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Juti
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Bewertungen

Insgesamt 660 Bewertungen
Bewertung vom 06.05.2021
Letzte Liebe
Arnim, Bettina von

Letzte Liebe


weniger gut

Entsprach nicht meinen Vorstellungen

Dieses in seiner Aufmachung ganz tolle Buch, das man ungern aus der Hand nehmen möchte, mit schönen Bildern, den Briefen zwischen Bettine von Arnim und Julius Döring, Anmerkungen zu den Briefen und einem ausführlichem Nachwort hat nur einen Nachteil: Es interessierte mich nicht.

Die Briefe sind etwas für von Arnim-Forscher, aber nichts für Romantikliebhaber, oder zumindest zu ausführlich. Wegen der schönen Form immerhin 2 Sterne.

Bewertung vom 03.05.2021
Vom Aufstehen
Schubert, Helga

Vom Aufstehen


sehr gut

Über das Leben

Drei Themen haben die Geschichten dieses Buches. Das Leben im Krieg, das Leben in der DDR und das Leben im Alter. Alle drei Fäden werden in der Schlusserzählung verbunden, die zu Recht den Bachmannpreis gewonnen. „Es ist da alles im mittlerer Stimmlage und Stärke gesprochen, mäßig durchaus, durchaus prosaisch, aber das ist der wunderlich übermütigste Prosaism, welchen die Welt gesehen hat“, lässt Thomas Mann in „Lotte in Weimar“ Doktor Riemer über Goethe schwärmen. Er hätte auch über Helga Schubert reden können.

Noch einmal würde ich wegen des ruhigen Tons dieses Buch in der Adventszeit lesen, wenn auch einmal Ostern behandelt wird, weil die Autorin sich beschwert, dass in Kinderbüchern nach dem Abendmahl - ohne vom Leiden Jesu zu berichten – direkt von der Auferstehung geschrieben wird.
Leise fragt sie, wie lange wir wohl noch von Altweibersommer reden, lobt die Pfarrerin, die ihr das Vierte Gebot erklärte und die drei Heldentaten ihrer Mutter, die sie am Leben hielten.

Dennoch fehlt mir in ihrem Werk bis auf „Vom Aufstehen“ das Neue, das Reizvolle, das Unvergessliche. Angesichts des vielen Lobes von mir 4 Sterne, aber dafür noch ein schöner Witz:

Zitat: Treffen sich zwei auf der Straße. Sagt der eine, kennst du schon den neuen Witz, wo die Frau sich aus dem Fenster lehnt und schreit: Hilfe, Hilfe! Ich hab meine Schere verschluckt, und ihr Mann am Fenster auftaucht und sagt, ist nicht so schlimm, nimm meine! - Ne, kenn ich nicht sagt der andere, erzähl mal! (101)

Bewertung vom 01.05.2021
Hope Street
Campino

Hope Street


ausgezeichnet

Oberschichtenroman

Was wie ein Fußballbuch daherkommt – und einem Details über das Leben von Klopp und seinen Feiern nach seinen Spielen verrät – ist weit mehr. Campino fliegt aus ganz Europa zu vielen Spielen in ganz Europa des Liverpooler FC. Sein schlechtes Gewissen der Umwelt gegenüber besänftigt er, in dem er auch den Ausgleich für seinen CO2-Verbrauch zahlt.

Wenn der Sänger der Toten Hosen es wegen Auftritten nicht ins Stadion schafft, dann schaut er die Spiele daheim auf dem Sofa. Dass er zwischen Düsseldorf und Berlin wählen kann, zeigt wieder, dass Geld für Campino keine Rolle mehr spielt. Und so ist es nur folgerichtig, dass er die ent­scheidenden Spiele zur Liverpooler Meisterschaft mit Klopps Familie in Kampen auf Sylt schaut.

Wer sich für die Geschichte der Liverpooler Mannschaft interessiert, kommt nicht zu kurz. Von den großen Stars der Vorzeit, wird ebenso erzählt, wie von der Katastrophe im Heysel-Stadion und in Hillsborough. Nach letztere sank der Verkauf der „Sun“ in Liverpool wegen einer Lügenkampagne von 400.000 auf 10.000. Das schreibt Campino im Kapitel „You’ll never walk alone“, in dem auch über die Geschichte der Liverpooler Hymne berichtet wird. Nicht fehlen darf natürlich auch die finanzielle Unterstützung der Toten Hosen für Fortnua Düsseldorf.

