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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 441 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2023
Mein großer Naturführer Tiere & Pflanzen
Böskens, Jana

Mein großer Naturführer Tiere & Pflanzen


ausgezeichnet

"Mein großer Naturführer" von Jana Böskens ist ein wirklich tolles Buch für Kinder ab 8 Jahren, in dem auch ältere Kinder und Erwachsene noch viel Wissenswertes entdecken können.

Der Naturführer enthält zunächst eine kurze allgemeine Einführung in die Welt der Tiere, Pflanzen und Pilze. Der Hauptteil des Buches ist in die Lebensräume Wald, Wiesen und Felder, Gewässer, Auen, Feuchtgebiete und Stadt und Dorf untergliedert.

Die einzelnen Kapitel vermitteln fundiertes Wissen, das gut verständlich aufbereitet ist, ohne zu stark zu vereinfachen. Die Texte werden durch zahlreiche detailreiche farbige Illustrationen, Fotografien, übersichtliche Schaubilder und Infoboxen perfekt ergänzt. Besonders lobenswert finde ich, dass giftige Tiere und Pflanzen durch farbige Totenkopfsymbole gekennzeichnet sind (giftige Tiere in lila, leicht giftige Pflanzen in orange, sehr giftige in rot).

Der handliche Naturführer passt für Wanderungen prima in jeden Rucksack, und die etwas dickeren Seiten sind schön robust. Das Buch eignet sich aber auch hervorragend als Nachschlagewerk oder einfach zum Schmökern auf dem Sofa.

Meine Familie und mich hat das Buch rundum begeistert, und es ist der beste Naturführer für Kinder, den in bisher in Händen hatte. Ich möchte ihn unbedingt weiterempfehlen und werde ihn sicher auch noch des öfteren verschenken.

Bewertung vom 16.07.2023
Ich habe keine Angst
Ammaniti, Niccolò

Ich habe keine Angst


ausgezeichnet

Der Roman "Ich habe keine Angst" des italienischen Autors Niccolò Ammaniti wurde vom Eisele Verlag zusammen mit "Fort von hier" neu aufgelegt. Zeitgleich erscheint auch Niccolò Ammanitis neuestes Werk "Intimleben".

Ich hatte zuvor noch nichts von Niccolò Ammaniti gelesen, der Klappentext machte mich jedoch neugierig.

Das süditalienische Örtchen Acqua Traverse mit gerade einmal vier Häusern und einer alten Villa ist Schauplatz der Geschichte und Heimat des neunjährigen Michele und seiner Familie. Der Sommer 1978 ist sengend heiß, die sechs Kinder des Dorfes vertreiben sich die Zeit. Eines Tages findet Michele beim Spielen in einem abgelegen Haus ein Loch im Boden, in dem ein gleichaltriger Junge angekettet liegt. Michele kehrt immer wieder zu dem Loch zurück, zunächst unschlüssig und überfordert, nähert er sich dem Jungen immer weiter und bringt ihm Essen und spricht mit ihm. Die Antworten sind allerdings wirr, da der Kleine offenbar schwer traumatisiert ist. Durch Zufall erfährt Michele, dass der Junge ein Entführungsopfer ist, und je mehr er über die Hintergründe erfährt, desto unglaublicher und auswegloser wird die Situation.

Ammanito zeichnet ein trostloses Bild dieses kleinen armseligen Dörfchens. Die Häuser sind heruntergekommen, alles wirkt schmutzig, es gibt nicht einmal fließend Wasser. Michele, seine kleine Schwester Maria und die Nachbarskinder sind weitgehend sich selbst überlassen, die Eltern kümmern sich wenig, Liebe und Zuwendung fehlen. Auch die Kinder gehen wenig freundschaftlich miteinander um, haben Spaß daran, sich gegenseitig zu demütigen oder ein Huhn aus Langeweile zu töten. Trotz der Sommerhitze im Buch fröstelt einen beim Lesen. Je weiter das Buch fortschreitet, desto größer wird das Grauen. Einzig Michele und in Andeutungen auch das Nachbarskind Barbara scheinen sich ihre Menschlichkeit bewahrt zu haben.

