrophal schlechten Start haben... Aber Robin hat ihr ganzes Leben schon davon geträumt, Privatdetektivin zu sein, und so stürzt sie sich mit Feuerarbeit in die Arbeit - und schon bald beantwortet sie nicht mehr nur Telefonanrufe und macht den Papierkram, sondern hilft aktiv bei den Ermittlungen mit. Manchmal hatte ich fast den Eindruck, dass sie sich mühelos genauso gut schlägt wie Strike, obwohl sie keinerlei Ausbildung auf dem Gebiet hat! Sie hat einfach großartige Einfälle, ergreift immer mal wieder die Initiative und beweist ein gewisses schauspielerisches Talent.

Ich habe schon Kritiken gelesen, in denen bemängelt wurde, das Ende sei vorhersehbar. Auch wenn ich mich jetzt als begriffsstutzig oute: das kann ich überhaupt nicht unterschreiben. Bis zum Schluss hat mich das Buch immer wieder in die Irre geführt! Immer, wenn ich gerade dachte, ich hätte den Täter jetzt erkannt, passierte prompt etwas, was diese Theorie zerschlug.

Der Fall wird von Seite zu Seite komplexer, es tauchen ständig neue Menschen auf, die irgendwie damit zu tun haben... Ich fand das sehr spannend und unterhaltsam.

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