Zu Tränen rührte mich der Trost des Vaters für Campino, als er den Bandleader tröstete, als es ausgerechnet beim 1000. Konzert der Toten Hosen im Düsseldorfer Rheinstadion zu Verletzen und Toten kam. Der zweite Teil ist nämlich eine immer in die Saison einfließende Biografie Campinos, die schon bei seinen Eltern beginnt. Sein Vater stammt aus Berlin und überlebte im Krieg den Kessel von Stalingrad, weil er wegen einer Kopfverletzung gerade noch rechtzeitig ausgeflogen wurde. Nach dem Krieg lernte er im Studium in Göttingen Campinos englische Mutter kennen, die den Deutschen beim Wieder­aufbau half. Der Kulturkonflikt zwischen England und Deutschland wird ausführlich thematisiert.

Da ich von den Hosen nur ihre Toptitel kenne, kam für mich die Musik nicht zu kurz. Ich verstehe aber, dass eingefleischte Punk-Fans von Campino enttäuscht sind, weil sie sehen, dass die politische Ziele, für die diese Musik stand, längst dem Kommerz geopfert wurden.

Ich habe dieses Buch aber anders gelesen und mich daran erfreut, wie einer ein Leben beschreibt, in dem Geld keine Rolle spielt. 5 Sterne

Bewertung vom 26.04.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


gut

Koreanische Frauenbewegung

Vermutlich fragt sich die deutsche Leserin, ob die Situation in unserm Land besser ist als die Benachteiligungen der Frauen in Südkorea. Weibliche Föten werden hier nicht abgetrieben. Aber Männer verdienen auch hier mehr als Frauen.

Was mich wundert, dass keine Kritik bisher den Vergleich zu Annie Ernaux zieht. Die Französin wächst sogar in einer Arbeiterfamilie auf, während Kim Jiyoung in einer Mittelschichtfamilie aufwächst. Ernaux verwendet das unpersönliche „man“, während diese Geschichte durchgehend in der dritten Person erzählt wird. Am Ende wird verraten, dass der Erzähler ein männlicher Psychologe ist.

Aber durch Fußnoten wird klar, dass die Nadelstiche, die die Hauptfigur als Frau erleben muss, keine Einzelfälle sind. Unser Bild der koreanischen Frau wir durch dieses monothematische Buch jedoch nicht verändert. Wussten wir nicht vorher schon, dass Männer bevorzugt werden?

Schade finde ich, dass Kim Jiyoung sich häufiger verkneift, ihre Gedanken laut zu äußern. Eine Einmischung der Verwandte in die Familienplanung ist eine Sauerei und sollte ruhig auch so benannt werden. Dass hätte der Geschichte mehr Spannung gebracht.

So bekommt alles einen Wohlfühlton, der sich aber leicht und gut lesen lässt. Wenn dieses Buch etwas zur Verbesserung der Frauenrechte erreicht, dann ist das ja schon ein Erfolg. Von mir 3 Sterne

Bewertung vom 22.04.2021
Streulicht
Ohde, Deniz

Streulicht


ausgezeichnet

liebevoller Unterschichtenroman

Der Autorin gelingt es in diesem Roman, die Jugend in einem äußerlich denkbar schlechten Familie zu beschreiben. Zwar ist der Vater Messi und Alkoholiker, der in seinen Suchtanfällen die Tochter nicht ins Wohnzimmer lässt und auch die Mutter, die auf dem anatolischen Land ungeliebt von ihren Eltern aufgewachsen ist, aber deutsch gelernt hat, steht nicht für intellektuelles Milieu, aber immerhin befreite sich die Mutter von der religiösen Sitte, kein Schweinefleisch zu essen.