Ammaniti lässt den Protagonisten Michele rückblickend als Erwachsener die Ereignisse dieses Sommers 1978 erzählen. Vieles bleibt vage, doch als Leser*in kann man sich die Zusammenhänge erschließen. Der Autor erschafft eine düstere, beklemmende Atmosphäre, und er konterkariert die emotionale Kälte durch sentimentale Schlagertexte, etwa als der skrupellose und unberechenbare Felice abwechselnd zweistimmig "Parole, parole" trällert. Mich hat die Stimmung im Buch immer wieder an William Goldings Herr der Fliegen erinnert, das mich als Jugendliche sehr beeindruckt hat.

Wahrlich kein leichter, aber ein sehr bewegender Roman, der menschliche Abgründe aufzeigt und unbedingt lesenswert ist.

Bewertung vom 16.07.2023
Meine langen Nächte
Fabiani, Ilva

Meine langen Nächte


sehr gut

In "Meine langen Nächte" von Ilva Fabiani erzählt die fiktive Anna Alrutz ihre Lebensgeschichte u.a. als sogenannte braune Schwester. Dabei handelte es sich um Mitglieder der NS-Schwesternschaft, die einen Eid auf Adolf Hitler ablegten und an Zwangssterilisationen, Zwangsabtreibungen und systematischen Ermordungen im Rahmen der nationalsozialistischen Rassenhygiene beteiligt waren.

Das Besondere an diesem Roman war für mich die spezielle Erzählperspektive. Der Geist von Anne Alrutz, der als Sühne für Ihre Sünden in dieser Welt gefangen bleibt und nicht zur Ruhe kommen darf, wird immer wieder vom Wind an verschiedene Orte und Zeitpunkte aus Annes Leben getragen. Annes Geist erzählt aus der Ich-Perspektive ihre Erinnerungen, reflektiert und kommentiert diese. Nach und nach entsteht aus diesen einzelnen Episoden ein zusammenhängendes Bild. Zudem ermöglicht ihr der Wind gelegentlich, auch vergangene Ereignisse zu beobachten, die sie damals nicht selbst miterlebt hat, oder im Heute bestimmte Menschen zu besuchen.  Diese Erzählweise ist äußerst reizvoll und sehr gelungen.


Das Buch beginnt 1907 mit Annas Geburt. Sehr ausführlich wird Annas Leben in Braunschweig in einer aufgeklärten und weltoffenen Arztfamilie geschildert, ihre Jugend und ihre erste Jugendliebe, die für Anne wegweisend war. In den 20er Jahren wandte Anne sich immer mehr dem erstarkenden Nationalsozialismus zu und wurde eine glühende Anhängerin Adolf , was letztlich auch in Ihrer Tätigkeit als braune Schwester gipfelte. Am Klinikum Göttingen war sie als Operationsschwester 1934 und 1935 maßgeblich an Zwangssterilisationen beteiligt. Erst ein einschneidendes Erlebnis Mitte 1935 öffnete ihr die Augen und veränderte ihr Denken und Handeln. Das Buch endet zeitlich im Dezember 1935 mit Annas Tod (kein Spoiler, da dies bereits die ersten Buchseiten vorwegnehmen).

Durch den relativ frühen Tod 1935 wird im Buch auch die weitere Entwicklung der NS-Schwesternschaft bis zum Ende des Dritten Reiches und ihre grauenhafte Rolle im Euthanasieprogramm nicht weiter thematisiert. Das fand ich bedauerswert. Der Großteil des Buches widmet sich sich Annes Kindheit und Jugend und möglichen Gründen für Ihre Hinwendung zur NS-Ideologie. Hierbei war ich beim Lesen etwas hin- und hergerissen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass mir die Begründungen etwas zu einfach und unschuldig waren. Andererseits mag es durchaus möglich gewesen sein, dass man, insbesondere als Jugendliche auf der Suche nach dem Platz im Leben, tatsächlich sehr empfänglich für Ideologien ist.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, von dem ich mir jedoch gewünscht hätte, dass der Focus stärker auf die Tätigkeiten als braune Schwester gelegt worden wäre und der Roman einen größeren Zeitrahmen im Dritten Reich abgedeckt hätte, um die Verbrechen an den Kliniken noch deutlicher werden zu lassen.