Beim Lesen entsteht der Eindruck, wenn das Jugendamt erfahren hätte, dass in der Wohnung kein Platz zum gemeinsamen Essen war und jeder in seinem Zimmer gegessen hat, den Eltern wohl möglich die Erziehung der Tochter abgenommen worden wäre, dann wird dabei jedoch auch deutlich, dass die Eltern nicht ohne Liebe das Aufwachsen der Tochter begleiten.
Bizarr wirkt es schon, wenn der Vater dem Lehrer beim Elternsprechtag nicht korrigiert, dass er nicht die Tochter von der Freundin Sophia ist. Sophia, die die Ich-Erzählerin mit aufs Gymnasium zieht, ist mit ihrem gemeinsamen Freund Pikka ein weiterer Haltepunkt.

Wenn Kritiker wie Denis Scheck vom scheitern reden, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Die Ich-Erzählerin muss zwar tatsächlich vor der Oberstufe das Gymnasium, auf dem sie kaum aufgefallen ist wegen schlechter Leistungen verlassen, doch nach anderthalb Jahren RTLII-Schauens entschließt sie sich die Abendschule zu besuchen. Mit Zeit Abonnement und der Förderung einer guten Lehrerin wechselt sie auf ein entferntes Gymnasium und macht Abitur mit Einserschnitt.

Zwischendurch stirbt noch der Großvater und die Mutter, vermutlich weil sie zu spät zum Arzt geht. Leider erfahren wir nicht, in welcher Klasse die Tochter da war. Auch der Stadtteil neben dem Industriepark lädt nicht zum Bleiben ein. Selbst die Frau, die sich 1996 in der Christmette in die Luft sprengte, hat es im Frankfurter Stadtteil Sindlingen tatsächlich gegeben.

Das Buch endet mit dem Studium fernab der Heimat, wo sie schnell einen Freund kennenlernt. Eigentlich hätte mir besser gefallen, wenn das Buch mit dem Abitur beendet gewesen wäre. Wir lesen, dass die Motivation ein wenig nachgelassen hat, und es endet mit den tröstenden Worten des Vater, der bezogen auf das Studium sagt: „Wenn’s nichts wird, kommst wieder heim.“

Allenfalls kleinere Ungenauigkeiten, deswegen 5 Sterne.

Bewertung vom 22.04.2021
Erste Person Singular
Murakami, Haruki

Erste Person Singular


sehr gut

Unterhaltende Erzählungen

Das Buch beginnt mit einer Frau, die beim Orgasmus immer den Namen anderer Männer schreit und deswegen ins Handtuch beißt. Danach will der Ich-Erzähler ein Konzert seiner Mitschülerin besuchen, das aber nicht stattfindet. Stattdessen trifft er im Park einen Rentner, der sich einen Kreis mit vielen Mittelpunkten vorstellen kann.

Nun folgt die schönste Geschichte: Der Ich-Erzähler erfindet in einer Geschichte die Platte „Charls Parker Plays Bossa Nova!“ und findet später die LP in einem Laden in New York, kauft sie aber nicht. Als er sie am nächsten Tag doch kaufen wollte, findet er sie nicht mehr. Ob es den Traum noch brauchte, wo er die Musik noch hörte, ist eine berechtigte Frage. Aber an der Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu schreiben, ist Murakamis Stil.

Musik ist dem Japaner wichtig. So wie bei der Erzählung über den Bruder seiner ersten Freundin, den er später zufällig wiedertrifft. Er berichtet ihm, dass seine Freundin sich später umgebracht hat.
Später unterhält er sich in einer anderen Geschichte mit der hässlichsten Frau über Schumanns Werk Carnival.
Seine zweite Liebe ist Baseball. Aber ich fand seine „Gedichte“ dazu nicht lesenswert. Besser wird er, wenn er in die Phantasiewelt eintaucht. So lässt er sich von einem Affen in Shinagawa den Rücken schrubben und ermahnt gleichzeitig zu menschlichen Arbeitsbedingungen. Mit der titelgebenden Erzählung endet der Band über ein Bargespräch, bei der er von einer Frau beleidigt wird.