Bewertung vom 16.07.2023
Aufrappeln
Poznan, Judith

Aufrappeln


ausgezeichnet

Der autobiographisch geprägte Roman "Aufrappeln" von Judith Poznan ist eines der ganz wenigen Bücher, die ich schon aufgrund des Covers lesen wollte, da der Titel in Verbindung mit den hängenden Tulpen eine Art von Humor ausstrahlt, die mir auf Anhieb gefiel.

Den frischen und klaren Schreibstil mochte ich vom ersten Moment an, und ich konnte mich sehr gut in die Figur der Judith, ihre Situation und ihre Gedanken einfühlen. Als Bruno Judith verlässt, muss sie sich mit Mitte dreißig unvermutet noch einmal neu erfinden. Ihre Ansprüche an das Leben und die Liebe treffen auf die Wirklichkeit, und da ist die Erkenntnis, an den eigenen Träumen und Maßstäben vom kleinen Glück gescheitert zu sein. Und dann stehen Bruno und sie auch noch vor der Aufgabe, nach ihrer Trennung als Paar weiterhin gemeinsam Eltern eines Kleinkindes zu bleiben. Die Art und Weise, wie sie dies angehen, fand ich bewundernswert und ermutigend. Wie sich Judith Schritt für Schritt "aufrappelt", sich zaghaft neu orientiert, Freiheiten entdeckt, ihre Vorstellungen reflektiert, sich an ihre erste Jugendliebe erinnert, auch schmerzhafte Momente erlebt, ist ganz behutsam und mit einem Blick für die kleinen Details erzählt, und mit einem wunderbar feinen, klugen Humor hinterlegt, der die Geschichte trägt und ihr eine gewisse Leichtigkeit verleiht.

Ein leiser, ehrlicher, nachdenklicher Roman, der Mut macht und in dem ich mich oft selbst erkannt habe. Einige Passagen habe ich mir sogar markiert, weil ich sie so treffend fand.

Bewertung vom 16.07.2023
Perlenbach (eBook, ePUB)
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach (eBook, ePUB)


sehr gut

Mit "Perlenbach" ist nach "Ginsterhöhe" der zweite Band der Eifeltrilogie von Anna-Maria Caspari erschienen, wobei dieser zeitlich vor "Ginsterhöhe" angesiedelt ist. Somit kann der 2. Band auch völlig problemlos vor dem 1. gelesen werden.

Schauplätze sind das Bauerndorf Wollseifen und das Städtchen Montjoie, das heutige Monschau. Der Roman begleitet den Bauernsohn Wilhelm aus Wollseifen, Jacob, den Sohn des Tuchfabrikanten Becker, und die Arzttochter Luise zwischen 1865 und 1905. Die Kinder Jacob und Luise sind Nachbarn in Montjoie, und Wilhelm darf für einige Jahre die Wintermonate bei Beckers verbringen als Gesellschaft für den schwächlichen Jacob. Die Kinder werden enge Freunde. Als die Drei älter werden, geht jeder seinen eigenen Weg, und insbesondere der Kontakt zu Wilhelm wird loser. Als sich alle drei auf einem Fest wiedersehen, geschieht etwas, das ihre Freundschaft für immer verändert.

Da ich bisher wenig über die Geschichte der Eifel wusste, aber selbst aus einer Stadt komme, in der die Tuchherstellung eine lange Tradition hat, hat mich die Grundidee des Buches sofort angesprochen. Man erfährt ganz nebenbei einiges über den Bau der Erfttalsperre und den Niedergang der Tuchfabrikantion in der Eifel um die Jahrhundertwende. Durch die Figur der Luise, die unbedingt Ärztin werden möchte in einer Zeit, in der Frauen noch nicht als Studentinnen an deutschen Universitäten zugelassen sind, und ihre Gouvernante Friederike, die sich aktiv für Frauenrechte einsetzt, werden auch die Rolle der Frau, die beginnende Organisation von Frauen in Vereinen (und deren Verbot durch die Sozialistengesetze) und der Kampf um gleiche Rechte ausführlich thematisiert.