Einerseits hat mich das Buch gut unterhalten, andererseits blieb mir nichts in Erinnerung. Es wäre schon mal Interpretationen zu Murakimis Geschichten zu lesen. Meine Bewertung gibt nur in Stichworten den Inhalt wieder. 4 Sterne

Bewertung vom 16.04.2021
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war / Alle Toten fliegen hoch Bd.2
Meyerhoff, Joachim

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war / Alle Toten fliegen hoch Bd.2


sehr gut

Wie schon die anderen Bücher Meyerhoff wird lustig autobiographisches geschildert. Diesmal seine gesamte Kindheit als Sohn des Leiters der Jugendpsychatrie in Schleswig. Die Geschichten sind etwas kürzer und im letzten Teil wird kurz der 1. wiederholt und der 3. angekündigt.
Deswegen gibt es für diesen Band nur 4 Sterne.

Bewertung vom 16.04.2021
Amerika / Alle Toten fliegen hoch Bd.1
Meyerhoff, Joachim

Amerika / Alle Toten fliegen hoch Bd.1


ausgezeichnet

Nach der Lektüre des 3. Bandes wollte ich alle Bücher von Meyerhoff lesen.

Die Erwartungen aus dem 3.Band erfüllt auch der erste. Der Autor beschreibt die Zeit als Austauschschüler in Amerika, während sein mittlerer Bruder in Deutschland bei einem Autounfall stirbt. 5 Sterne

Bewertung vom 16.04.2021
Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke / Alle Toten fliegen hoch Bd.3
Meyerhoff, Joachim

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke / Alle Toten fliegen hoch Bd.3


ausgezeichnet

Dieses lustige Buch machte mich vor Jahren schon zum Meyerhoff-Anhänger. Damals war meine Kritik noch nicht so lang.

Der Autor wohnt bei den Großeltern, die den Alkohol huldigen und alles an seinem Platz lassen, in München und besucht die Schauspielschule, die ihn fast entlassen hätte. 5 Sterne

Bewertung vom 16.04.2021
Hamster im hinteren Stromgebiet / Alle Toten fliegen hoch Bd.5
Meyerhoff, Joachim

Hamster im hinteren Stromgebiet / Alle Toten fliegen hoch Bd.5


sehr gut

Der Witzemacher hat Schlaganfall

Zwei Dinge habe ich mich beim Lesen des Buches immer wieder gefragt:
Wie kann ein Autor, der eine Sexologie plant (ich hoffe, dass man ein Werk mit 6 Bänden so nennt), wissen, dass er zwischenzeitlich einen Schlaganfall bekommen wird, über den er im 5. Band schreiben wird. Meyerhoff wollte doch bestimmt über ein anderes Thema schreiben!
Und 2.: Passen seine Reisegeschichten in der Nacht auf der Intensivstation zum Thema?

Beim früheren Burgschauspieler darf man nicht fragen, ob sich das alles so ereignet hat. Wichtig ist, dass es lustig ist oder zumindest interessant. Letzteres bedurfte bei den Reisen genauere Angaben, damit ich als Meyerhofffan auf seinen Spuren durch Norwegen wandern oder durch den Senegal fahren kann.

Eine Krankheit ist für den Autor vielleicht das falsche Thema, auch wenn es keinesfalls langweilt, wie er mit seiner Tochter im Krankenwagen wartet, bis eine Klinik gefunden wird.

Richtig lachen musste ich aber erst auf S.200 als über Verkehrsminister Scheuers Pressekonferenz zu den niedrigsten Verkehrstotenzahlen berichtet wird, die durch „Renntraining für Senioren“ noch weiter gesenkt werden sollen. „Lieber an der Ampel flitzen, als wochenlang im Rollstuhl sitzen“ und „Wer zu langsam geht, den bestraft das Leben“ fällt dem Autor dazu ein. Noch schöner ist der Witz seines Sohnes, der für diesen Ort leider zu lang ist.

Mit besserer Gesundheit kommt Meyerhoff richtig in Fahrt und lässt uns teilhaben an einer Waschaktion für einen Herrn Wurz und an einem Besuch in der Mensa von Schlaganfallpatienten.
Anfangs dachte ich, der Autor hätte seine Spritzigkeit verloren, doch das rasante Ende erzwingt mindestens 4 Sterne.