Der Roman hat mir insbesondere im ersten Teil sehr gut gefallen, der Schreibstil ist angenehm zu lesen, die Geschichte abwechslungsreich und unterhaltsam. Im späteren Verlauf konnte mich das Buch weniger begeistern. Wilhelms Verhalten war in meinen Augen überzogen und Jacob wurde doch sehr klischeehaft dargestellt (Da ich nicht spoilern möchte, kann ich hier nicht konkreter werden.). Seine weinerliche, selbstmitleidige und passive Art ging mir ziemlich auf die Nerven, und mir war unverständlich, dass Luise sich in so hohem Maße für ihn eingesetzt hat. Insgesamt war der 2. Teil für mich zu dick aufgetragen. Die Tagebucheinträge von Friederike waren zudem ein sehr durchsichtiges und etwas plumpes Mittel, um die politische und gesellschaftliche Entwicklung in den Roman einzubinden.

Insgesamt ein interessanter Roman über das ausgehende 19. Jahrhundert in der Eifel, der mich gut unterhalten hat, mir aber nicht nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 14.07.2023
Der Pakt / Schatten Bd.1
Parvela, Timo

Der Pakt / Schatten Bd.1


sehr gut

Mit "Der Schatten (1) - Der Pakt" erscheint der erste Band der Schatten-Trilogie des renommierten finnischen Kinderbuchautors Timo Parvela. Da mein Sohn bereits seit Jahren die Ella-Bücher von Parvela liebt, war dieses Buch ein Muss.

Als erstes sticht das unglaublich schöne, herrlich gruselige Cover ins Auge, und auch Pasi Pitkänens aufwendige und durchgehend farbigen Illustrationen im Buch sind einfach der Hammer.

INHALT:
Petes beste Freundin Sara ist sehr krank und muss bald sterben. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als dass Sara wieder gesund wird, und erzählt einem Weihnachtsmann im Kaufhaus davon. In der darauffolgenden Nacht erhält Pete Besuch von dem merkwürdigen Wichtel Elpiö, der Pete einen Pakt vorschlägt: Sara wird wieder gesund, wenn Pete hierfür auf seinen Schatten verzichtet. Pete ist einverstanden, denn wofür braucht man schon einen Schatten? Doch bald wird ihm klar, dass er mit dem Schatten auch einen Teil seines Selbst, seiner Seele, verloren hat. Er empfindet keine Zuneigung und kein Glück mehr,  nur noch Haß, Leere und Wut. Er möchte daher seinen Schatten unbedingt zurückbekommen, und gerät hierbei in ein gefährliches Abenteuer.

Neben Petes Geschichte gibt es noch einen zweiten Handlungsstrang um die Schattenflickerin Uudit, die in der Wichtelwelt lebt.

MEINE GEDANKEN ZUM BUCH MIT BEWERTUNG:
Über die Bedeutung der Schatten widmet sich Parvela der Frage, was einen Menschen ausmacht, das Gute, Mitfühlende, seine Fähigkeit zu lieben.

Parvela greift im Buch auch die Themen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit auf. So wettert Petes verbittert Vater gegen Asylsuchende, und einige Politiker, bei denen Pete auffällt, dass sie auch keinen Schatten haben, äußern sich ebenfalls xenophob. In der Wichtelwelt wird Uudit aufgrund ihres Aussehens von Wichteln diskriminiert, da man ihr ansieht, dass ihr Vater ein Gnom ist.

Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie und enthält keine in sich abgeschlossene Geschichte. Vielmehr erfährt man im 1. Band schrittweise mehr über die Schatten und was es bedeutet, diese zu verlieren, und über die Wichtelwelt, die mit der Menschenwelt durch Portale verbunden ist. Viele Fragen bleiben offen und werden wohl erst in den nächsten Bänden geklärt. Das Buch endet mit einem Cliffhanger, enthält im Anhang jedoch die ersten drei Kapitel des 2. Bandes, so dass man einen kleinen Vorgeschmack davon bekommt, wie es weitergeht (Band 2 erscheint bereits im Oktober 23).

Die Geschichte richtet sich an Kinder ab ca. 10 Jahren und ist schon richtig düster und unheimlich. Es gibt sehr dunkle Mächte, mystische Figuren und gruselige Szenen, wobei ich eine Szene, in der eine Scheinhinrichtung vollzogen wird, als etwas grenzwertig empfand. Insgesamt hat das Buch einen sehr düsteren Tenor, und keine der Figuren ausser Pete ist ein echter Sympathieträger, und auch Pete zeigt nach dem Verlust des Schattens seine dunkle Seite.

Da mein Sohn gerade geheimnisvolle Geschichten mit viel Nervenkitzel liebt, kam das Buch bei ihm richtig gut an, und er ist schon richtig gespannt darauf,  wie es weitergeht.
Im Gegensatz zu ihm konnte mich die Geschichte noch nicht zu 100 Prozent überzeugen. Manches wirkt auf mich unrund, und wenn man mit dem Wissen vom Ende des 1. Bandes Sara Verhalten gegenüber Pete überdenkt, ist dieses rückblickend nicht logisch. Die Figuren haben bisher alle wenig Tiefe und wirken recht eindimensional. Was die Schatten angeht, ist die Begriffsverwendung verwirrend: Wer seinen Schatten verliert, verliert seine Seele und eine leere Hülle bleibt zurück. Diese Hülle wird aber immer wieder ebenfalls als Schatten bezeichnet. Das ist widersprüchlich, da an einigen Stellen im Buch klar zwischen der Hülle und dem Schatten unterschieden wird (etwa am Anfang von Kapitel 26), an anderen beide Begriffe für dasselbe verwendet werden (Ende von Kapitel 25, die Wesen in Kapitel 35, die den Schattenring bilden, u.v.a).

FAZIT:
Insgesamt eine sehr spannende, gruselige Geschichte mit fantastischen Illustrationen für Kids ab ca. 10 Jahren, die Lust auf die Fortsetzung im nächsten Band macht.

Bewertung vom 10.07.2023
Tintenherz / Tintenwelt Bd.1 (eBook, ePUB)
Funke, Cornelia

Tintenherz / Tintenwelt Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Da ich bereits dem Jugendalter entwachsen war, als die Tintenwelt-Trilogie veröffentlicht wurde und ich nie viel Fantasy gelesen habe, ging Tintenherz bisher an mir vorbei. Nun hat mein Sohn bald das passende Alter, und ich hatte große Lust, schon mal vorab in die Tintenwelt abzutauchen.

Die Idee, Figuren aus Büchern herauszulesen, faszinierte mich auf Anhieb, und auch Cornelia Funkes bildhafter, lebendiger und teils poetischer Schreibstil gefiel mir sehr und ist für ein Jugendbuch ab ca. 11 Jahren wirklich bemerkenswert. Die große Liebe zu Büchern spricht aus jeder Seite, und die Geschichte zeigt, wie wunderbar, aufregend und magisch es sein kann, sich an einem sicheren, heimeligen Ort von den wildesten Abenteuern in Büchern fesseln zu lassen. Selbst Teil eines solchen zu werden, ist jedoch oft alles andere als wünschenswert. Die Geschichte ist bis zum Schluß spannend, wobei die Handlung sich deutlich an einem jugendlichen Publikum orientiert.

Mein Lieblingscharakter ist Staubfinger, da er für mich die tiefgründigste Figur darstellt und innere Konflikte und Ambivalenzen deutlich werden. Die anderen Charaktere sind mitunter etwas schwarz-weiß geraten (Capricorn und seine Männer, Mo, Meggie) und Elinors Figur empfand ich als etwas "holprig". Ich denke jedoch, dass dies (und die ein oder andere kleine logische Schwäche) der jugendlichen Zielgruppe möglicherweise weniger auffallen dürfte.

Insgesamt ein wirklich außergewöhnliches, sehr fantasievolles und unbedingt lesenswertes Jugendbuch! Ich freue mich schon darauf, die weiteren Bände Tintenblut und Tintentod der Trilogie zu lesen. Mitte Oktober erscheint überdies mit "Die Farbe der Rache" ein brandneuer vierter Teil!

Bewertung vom 10.07.2023
Tür an Tür
Magnus, Ariel

Tür an Tür


ausgezeichnet

Argentinien hat als Einwanderungsland eine wechselvolle Geschichte und wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts durch den zunehmenden Antisemitismus in Europa ein Emigrationsziel für Juden aus Russland und Osteuropa. Nach der Machtergreifung Hitlers und während des zweiten Weltkrieges emigrierten vielen deutsche Juden nach Argentinien und trafen dort in der Nachkriegszeit auf Kriegsverbrecher und Nazis, die dorthin geflohen waren, um der Strafverfolgung zu entgehen. In "Tür an Tür. Nazis und Juden im argentinischen Exil" beleuchtet Ariel Magnus, Enkel nach Argentinien eingewanderter Juden, dieses mitunter skurrile Zusammenleben in direkter Nachbarschaft. Bekennende Nazis und Kriegsverbrecher konnten über viele Jahrzehnte relativ unbehelligt in Argentinien leben und erschreckend offen ihre Nazi-Ideologie vertreten.

Ariel Magnus begibt sich auf die Suche nach der Identität der Jeckes, der im Ausland lebenden Deutschen jüdischer Abstammung, und zeigt die Vielfalt und Inhomogenität jüdischen Lebens und Selbstverständnisses in Argentinien. Zudem lässt er den Leser teilhaben an seinen inneren Konflikten als deutschjüdischer Auswanderer der dritten Generation, der seit einigen Jahren wieder in Deutschland lebt.

Ein sehr empfehlenswertes und interessantes Buch, das sehr zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 10.07.2023
Wie isst man ein Mammut?
Seeburg, Uta

Wie isst man ein Mammut?


ausgezeichnet

Da ich die Autorin Uta Seeburg unabhängig vom Genre sehr schätze und insbesondere ihre Major Gryszinski-Krimis liebe, war ich sehr gespannt auf "Wie isst man ein Mammut". Mit der für Uta Seeburg typischen Sprachfreude und ihrem trockenen Humor nimmt das Buch den Leser und die Leserin in 50 abwechslungsreichen und unterhaltsamen Geschichten auf höchst vergnügliche Weise mit auf einen kulinarischen Streifzug durch die Geschichte der Menschheit  von 11000 v. Chr. bis ins Jahr 2021.

Als Leser*in sitzt man mit den Etruskern bei hefigst gewürzten Speisen zu Tisch, erlebt das Ritual gursha in Äthiopien, nimmt an einem mittelalterlichen Gelage teil und erfährt Erstaunliches, etwa über die Entwicklung der buttrigen Saucen im Frankreich des 17. Jahrhunderts, die einen Paradigmenwechsel in der westeuropäischen Esskultur einläutete. Ich habe nicht nur Neues über historische kulinarische Bräuche fremder Kulturen gelernt, sondern auch über frühere Essgewohnheiten im mitteleuropäischen Raum.

Das Buch bietet eine perfekte Mischung aus lockerer Unterhaltung und interessanten Informationen über unterschiedlichste historische Gerichte, Tischsitten und ihre Bedeutung für das soziale Gefüge der jeweiligen Gesellschaft. Ich hatte viel Freude an der Lektüre und könnte mir das Buch auch sehr gut als Geschenk vorstellen.

Bewertung vom 10.07.2023
Ist dir auch so heiß?
Heppel, Uli;Fuchs, Sabine

Ist dir auch so heiß?


gut

"Ist dir auch so heiß" von Uli Heppel und Sabine Fuchs verspricht Überlebenstips für die Wechseljahre. Ich erhoffte einen humorvollen, augenzwinkernden Ratgeber, der fundierte, moderne und substanzielle Tips für den Umgang mit dem Klimakterium bietet. Diese Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Die Ratschläge in den einzelnen Kapiteln kommen nicht über ein sehr oberflächliches "Akzeptiere dich selbst, begreife die Veränderungen als Chance"-Niveau hinaus und werden durch viele ganzseitige Illustrationen und seichte Kalendersprüche ("Wenn ich beim Yoga die Kerze nicht schaffe, mache ich einfach ein Teelicht") ergänzt, so dass das Büchlein in gut zwei Stunden ausgelesen ist. Leider bedient das Buch meiner Meinung nach viele Klischees, nach denen wir Frauen angeblich Probleme haben, Nein zu sagen, uns viele Gedanken um unser Aussehen machen, gefallen möchten und gerne netzwerken. Ich finde mich hier tatsächlich nicht wieder. Evtl. hätte ich vorher den Blog "Fuck the Falten" der Autorinnen besuchen sollen, um mir ein Bild von ihrer Herangehensweise zu machen.

Wer lockere Sprüche und eher leichte Wohlfühl-Ratgeber mag, wird dieses Buch sicher gerne lesen. Praktische Ratschläge zu konkreten Problemen  sucht man jedoch vergeblich.